Abstandsstück
Leitsatz
Abstandsstück
1. Die Frage, ob eine Erfindung so ausgeführt ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann, ist im Lichte der Erkenntnisse zu beurteilen, die das Patent dem Fachmann vermittelt.
2. Die Möglichkeit einer Kenntnisnahme durch beliebige Dritte kann nicht ohne weiteres angenommen werden, wenn ein Angebot auf die Herstellung eines erst noch zu entwickelnden Gegenstands gerichtet ist (Bestätigung von , GRUR 2015, 463 Rn. 34 - Presszange).
Gesetze: Art 54 Abs 2 EuPatÜbk, Art 83 EuPatÜbk, Art 2 § 6 Abs 1 S 1 Nr 2 IntPatÜbkG
Instanzenzug: Az: 3 Ni 35/20 (EP)
Tatbestand
1Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 2 327 541 (Streitpatents), das am angemeldet worden ist und ein Abstandsstück betrifft.
2Patentanspruch 1, auf den vier weitere Ansprüche zurückbezogen sind, lautet in der Verfahrenssprache:
Cale d’épaisseur (20, 30, 40) comprenant plusieurs feuilles (1, 2, 3, 4, 5) de métal séparées l’une de l’autre par un film (21, 22, 23, 24, 25) de résine qui confère à la cale une force de cohésion entre feuilles ayant:
- un module qui est supérieure à une valeur minimale de maintien de la cale rigide dans un plan,
- une composante perpendiculaire au dit plan, inférieure à une première valeur maximale qui permet de peler l’une des feuilles à laquelle on applique une force de séparation supérieure à ladite première valeur maximale, et
- au moins une composante dans ledit plan, inférieure à une deuxième valeur maximale qui permet de faire glisser les feuilles les unes sur les autres lorsqu’on applique à la cale une force de cisaillement supérieure à ladite deuxième valeur maximale,
caractérisée en ce qu’elle comprend au moins une extrémité qui sort du plan sous forme d’une patte d’accroche (13, 14, 15).
3Patentanspruch 7, auf den sieben weitere Ansprüche zurückbezogen sind, schützt sinngemäß ein Verfahren zur Herstellung eines solchen Abstandsstücks, Patentanspruch 6 ein Verfahren zum Anordnen eines Abstandsstücks zwischen zwei anderen Teilen.
4Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig und die Erfindung sei nicht so offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung verteidigt.
5Das Patentgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihr erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Gründe
6Die zulässige Berufung ist unbegründet.
7I. Das Streitpatent betrifft ein Abstandsstück.
81. Nach der Beschreibung des Streitpatents waren im Stand der Technik Abstandstücke bekannt, die aus einem Stapel von Flachmaterialbogen (Schichten) bestehen. Die einzelnen Bogen haften aneinander, können aber einzeln vom Stapel abgezogen werden, ohne zu zerreißen. Dadurch kann die Dicke des Abstandsstücks eingestellt werden (Abs. 2-6).
9Solche Produkte würden insbesondere in Industriezweigen eingesetzt, in denen ein Verlieren des Abstandsstücks aus Sicherheitsgründen nicht toleriert werden könne, etwa in der Luftfahrtindustrie. Wenn die Oberflächen der festzulegenden Teile nicht horizontal ausgerichtet seien, sei es nützlich, ein Festhalten des Abstandsstücks bis zum Festziehen zu erleichtern (Abs. 7). Hierzu werde zum Beispiel ein Klebeband eingesetzt, das anschließend wieder entfernt werde. Diese Vorgehensweise sei nicht für alle Stellen eines Flugzeugs geeignet. Zudem gebe es nach dem Entfernen des Klebebands ein Zeitfenster, in dem das Abstandsstück herunterfallen könne (Abs. 8).
10Aus dem Bausektor sei ein Abstandstück bekannt, das an der Oberseite eines Fensterrahmens durch eine winkelförmige Befestigung gehalten werde. Diese Art der Ausführung eigne sich nicht für den Bereich der Feinmechanik, wo die Oberflächen zwischen der Waagrechten und der Senkrechten eine Vielzahl von Winkeln einnehmen könnten. Das bekannte Abstandsstück sei geeignet, durch Biegen eine plastische Verformung zu erfahren. Ein Bogenmaterial sei für sehr genaue Abstandstoleranzen aber besser geeignet. Unglücklicherweise hätten Bogenmaterialien das Problem des Biegewiderstands, das zu einem Bruch führe, wenn man die Grenze der elastischen Biegung überschreite; denn das Aneinanderhalten der Blätter unter sich erlaube nicht, in den Bereich der plastischen Verformung einzutreten (Abs. 9).
