Instanzenzug: Az: 210 KLs 11/24
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten ‒ bei Freispruch im Übrigen ‒ wegen „unerlaubten“ Handeltreibens mit Cannabis in 171 Fällen, davon in fünf Fällen in Tateinheit mit „unerlaubtem“ Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, wegen „unerlaubter“ Überlassung von Cannabis an Minderjährige zum unmittelbaren Verbrauch in 600 Fällen, wegen „unerlaubter“ Überlassung von Betäubungsmitteln an Minderjährige zum unmittelbaren Verbrauch in 68 Fällen, wegen Vergewaltigung und wegen räuberischer Erpressung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision, mit der der Angeklagte das Urteil angreift, soweit er verurteilt worden ist, hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO) und ist im Übrigen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
21. Die Verurteilung des Angeklagten wegen räuberischer Erpressung im Fall II.2.e) der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
3a) Nach den Feststellungen forderte der Angeklagte von der Geschädigten die Zahlung eines Geldbetrages in der Größenordnung von 5.000 Euro als Ausgleich für Geldgeschenke und sonstige Leistungen, die er ihr während der inzwischen beendeten Beziehung zugewandt hatte. Seine Forderungen erhob er mit einigem Nachdruck und stellte ihr massiv nach. Die Geschädigte rief den Angeklagten schließlich an, erklärte sich zur Rückzahlung bereit und sagte die Zahlung von monatlichen Raten zu jeweils 500 Euro zu, wenn er künftig das „Stalking“ unterlasse. Nunmehr drohte der Angeklagte ihr und ihrem Lebensgefährten „Schläge an“, wenn sie nicht im Dezember mit der Zahlung beginne. Die Geschädigte zahlte „in der Folge“ 200 Euro an den Angeklagten.
4b) Diese Feststellungen ergeben nicht zweifelsfrei, dass die Geschädigte sich zur Zahlung aufgrund der Drohung des Angeklagten entschloss.
5aa) Eine räuberische Erpressung nach §§ 253, 255 StGB setzt voraus, dass der Täter Gewalt oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben einsetzt, um das Opfer zu einer Vermögensverfügung zu veranlassen. Zwischen dem Einsatz des Nötigungsmittels und der Vermögensverfügung muss ein finaler Zusammenhang dergestalt bestehen, dass die Vermögensverfügung Folge der Nötigung ist (vgl. MüKo-StGB/Sander, 4. Aufl., § 253, Rn. 13; vgl. auch , mwN). Die vorausgesetzte finale Verknüpfung zwischen den vom Angeklagten angedrohten Schlägen und der Zahlung durch die Geschädigte ist nicht festgestellt. Die Geschädigte bot dem Angeklagten die Rückzahlung des von ihm geforderten Geldbetrags an, um ihn zur Beendigung seiner Nachstellungen („stalking“) zu bewegen. Dass sie die in Aussicht gestellte Zahlung deshalb leistete, weil der Angeklagte für den Fall der Nichtzahlung „Schläge“ angedroht hatte, lässt sich auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht eindeutig entnehmen.
6c) Die Sache bedarf daher insoweit neuer tatgerichtlicher Prüfung. Das neue Tatgericht wird Gelegenheit zur Prüfung haben, ob unter den hier gegebenen Umständen in der Androhung von „Schlägen“ ein qualifiziertes Nötigungsmittel im Sinne des §§ 253, 255 StGB liegt (vgl. , Rn. 17; siehe auch BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 469/21, Rn. 6; vom – 4 StR 58/01, StV 2001, 679, 680). Weiterhin bedarf die subjektive Tatseite im Hinblick auf das Zahlungsangebot der Geschädigten näherer Erörterung (vgl. BGH, Beschlüsse vom − 3 StR 282/23, NStZ 2024, 169, 170; vom – 4 StR 200/97, NStZ-RR 1997, 321).
72. Der Strafausspruch hält in den Fällen II.2.c) bb) und II.2.c) cc) der Urteilsgründe revisionsgerichtlicher Nachprüfung nicht stand.
8a) Das Landgericht hat den Angeklagten als Person über 21 Jahre in diesen 68 Fällen der Überlassung von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch an eine Person unter 18 Jahre schuldig gesprochen. Nach den Feststellungen konsumierte der Angeklagte in der Zeit von Ende März 2021 bis Ende November 2022 gemeinsam mit der am geborenen Zeugin K. in Kenntnis ihres Alters in 60 Fällen von ihm beschafftes Kokain (II.2.c) bb) und im April und Mai 2021 in acht Fällen von ihm beschafftes Chrystal Meth (II.2.c) cc). In 36 Fällen der Überlassung von Kokain hat es auf Freiheitsstrafen von jeweils zwei Jahren, in 24 Fällen auf Freiheitsstrafen von jeweils zwei Jahren und sechs Monaten und in den Fällen der Überlassung von Chrystal Meth auf Freiheitsstrafen von jeweils drei Jahren und sechs Monaten erkannt.
9b) Die Strafkammer hat ihrer Strafzumessung den Regelstrafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG zugrundegelegt und nicht erkennbar geprüft, ob die Annahme eines minder schweren Falls nach § 29a Abs. 2 in Betracht kommt. Insoweit hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt:
„Das Landgericht hat es jeweils rechtsfehlerhaft unterlassen, ausdrücklich das Vorliegen eines minder schweren Falles nach § 29a Abs. 2 StGB zu erörtern. Eine solche Annahme schied hier nicht von vorneherein aus (vgl. –). Denn für einen minder schweren des § 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG kann es sprechen, wenn der Täter selbst betäubungsmittelabhängig ist, die Tat nur eine geringfügige Menge betrifft und die Minderjährige wie vorliegend selbst Konsumentin war (vgl. Weber/Kornprobst/Maier/Maier, 6. Aufl. 2021, BtMG § 29a Rn. 236; Patzak/Fabricius/Patzak, 11. Aufl. 2024, BtMG § 29a Rn. 22 f.).“
10Dem verschließt sich der Senat nicht.
11c) Auch die konkrete Strafzumessung weist Rechtsfehler auf.
12Das Landgericht hat in den acht Fällen der Überlassung von Chrystal Meth straferschwerend berücksichtigt, dass es sich bei Methamphetamin um eine im Verhältnis zu Kokain gefährlichere Droge handele. Unabhängig davon, in welchem Bereich der Schwereskala der Gefährlichkeit Methamphetamin einzuordnen ist (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 72/16, Rn. 12; vom – 2 StR 443/23, Rn. 8), hat das Landgericht eine im Vergleich zum Kokain höhere Gefährlichkeit jedenfalls nicht festgestellt.
133. Das Urteil beruht auf diesen Rechtsfehlern (§ 337 Abs. 1 StPO). Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall II.2.e) und der Strafaussprüche in den Fällen II.2.c) bb) und cc) der Urteilsgründe entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage; wegen der Aufhebung der Verurteilung wegen räuberischer Erpressung hat auch die Anordnung der wertmäßigen Einziehung des Tatertrags von 200 Euro (§ 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB) keinen Bestand.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:140525B6STR25.25.0
Fundstelle(n):
RAAAJ-94761