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BGH Urteil v. - VI ZR 174/24

Bestimmung des Restwertes bei der Regulierung eines wirtschaftlichen Totalschadens beim an die Bank sicherungsübereigneten Pkw

Leitsatz

Macht ein Sicherungsgeber nach einem Verkehrsunfall einen an dem sicherungsübereigneten Fahrzeug entstandenen Sachschaden allein als fremden Schaden des Sicherungsnehmers in gewillkürter Prozessstandschaft gegenüber dem Unfallgegner geltend, sind im Rahmen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung die Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Sicherungsnehmers maßgeblich.

Gesetze: § 249 Abs 2 S 1 BGB, § 823 Abs 1 BGB, § 7 Abs 1 StVG, § 115 Abs 1 S 1 Nr 1 VVG

Instanzenzug: Az: 22 S 18/23vorgehend AG Langenfeld Az: 13 C 48/22

Tatbestand

1Der Kläger nimmt den beklagten Haftpflichtversicherer auf Ersatz restlichen Sachschadens aus einem Verkehrsunfall vom in Hilden in Anspruch, bei dem ein Pkw der Marke Seat beschädigt wurde.

2Die volle Haftung des beklagten Haftpflichtversicherers des gegnerischen Pkw steht dem Grunde nach außer Streit. Der Kläger hatte das Fahrzeug bei der Seat Bank, einer Zweigniederlassung der Volkswagen Bank GmbH, gekauft und im Rahmen der Finanzierung an diese zur Sicherheit übereignet. Zum Zeitpunkt des Unfalls lief die Finanzierung noch. Die Beklagte regulierte den vom Kläger geltend gemachten Schaden zum überwiegenden Teil. Die Parteien streiten nur noch darum, in welcher Höhe sich der Kläger bei der Ermittlung des Wiederbeschaffungsaufwands den Restwert des unfallbeschädigten Kraftfahrzeugs anrechnen lassen muss.

3Der von der Ehefrau des Klägers mit der Schadensermittlung beauftragte Schadensgutachter nahm einen wirtschaftlichen Totalschaden an. Er ermittelte für das Fahrzeug einen Schaden von insgesamt 15.768,27 €, wobei er einen Restwert des Fahrzeugs in Höhe von 7.100 € zugrunde legte. Dabei führte der Gutachter drei regionale Restwertangebote auf, deren höchstes sich auf 7.100 € belief. Die Beklagte ging dagegen aufgrund eines von ihr über eine internetbasierte Restwertbörse eingeholten Angebots der S. GmbH in Berlin von einem Restwert in Höhe von 10.290 € aus und errechnete auf dieser Basis einen um 3.190 € geringeren Entschädigungsbetrag. Die Sicherungseigentümerin teilte dem Kläger mit Schreiben vom mit, dass die Finanzierung seit dem erledigt sei und ermächtigte ihn dazu, sämtliche Schadensersatzansprüche aus dem Unfall im eigenen Namen geltend zu machen. Mit Schreiben vom teilte sie mit, der Kläger sei berechtigt, Zahlungen aus dem Schadensereignis in Anspruch zu nehmen oder zu verlangen.

4Mit der Klage begehrt der Kläger den Differenzbetrag zwischen dem von der Beklagten zugrunde gelegten Restwert von 10.290 € und dem vom Gutachter ermittelten höchsten Restwert in Höhe von 7.100 €, also 3.190 €.

5Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Gründe

I.

6Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klage sei zulässig, der Klageschrift sei ohne weiteres zu entnehmen, dass der Kläger in Prozessstandschaft einen Anspruch auf Schadensersatz wegen des unfallbedingten Substanzschadens verfolge.