112. Vor diesem Hintergrund betrifft das Streitpatent das technische Problem, ein aus einzelnen Bogen aus Flachmaterial bestehendes Abstandsstück zur Verfügung zu stellen, dessen Dicke durch Abziehen einzelner Bogen anpassbar ist und das während der Montage auf einfache Weise gegen Herunterfallen gesichert werden kann.
123. Zur Lösung schlägt das Streitpatent in Anspruch 1 ein Abstandsstück vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:
144. Einige Merkmale bedürfen näherer Betrachtung.
15a) Metallschichten im Sinne von Merkmal 1.1 sind flache Bogen aus Metall, wie sie das Streitpatent schon bei der Schilderung des Standes der Technik beschreibt. Der in diesem Zusammenhang verwendete Ausdruck "feuilles de métal" findet sich auch in den Ausführungen zur Erfindung und in den Patentansprüchen wieder.
16In der deutschen Fassung der Ansprüche verwendet die Patentschrift den Ausdruck "Metallschichten". Dieser Ausdruck ist vor dem aufgezeigten Hintergrund gleichbedeutend mit dem Begriff "Flachmaterialbogen aus Metall", den die von der Beklagten eingereichte Übersetzung des Streitpatents (dom2) in der Beschreibung verwendet.
17b) Die Ausgestaltung gemäß den Merkmalen 1.2 bis 1.2.2 ermöglicht es, die Dicke des Abstandsstücks durch Abziehen einzelner Metallschichten anzupassen, wie dies aus dem Stand der Technik bekannt war.
18Hierzu ist die von dem Harzfilm im Sinne von Merkmal 1.2 ausgehende Kohäsionskraft gemäß Merkmal 1.2.1 so ausgebildet, dass die einzelnen Schichten zusammengehalten werden. Die zur Oberfläche der Schichten lotrechte Komponente der Kohäsionskraft ist gemäß Merkmal 1.2.2 aber so begrenzt, dass die einzelnen Schichten durch Aufbringen einer Trennkraft abgezogen werden können.
19c) Der in Merkmal 1.3 vorgesehene Haltefuß (13) verhindert, dass das Abstandsstück während der Montage auf einer schräg ausgerichteten Oberfläche nach unten weggleitet. Dies ist schematisch in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 5 dargestellt
20Aus der in Merkmal 1.3 formulierten Anforderung, dass der Haltefuß durch ein Ende des Abstandsstücks gebildet sein muss, das aus der Ebene hervortritt, ergibt sich, dass der Haltefuß einen integralen Teil des Abstandsstücks bildet, also aus denselben Bestandteilen bestehen muss wie die übrigen Bereiche.
21Entgegen der Auffassung der Klägerin bezeichnet der Begriff "Ende" (extrémité) im Sinne von Merkmal 1.3 nicht nur die Stirnseite des Abstandstücks. Aus dem aufgezeigten Zusammenhang ergibt sich vielmehr, dass es sich um einen Bereich handelt, der sich von dieser Stirnseite aus zur Mitte hin erstreckt.
22d) Die zur Oberfläche parallele Komponente der Kohäsionskraft ist gemäß Merkmal 1.2.3 so zu begrenzen, dass die Schichten aufeinander gleiten können, wenn eine hinreichend große Scherkraft auf das Abstandsstück ausgeübt wird.
23aa) Diese Ausgestaltung gewährleistet nach der Beschreibung eine gewisse Scherfestigkeit zwischen den Schichten, die sich einem Aufeinandergleiten der Schichten widersetzt.
24In Kombination mit der Zugfestigkeit des Metalls wird so ein Biegen (auf Englisch: bending) des Erzeugnisses verhindert, um eine perfekte Ebenheit zu gewährleisten (Abs. 26). Dieser Effekt ist wichtig, weil ein Mangel an Ebenheit zur Folge hätte, dass zwischen den Spitzen der Krümmungen Abstände entstehen, die über die durch Zusammenfassung der Schichtdicken erhaltene Dicke hinausgeht (Abs. 28).
25bb) Die damit erzielte Steifigkeit verhindert jedoch eine plastische Verformung zur Schaffung des in Merkmal 1.3 vorgesehenen Haltefußes.
