Unzulässige Rechtsbeschwerde
Instanzenzug: Az: 6 BV 189/22 Beschlussvorgehend Az: 7 BV 190/22 Beschlussvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf Az: 3 TaBV 37/23 Beschluss
Gründe
1A. Die Beteiligten streiten über Zustimmungsersetzungen.
2Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der Automobilzulieferindustrie. In ihrem Betrieb sind etwa 900 Arbeitnehmer tätig.
3Im Jahr 2022 schrieb die Arbeitgeberin zwei Stellen als „Betriebssanitäter“ aus. Hierauf bewarben sich mehrere Arbeitnehmer, darunter auch der einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellte Arbeitnehmer L.
4Die Arbeitgeberin informierte die bei ihr gebildete Schwerbehindertenvertretung über die Bewerbung von Herrn L, teilte aber den Termin für das Bewerbungsgespräch nicht mit. Die Schwerbehindertenvertretung nahm daran nicht teil.
5Ende August 2022 bat die Arbeitgeberin den bei ihr errichteten Betriebsrat um Zustimmung zur Versetzung der Arbeitnehmer M und N auf die ausgeschriebenen Stellen. Der Betriebsrat verweigerte seine Zustimmung.
6Die Arbeitgeberin hat - soweit noch von Interesse - zuletzt beantragt,
7Der Betriebsrat hat beantragt, die Anträge abzuweisen.
8Das Arbeitsgericht hat die Anträge abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Beschwerde der Arbeitgeberin die Zustimmungen ersetzt. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat sein Begehren auf Antragsabweisung weiter.
9B. Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Sie genügt nicht den gesetzlichen Begründungsanforderungen.
101. Nach § 94 Abs. 2 Satz 2 ArbGG muss die Rechtsbeschwerdebegründung angeben, welche rechtliche Bestimmung durch den angefochtenen Beschluss verletzt sein und worin diese Verletzung bestehen soll. Das erfordert eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen des angefochtenen Beschlusses. Der Rechtsbeschwerdeführer muss darlegen, warum er die Begründung des Beschwerdegerichts für unrichtig hält. Allein die Darstellung anderer Rechtsansichten ohne jede Auseinandersetzung mit den Gründen der angegriffenen Entscheidung genügt den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung ebenso wenig wie die Wiedergabe des bisherigen Vorbringens. Es reicht auch nicht aus, wenn der Rechtsbeschwerdeführer die Würdigungen des Beschwerdegerichts lediglich mit formelhaften Wendungen rügt ( - Rn. 12; - 7 ABR 8/22 - Rn. 10). Dadurch soll sichergestellt werden, dass der Verfahrensbevollmächtigte des Rechtsbeschwerdeführers den angefochtenen Beschluss im Hinblick auf das Rechtsmittel überprüft und mit Blickrichtung auf die Rechtslage genau durchdacht hat. Außerdem soll die Rechtsbeschwerdebegründung durch ihre Kritik an dem angefochtenen Beschluss zur richtigen Rechtsfindung durch das Rechtsbeschwerdegericht beitragen. Schließlich bezweckt die Begründung der Rechtsbeschwerde eine Zusammenfassung und Beschleunigung des Rechtsmittelverfahrens. Das Gericht und die weiteren Verfahrensbeteiligten sollen möglichst schnell und sicher erkennen können, wie der Rechtsmittelführer den Streitfall beurteilt wissen will und sich auf diesen Angriff erschöpfend vorbereiten können (vgl. für die Revisionsbegründung - Rn. 9; ausf. für die Rechtsbeschwerdebegründung - Rn. 11).
112. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - zusammengefasst - ausgeführt, der vom Betriebsrat einzig fristgerecht geltend gemachte Grund der „unzureichende[n] Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung im Stellenbesetzungsverfahren“ rechtfertige nicht die Verweigerung seiner Zustimmung. Ein Gesetzesverstoß iSv. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG sei nur gegeben, wenn der Zweck der betreffenden Norm darin bestehe, die personelle Maßnahme selbst zu verhindern. Dies sei bei § 164 Abs. 1 Satz 4, § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX nicht der Fall. Aus § 178 Abs. 2 Satz 2 SGB IX folge vielmehr, dass eine personelle Maßnahme, die nicht in einer Kündigung bestehe, auch bei einer unterbliebenen oder unzureichenden Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung wirksam sei. Die Vollziehung einer solchen personellen Maßnahme sei nach dieser Norm nur auszusetzen und der Beteiligungsmangel durch Nachholung heilbar. Die Norm räume der Schwerbehindertenvertretung abschließende Sonderrechte ein, denen Vorrang vor einem Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats zukomme. Dadurch entstehe auch keine durch die Rechtsordnung nicht hinnehmbare Schutzlücke. Vielmehr werde der gesetzgeberische Wille umgesetzt, Beteiligungsrechte der Schwerbehindertenvertretung von ihr selbst - und nicht von einem anderen Mitarbeitervertretungsorgan wie dem Betriebsrat - wahrnehmen und sichern zu lassen. Seien - wie im Ausgangsfall - zudem im Vorfeld einer Anhörung bestehende Beteiligungsrechte aus § 164 Abs. 1 Satz 4 SGB IX und/oder § 178 Abs. 2 Satz 4 SGB IX verletzt worden, könne dies erst recht kein Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG begründen. Zwar unterstreiche die Möglichkeit von Schadensersatzansprüchen nach §§ 15, 22 AGG oder der Verwirklichung von Ordnungswidrigkeitstatbeständen nach § 238 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX, dass die Rechtsordnung solche Verstöße nicht sanktionslos hinnehme. Dies besage für sich genommen aber noch nichts darüber, ob ein Verstoß einen Zustimmungsverweigerungsgrund iSv. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG begründe und wie die gesetzliche Kompetenzverteilung bei Verstößen gegen Beteiligungsrechte unterschiedlicher Mitarbeitervertretungsorgane sei.
123. Die Rechtsbeschwerde setzt sich mit dieser Begründung nicht hinreichend auseinander.
13a) Das Vorbringen des Betriebsrats, das Landesarbeitsgericht verkenne, dass er kein Recht der Schwerbehindertenvertretung geltend mache, ihm selbst vielmehr zahlreiche - im Einzelnen aufgeführte - gesetzliche Überwachungsaufgaben iSv. § 80 BetrVG zuständen, bezieht sich nicht auf die tragenden Argumente der angefochtenen Entscheidung. Die Rechtsbeschwerde geht weder auf die Erwägung des Beschwerdegerichts ein, nach der § 178 Abs. 2 Satz 2 SGB IX eine von § 99 BetrVG abweichende gesetzliche Konzeption zugrunde liege, noch beschäftigt sie sich mit dessen Argument, dass es nicht Sinn und Zweck der Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung sei, die personelle Maßnahme selbst zu verhindern. Der Betriebsrat behauptet insoweit lediglich, § 164 Abs. 1 Satz 4, § 178 Abs. 2 SGB IX seien Gesetze, „mit denen“ er „seine Zustimmung [gemeint ist: seine Zustimmungsverweigerung] begründen“ könne. „Die in § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX angeordneten Unterrichtungs- und Anhörungspflichten … [seien] absolute Verfahrensschritte, die der Arbeitgeber zu befolgen“ habe. Damit setzt er lediglich seine eigene Rechtsauffassung gegen die des Landesarbeitsgerichts. Das reicht für eine ordnungsgemäße Begründung der Rechtsbeschwerde nicht aus.
14b) Mit dem Hinweis, die Pflicht, die Schwerbehindertenvertretung am Bewerbungsverfahren zu beteiligen, liege im öffentlichen Interesse, greift der Betriebsrat die entscheidungserhebliche Argumentation des Landesarbeitsgerichts ebenfalls nicht an. Auch seine bloße Behauptung, dass ein Gesetzesverstoß, der eine Ordnungswidrigkeit darstelle, eine Zustimmungsverweigerung nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG rechtfertigen können müsse, genügt insoweit nicht. Das Beschwerdegericht hat sich mit dem - im Übrigen bereits im Rahmen der Beschwerde vorgebrachten - Argument des Betriebsrats befasst, ein bußgeldbewehrter Verstoß müsse ein Zustimmungsverweigerungsgrund iSv. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG sein. Es hat insoweit ausgeführt, allein dieser Umstand besage aber noch nichts über die Kompetenzverteilung zwischen den verschiedenen Vertretungsorganen. Mit dieser Erwägung setzt sich die Rechtsbeschwerde nicht auseinander.
15c) Auch der Hinweis der Rechtsbeschwerde, in der Praxis sei einstweiliger Rechtsschutz bei unterlassener Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung schwierig oder gar nicht zu erlangen und gerichtliche Verfahren seien der Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Schwerbehindertenvertretung nicht zuträglich, beinhaltet keine hinreichende Befassung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung. Das Vorbringen hat keinen Bezug zu der tragenden Erwägung des Landesarbeitsgerichts, nach der die Beteiligungsrechte des Betriebsrats aus § 99 BetrVG und der Schwerbehindertenvertretung nach § 178 Abs. 2 SGB IX unterschiedlich konzipiert seien und die Beteiligung letzterer gerade nicht darauf gerichtet sei, personelle Einzelmaßnahmen zu verhindern.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2025:110625.B.1ABR29.24.0
Fundstelle(n):
PAAAJ-93836