7Das Urteil sei aber insofern rechtsfehlerhaft, als der Sicherungsnehmerin ein Anspruch auf Zahlung eines weiteren Schadensersatzes in Höhe von 3.190 €, zu dessen Geltendmachung sie den Kläger mit Schreiben vom ermächtigt habe, nicht zustehe. Ein solcher Anspruch ergebe sich der Höhe nach nicht aus den - dem Grunde nach erfüllten - Anspruchsgrundlagen in den §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG i.V.m. § 249 BGB. Bei der vom Kläger vorgerichtlich geltend gemachten Schadenskalkulation sei ein Restwert in Höhe von 10.290 € in Abzug zu bringen. Das vom Kläger vorgelegte Gutachten sei zur Bestimmung des Restwerts nicht geeignet, weil für die Bestimmung die Perspektive eines nicht mit Gebrauchtwagen handelnden Geschädigten zugrunde gelegt worden sei. Lege man richtigerweise den Maßstab eines gewerblich mit Gebrauchtwagen handelnden Geschädigten an, sei aufgrund des von der Beklagten vorgelegten Restwertangebots von einem Restwert in dieser Höhe auszugehen. Wenn es sich bei dem Geschädigten um ein wirtschaftlich tätiges Unternehmen handele, das mit dem Automarkt vertraut sei und bei dem der Abruf von überregionalen oder Internet-Restwertbörsen zum geschäftlichen Alltag gehöre, sei der Restwert unter Einschluss überregionaler und gegebenenfalls nur aus dem Internet ersichtlicher Angebote zu ermitteln. Im Streitfall sei für die Person des Geschädigten auf die Sicherungsnehmerin abzustellen und davon auszugehen, dass es sich bei ihr um ein wirtschaftlich tätiges Unternehmen handele, das mit dem Automarkt vertraut sei und bei dem der Abruf von überregionalen oder Internet-Restwertbörsen zum geschäftlichen Alltag gehöre. Für die subjektbezogene Betrachtung des Restwerts sei von der Person der Sicherungsnehmerin auszugehen, die im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses unstreitig Eigentümerin des streitgegenständlichen Pkw Seat gewesen sei. Die Rechtsprechung, wonach es für die Bestimmung des Restwerts eines beschädigten Leasingfahrzeugs auf die Person der Leasinggeberin, die im Zeitpunkt des Unfallereignisses Eigentümerin gewesen sei, ankomme, sei auf den Streitfall übertragbar. Entscheidend sei, dass für die Geltendmachung von Substanzschäden allein der Eigentümer eines beschädigten Kraftfahrzeugs zuständig sei. Dies gelte unabhängig davon, wer nach der Beendigung der zugrundeliegenden vertraglichen Beziehung Eigentümer des beschädigten Fahrzeugs werden solle.

8Mangels anderweitigen Parteivorbringens sei davon auszugehen, dass die Sicherungsnehmerin eine gewerblich mit Gebrauchtwagen handelnde Geschädigte im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei. Der Kläger sei darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass die dem von ihm vorgelegten Gutachten zugrundeliegenden Tatsachen zutreffend seien. Hierzu gehöre auch, dass die Restwertbestimmung anhand von drei ortsüblichen und lokalen Restwertangeboten der subjektbezogenen Schadensbetrachtung des konkreten Geschädigten tatsächlich entspreche. Für die subjektbezogene Betrachtung sei aber auf die Sicherungsnehmerin abzustellen und es sei Sache des Klägers darzustellen, warum auch für die Sicherungsnehmerin die weniger strengen Vorgaben der Restwertbestimmung für nicht gewerblich mit Gebrauchtwagen handelnde Geschädigte gelten sollten. Hierzu habe der Kläger trotz gerichtlichen Hinweises im Beschluss vom nicht hinreichend vorgetragen. Aus seinem Vortrag sei nicht ersichtlich, in welchem Maße die Sicherungsnehmerin als kreditgewährendes Institut in den An- und Verkauf von Gebrauchtwagen tatsächlich eingebunden sei oder nicht. Die Einbindung der Sicherungsnehmerin in einen Automobilkonzern spreche indiziell stark dafür, einen strengeren Maßstab zur Restwertbestimmung anzulegen. Der Kläger hätte deshalb konkret darlegen müssen, warum es sich bei der Sicherungsnehmerin im Speziellen nicht um ein wirtschaftlich tätiges Unternehmen handele, das mit dem Automarkt vertraut sei und bei dem der Abruf von überregionalen oder Internet-Restwertbörsen zum geschäftlichen Alltag gehöre.

II.

9Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand. Das Berufungsgericht hat der Schadensberechnung zu Recht einen Restwert des Unfallfahrzeugs in Höhe von 10.290 € zugrunde gelegt.