26Es wäre zwar möglich, die oberste Schicht teilweise abzulösen und einzeln umzubiegen. Dies ermöglicht aber kein vergleichbares Festhaken wie bei einer plastischen Verformung des gesamten Abstandsstücks. Das Patent strebt deshalb an, das aus einzelnen Schichten bestehende Abstandsstück so auszugestalten, dass es in vergleichbarer Weise gebogen werden kann, wie dies bei einem Abstandsstück aus massiven Edelstahl-Lamellen möglich ist (Abs. 29).
27cc) Bei dem in der Beschreibung geschilderten Herstellungsverfahren sollen diese Eigenschaften dadurch erreicht werden, dass die einzelnen Metallschichten mit einem polymerisierbaren Harz verbunden werden, das mit Hilfe eines im Überfluss zugegebenen Lösungsmittels möglichst dünn aufgetragen wird.
28Als geeignete Ausgangsmaterialien werden Epoxidharze und Azeton angegeben (Abs. 31). Die starke Dispersion des Harzes ermögliche eine infinitesimal geringe Dicke des Harzfilms, die bis auf ein molekulares Maß der Monomere oder Oligomere reduziert werden könne (Abs. 32).
29Patentanspruch 1 lässt offen, welches Herstellungsverfahren eingesetzt wird. Patentanspruch 7 sieht den Auftrag einer flüssigen Lösung vor, die ein nichtpolymerisiertes Harz und Lösungsmittel im Überfluss umfasst, lässt alle anderen Einzelheiten jedoch ebenfalls offen.
30dd) Die nach Merkmal 1.2.1 erforderliche Kohäsionskraft kann unter Umständen schon bei teilweiser Polymerisation erreicht werden. Eine vollständige Polymerisation erhöht die Steifigkeit des Abstandsstücks in der Ebene (Abs. 34 f.).
31ee) Der Grad der Polymerisation wird ferner so festgelegt, dass die Schichten aufeinander gleiten können, wenn auf das Abstandsstück eine Scherkraft aufgebracht wird, die größer als der in Merkmal 1.2.3 vorgesehene zweite Maximalwert ist.
32Hierbei ist ein Gleiten erwünscht, das demjenigen einer plastischen Verformung in einem stetigen Medium gleichkommt. Eine unvollständige Polymerisation fördert zwar das Gleiten. Es ist aber wünschenswert, ein Gleiten zu verhindern, wenn eine Scherkraft auftritt, die nicht einer plastischen Verformung gleichkommt. Bei dem Ausführungsbeispiel wird der Harzfilm deshalb ausreichend dünn ausgestaltet, um ein Gleiten der Schicht am Übergang des Harzfilms zur Metallschicht ohne Reißen des Harzfilms zu ermöglichen, und zwar auch im Zustand vollständiger Polymerisation (Abs. 36).
33ff) Die Ausbildung eines Haltefußes (13) im Sinne von Merkmal 1.3 ist in den nachfolgend wiedergegebenen Figuren 6 und 7 schematisch dargestellt.
34Wie dies Patentanspruch 7 vorsieht, wird ein Ende (43) des flachen Abstandsstücks (200) zwischen zwei Blöcken (41, 42) eines Werkzeugs eingeklemmt, ohne es festzuspannen. Hierdurch wird ein Gleiten der Schichten aufeinander ohne Zerreißen ermöglicht, wie man es bei einem stetigen gleichmäßigen Medium durch Biegen im plastischen Bereich erhielte (Abs. 40).
35Um die erforderliche Scherkraft aufzubringen, wird auf einen vom Ende (43) verschiedenen Teil des Abstandsstücks eine Biegekraft ausgeübt.
36e) Wie das Patentgericht zutreffend angenommen hat, ist vor dem aufgezeigten Hintergrund als Gleiten im Sinne von Merkmal 1.2.3 eine relative Bewegung von zwei benachbarten Metallschichten parallel zu ihrer Oberfläche zu verstehen.
37aa) Entgegen der Auffassung der Berufung setzt Patentanspruch 1 nicht voraus, dass die beiden Metallschichten einander während der Bewegung berühren. Ein Gleiten im Sinne von Merkmal 1.2.3 ist vielmehr auch dann möglich, wenn die beiden Schichten während der Bewegung durch den dazwischen angeordneten Harzfilm weiterhin voneinander getrennt werden.
38Dies ergibt sich aus den oben wiedergegebenen Ausführungen in der Beschreibung, wonach der Harzfilm aufgrund der Gleitbewegung nicht zwingend reißen muss.
