Aufklärung der gesundheitlichen Eignung im Auswahlverfahren
Leitsatz
1. Die Auswahl eines Bewerbers für die Vergabe eines höherwertigen Dienstpostens trotz fehlender Aufklärung bestehender Zweifel an dessen gesundheitlicher Eignung verletzt den Konkurrenten in seinem Bewerbungsverfahrensanspruch.
2. Ein Rückgriff auf die in älteren dienstlichen Beurteilungen enthaltenen Aussagen ist erforderlich, wenn ihnen noch Aussagekraft für die aktuell zu treffende Auswahlentscheidung zukommt.
Gesetze: Art 33 Abs 2 GG, Art 3 Abs 2 S 2 GG, § 9 S 1 BBG 2009, § 9 S 2 BBG 2009, § 8 Abs 1 S 1 Nr 3 BGleiG 2015, § 3 Nr 2 BGleiG 2015, § 33 Abs 1 S 2 BLV 2009
Gründe
I
1Das Verfahren betrifft das Auswahlverfahren für die Vergabe eines höherwertigen Dienstpostens beim Bundesnachrichtendienst (BND).
2Der 19.. geborene Antragsteller ist Regierungsamtmann (Besoldungsgruppe A 11 BBesO) im Dienst der Antragsgegnerin und wird seit 2003 im Geschäftsbereich des BND verwendet. Im Juli 2024 schrieb das zuständige Referat des BND den streitgegenständlichen, mit der Besoldungsgruppe A 12 BBesO bewerteten Dienstposten Sachbearbeiter "..." (Stellenausschreibung ...) förderlich für Beamte der Besoldungsgruppe A 11 BBesO aus. Nach der Stellenausschreibung umfasst der Aufgabenbereich des Dienstpostens das Erteilen von "Fachunterricht Sicherheit" sowie neben der Koordination aller ausbildungsrelevanten Vorgänge im Bereich Sicherheit die didaktische und fachliche Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung des Unterrichts.
3Der Dienstposten ist seit April 2024 kommissarisch mit dem Antragsteller besetzt. Auf die Ausschreibung bewarb sich neben dem Antragsteller u. a. die Beigeladene, die nach vorausgegangener Erkrankung seit Januar 2025 eine stufenweise Wiedereingliederung nach dem sog. Hamburger Modell durchläuft. Der Antragsteller und die Beigeladene erhielten in ihrer letzten dienstlichen Beurteilung zum Stichtag beide ein Gesamturteil der Note vier auf der sechsstufigen BND-Beurteilungsskala, die Beigeladene wegen ihrer Eigenschaft als freigestelltes Mitglied im Gesamtpersonalrat aufgrund fiktiver Fortschreibung einer früheren dienstlichen Beurteilung.
4Im Auswahlvermerk vom wurde die Beigeladene zur Besetzung des Dienstpostens vorgeschlagen und hierzu festgestellt, der aufgrund des gleichen Gesamturteils durchgeführte Vergleich aller Einzelmerkmale der aktuellen Regelbeurteilungen habe keinen wesentlichen Qualifikationsvorsprung für einen Bewerber ergeben. Daher werde auf Weisung des Bundeskanzleramts nach vollständiger Auswertung der aktuellen Beurteilung § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGleiG zur Anwendung gebracht, weil der Frauenanteil in dem ausgeschriebenen Statusamt zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung nur bei 36 % liege.
5Im Nachgang zu dem daraufhin durchgeführten "Kennlerngespräch" mit dem "Bedarfsträger" der ausgeschriebenen Stelle sprach sich letzterer mit Stellungnahme vom gegen die Beigeladene aus, weil der Eindruck entstanden sei, dass sich die Beigeladene noch im Heilungsprozess nach einer für sie "schlechten Erfahrung" befinde, die eine zweijährige Dienstunfähigkeit zur Folge gehabt habe. Vor dem Hintergrund der hohen Belastung und Präsenzpflicht stelle sich daher die Frage, ob der mit dem Dienstposten einhergehende exponierte Einsatz vor sehr anspruchsvoller "Klientel" im Sinne der Beigeladenen sei.