101. Die Klage ist zulässig.

11a) Der Klagegrund ist hinreichend bestimmt.

12aa) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift neben einem bestimmten Antrag eine bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs enthalten. Damit werden der Streitgegenstand abgegrenzt und die Grenze der Rechtshängigkeit und der Rechtskraft festgelegt sowie Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts bestimmt. Eine ordnungsgemäße Klageerhebung erfordert eine Individualisierung des Streitgegenstands. Der Kläger muss die gebotene Bestimmung des Streitgegenstands vornehmen und kann sie nicht zur Disposition des Gerichts stellen. Der Mangel der Bestimmtheit des Klageantrags wie des Klagegrunds ist auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachten (vgl. , NJW 2024, 3069 Rn. 10; vom - VI ZR 203/22, VersR 2023, 468 Rn. 14; vom - VI ZR 481/17, NJW 2019, 1669 Rn. 8 mwN).

13bb) Macht ein Sicherungsgeber deliktische Schadensersatzansprüche wegen der Beschädigung des finanzierten und sicherungsübereigneten Fahrzeugs geltend, können zur Begründung sowohl eigene Ansprüche des Sicherungsgebers wegen Verletzung seiner Rechte als auch in gewillkürter Prozessstandschaft geltend gemachte Ansprüche des Sicherungsnehmers in Betracht kommen. Bei einem Anspruch aus eigenem und einem Anspruch aus fremdem Recht handelt es sich auch bei einheitlichem Klageziel um unterschiedliche Streitgegenstände, so dass der Sicherungsgeber zur Vermeidung einer unzulässigen alternativen Klagehäufung eindeutig zum Ausdruck bringen muss, ob eigene oder fremde Ansprüche bzw. in welcher Prüfungsreihenfolge eigene und fremde Ansprüche geltend gemacht werden (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 203/22, VersR 2023, 468 Rn. 15).

14cc) Im Streitfall steht fest, dass der Kläger allein Ansprüche der Sicherungsnehmerin geltend macht, so dass der Klagegrund hinreichend bestimmt ist. Das Berufungsgericht hat unter Bezugnahme auf die Klageschrift ausgeführt, dieser sei ohne weiteres zu entnehmen, dass der Kläger in Prozessstandschaft einen Anspruch auf Schadensersatz wegen des unfallbedingten Substanzschadens verfolge. Damit wird unter Berücksichtigung der vorangehenden Ausführungen zur Sicherungsübereignung verdeutlicht, dass es dem Kläger um die Geltendmachung von Schäden aus der Verletzung des Eigentums der Sicherungsnehmerin geht, nicht um Ansprüche wegen Verletzung seines Besitzrechts oder eines Anwartschaftsrechts; Schäden wegen entgangener Nutzung oder ähnliches sind auch nicht Gegenstand des Verfahrens. Im Übrigen hat der Kläger in seinen weiteren Schriftsätzen in erster und zweiter Instanz ausdrücklich erklärt, er handle in Prozessstandschaft und dies sei der Streitgegenstand.

15b) Der Kläger ist befugt, die Ansprüche der Sicherungseigentümerin auf Ersatz des Substanzschadens in gewillkürter Prozessstandschaft geltend zu machen.

16aa) Bei der Prozessführungsbefugnis handelt es sich um eine Prozessvoraussetzung, die in jeder Lage des Verfahrens, auch in der Revisionsinstanz, von Amts wegen zu prüfen ist. Das Revisionsgericht ist dabei weder an die Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden noch beschränkt sich seine Prüfung auf die Tatsachen und Beweismittel, die dem Berufungsgericht vorgelegen haben. Das Revisionsgericht hat vielmehr, gegebenenfalls auch unter Berücksichtigung neuen Vorbringens in der Revisionsinstanz, selbständig festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Prozessführungsbefugnis im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz vorgelegen haben. Dabei kann es auch etwaige Erklärungen zum Inhalt und Umfang der Prozessermächtigung selbst würdigen (vgl. , NJW 2024, 3069 Rn. 14; vom - VI ZR 203/22, VersR 2023, 468 Rn. 17 mwN).

