Suchen
Online-Nachricht - Mittwoch, 18.06.2025

Lohnsteuerhaftung | Keine Verpflichtung des Betriebsstätten-Finanzamts zur sog. Schattenveranlagung bei fehlerhafter Einbehaltung der Lohnsteuer für beschränkt Steuerpflichtige (FG)

Der Haftungstatbestand knüpft mit dem Entstehen der Einkommensteuer mit Ablauf des Kalenderjahres (§ 36 Abs. 1 EStG) weiterhin an den Lohnsteueranspruch und nicht an den bereits entstandenen Einkommensteueranspruch an. Damit bleibt die vorläufig entstandene Lohnsteuerschuld des Arbeitnehmers Grundlage der Haftung und nicht dessen Einkommensteuerschuld (; Revision anhängig, BFH-Az. VI R 8/25).

Sachverhalt: Die Klägerin, eine GmbH, hatte für zwei ihrer beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmer (Ehepaar aus den Niederlanden) die Lohnsteuer fehlerhaft nach Lohnsteuerklasse I anstatt nach Lohnsteuerklasse VI einbehalten und an das beklagte Finanzamt abgeführt. Im Anschluss an eine Lohnsteueraußenprüfung erließ das Betriebsstätten-Finanzamt einen Haftungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnsteuerabzugsbeträge für die Zeit von Januar 2016 bis Dezember 2019.

Im Einspruchs- und Klageverfahren begehrte die Klägerin die Aufhebung dieses Haftungsbescheides u.a. mit der Begründung, dass die tatsächliche Einkommensteuerschuld der Arbeitnehmer niedriger sei und eine Haftung aufgrund der Akzessorietät und des Fehlens eines Strafcharakters auszuscheiden habe. Zur Begründung legte die Klägerin die Einkommensteuerbescheide 2016 und 2019 sowie die Einkommensteuererklärungen 2017 und 2018 für die Arbeitnehmerin vor. Für den Arbeitnehmer fügte die Klägerin lediglich Berechnungen über die sich ergebende Einkommensteuerschuld sowie niederländische Steuerbescheide zum Nachweis der niederländischen Einkünfte bei. Das Finanzamt reduzierte daraufhin die Haftungsbeträge lediglich bezüglich der Arbeitnehmerin für 2016 und 2019, da sich aus den Einkommensteuerbescheiden eine gegenüber den Lohnsteuerbeträgen geringere Einkommensteuerschuld ergab. Im Übrigen lehnte das Finanzamt eine weitere Reduzierung der Haftungsbeträge ab. Wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung seien keine Einkommensteuerbescheide 2017 und 2018 erlassen worden. Das Betriebsstätten-Finanzamt sei nicht verpflichtet, insoweit sog. Schattenveranlagungen aufgrund von Einkommensteuererklärungen oder - wie im Falle des anderen Arbeitnehmers - vorgelegten Steuerberechnungen durchzuführen.

Die Richter des Niedersächsischen FG wiesen die Klage als unbegründet ab:

  • Der Wortlaut des § 38a Abs. 1 Satz 1 EStG („Jahreslohnsteuer“) und § 42d Abs. 1 Nr. 1 und 3 EStG sprechen dafür, dass sich die Haftung nach Ablauf des Kalenderjahres auf diese Jahreslohnsteuer bezieht und nicht auf eine zu diesem Zeitpunkt entstehende Einkommensteuer des Arbeitnehmers.

  • Auch steuersystematisch ist diese Auslegung geboten. § 42d EStG ist Teil der Steuererhebungsvorschriften. Das EStG trennt streng nach Lohnsteuerabzugsverfahren und Veranlagungsverfahren (§ 46 EStG).

  • Das Lohnsteuerabzugsverfahren beschränkt sich auf die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und hat keine Bindungswirkung für ein späteres Veranlagungsverfahren. Aus den gleichen Gründen ist auch nicht von Belang, ob eine abgegebene Einkommensteuererklärung wie im Streitfall infolge Eintritts der Festsetzungsverjährung nicht in einen Einkommensteuerbescheid mündet oder sich aufgrund von vorgelegten Berechnungen ggf. eine geringere Einkommensteuerschuld ergibt.

  • Alles andere würde dazu führen, dass das Betriebsstätten-Finanzamt des Arbeitgebers in solchen Fällen sog. Schattenveranlagungen durchführen und die Aufgaben des Veranlagungsfinanzamts übernehmen müsste.

  • Eine derartige Vermischung von Lohnsteuerabzugs- und Veranlagungsverfahren ist aber steuersystematisch verfehlt und verfassungsrechtlich nicht geboten. Denn die Haftung für die Jahreslohnsteuer - ohne Betrachtung der tatsächlichen Einkommensteuerschuld - stellt keine Strafsteuer dar. Eine solche Haftung entspricht vielmehr den gesetzlichen Vorschriften.

Hinweis:

Die Revision ist beim BFH unter dem Az. VI R 8/25 anhängig. Der Volltext der Entscheidung ist in der Rechtsprechungsdatenbank des Landes Niedersachsen veröffentlicht.

Quelle: Niedersächsisches FG, Newsletter v. (il)

Fundstelle(n):
SAAAJ-93741