39bb) Aus diesen Ausführungen ergibt sich andererseits, dass Patentanspruch 1 ein Reißen des Harzfilms nicht ausschließt.
40Wie bereits aufgezeigt wurde, wird das Bestehenbleiben des Harzfilms nur als möglich bezeichnet, nicht aber als zwingend erforderlich.
41cc) Entgegen der Auffassung der Berufung führt dieses Verständnis nicht dazu, dass Merkmalsgruppe 1.2 sich lediglich auf den Herstellungsprozess bezieht, bei dem durch Patentanspruch 1 geschützten Erzeugnis also nicht mehr verwirklicht sein muss.
42(1) Die in Merkmal 1.2.3 festgelegten Eigenschaften haben allerdings auch die Funktion, die Ausbildung eines Haltefußes im Sinne von Merkmal 1.3 zu ermöglichen. Dies kann dazu führen, dass die in Merkmalsgruppe 1.2 definierten Eigenschaften nach Ausbildung des Haltefußes in diesem Bereich nicht mehr verwirklicht sind.
43(2) Für das Abstandsstück insgesamt bleiben diese Anforderungen jedoch weiterhin maßgeblich. Dies ergibt sich aus den weiteren Funktionen, die der Merkmalsgruppe 1.2 zukommen.
44Wie oben dargelegt wurde, dient die Kohäsionskraft auch dazu, die einzelnen Schichten zusammenzuhalten und ein Biegen bei Auftreten geringer Scherkräfte zu verhindern. Diese Funktion kann auch dann noch in ausreichendem Maße erreicht werden, wenn der Zusammenhalt zwischen den Schichten im Bereich des Haltefußes aufgelöst ist. Dieser ist nicht dazu vorgesehen, zwischen den beiden Teilen angeordnet zu werden, die auf Abstand zueinander gehalten werden sollen. Demgemäß unterliegt er nicht denselben Anforderungen an die Maßhaltigkeit wie die anderen Bereiche des Abstandsstücks.
45II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
46Der Gegenstand des Streitpatents sei ausführbar offenbart. Das Streitpatent nenne geeignete Ausgangsmaterialien für die Metallschichten, die Harzschicht und das Lösungsmittel. Den Angaben zu Temperatur und Dauer der vollständigen Polymerisation entnehme der Fachmann, ein Diplom-Ingenieur oder Master der Materialwissenschaft und Werkstofftechnik mit mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Herstellung und Entwicklung von Laminaten aus Metall und Harz, insbesondere von schälbaren Abstandsstücken, fachüblicherweise den Datenblättern von Herstellern. Fehlende Parameter zum Anteil des Lösungsmittels könne der Fachmann durch zumutbare orientierende Versuche ohne Mühe ermitteln. Dem stehe nicht entgegen, dass das Streitpatent mit duroplastischen Harzen auf eine erhebliche Breite an möglichen Stoffen abstelle. Entscheidend sei, dass es auf die für den Erfolg maßgeblichen Parameter - Dicke der Harzschicht, Lösungsmittelgehalt und Polymerisationsgrad - hinweise. Damit werde dem Fachmann die entscheidende Richtung vorgegeben. Eine mangelnde Ausführbarkeit liege auch nicht darin, dass bei einem größeren Biegewinkel einzelne Bogen delaminieren könnten. Letzteres sei allenfalls eine Frage der Brauchbarkeit der Erfindung, nicht aber ihrer Ausführbarkeit.
47Der Gegenstand des Streitpatents sei auch patentfähig.
48Die vorgelegte E-Mail nebst angefügter Fotos (dom7) sei der Öffentlichkeit nicht zugänglich gewesen. Die darin enthaltenen Informationen hätten sich nur an den Empfänger der E-Mail gerichtet. Dies ergebe sich auch aus dem Vertraulichkeitsvorbehalt am Ende der Nachricht. Deshalb könne offenbleiben, ob diese Informationen den Gegenstand des Streitpatents vorwegnehmen.
49Der Gegenstand von Patentanspruch 1 werde durch die europäische Patentanmeldung 667 233 (dom9), die US-Patentanmeldungen 2008/0081141 (dom11) und 2007/0253790 (dom12) und das kanadische Patent 1 176 088 (dom13) weder einzeln noch in Kombination nahegelegt.