17bb) Eine gewillkürte Prozessstandschaft ist zulässig, wenn der Prozessführende vom Rechtsinhaber zur Prozessführung im eigenen Namen ermächtigt worden ist und ein eigenes schutzwürdiges Interesse an ihr hat. Schutzwürdig ist ein Interesse des Prozessführenden nur, wenn der Gegner durch die gewählte Art der Prozessführung nicht unbillig benachteiligt wird. Darüber hinaus muss sich der Prozessführende im Rechtsstreit grundsätzlich auf die ihm erteilte Ermächtigung berufen und zum Ausdruck bringen, wessen Rechte er geltend macht (vgl. , NJW 2024, 3069 Rn. 15; vom - VI ZR 203/22, VersR 2023, 468 Rn. 18 mwN). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.

18Der Kläger wurde von der Sicherungseigentümerin mit Schreiben vom ermächtigt, sämtliche Schadensersatzansprüche aus dem Unfall vom - also auch solche der Sicherungseigentümerin - im eigenen Namen geltend zu machen und mit Schreiben vom für berechtigt erklärt, Zahlungen aus dem Schadensereignis in Anspruch zu nehmen oder zu verlangen. Dies ergibt sich aus den als Anlagen K 4 und K 6 vorgelegten Schreiben der Sicherungseigentümerin. Auf diese Freigabeerklärungen hat sich der Kläger berufen.

19Auch von einem schutzwürdigen Interesse des Klägers an der Prozessführung ist auszugehen. Ein solches ist gegeben, wenn die Entscheidung Einfluss auf die eigene Rechtslage des Prozessführungsbefugten hat. Es kann auch durch ein wirtschaftliches Interesse begründet werden. Für die Klage des Sicherungsgebers wird ein solches in der Rechtsprechung bejaht (vgl. , VersR 2023, 468 Rn. 21; vom - VI ZR 125/16, NJW 2017, 2352 Rn. 10 mwN). Durch das Einrücken des Fahrzeughalters in die Klägerposition entsteht der Beklagten kein Nachteil. Sie steht wirtschaftlich und prozessual nicht schlechter. Die vom Kläger im Wege der Prozessstandschaft verfolgten Ansprüche reichen nicht weiter, als wenn sie die Sicherungseigentümerin selbst geltend machen würde.

202. Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf weiteren Schadensersatz nach § 823 Abs. 1 BGB, § 7 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG wegen des durch den Unfall verursachten Fahrzeugschadens zu. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Kläger hinsichtlich des von ihm nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB geltend gemachten Ersatzanspruchs die Erforderlichkeit eines über den bereits auf den Totalschaden geleisteten Schadensersatzes hinausgehenden Betrages nicht dargelegt hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

21a) Unabhängig davon, ob sich der Geschädigte im Fall eines Totalschadens für eine Abrechnung auf Gutachtenbasis in Höhe der Kosten einer fiktiven Ersatzbeschaffung oder für eine Geltendmachung der fiktiven Reparaturkosten - wovon das Berufungsgericht im Streitfall ausgeht - entscheidet, beschränkt sich sein Ersatzanspruch auf den Wiederbeschaffungsaufwand, d.h. auf die Differenz zwischen dem Wiederbeschaffungswert des Unfallwagens in unbeschädigtem Zustand und dem Restwert des beschädigten Fahrzeugs (vgl. nur , NJW 2017, 2401 Rn. 8; vom - VI ZR 120/06, NJW 2007, 1674 Rn. 6), denn die Ersatzbeschaffung und die Reparatur des beschädigten Fahrzeugs sind gleichwertige Arten der Naturalrestitution. Bei der Abrechnung auf der Basis einer Ersatzbeschaffung oder einer Reparatur handelt es sich lediglich um unterschiedliche Arten der Schadensberechnung (vgl. nur Senatsurteil vom - VI ZR 513/19, NJW 2022, 543 Rn. 17). Beide Varianten der Naturalrestitution stehen unter dem Gebot der Wirtschaftlichkeit. Das bedeutet, dass der Geschädigte bei der Schadensbehebung gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB im Rahmen des ihm Zumutbaren und unter Berücksichtigung seiner individuellen Lage den wirtschaftlichsten Weg zu wählen hat (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 316/09; NJW 2010, 2722 Rn. 6).