6Mit E-Mail vom führte das "Team Beamtenversorgung" daraufhin aus, die Beigeladene sei derzeit dienstunfähig erkrankt, jedoch bestehe Aussicht auf Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit innerhalb von sechs Monaten. Da ab Januar 2025 eine Wiedereingliederung geplant sei, werde zunächst kein Zurruhesetzungsverfahren eingeleitet. Aus ärztlicher Sicht könne die Beigeladene gemäß ihrem Tätigkeitsprofil eingesetzt werden. Es solle aber eine schonende Wiederaufnahme der Tätigkeit erfolgen. Sofern im März 2025 abzusehen sei, dass die volle Dienstfähigkeit nicht bis Ende April 2025 erreicht werden könne, werde eine Nachuntersuchung eingeleitet.
7Mit Schreiben vom teilte der BND dem Antragsteller die beabsichtigte Besetzung des Dienstpostens mit der Beigeladenen mit. Hiergegen hat der Antragsteller Widerspruch erhoben und am einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Zu dessen Begründung trägt er im Wesentlichen vor, die Auswahlentscheidung verletze seinen Bewerbungsverfahrensanspruch, weil die Beigeladene mangels gesundheitlicher Eignung nicht in das Auswahlverfahren habe einbezogen werden dürfen. Bestünden bei einem Bewerber begründete Zweifel an der gesundheitlichen Eignung, sei der Dienstherr nicht berechtigt, diesem den Dienstposten unter Missachtung des öffentlichen Interesses an einer möglichst effektiven Aufgabenerfüllung und bestmöglicher Stellenbesetzung zu übertragen.
8Der Antragsteller beantragt,
der Antragsgegnerin zu untersagen, den Dienstposten Sachbearbeiter "..." (Stellenausschreibung ...) mit der Beigeladenen zu besetzen, bis über die Bewerbung des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu entschieden worden ist.
9Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
10Sie trägt vor, die Beigeladene habe berücksichtigt werden dürfen, obwohl sie sich in einer noch nicht abgeschlossenen Wiedereingliederungsmaßnahme befinde. Zwar könnten erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten ein Indiz für eine fehlende gesundheitliche Eignung sein, eine lange Zeit der Dienstunfähigkeit sei hierfür aber regelmäßig nicht ausreichend. Hinreichende Anknüpfungstatsachen für einen Ausschluss der Beigeladenen aus dem Bewerberkreis lägen nicht vor. Für die Beurteilung der gesundheitlichen Eignung komme es allein auf den Zeitpunkt der Dienstpostenübertragung an, mit der erst im Frühjahr 2025 zu rechnen sei.
11Die Beigeladene hat sich nicht geäußert und auch keinen Antrag gestellt.
12Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die dem Gericht übersandten Verwaltungsvorgänge verwiesen.
II
13Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, über den der Senat nach § 123 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO in erster und letzter Instanz zu entscheiden hat, ist zulässig und begründet. Der Antragsteller hat sowohl die Eilbedürftigkeit einer gerichtlichen Entscheidung und damit einen Anordnungsgrund (1.) als auch einen Anordnungsanspruch (2.) glaubhaft gemacht.
141. Dem Antragsteller steht ein Anordnungsgrund i. S. d. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO für den begehrten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Seite.
15Zwar ist Gegenstand des Verfahrens nicht die Vergabe eines statusrechtlichen Amts, die nach Ernennung des ausgewählten Bewerbers nach dem Grundsatz der Ämterstabilität nur noch rückgängig gemacht werden könnte, wenn der unterlegene Bewerber unter Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG an der Ausschöpfung seiner Rechtsschutzmöglichkeiten gehindert worden wäre (vgl. 2 C 16.09 - BVerwGE 138, 102 Rn. 27 und vom - 2 A 5.18 - BVerwGE 164, 84 Rn. 22 ff. sowie zuletzt etwa Beschluss vom - 2 VR 10.23 - BVerwGE 182, 59 Rn. 13). Ausschreibung und Auswahlentscheidung sind vielmehr ausdrücklich nur auf die Vergabe eines Dienstpostens bezogen. Diese kann nachträglich aufgehoben und der Dienstposten anderweitig besetzt werden, sodass dem Antragsteller nachgelagerter Rechtsschutz zur Verfügung steht (stRspr, vgl. zuletzt BVerwG, Beschlüsse vom - 2 VR 1.24 - NVwZ 2024, 1933 Rn. 19 und vom - 2 VR 4.24 - NVwZ 2025, 604 Rn. 14).