50dom9 offenbare ein laminiertes Verbundprodukt mit den Merkmalen 1.1 bis 1.2.2. Die vorgeschlagene Form schließe für den Fachmann eine gewisse Biegsamkeit mit ein, so dass Merkmal 1.2.3 wohl mitgelesen werde. Aus dom9 ergebe sich aber keine Anregung zur Ausbildung eines Klemm- oder Haltefußes im Sinne von Merkmal 1.3.
51dom11 offenbare ein laminiertes Produkt, das ebenfalls die Merkmale 1.1 bis 1.2.2 aufweise. Die Entgegenhaltung gebe jedoch keinen Hinweis darauf, dass eine Verformung entsprechend Merkmal 1.3 unter den Bedingungen des Merkmals 1.2.3 möglich sei. Deshalb enthalte sie keine Anregung, ein Abstandsstück mit diesen Merkmalen herzustellen.
52dom12 beschreibe eine Vorrichtung zum ortfesten Verriegeln eines Objekts, etwa eines Containers, in einem Frachtladesystem. Hierbei könne ein Ausgleichsstück (10) eingesetzt werden, das die Merkmale 1.1 bis 1.2.2 verwirkliche und einen Bereich (12) aufweise, der rechtwinklig hervorrage und ein Loch (13) aufweise, um das Ausgleichsstück zu befestigen. Ausgehend von dom12 habe aber keine Veranlassung bestanden, den Bereich (12) ebenfalls als abziehbares Laminat auszugestalten. Der Entgegenhaltung lasse sich auch nicht entnehmen, dass Abstandsstück und Haltefuß einstückig ausgestaltet seien.
53dom13 beschreibe ein anpassbares Abstandsstück in Form einer Platte (14, 14a) mit S-förmigen Knieelementen (18, 18a), die durch geeignete Kraft so zusammengepresst würden, dass ein Abstand (X) auf einen Abstand (Y) angepasst werden könne. Damit seien zwar im Grundsatz nicht planare Abstandsstücke offenbart. Es sei jedoch nicht erkennbar, warum diese schälbar ausgestaltet werden sollen.
54Für die Gegenstände der Patentansprüche 6 und 7 gelte Entsprechendes, weil diese die gleichen technischen Merkmale aufwiesen wie Patentanspruch 1.
55III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren stand.
561. Zu Recht hat das Patentgericht entschieden, dass die Erfindung so offenbart ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann.
57a) Zutreffend hat das Patentgericht entschieden, dass die im Zusammenhang mit dem Ausführungsbeispiel gegebenen Hinweise ausreichen, um das in Patentanspruch 1 geschützte Erzeugnis herzustellen.
58Das Streitpatent führt in diesem Zusammenhang geeignete Materialien und Lösungsmittel an und empfiehlt einen hohen Anteil an Lösungsmittel und die Ausbildung eines möglichst (infinitesimal) dünnen Harzfilms. Damit ist eine Richtung vorgegeben, die orientierende Versuche zumutbar macht.
59b) Dass das Streitpatent keine näheren Angaben zu Temperatur und Dauer der Polymerisation enthält, steht der Ausführbarkeit nicht entgegen.
60Nach den Feststellungen des Patentgerichts können die hierzu erforderlichen Angaben üblicherweise den Datenblättern des Herstellers entnommen werden.
61In diesem Zusammenhang ist unerheblich, ob ein im Prioritätszeitpunkt mit der Entwicklung von Abstandsstücken befasster Fachmann über hinreichende Kenntnisse verfügt hat, um solche Datenblätter heranzuziehen und zu verstehen.
62Die Frage, ob eine Erfindung so offenbart ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann, ist im Lichte der Erkenntnisse zu beurteilen, die das Patent dem Fachmann vermittelt. Im Streitfall ergibt sich aus dem Streitpatent, dass der Ausbildung der Harzschicht entscheidende Bedeutung zukommt. Dies gab einem mit der Ausführung des Patents betrauten Fachmann jedenfalls Anlass, einen mit solchen Klebstoffen vertrauten Fachmann hinzuzuziehen, wenn er selbst nicht über genügend Kenntnisse im Hinblick auf Auswahl und Anwendung solcher Stoffe verfügte.
63c) Dass sich in den einschlägigen Datenblättern keine Informationen zu Gleiteigenschaften finden, führt entgegen der Auffassung der Berufung nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
64aa) Die Ausführungen in der Beschreibung des Streitpatents reichen nach den Feststellungen des Patentgerichts aus, um anhand von Versuchen eine Konfiguration zu ermitteln, mit der sich die Vorgaben von Patentanspruch 1 verwirklichen lassen.