22Das Wirtschaftlichkeitspostulat gilt daher auch für die Frage, in welcher Höhe der Restwert des Unfallfahrzeugs bei der Schadensabrechnung berücksichtigt werden muss. Denn auch bei der Verwertung des beschädigten Fahrzeugs muss sich der Geschädigte im Rahmen der wirtschaftlichen Vernunft halten (vgl. nur , NJW 2024, 3069 Rn. 18; vom - VI ZR 358/18, VersR 2019, 1235 Rn. 16; vom - VI ZR 673/15, VersR 2017, 56 Rn. 8). Freilich gilt das Wirtschaftlichkeitsgebot nicht absolut, sondern nur im Rahmen des dem Geschädigten Zumutbaren und unter Berücksichtigung seiner individuellen Lage. Nimmt der Geschädigte nach Beschädigung seines Fahrzeugs die Schadensbehebung gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB selbst in die Hand, ist der zur (Wieder-)Herstellung erforderliche Aufwand folglich nach der besonderen Situation zu bemessen, in der sich der Geschädigte befindet. Es ist also Rücksicht auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Diese subjektbezogene Schadensbetrachtung gilt auch für die Frage, in welcher Höhe dem Geschädigten im Hinblick auf die ihm in seiner individuellen Lage mögliche und zumutbare Verwertung seines Unfallfahrzeugs ein Schaden entstanden ist (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 358/18, VersR 2019, 1235 Rn. 17 mwN).

23Die subjektbezogene Schadensbetrachtung bedeutet aber nicht, dass eine unangemessene Verwertung erst unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung der Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB zu prüfen wäre; die Schadensersatzpflicht besteht vielmehr von vornherein nur insoweit, als sich die Verwertung im Rahmen wirtschaftlicher Vernunft hält (vgl. , VersR 2019, 1235 Rn. 18; vom - VI ZR 314/90, BGHZ 115, 364, 369, juris Rn. 13; vom - VI ZR 110/89, BGHZ 111, 168, 178, juris Rn. 22). Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats leistet der Geschädigte eines Verkehrsunfalls dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB im Allgemeinen genüge, wenn er die Veräußerung seines beschädigten Kraftfahrzeugs zu dem Preis vornimmt, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger in einem Gutachten, das eine konkrete Wertermittlung erkennen lässt, als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat. Der Geschädigte ist nicht verpflichtet, über die Einholung des Sachverständigengutachtens hinaus eigene Marktforschung zu betreiben und dabei die Angebote auch räumlich entfernter Interessenten einzuholen oder einen Sondermarkt für Restwertaufkäufer im Internet in Anspruch zu nehmen (vgl. nur , NJW 2024, 3069 Rn. 21; vom - VI ZR 358/18, VersR 2019, 1235 Rn. 10; vom - VI ZR 673/15, NJW 2017, 953 Rn. 9, 13; jeweils mwN).

24b) Etwas anderes gilt aber dann, wenn es sich beim Geschädigten um ein Unternehmen handelt, welches sich jedenfalls auch mit dem Verkauf von gebrauchten Kraftfahrzeugen befasst. Einem auf diesem Gebiet gewerblich tätigen Geschädigten ist die Inanspruchnahme des Restwertmarktes im Internet und die Berücksichtigung dort abgegebener Kaufangebote ohne weiteres zuzumuten. Es ist in der Situation eines solchen Geschädigten wirtschaftlich objektiv unvernünftig, im Rahmen der Schadensabwicklung eine Verwertungsmöglichkeit ungenutzt zu lassen, die im Rahmen des eigenen Gewerbes typischerweise ohne weiteres genutzt wird. Er ist auch nicht in dem Sinne schutzwürdig, als es ihm möglich sein müsste, das Unfallfahrzeug bei einer ihm vertrauten Vertragswerkstatt oder einem angesehenen Gebrauchtwagenhändler bei dem Erwerb des Ersatzwagens in Zahlung zu geben. Damit entfällt von vornherein der vom Senat auf die Regelfallgruppe des nicht gewerblich mit der Verwertung eines Gebrauchtwagens befassten Verkehrsunfallgeschädigten bezogene und diese Senatsrechtsprechung tragende Grund (vgl. , NJW 2024, 3069 Rn. 22; vom - VI ZR 358/18, VersR 2019, 1235 Rn. 15, 19).