16Mit der Übertragung eines höherwertigen Dienstpostens ist auch keine "Anwartschaft" oder in sonstiger Weise rechtlich gesicherte Position im Hinblick auf die Vergabe des höherwertigeren Statusamts verbunden (vgl. 2 VR 3.23 - BVerwGE 180, 275 Rn. 12). Die Übertragung eines höherwertigen Dienstpostens begründet keinen Anspruch auf Beförderung (vgl. 6 C 55.68 - BVerwGE 36, 218 <222> und vom - 2 C 51.13 - BVerwGE 151, 114 Rn. 16). Die Einstufung und Wertigkeit des Dienstpostens, den der Beamte innehat, ist vielmehr kein den Vorgaben des Grundsatzes der Bestenauswahl aus Art. 33 Abs. 2 GG entsprechendes Kriterium (vgl. 2 C 37.04 - BVerwGE 124, 99 <103>; Beschluss vom - 2 VR 10.23 - BVerwGE 182, 59 Rn. 14 m. w. N.; ebenso - NVwZ 2013, 1603 Rn. 22 f.).
17Die von der Antragsgegnerin getroffene Auswahlentscheidung für die Dienstpostenvergabe vermag die Rechtsstellung des Antragstellers aus Art. 33 Abs. 2 GG aber dennoch zu beeinträchtigen, weil sie Vorwirkungen auf die nachfolgende Vergabe von Statusämtern entfalten kann (stRspr, vgl. 2 VR 10.23 - BVerwGE 182, 59 Rn. 14 ff. m. w. N.). Der von der Antragsgegnerin zur Nachbesetzung vorgesehene und mit der Besoldungsgruppe A 12 BBesO bewertete Dienstposten stellt für den Antragsteller, der ein Amt der Besoldungsgruppe A 11 BBesO innehat, einen höherwertigen Dienstposten dar. Die Übertragung schafft daher die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für eine spätere Beförderung (§ 22 Abs. 2 BBG; vgl. zur ämtergleichen Umsetzung dagegen 2 A 6.13 - BVerwGE 153, 246 Rn. 18). Diese Vorwirkung ist mit der bewusst "förderlichen" Besetzung des Dienstpostens durch Beamte mit einem Statusamt der niedrigeren Besoldungsgruppe A 11 BBesO auch beabsichtigt (vgl. 2 VR 4.24 - NVwZ 2025, 604 Rn. 16).
182. Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Die Auswahlentscheidung verletzt im maßgeblichen Zeitpunkt der Auswahlentscheidung (vgl. 2 VR 10.23 - BVerwGE 182, 59 Rn. 18) den aus § 9 Satz 1 BBG und Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Anspruch des Antragstellers auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung (sog. Bewerbungsverfahrensanspruch). Die Einbeziehung der Beigeladenen in den Bewerbervergleich war ohne weitergehende Feststellungen zu ihrer gesundheitlichen Eignung fehlerhaft (a). Nicht zu beanstanden ist dagegen, dass die Antragsgegnerin eine weitere Betrachtung älterer dienstlicher Beurteilungen unterlassen hat (b).
19a) Die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin verletzt den Antragsteller in seinem Bewerbungsverfahrensanspruch, weil sie die Beigeladene trotz des Fehlens hinreichender Feststellungen zu deren gesundheitlicher Eignung in den Bewerbervergleich einbezogen hat.
20aa) Nach Art. 33 Abs. 2 GG und § 9 Satz 1 BBG sind Ernennungen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorzunehmen. Geeignet in diesem Sinne ist nur, wer dem angestrebten Amt in körperlicher, psychischer und charakterlicher Hinsicht gewachsen ist (vgl. - BVerfGE 92, 140 <151>; 2 VR 2.17 - Buchholz 232.0 § 9 BBG 2009 Nr. 7 Rn. 11). Bei der von Art. 33 Abs. 2 GG geforderten Eignungsbeurteilung hat der Dienstherr daher immer auch eine Entscheidung darüber zu treffen, ob der Bewerber den Anforderungen des jeweiligen Amtes in gesundheitlicher Hinsicht entspricht (vgl. - NVwZ 2009, 389 <389>; 2 C 12.11 - BVerwGE 147, 244 Rn. 10). Ist nach der körperlichen oder psychischen Konstitution eines Bewerbers die gesundheitliche Eignung nicht gegeben, kann er unabhängig von seiner fachlichen Eignung nicht in den Vergleich der Bewerber um die zur Vergabe stehenden Ämter einbezogen werden (vgl. 2 C 12.11 - BVerwGE 147, 244 Rn. 10). Folgerichtig kann der Vollzug der Auswahlentscheidung auch dann unterbleiben, wenn der ausgewählte Bewerber nachträglich die gesundheitliche Eignung verliert (vgl. 2 C 12.20 - BVerwGE 171, 24 Rn. 23).