65Die Berufung zeigt keine konkreten Gesichtspunkte auf, die solche Versuche entgegen der Einschätzung des Patentgerichts als nicht zumutbar erscheinen lassen könnten.
66bb) Schwierigkeiten, die solche Versuche als nicht möglich oder nicht zumutbar erscheinen lassen könnten, ergeben sich auch nicht aus dem Umstand, dass eine Abstimmung des Systems aus metallischem Werkstoff, Klebstoff, Geometrie, Krafteinleitung und Umgebungsbedingungen notwendig ist, wie dies der vom Oberlandesgericht Düsseldorf im Verletzungsrechtsstreit beauftragte Sachverständige Dr. F. in seinem schriftlichen Gutachten vom (dom24 S. 8) ausgeführt hat.
67Das Streitpatent führt mit Edelstahl und Aluminium zwei bevorzugte Metalle an und gibt mit der Festlegung, dass ein Gleiten der Metallschichten nur dann möglich sein soll, wenn die Scherkräfte ein gewisses Maß überschreiten, auch bezüglich der auftretenden Kräfte eine Richtung vor.
68cc) Die vom Sachverständigen geäußerte Einschätzung, das Streitpatent enthalte einander widersprechende Anforderungen und könne das von ihm adressierte technische Problem nicht lösen (dom24 S. 7 Mitte), beruht auf einem abweichenden Verständnis von Merkmal 1.2.3.
69Der Sachverständige geht davon aus, beim Biegen dürfe kein Bruch in der Klebung auftreten (dom24 S. 7 oben). Dieses Ziel lasse sich allenfalls mit einer dicken Klebschicht und einem nicht reaktiven Haftklebstoff erreichen (dom24 S. 10).
70Diese Überlegungen beruhen auf einer nicht zutreffenden Prämisse. Wie bereits oben dargelegt wurde, schließt Merkmal 1.2.3 ein Reißen des Harzfilms nicht aus.
712. Ebenfalls zu Recht hat das Patentgericht entschieden, dass der Gegenstand des Streitpatents patentfähig ist.
72a) Die in einer E-Mail aus dem Hause der Klägerin an zwei Mitarbeiter von A. (dom7 nebst Anlagen) übermittelten Informationen waren am Prioritätstag nicht der Öffentlichkeit zugänglich.
73aa) Nach der Rechtsprechung des Senats ist eine Vorbenutzung offenkundig, wenn die nicht nur theoretische und nicht nur entfernt liegende Möglichkeit eröffnet ist, dass beliebige Dritte, und damit auch Fachkundige, zuverlässige und ausreichende Kenntnis von der Erfindung erlangen (vgl. nur , GRUR 2022, 1294 Rn. 119 - Oberflächenbeschichtung).
74Die Möglichkeit einer Kenntnisnahme in diesem Sinne kann zwar schon dadurch begründet werden, dass einer einzelnen Person die Lieferung eines bestimmten Erzeugnisses angeboten wird und das Angebot alle Merkmale des Patents erkennen lässt. Je nach dem Inhalt des Angebots und den Umständen, unter denen es erteilt wird, kann sich aber die berechtigte Erwartung ergeben, dass der Angebotsempfänger die Information nicht an dritte Personen außerhalb seines Unternehmens weitergeben wird. Diese Erwartung kann insbesondere bei einer gemeinsamen Entwicklungs- oder Erprobungstätigkeit bestehen (, GRUR 2022, 1294 Rn. 120 - Oberflächenbeschichtung; Urteil vom - X ZR 93/17 Rn. 34). Sie kann sich aber auch aus sonstigen Umständen ergeben.Insbesondere kann die Möglichkeit einer Kenntnisnahme durch beliebige Dritte nicht ohne weiteres angenommen werden, wenn ein Angebot auf die Herstellung eines erst noch zu entwickelnden Gegenstands gerichtet ist (, GRUR 2015, 463 Rn. 34 - Presszange).
75bb) Vor diesem Hintergrund ist das Patentgericht zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die in dom7 nebst Anlagen übermittelten Informationen der Öffentlichkeit nicht zugänglich waren.
76Der E-Mail ist zu entnehmen, dass die Klägerin biegbare und schälbare Abstandsstücke (shims) erfolgreich getestet hat, die Lieferung von Probestücken zum Zwecke der Untersuchung und Freigabe in Aussicht stellt und parallel dazu ein inoffizielles Preisangebot (an offline quotation) ankündigt.
