Instanzenzug: LG Regensburg Az: 53 T 54/25vorgehend AG Cham Az: 7 XVII 447/24
Gründe
1Der Betroffene wendet sich gegen die Genehmigung seiner weiteren Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung.
2Der Betroffene, der an einer paranoiden Schizophrenie mit wiederholten drogenassoziierten Exazerbationen der Psychose leidet, war zunächst aufgrund einer betreuungsgerichtlichen Genehmigung vom in einer psychiatrischen Fachklinik geschlossen untergebracht. Im Oktober 2024 wurde er in die beschützende Abteilung einer psychiatrischen Einrichtung verlegt.
3Die gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht zurückgewiesen, wogegen er sich mit der Rechtsbeschwerde wendet.
4Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
51. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung Folgendes ausgeführt: Die Voraussetzungen des § 1831 Abs. 1 Nr. 1 BGB lägen vor. Der Betroffene bedürfe aufgrund seiner psychischen Erkrankung bei fehlender Krankheitseinsicht und daraus folgender Unfähigkeit zur freien Willensbestimmung der weiteren Unterbringung, um die konkrete und ernstliche Gefahr einer erheblichen Gesundheitsgefahr abzuwenden. Es sei zu erwarten, dass der Betroffene in einem offenen Setting seine antipsychotische Medikation erneut absetzen würde, so dass rasch wieder mit neuen psychotischen Exazerbationen zu rechnen sei, in denen sich der Betroffene durch desorganisierte Verhaltensweisen erheblich selbst gefährden würde. In Phasen akuter psychotischer Exazerbation mit verzerrter Wahrnehmung und Realitätsverkennung sei der Betroffene außerhalb des beschützten Rahmens „nicht verkehrssicher“ und würde sich nicht nur im Straßenverkehr erheblich selbst gefährden. Es sei auch nicht zu erwarten, dass der Betroffene im Falle einer Entlassung aus dem beschützten Setting seine Medikation weiterhin zuverlässig einnehmen würde, weil er krankheitsbedingt die Notwendigkeit der Einnahme von antipsychotischer Medikation nicht mehr erkennen könne. Zudem sei - wie bereits in der Vergangenheit gezeigt - zu erwarten, dass der Betroffene außerhalb des beschützten Rahmens zusätzlich Drogen konsumieren würde, was letztlich wiederum das Auftreten von psychotischen Exazerbationen fördere.
62. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Beschwerdegericht hat die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Unterbringung des Betroffenen zur Gefahrenabwehr gemäß § 1831 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht ausreichend festgestellt. Nach dieser Vorschrift ist eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, nur zulässig, solange sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt.
7a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats setzt die Genehmigung einer geschlossenen Unterbringung nach § 1831 Abs. 1 Nr. 1 BGB zwar keine akute, unmittelbar bevorstehende Gefahr für den Betreuten voraus. Notwendig ist allerdings eine ernstliche und konkrete Gefahr für Leib oder Leben des Betreuten. Dies setzt kein zielgerichtetes Verhalten des Betreuten voraus, so dass beispielsweise auch eine völlige Verwahrlosung ausreichen kann, wenn damit eine Gesundheitsgefahr durch körperliche Verelendung und Unterversorgung verbunden ist. Erforderlich sind aber objektivierbare und konkrete Anhaltspunkte für den Eintritt eines erheblichen Gesundheitsschadens. Der Grad der Gefahr ist dabei in Relation zum möglichen Schaden ohne Vornahme der freiheitsentziehenden Maßnahme zu bemessen (vgl. Senatsbeschlüsse vom - XII ZB 254/24 - FamRZ 2025, 381 Rn. 8 und vom - XII ZB 98/24 - FamRZ 2024, 1396 Rn. 8 mwN).
8b) Die bislang getroffenen Feststellungen können eine geschlossene Unterbringung des Betroffenen nach diesen Maßstäben nicht rechtfertigen. Zwar leidet der Betroffene - wie das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat - an einer paranoiden Schizophrenie mit wiederholten drogenassoziierten Exazerbationen der Psychose.
9Die Beschwerdeentscheidung zeigt jedoch keine hinreichend konkreten Umstände für die Annahme auf, dass der Betroffene sich erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügen würde, wenn seine geschlossene Unterbringung unterbliebe. Anhaltspunkte für eine Suizidgefahr sind nicht festgestellt und sie ergeben sich auch nicht aus dem Sachverständigengutachten. Die Ausführungen des Beschwerdegerichts, wonach der Betroffene in einem offenen Setting seine antipsychotische Medikation absetzen würde, so dass rasch wieder mit neuen psychotischen Exazerbationen zu rechnen sei, in denen er sich durch desorganisierte Verhaltensweisen erheblich selbst gefährden würde, lassen für sich genommen noch nicht auf eine erhebliche Gesundheitsgefährdung schließen, der nur mit einer Unterbringung begegnet werden könnte. Ohne nähere Feststellungen zur konkreten Art der befürchteten selbstschädigenden Handlungen und zu den konkreten Auswirkungen eines krisenhaften Krankheitsschubs bestehen keine genügenden Anhaltspunkte für den Eintritt eines erheblichen Gesundheitsschadens, der dem Betroffenen ohne die Unterbringung drohen könnte (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 257/22 - FamRZ 2023, 468 Rn. 13). Soweit das Beschwerdegericht weiter ausführt, in Phasen akuter psychotischer Exazerbation mit verzerrter Wahrnehmung und Realitätsverkennung sei der Betroffene außerhalb des beschützten Rahmens „nicht verkehrssicher“ und würde sich im Straßenverkehr erheblich selbst gefährden, bleibt unklar, inwiefern solche Gefahren krankheitsbedingt konkret dem Betroffenen drohen sollen. Schließlich lässt auch die Erwägung des Beschwerdegerichts, es sei zu erwarten, dass der Betroffene außerhalb des beschützten Rahmens zusätzlich Drogen konsumieren würde, was letztlich wiederum das Auftreten von psychotischen Exazerbationen fördere, für sich genommen noch nicht auf eine erhebliche Gesundheitsgefährdung schließen, der nur mit einer Unterbringung begegnet werden könnte.
103. Die angefochtene Entscheidung kann daher keinen Bestand haben. Sie ist gemäß § 74 Abs. 5 FamFG aufzuheben, und die Sache ist nach § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG an das Landgericht zurückzuverweisen, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist.
11Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
Guhling Klinkhammer Günter
Krüger Recknagel
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:110625BXIIZB95.25.0
Fundstelle(n):
DAAAJ-94689