21Der Dienstherr und die Allgemeinheit haben ein berechtigtes Interesse daran, dass hoheitliche Aufgaben nur von Beamten wahrgenommen werden, die zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten physisch und psychisch dauerhaft in der Lage sind (vgl. - NVwZ-RR 2021, 217 Rn. 34; 2 C 17.23 - BVerwGE 183, 92 Rn. 17). Darüber hinaus trifft den Dienstherrn eine Fürsorgepflicht (vgl. § 78 BBG) gegenüber seinen Beamten, die ihn u. a. verpflichtet, Schädigungen ihrer körperlichen oder seelischen Gesundheit zu vermeiden (vgl. - juris Rn. 10; 2 C 6.21 - BVerwGE 178, 116 Rn. 19; Beschluss vom - 2 B 51.12 - NVwZ-RR 2013, 797 Rn. 10). Aktualisiert sich die Fürsorgepflicht aufgrund der anstehenden Vergabe eines höherwertigen Dienstpostens, muss der Dienstherr sicherstellen, dass der Beamte den hiermit einhergehenden Anforderungen in gesundheitlicher Hinsicht gewachsen, die Tätigkeit bei Vorliegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen mithin leidensgerecht ist (s. auch - juris Rn. 10; II C 114.65 - Buchholz 232 § 26 BBG Nr. 11 S. 4; Beschluss vom - 2 B 51.12 - NVwZ-RR 2013, 797 Rn. 10).
22Bestehen gesundheitliche Einschränkungen eines Bewerbers im Hinblick auf die Bewältigung der Aufgaben des zu vergebenden Dienstpostens oder lässt die Vergabe des Dienstpostens an diesen den Eintritt gesundheitlicher Beeinträchtigungen mit hinreichender Sicherheit erwarten, ist dies im Auswahlverfahren zu berücksichtigen. Etwaige Mängel können von einem Mitbewerber geltend gemacht werden. Wenn dem ausgewählten Bewerber bereits die Eignung für die zu besetzende Stelle fehlt, trifft die in der Auswahl liegende Feststellung, dass er für die Wahrnehmung der Stelle geeignet ist - und zwar besser als der Konkurrent - nicht zu (vgl. - NVwZ 2008, 194 <194>). Bei begründeten Zweifeln an der gesundheitlichen Eignung muss der Dienstherr weitere Feststellungen treffen (vgl. 2 C 27.15 - BVerwGE 156, 272 Rn. 42).
23bb) Diesen Anforderungen wird die streitbefangene Auswahlentscheidung nicht gerecht. Der Antragsgegnerin war im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung bekannt, dass die Beigeladene bereits seit einem nicht unerheblichen Zeitraum dienstunfähig erkrankt und für eine Wiedereingliederungsmaßnahme vorgesehen war, weshalb "zunächst" von der Einleitung eines Zurruhesetzungsverfahrens abgesehen worden ist. Dies hätte der Antragsgegnerin Anlass geben müssen, mögliche gesundheitliche Beeinträchtigungen der Beigeladenen im Hinblick auf die Anforderungen des zu vergebenden Dienstpostens weiter aufzuklären und den insoweit bestehenden Anhaltspunkten nachzugehen.