77Ob dies auf eine Zusammenarbeit der beiden Unternehmen hindeutet, wie dies das Patentgericht angenommen hat, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Aus der E-Mail ergibt sich jedenfalls, dass es sich um ein noch in der Entwicklung befindliches Produkt handelt, das zunächst nur zu Testzwecken geliefert werden soll. Dies trägt die vom Patentgericht gezogene Schlussfolgerung, dass die Informationen erkennbar nur für den Angebotsempfänger bestimmt waren und dass die Klägerin damit rechnen durfte, dass der Empfänger die Informationen nicht an Dritte außerhalb seines Unternehmens weitergeben wird.
78b) Ebenfalls zutreffend hat das Patentgericht entschieden, dass der Gegenstand des Streitpatents ausgehend von dom9 nicht nahelag.
79aa) Die Entgegenhaltung dom9 (deutsche Übersetzung: DE 695 17 345 T2, dom9a) offenbart Abstandstücke aus mehreren, einzeln abziehbaren Schichten. Sie setzt sich zum Ziel, solche Erzeugnisse so auszugestalten, dass während des Betriebs auftretende Schwingungen gedämpft werden (dom9a S. 3 unten).
80Zur Lösung wird vorgeschlagen, einen "heterogenen" Stapel zu bilden, der neben abziehbaren Lamellen eine schwingungsdämpfende Schicht aufweist (dom9a S. 4).
81Ein Ausführungsbeispiel ist in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 1 dargestellt.
82Zwischen zwei Bereichen mit abziehbaren Lamellen (1) aus Metall ist eine einteilige Polymerschicht (2) angeordnet (dom9a S. 5 unten). Alternativ können die Lamellen aus einem Polymer und die einteilige Schicht aus einem Metall bestehen (dom9a S. 6 Abs. 2).
83bb) Ob ein solches Abstandsstück eine Biegsamkeit im Sinne von Merkmal 1.2.3 aufweist, wie dies das Patentgericht für möglich gehalten hat, bedarf keiner Entscheidung. Zu Recht und insoweit nicht angegriffen hat das Patentgericht jedenfalls angenommen, dass es nicht nahelag, das in dom9 offenbarte Abstandsstück mit einem Haltefuß im Sinne von Merkmal 1.3 zu versehen.
84c) Für dom11 gilt Entsprechendes.
85aa) Die Entgegenhaltung dom11 befasst sich mit Ausgleichsscheiben (adjustment shims) aus aufeinander laminierten, einzeln abziehbaren Metallfolien.
86Als Nachteil bekannter Erzeugnisse führt dom11 an, darauf könnten nur in begrenztem Maße Informationen wie zum Beispiel eine Seriennummer angegeben werden (Abs. 7-10).
87Zur Verbesserung schlägt dom11 vor, die Ausgleichsscheiben mit einem Gehäuse zu versehen, das dieselbe Dicke aufweist wie der Stapel und eine elektronische Identifizierungskomponente aufnehmen kann (Abs. 12).
88bb) Daraus ergab sich, wie das Patentgericht zutreffend angenommen hat, ebenfalls nicht die Anregung, das Ausgleichsstück mit einem Haltefuß im Sinne von Merkmal 1.3 zu versehen.
89d) Aus dom12 ergaben sich keine weitergehenden Anregungen.
90aa) Die Entgegenhaltung dom12 befasst sich mit Vorrichtungen zum Verriegeln von Gegenständen, zum Beispiel von Containern oder Paletten im Frachtraum eines Flugzeugs.
91Als Nachteil bekannter Erzeugnisse wird angeführt, diese seien nicht justierbar und erforderten aufwendige Messungen im Flugzeug (Abs. 4).
92Zur Verbesserung schlägt dom12 vor, an einem Rahmen eine oder mehrere Verriegelungsklauen zu befestigen und ein Einstellmodul vorzusehen, mit dem die Position eines zu verriegelnden Gegenstandes relativ zur Verriegelungsklaue eingestellt werden kann (Abs. 7).
93Ein Ausführungsbeispiel ist in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 1 dargestellt.
94An einem Rahmen (2) sind zwei Verriegelungsklauen (3, 6) schwenkbar befestigt (Abs. 23-26).
95An der Verriegelungsklaue (3) und optional auch an der Verriegelungsklaue (6) ist ein Einstellmodul (10) befestigt. Dieses besteht aus mehreren dünnen Metallbogen (11), die einzeln abgezogen werden können, um die Dicke anzupassen (Abs. 28 f.).