25c) Dass etwas anderes auch dann gelten kann, wenn der Leasingnehmer den Fahrzeugschaden allein als fremden Schaden des Leasinggebers geltend macht, weil im Rahmen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung die Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Leasinggebers als Geschädigten maßgeblich sind, hat der Senat zuletzt in seinem Urteil vom (VI ZR 211/22, NJW 2024, 3069 Rn. 24) entschieden. Er hat dort ausgeführt, dass der Anspruch auf Ersatz des Unfallschadens nicht weiterreichen kann, als wenn ihn der Geschädigte selbst verfolgen würde. Dass der Leasingnehmer bei Beschädigung des Leasingfahrzeugs auch selbst Geschädigter und Anspruchsinhaber aus eigenem Recht sein kann, spielt bei der subjektbezogenen Schadensbetrachtung nur dann eine Rolle, wenn der Leasingnehmer eigene Ansprüche geltend macht. Es war in diesem Fall zutreffend, hinsichtlich der Frage nach der anzusetzenden Restwerthöhe die Verwertungsmöglichkeiten der Leasinggeberin (Volkswagen Leasing GmbH) in den Blick zu nehmen. Auf der Grundlage der dortigen Feststellungen war davon auszugehen, dass die dortige Leasinggeberin selbst oder über die im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit eingeschalteten Autohäuser ohne weiteres die Möglichkeit hatte, Zugriff auf den Sondermarkt der Restwertaufkäufer im Internet zu nehmen.

26d) Auch bei der Geltendmachung des fremden Schadens des Sicherungsnehmers durch den Sicherungsgeber bei der Beschädigung eines finanzierten Kraftfahrzeugs ist danach im Rahmen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung auf die Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Sicherungseigentümers als Geschädigtem abzustellen.

27aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist Sicherungseigentum echtes Eigentum im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB. Die Volkswagen Bank GmbH als Sicherungseigentümerin des Fahrzeugs hat daher gegen die Beklagte wegen Beschädigung des Fahrzeugs dem Grunde nach Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB und aus § 7 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG, § 1 PflVG (vgl. nur Senatsurteil vom - VI ZR 203/22, NJW 2023, 1361 Rn. 39).

28bb) Die vom Berufungsgericht hier aufgeworfene Frage, ob bei der subjektbezogenen Schadensbetrachtung beim finanzierten Kauf auf die Einfluss- und Erkenntnismöglichkeiten der Sicherungsnehmerin abzustellen ist, wird in der Rechtsprechung teilweise verneint (vgl. dazu im Folgenden , juris Rn. 22; , BeckRS 2025, 5574 Rn. 12 ff.): Bei einem darlehensfinanzierten Kauf eines Fahrzeugs erfolge die Anschaffung allein im wirtschaftlichen Interesse des Darlehensnehmers. Der Darlehensgeber erhalte vom Darlehensnehmer keine Gegenleistung für die Gebrauchsüberlassung des Fahrzeugs, sondern für die Zurverfügungstellung des für die Anschaffung des Fahrzeugs benötigten Geldes. Von Anfang an bestehe die Absicht, dass dem Darlehensnehmer das Fahrzeug nach Rückzahlung des Darlehens zurückübereignet werde. Die Sicherungsübereignung diene allein dem Zweck, die Ansprüche des Darlehensgebers aus dem Darlehensvertrag zu sichern, ohne dass ein weiteres Interesse der Bank hinsichtlich des Fahrzeugs bestehe. Sie sei weder bei der Anschaffung noch einer etwaigen Weiterveräußerung des Fahrzeugs zur Mitwirkung bei den Vertragsverhandlungen verpflichtet und habe auch die Schadensabwicklung nach einem Verkehrsunfall in rechtlich unbedenklicher Weise in die Hände des Darlehensnehmers gelegt. Es sei bei dieser Sachlage kein Grund ersichtlich, warum eine finanzierende Bank bei einer Beschädigung des sicherungsübereigneten Fahrzeugs gehalten sein sollte, im Interesse des Schädigers und seines Haftpflichtversicherers die Regulierung des Unfallschadens an sich zu ziehen und - mit entsprechendem personellen und sachlichen Aufwand - bemüht sein müsste, bessere Restwertangebote als der Darlehensnehmer zu finden. Vielmehr sei es für den Schädiger und seine Haftpflichtversicherung zumutbar, wenn im Fall eines finanzierten und sicherungsübereigneten Fahrzeugs die (hypothetische) Veräußerung durch den Darlehensnehmer nach den gleichen Maßstäben erfolge, die auch anzuwenden wären, wenn das Fahrzeug im Unfallzeitpunkt im Eigentum des Geschädigten gestanden hätte.