24Die Antragsgegnerin entlastet auch nicht, dass nach den Angaben des "Team Beamtenversorgung" in der E-Mail vom Verwendungseinschränkungen bei der Beigeladenen nicht bestehen sollen. Denn hierbei handelt es sich weder um eine ärztliche Stellungnahme noch lagen der E-Mail die offenbar vorhandenen amtsärztlichen Feststellungen bei. Es obliegt aber dem Dienstherrn, ärztliche Feststellungen zum Gesundheitszustand eines Beamten in rechtlicher Hinsicht zu bewerten und auf dieser Grundlage zu entscheiden, ob und ggf. für welche Verwendungen der Beamte (wieder) eingesetzt werden kann (vgl. 2 C 4.21 - BVerwGE 177, 37 Rn. 21 f. und vom - 2 C 21.23 - juris Rn. 34).
25cc) Die Vergabe des Dienstpostens an den Antragsteller erscheint bei einer erneuten Auswahlentscheidung auch ernstlich möglich (vgl. hierzu 2 VR 4.24 - NVwZ 2025, 604 Rn. 66 ff.), weil aus den vorgenannten Gründen derzeit offen ist, ob die Beigeladene in den Bewerbervergleich mit dem Antragsteller einzubeziehen ist.
26b) Hingegen wird der Antragsteller nicht dadurch in seinem Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt, dass die Antragsgegnerin beim Bewerbervergleich eine Heranziehung älterer dienstlicher Beurteilungen unterlassen hat.
27aa) Nach Art. 33 Abs. 2 GG dürfen öffentliche Ämter im statusrechtlichen Sinn nur nach Kriterien vergeben werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung betreffen. Für die hier in Rede stehende Vergabe eines höherwertigen Dienstpostens gilt, wie bereits ausgeführt, aufgrund der Vorwirkungen für die nachfolgende Vergabe von Statusämtern nichts anderes.
28Bei den Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung handelt es sich um Gesichtspunkte, die darüber Aufschluss geben, in welchem Maße der Beamte den Anforderungen seines Amts genügt und sich in einem höheren Amt voraussichtlich bewähren wird. Art. 33 Abs. 2 GG enthält keine Einschränkungen, die die Bedeutung des Grundsatzes der Bestenauswahl relativieren. Diese inhaltlichen Anforderungen für die Vergabe höherwertiger Ämter oder - wie hier - Dienstposten machen eine Bewerberauswahl notwendig. Der Dienstherr darf das Amt nur demjenigen Bewerber verleihen, der aufgrund eines den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG entsprechenden Vergleichs die Prognose rechtfertigt, dass er in Zukunft den Anforderungen des zu besetzenden Amts am besten entsprechen wird (vgl. - NVwZ 2013, 1603 Rn. 17; BVerwG, Beschlüsse vom - 2 VR 1.13 - BVerwGE 147, 20 Rn. 19 und vom - 2 VR 1.14 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 65 Rn. 21).
29Der Vergleich der Bewerber im Rahmen einer Auswahlentscheidung hat primär anhand aktueller dienstlicher Beurteilungen zu erfolgen (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom - 2 BvR 1287/16 - NVwZ-RR 2017, 46 Rn. 78 und vom - 2 BvR 1207/18 - NVwZ-RR 2018, 833 Rn. 9, jeweils m. w. N.; 2 C 51.16 - Buchholz 232.1 § 49 BLV Nr. 3 Rn. 28 und vom - 2 A 7.22 - BVerwGE 180, 292 Rn. 25). Die Beurteilungen sind in ihrer Gesamtheit zugrunde zu legen. Maßgeblich ist in erster Linie das abschließende Gesamturteil, welches anhand einer Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte zu bilden ist (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom - 2 BvR 1287/16 - NVwZ 2017, 46 Rn. 79 und vom - 2 BvR 1207/18 - NVwZ-RR 2018, 833 Rn. 9; 2 C 2.21 - BVerwGE 173, 81 Rn. 42; Beschluss vom - 2 VR 1.23 - juris Rn. 21).