96Das Einstellmodul (10) weist an einem Ende einen im Wesentlichen senkrecht hervorstehenden Bereich (12) auf, in dem eine Öffnung (13) ausgebildet ist. Dies ermöglicht die Befestigung des Einstellmoduls mittels einer Schraube (14). Alternativ kann das Einstellmodul durch Nieten oder Kleben befestigt werden (Abs. 30 f.).
97bb) Entgegen der Auffassung der Berufung ist damit ebenfalls kein Haltefuß im Sinne von Merkmal 1.3 offenbart.
98Der in dom12 offenbarte senkrecht hervorstehende Bereich (12) kann zwar als Haltefuß im Sinne des Streitpatents fungieren. Weder die zeichnerische Darstellung noch die Beschreibung lassen aber erkennen, dass dieser Bereich ebenso wie der Rest des Einstellmoduls (10) aus einzelnen voneinander lösbaren Metallschichten besteht. Die Darstellung in Figur 1 deutet sogar eher darauf hin, dass sich die einzelnen Bogen (11) nur bis zu der Kante erstrecken, an die der Bereich (12) angrenzt.
99e) Aus dom13 ergeben sich keine weitergehenden Anforderungen.
100aa) Die Entgegenhaltung dom13 befasst sich mit Ausgleichselementen (shim members).
101Als Nachteil bekannter Erzeugnisse wird angegeben, diese seien teuer und ihre Anwendung sei zeitaufwendig und kompliziert (S. 1 Z. 8-10).
102Zur Verbesserung schlägt dom13 vor, ein Ausgleichselement so auszugestalten, dass durch sorgfältiges, vorzugsweise computergestütztes Vorpressen oder Falten der benötigte maßgenaue Abstand erreicht werden kann (S. 1 Z. 11-19).
103Ein Ausführungsbeispiel ist in den nachfolgend wiedergegebenen Figuren 5 und 7 dargestellt.
104Das vorgefertigte Bauteil weist die in Figur 5 dargestellte Höhe X auf. Durch Pressen kann die Höhe auf den in Figur 7 dargestellten Wert Y reduziert werden.
105bb) Ob sich daraus, wie die Berufung meint, eine Anregung ergab, Abstandsstücke nach dem Vorbild von dom9 in eine nicht planare Form zu überführen, bedarf keiner Entscheidung. Jedenfalls gab auch eine Zusammenschau von dom9, dom13 oder weiteren Entgegenhaltungen keine Veranlassung, dieses Ziel in der Weise zu verwirklichen, dass der aus der Ebene hervorstehende Bereich dieselbe Materialstruktur aufweist wie die übrigen Bereiche.
106Entgegen der Auffassung der Berufung ist es vor dem Hintergrund des aufgezeigten Standes der Technik nicht als Trivialität anzusehen, eine nicht planare Gestaltung durch Umbiegen von Material herbeizuführen, das aus mehreren miteinander verklebten Schichten besteht. Wie das Streitpatent ausführt und auch die Berufung nicht in Zweifel zieht, führt eine solche Ausgestaltung grundsätzlich zu einer erhöhten Biegefestigkeit. Angesichts dessen bedurfte es einer konkreten Anregung, den Verbund zwischen den einzelnen Schichten so auszugestalten, dass er einerseits einen Zusammenhalt gewährleistet, andererseits unter gewissen Voraussetzungen dennoch eine Umformung durch Biegen ermöglicht. Eine solche Anregung ergab sich aus dem aufgezeigten Stand der Technik nicht.
1073. Das in Patentanspruch 7 geschützte Herstellungsverfahren wird durch seine Ausrichtung auf die in Merkmalsgruppe 1.2 definierten Eigenschaften geprägt und unterliegt deshalb derselben Beurteilung wie das in Patentanspruch 1 geschützte Verfahren.
1084. Entsprechendes gilt für das in Patentanspruch 6 geschützte Verfahren zum Einsatz eines Abstandsstücks.
109In Anspruch 6 findet sich zwar keine direkte Entsprechung zu Merkmal 1.2.3. Dies führt jedoch nicht zu einer abweichenden Beurteilung, weil diese Ausgestaltung die Grundlage für die Ausbildung eines Haltefußes im Sinne von Merkmal 1.3 bildet und ein solcher Haltefuß auch in Anspruch 6 zwingend vorgesehen ist.
110IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 97 Abs. 1 ZPO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:290425UXZR43.23.0
Fundstelle(n):
SAAAJ-93647