Verlängerung der Fortgeltungsanordnung aus dem Urteil vom (BVerfGE 169, 1 "Vaterschaftsanfechtung") bzgl § 1600 Abs 2, Abs 3 S 1 BGB bis
Gesetze: Art 6 Abs 2 S 1 GG, § 90 BVerfGG, § 95 BVerfGG, § 1600 Abs 2 BGB, § 1600 Abs 3 S 1 BGB
Instanzenzug: Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt Az: 8 UF 95/21 Beschlussvorgehend Az: 1 BvR 2017/21 Urteilvorgehend Az: 1 BvR 2017/21 Gegenstandswertfestsetzung im verfassungsgerichtlichen Verfahren
Gründe
I.
1Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil vom § 1600 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 BGB für mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG unvereinbar erklärt. Zudem hat es angeordnet, dass die vorgenannten Vorschriften bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung, längstens jedoch bis zum , fortgelten sowie dass bis zu einer Neuregelung durch Anträge von Anfechtungsberechtigten nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB eingeleitete Verfahren auf deren Antrag hin auszusetzen sind (vgl. BVerfGE 169, 1 <2>). Die Fortgeltung hat es damit begründet, dass ohne eine solche anfechtungsberechtigten leiblichen Vätern die Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft eines anderen Mannes selbst dann versperrt wäre, wenn diese auf der Grundlage der für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärten Regelungen mit ihrem Anfechtungsantrag Erfolg haben könnte. Diese Konsequenz stünde dem durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG leiblichen Vätern garantierten Anspruch auf ein effektives Verfahren zur Erlangung der rechtlichen Vaterschaft entgegen (vgl. BVerfGE 169, 1 <65 Rn. 114>). Zudem müsse den nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB Anfechtungsberechtigten die Möglichkeit gegeben werden, bereits nach Maßgabe der für unvereinbar erklärten Vorschriften eingeleitete Anfechtungsverfahren aussetzen zu lassen, um zu vermeiden, dass sie wegen der mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG unvereinbaren Regelung in § 1600 Abs. 2 Alt. 1 BGB mit ihrer Anfechtung erfolglos blieben (vgl. BVerfGE 169, 1 <65 Rn. 115>).
II.
2Angesichts der am auslaufenden Fortgeltungsanordnung hat der Vorsitzende des Senats mit gleichlautenden Schreiben vom an die Präsidentinnen des Bundestages und des Bundesrates sowie an den Bundeskanzler um Auskunft gebeten, ob eine Neuregelung durch den Gesetzgeber innerhalb der genannten Frist zu erwarten sei. Der Bundeskanzler hat darauf hingewiesen, dass in der 20. Wahlperiode des Deutschen Bundestages das zuständige Bundesministerium den Entwurf eines Änderungsgesetzes erstellt habe, ein solches Gesetz aber wegen des vorzeitigen Endes der Wahlperiode nicht habe verabschiedet werden können. Zugleich hat er angeregt, die im genannten Urteil ausgesprochene Fortgeltungsanordnung bis zum zu verlängern. Dem Bundestag und dem Bundesrat sowie den Beteiligten des der Verfassungsbeschwerde zugrunde liegenden Ausgangsverfahrens ist Gelegenheit gegeben worden, dazu Stellung zu nehmen. Die Beteiligten des Ausgangsverfahren haben mit Schreiben jeweils vom erklärt, dass einer Verlängerung der Fortgeltungsanordnung nicht entgegengetreten werde beziehungsweise dass gegen eine solche keine Bedenken erhoben würden. Weitere Stellungnahmen sind nicht eingegangen.
III.
3Die für mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG unvereinbar erklärten Regelungen in § 1600 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 BGB gelten auch über den hinaus bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber, längstens jedoch bis zum , fort. Die im genannten Gründe für eine Anordnung der Fortgeltung (Rn. 1) bestehen weiterhin in gleicher Weise. Insbesondere verwehrte ansonsten die Unanwendbarkeit der genannten Regelungen anfechtungsberechtigten leiblichen Vätern weiterhin eine erfolgreiche Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft eines anderen Mannes selbst dann, wenn eine sozial-familiäre Beziehung des betroffenen Kindes zu dem rechtlichen Vater im maßgeblichen Zeitpunkt nicht besteht. Der Grund für den Aussetzungsanspruch nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB anfechtungsberechtigter leiblicher Väter besteht ebenfalls fort.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2025:rs20250603.1bvr201721
Fundstelle(n):
KAAAJ-93385