30Sind Bewerber sowohl im Gesamturteil der aktuellen dienstlichen Beurteilung als auch in der Beurteilung der im Anforderungsprofil als maßgeblich benannten Kriterien (vgl. 2 VR 1.13 - BVerwGE 147, 20 Rn. 49) im Wesentlichen gleich bewertet worden, muss der Dienstherr im Auswahlverfahren die für die Stellenvergabe wesentlichen Einzelaussagen der dienstlichen Beurteilungen weiter vergleichen (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom - 2 BvR 1287/16 - NVwZ 2017, 46 Rn. 80 m. w. N. und vom - 2 BvR 1207/18 - NVwZ-RR 2018, 833 Rn. 10) und Differenzierungen in der verbalen Gesamtwürdigung zur Kenntnis nehmen (vgl. 2 C 19.10 - BVerwGE 140, 83 Rn. 17 und vom - 2 C 51.16 - Buchholz 232.1 § 49 BLV Nr. 3 Rn. 29; Beschlüsse vom - 2 VR 5.12 - BVerwGE 145, 112 Rn. 36 und vom - 2 VR 3.23 - BVerwGE 180, 275 Rn. 68).
31Ältere dienstliche Beurteilungen, die nicht den aktuellen, sondern einen bereits zurückliegenden Zeitraum betreffen, sind in der Senatsrechtsprechung als "zusätzliche Erkenntnismittel" charakterisiert worden, die berücksichtigt werden "können" ( 2 C 2.21 - BVerwGE 173, 81 Rn. 12). Ein Rückgriff auf darin enthaltene Aussagen ist erforderlich, soweit ihnen noch Aussagekraft für die aktuell zu treffende Auswahlentscheidung zukommt (vgl. - NVwZ 2013, 1603, Rn. 21). Das ist insbesondere der Fall, wenn in der aktuellen dienstlichen Beurteilung nicht alle für die Auswahlentscheidung maßgeblichen Merkmale beurteilt worden sind - etwa, wenn der Beamte auf seinem derzeitigen Dienstposten keine Führungsaufgaben mehr wahrnimmt und sich hierzu daher keine Aussagen in der aktuellen dienstlichen Beurteilung finden. In diesen Fällen sind auch die Aussagen früherer dienstlicher Beurteilungen heranzuziehen, um die Eignung der Bewerber für die ausgeschriebene Stelle beurteilen zu können. Die Notwendigkeit des Rückgriffs auf ältere dienstliche Beurteilungen kann auch erforderlich sein, wenn die Dauerhaftigkeit des erreichten Leistungsniveaus im Einzelfall fraglich erscheint (vgl. 2 A 7.22 - BVerwGE 180, 292 Rn. 42, vom - 2 C 19.10 - BVerwGE 140, 83 Rn. 16 und vom - 2 C 31.01 - NVwZ 2003, 1398 <1398 f.>).
32An diesem Vorrang der leistungsbezogenen Erkenntnismittel ändern die bestehenden Vorschriften zur Verwirklichung der Gleichstellung von Frauen und Männern nichts. Auch die Vorgabe in § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGleiG ist weder darauf gerichtet noch dazu geeignet, den materiellen Bezugspunkt der dienstrechtlichen Auswahlentscheidungen zu verschieben (vgl. 2 VR 1.16 - BVerwGE 157, 168 Rn. 18). Die Geltung des Grundsatzes der Bestenauswahl nach Art. 33 Abs. 2 GG wird weder durch den Verfassungsgrundsatz der Förderung der Gleichberechtigung (Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG) noch durch das Bundesgleichstellungsgesetz eingeschränkt (vgl. 1 WB 25.22 - BVerwGE 179, 57 Rn. 55). Folgerichtig sieht § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGleiG "nur" vor, dass die Dienststelle Frauen, wenn sie in einem Bereich unterrepräsentiert sind, beim beruflichen Aufstieg bei gleicher Qualifikation wie ihre Mitbewerber bevorzugt zu berücksichtigen hat. Mit dieser Formulierung wird bewusst und in Anlehnung an Art. 33 Abs. 2 GG auf die Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung Bezug genommen (vgl. BT-Drs. 18/3784 S. 80 sowie bereits BT-Drs. 14/5679 S. 22). Auch nach dem Willen des Gesetzgebers des Bundesgleichstellungsgesetzes sind daher weiterhin Eignung, Befähigung und fachliche Leistung die maßgeblichen Kriterien für die Vergabe öffentlicher Ämter. Erst bei Vorliegen einer gleichen Qualifikation darf als weiteres, zusätzliches Auswahlkriterium das Geschlecht hinzugezogen werden (vgl. BT-Drs. 18/3784 S. 85).