29cc) Gegen diese Auffassung spricht bereits, dass die finanzierende Bank bei Beschädigung des Sicherungsgutes regelmäßig daran interessiert sein wird, den (Rest-)Wert des Sicherungsgutes zur Abschätzung ihres eigenen Risikos zu bewerten. Es erscheint auch nicht fernliegend, dass sie über die Verwertung von Sicherungsgut Erfahrungen im Verkauf gebrauchter Fahrzeuge hat. Anders als die Revision meint, steht allein die Funktion als Sicherungseigentümer nicht einer Beachtlichkeit der etwaigen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten entgegen. Vielmehr ist - mit dem Berufungsgericht - darauf abzustellen, ob es sich wie in den bisher entschiedenen Fällen eines Autohauses (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 358/18, VersR 2019, 1235 Rn. 15, 19) und eines Leasinggebers (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 211/22, NJW 2024, 3069 Rn. 24) bei dem konkreten geschädigten Sicherungsnehmer um ein Unternehmen handelt, welches sich jedenfalls auch mit dem Verkauf von gebrauchten Fahrzeugen befasst. Dies mag zwar bei den meisten Finanzdienstleistern nicht der Fall sein, kann jedoch für die in den VW-Konzern als Tochtergesellschaft eingebundene Automobil-Bank ohne weitere Aufklärung im Tatsächlichen nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Im Übrigen hat der Senat in seiner erwähnten Leasingentscheidung maßgeblich darauf abgestellt, ob es dem Leasinggeber selbst oder über die in seine Geschäftstätigkeit eingebundenen Autohäuser ohne weiteres möglich gewesen wäre, Zugriff auf den Sondermarkt der Restwertaufkäufer im Internet zu nehmen (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 211/22, NJW 2024, 3069 Rn. 24).

30Dass - wie die Revision vorbringt - das Eigentum an dem Fahrzeug nach dem Unfall mit Zahlung der letzten Rate im November 2021 bereits wieder auf den Kläger übergegangen sein soll, ändert nichts daran, dass der Kläger einen Schadensersatzanspruch allein als fremden Schaden wegen Verletzung des Sicherungseigentums geltend macht (s.o. II 1) und für die subjektbezogene Schadensbetrachtung auf die Erkenntnismöglichkeiten der Sicherungseigentümerin abzustellen ist.

31e) Zu Recht hat das Berufungsgericht deshalb hinsichtlich der Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes und der Eignung des vom Kläger vorgelegten Gutachtens zur Bestimmung des Restwertes den Kläger als darlegungs- und beweisbelastet angesehen. Insoweit geht es nicht um die Verletzung der Schadensminderungspflicht (§ 254 BGB), für die grundsätzlich der Schädiger die Beweislast trägt, sondern um die Schadenshöhe, die der Geschädigte auch im Rahmen des § 287 ZPO nach den allgemeinen Grundsätzen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hat, § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteil vom - VI ZR 494/18, juris Rn. 11 mwN). Da der Kläger trotz des Hinweises des Berufungsgerichts in seinem Beschluss vom dazu nicht ergänzend vorgetragen hat, hat das Berufungsgericht zu Recht seiner Entscheidung den Restwert, der sich aus dem von der Beklagten eingeholten Angebot einer Restwertbörse ergeben hat, zugrunde gelegt, also eine Entscheidung allein auf der Grundlage der Darlegungslast getroffen.

Seiters                         Oehler                         Klein

                Allgayer                        Linder

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:250325UVIZR174.24.0

Fundstelle(n):
WAAAJ-93783