Suchen Barrierefrei
BGH Beschluss v. - 6 StR 480/24

Instanzenzug: LG Dessau-Roßlau Az: 1 KLs 12/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern (§ 176 Abs. 1 Nr. 1, § 176c Abs. 1 Nr. 1 StGB) in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen (§ 174 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB), und wegen des Besitzes kinderpornographischer Inhalte (§ 184b Abs. 3 Var. 3 StGB) unter Einbeziehung der Strafen aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und die dort angeordnete Einziehungsentscheidung aufrechterhalten. Zudem hat es die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Nach den Feststellungen des Landgerichts arbeitete der Angeklagte als Schwimmmeister in einem Seebad. Auf sein Betreiben fand dort vom 5. bis zum ein „Schwimmcamp“ mit Übernachtung für eine Gruppe von acht oder neun Kindern statt. Die Kinder entwickelten zu dem Angeklagten ein inniges Verhältnis. Sie schliefen zumeist in Zelten, während der Angeklagte in einem Wohnwagen übernachtete. Auf Veranlassung des Angeklagten verbrachte der 12-jährige L.      M.          jedoch mindestens drei Nächte nicht in seinem Zelt, sondern in dem Wohnwagen. Als der Junge eines Morgens mit einer Erektion erwachte, erklärte der neben ihm liegende Angeklagte, dass es einen „Druckpunkt“ gebe, den man aktivieren könne, damit die Erektion nachlasse. Sodann führte er seine Hand in die Unterhose und legte sie für einen kurzen Moment auf den Penis des Kindes (Fall II.1 der Urteilsgründe). In einer Nacht im oben genannten Zeitraum lag der Angeklagte neben dem schlafenden 11-jährigen T.    K.               auf einer Liege im Vorzelt des Wohnwagens. Er fasste mit seiner Hand in den Schlafsack, die Hose und die Unterhose des Kindes und drückte dessen Penis. Als T.      erwachte, fragte der Angeklagte ihn, ob er „kuscheln“ wolle, was das Kind ablehnte; daraufhin entfernte sich der Angeklagte (Fall II.2 der Urteilsgründe). Seit einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt, jedenfalls aber vor dem Ende des „Schwimmcamps“ hatte der Angeklagte sieben Bilder von etwa 10 bis 12 Jahre alten Jungen auf seinem Tablet gespeichert. Die Bilder zeigten die Kinder nackt und mit gespreizten Beinen; der Fokus der Bilder lag auf dem unbekleideten Geschlechtsteil der Jungen (Fall II.3 der Urteilsgründe).

32. Der Ausspruch über die Strafe im Fall II.3 der Urteilsgründe war aufzuheben. Das Landgericht hat die Strafe dem zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung geltenden Strafrahmen des § 184b Abs. 3 StGB in der Fassung vom entnommen, der Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren vorsah. In der mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Anpassung der Mindeststrafen des § 184b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 des Strafgesetzbuches vom (BGBl. 2024 I Nr. 213) ab dem geltenden Fassung sieht die Vorschrift jedoch einen Strafrahmen von drei Monaten bis fünf Jahren Freiheitsstrafe vor. Die Neufassung erweist sich bei der gebotenen konkreten Betrachtung als das mildere Gesetz (§ 2 Abs. 3 StGB), was der Senat im Revisionsverfahren zu berücksichtigen hat (§ 354a StPO). Da die Strafkammer die verhängte Strafe dem unteren Bereich des von ihr angewendeten Strafrahmens entnommen hat, ist nicht auszuschließen, dass sie bei Anwendung des nunmehr geltenden deutlich geringeren Strafrahmens eine niedrigere Strafe verhängt hätte (§ 337 Abs. 1 StPO).

4Die Aufhebung der Einzelstrafe zieht die Aufhebung der verhängten Gesamtstrafe nach sich. Die Feststellungen haben Bestand und können um ihnen nicht widersprechende ergänzt werden.

53. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung kann ebenfalls bestehen bleiben. Die hier für den Fall II.3 verhängte Strafe war für die formellen Voraussetzungen der Maßregel nach § 66 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StGB ohnehin nicht von Relevanz. Auch zur Begründung der weiteren Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung hat die Strafkammer an keiner Stelle auf die Tat und die dafür verhängte Einzelstrafe Bezug genommen. Schließlich weist auch die übrige Begründung keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Das Landgericht hat den dafür nach § 66 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 i.V.m. Abs. 2 StGB erforderlichen Hang im Anschluss an die Äußerungen des Sachverständigen mit rechtsfehlerfreier Begründung bejaht. Dabei hat es auch berücksichtigt, dass der Angeklagte nach seiner Haftentlassung im Jahr 2019 einschließlich der hier zugrunde liegenden Fälle „nur wegen vier Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung verurteilt worden ist“. Die Ausführungen der Strafkammer zu der nach § 66 Abs. 2 StGB erforderlichen Ermessensausübung sind zwar knapp, aber tragfähig.

64. Für die erneute Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass im Falle einer Entscheidung nach § 55 StGB der Vollstreckungsstand früherer Verurteilungen im Hinblick auf deren mögliche Zäsurwirkung mitzuteilen sein wird. Auf die diesbezüglichen Ausführungen des Generalbundesanwalts in dessen Antragsschrift wird Bezug genommen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:200325B6STR480.24.0

Fundstelle(n):
SAAAJ-94752