33bb) Ausgehend hiervon genügt die angegriffene Auswahlentscheidung den rechtlichen Anforderungen, obwohl ein Rückgriff auf ältere dienstliche Beurteilungen unterblieben ist. Dies folgt schon daraus, dass der Antragsteller und die Beigeladene hinsichtlich der im Anforderungsprofil als maßgeblich benannten Kriterien nicht gleich geeignet sind.
34Im Anforderungsprofil der Ausschreibung vom sind sechs Kriterien aufgeführt, die für den Qualifikationsvergleich maßgeblich sein sollen, wenn mehrere Bewerber über die gleiche Gesamtnote in der aktuellen Regelbeurteilung verfügen (Vertiefte Fachkenntnisse, Aufgaben- und Zielorientierung, Konzeptionelles Arbeiten, Präsentationsfähigkeit, Eigeninitiative, Kommunikationsfähigkeit). Aus der - angesichts der gewählten Regelungstechnik im Übrigen nur schwer nachvollziehbaren - Verweisung auf die sonstigen hervorgehobenen Merkmale nach Anlage 10 der BND-Beurteilungsbestimmungen hat die Antragsgegnerin im Auswahlvermerk vom fünf weitere Merkmale entnommen (Qualität und Verwertbarkeit, Verantwortungsbereitschaft, Entscheidungsvermögen, Durchsetzungsvermögen, Managementfähigkeit). In fünf dieser elf Merkmale wies die Beigeladene in der Bewertung ihrer aktuellen Regelbeurteilung einen Vorsprung vor dem Antragsteller auf, in zwei Merkmalen war der Antragsteller besser beurteilt und in den verbleibenden vier Merkmalen waren Antragsteller und Beigeladene gleich beurteilt worden. In der Summe wies die Beigeladene mithin in drei der elf als maßgeblich benannten Kriterien einen Vorsprung auf.
35Die Antragsgegnerin hat gleichwohl keinen wesentlichen Qualifikationsunterschied angenommen. Dies beruht darauf, dass der BND in Anwendung seiner Förderungsrichtlinie davon ausgeht, dass ein wesentlicher Unterschied der im Anforderungsprofil hervorgehobenen Kriterien erst dann anzunehmen ist, wenn ein Bewerber in mindestens drei Fünftel der Merkmale einen Vorsprung aufweist (vgl. Ziff. III.5.2.2. FöRL-BND).
36Diese Einengung ist mit dem Grundsatz der Bestenauswahl nicht vereinbar, insbesondere ist kein sachlicher Grund für die einschränkende Bewertung erkennbar (vgl. zur Kritik an der Auswahl und Gewichtung der im Anforderungsprofil als maßgeblich benannten Kriterien bereits 2 VR 1.24 - NVwZ 2024, 1933 Rn. 31). Zwar zwingt nicht jede einzelne Differenzierung bereits zur Annahme eines "wesentlichen" Unterschieds. Erweist sich der Vorsprung indes nicht als nur singulär und damit möglicherweise zufällig, ist nicht ersichtlich, warum der Unterschiedlichkeit in der Bewertung der ausdrücklich als maßgeblich gekennzeichneten Kriterien nicht Rechnung getragen werden sollte. Der Dienstherr hat diesen Kriterien im Rahmen der Ausschreibung besondere Bedeutung zuerkannt und die Differenzierung der Bewerber geht auf die hierzu ergangene Bewertung in der dienstlichen Beurteilung zurück. Insbesondere aber spricht nichts dafür, dass die - bei Ablehnung der Annahme eines Qualifikationsvorsprungs - erforderliche Bezugnahme auf nachrangige und ggf. leistungsfernere Gesichtspunkte den Anforderungen an eine sachgerechte Bewerberauswahl besser Rechnung tragen könnte.
37cc) Unabhängig hiervon wäre die Antragsgegnerin, wenn sich nach Ausschöpfung der aktuellen Regelbeurteilung und Berücksichtigung der im Anforderungsprofil als maßgeblich benannten Kriterien kein wesentlicher Qualifikationsunterschied ergeben hätte, voraussichtlich nicht zur Heranziehung älterer dienstlicher Beurteilungen verpflichtet gewesen.
38Die für die Auswahlentscheidung maßgeblichen Merkmale sind bereits in den aktuellen dienstlichen Beurteilungen erfasst. Eine ergänzende Betrachtung älterer dienstlicher Beurteilungen zur Feststellung der Eignung war folglich nicht geboten.
39Denkbar ist daher allein, dass ein Rückgriff auf ältere dienstliche Beurteilungen erforderlich gewesen sein könnte, um die Dauerhaftigkeit des in der aktuellen dienstlichen Beurteilung der Beigeladenen ausgewiesenen Leistungsniveaus zu überprüfen. Derartiges erscheint im Hinblick darauf, dass diese dienstliche Beurteilung auf der fiktiven Fortschreibung einer früheren dienstlichen Beurteilung beruht, nicht ausgeschlossen. Im Geschäftsbereich des BND wird die fiktive Fortschreibung einer dienstlichen Beurteilung indes gerade auf der Grundlage älterer dienstlicher Beurteilungen gebildet (vgl. 2 VR 4.24 - juris Rn. 50 f.). Inwiefern die zusätzliche und eigenständige Betrachtung älterer dienstlicher Beurteilungen einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn erbringen könnte, ist daher nicht ersichtlich. Entsprechendes hat der Antragsteller auch nicht vorgebracht. Etwaige Bedenken an der Aktualität und Dauerhaftigkeit der in der letzten dienstlichen Beurteilung enthaltenen Aussagen könnten vielmehr wohl gerade nicht durch einen Rückgriff auf ältere dienstliche Beurteilungen aufgeklärt werden.
40Ausgehend hiervon war eine ergänzende Betrachtung älterer dienstlicher Beurteilungen von Antragsteller und Beigeladener zur Feststellung der Eignung nicht erforderlich. Eine weitergehende Ausdifferenzierung der Feststellungen zur im Wesentlichen gleichen Eignung verlangt Art. 33 Abs. 2 GG nicht.
41Die Anordnung in § 33 Abs. 1 Satz 2 BLV, wonach frühere Beurteilungen zusätzlich zu berücksichtigen und vor Hilfskriterien heranzuziehen sind, dürfte der angegriffenen Auswahlentscheidung - abgesehen von der Frage, ob die Beigeladene überhaupt in den Bewerbervergleich hätte einbezogen werden dürfen - ebenfalls nicht entgegenstehen. Dieser, nur in der Rechtsform einer Rechtsverordnung angeordneten Regelung geht die parlamentsgesetzlich normierte Präferenzregel des § 8 Abs. 1 Satz 1 BGleiG vor (vgl. auch § 33 Abs. 1 Satz 5 BLV). Wegen der im hier maßgeblichen Bereich des dem Dienstposten zugrundeliegenden Statusamts (vgl. § 3 Nr. 2 BGleiG, BT-Drs. 18/3784 S. 76 f. sowie Ziff. III.5.4 FöRL-BND) bestehenden Unterrepräsentation von Frauen (36 %) war die Antragsgegnerin gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGleiG verpflichtet, diese beim beruflichen Aufstieg - der auch die Übertragung höherwertiger Dienstposten umfasst (vgl. § 3 Nr. 3 BGleiG) - bevorzugt zu berücksichtigen. Anhaltspunkte für einen Ausnahmefall i. S. d. § 8 Abs. 1 Satz 2 BGleiG sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
423. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladene keinen Antrag gestellt hat, hat sie keine Kosten zu tragen (§ 154 Abs. 3 VwGO), kann aber billigerweise auch keine Kostenerstattung beanspruchen (§ 162 Abs. 3 VwGO).
43Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 52 Abs. 1 und in Orientierung an § 52 Abs. 6 Satz 4 GKG. Da der Antragsteller mit dem streitgegenständlichen Eilverfahren nur eine vorläufige Freihaltung der Stelle erreichen kann und nicht eine Vergabe an sich selbst, ist eine weitere Halbierung des Betrags geboten, sodass der Wert auf ein Viertel des sich aus § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 GKG berechneten Betrags festzusetzen ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 2 VR 2.19 - Buchholz 232.0 § 9 BBG Nr. 9 Rn. 43, vom - 2 VR 3.24 - juris Rn. 28 und vom - 2 VR 4.24 - juris Rn. 69).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2025:130525B2VR5.24.0
Fundstelle(n):
VAAAJ-93390