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BGH Urteil v. - 5 StR 63/25

Instanzenzug: LG Dresden Az: 7 KLs 609 Js 21147/24

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit besonders schwerem Raub und mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Gegen den Angeklagten N.      hat es eine Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verhängt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Gegen den Angeklagten A.    hat es auf eine Freiheitsstrafe von drei Jahren erkannt. Hiergegen wenden sich die Angeklagten jeweils mit ihren auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen. Die Staatsanwaltschaft begehrt mit ihrer allein zu Ungunsten des Angeklagten A.    eingelegten und auf die Sachrüge gestützten Revision insoweit die Aufhebung des Urteils; sie erstrebt die weitergehende Verurteilung des Angeklagten A.    wegen tateinheitlicher versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung. Die Rechtsmittel haben weitgehend Erfolg.

I.

21. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

3Die Angeklagten verbrachten den Abend des mit dem Geschädigten in dessen Wohnung. Etwa eine Stunde nach Mitternacht schlug der Angeklagte A.    aufgrund eines mit dem Angeklagten N.      gemeinsam gefassten Tatentschlusses dem überraschten Geschädigten zunächst mit der Faust zweimal schmerzhaft ins Gesicht und hielt ihm ein Messer vor (Klingenlänge etwa 13 cm). A.    holte ein weiteres Messer aus der Küche und gab es dem N.     , der dieses vor sich hielt. Beide wollten auf diese Weise den Geschädigten zur Herausgabe von Bargeld und anderen werthaltigen Gegenständen veranlassen. Der Angeklagte N.      drohte außerdem dem Geschädigten, ihn aus dem Fenster zu werfen, sofern er kein Geld herausgebe. Der Geschädigte wies die Angeklagten darauf hin, dass er die von ihnen geforderten 2.000 Euro nicht zu Hause habe; er könne den Betrag aber an einem Geldautomaten am Hauptbahnhof abheben. Tatsächlich hatte der Geschädigte nicht die Absicht, den Angeklagten Geld auszuhändigen; er wollte vielmehr vor Ort die Bahnpolizei verständigen.

4Beim Verlassen der Wohnung zog der Angeklagte N.      eine Jacke des Geschädigten an, um diese für sich zu behalten. Dabei war ihm bewusst, dass sich der Geschädigte hiergegen aufgrund der vorangegangen Gewaltanwendung und Drohungen nicht zur Wehr setzen würde.

5Die Gruppe erreichte gegen 2.20 Uhr den Hauptbahnhof; die Messer hatten die Angeklagten nach dem Verlassen der Wohnung weggeworfen. Der Geschädigte täuschte am Geldautomaten eine Abhebung vor, schrie um Hilfe und rannte weg. Die Angeklagten erkannten, dass sie mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln ihr Ziel nicht mehr erreichen konnten. Sie gaben ihr Vorhaben auf, rannten weg und wurden kurze Zeit später vorläufig festgenommen. Im Rucksack des Angeklagten N.      befand sich die entwendete Jacke des Geschädigten.

62. Das Landgericht hat das Geschehen rechtlich als – jeweils in Mittäterschaft begangene (§ 25 Abs. 2 StGB) – versuchte räuberische Erpressung (§§ 253, 255, §§ 22, 23 StGB) in Tateinheit mit besonders schwerem Raub (§§ 249, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) und mit gefährlicher Körperverletzung (§ 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) gewertet. Insbesondere hat es dem Angeklagten A.    die als besonders schweren Raub eingeordnete Wegnahme der Jacke des Geschädigten durch den Angeklagten N.      als Mittäter zugerechnet. Beim Geschehen im Bahnhof seien beide Angeklagten nicht strafbefreiend vom Versuch der räuberischen Erpressung zurückgetreten, weil auch nach ihrer Vorstellung der Versuch fehlgeschlagen sei.

II. Revisionen der Angeklagten

8Die Revisionen der Angeklagten sind überwiegend begründet. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils hat Rechtsfehler zu ihrem Nachteil ergeben.

91. Die Feststellungen tragen die Schuldsprüche wegen tateinheitlich begangenen besonders schweren Raubes durch die Wegnahme der Jacke nicht.

10a) Eine Strafbarkeit wegen Raubes erfordert einen finalen Zusammenhang zwischen dem Nötigungsmittel und der von dem Opfer vorzunehmenden vermögensschädigenden Handlung. Eine hierfür ausreichende konkludente Drohung kann sich grundsätzlich auch daraus ergeben, dass der Täter dem Opfer durch sein Verhalten zu verstehen gibt, er werde zuvor zu anderen Zwecken angewendete Gewalt nunmehr zur Erzwingung der jetzt erstrebten vermögensschädigenden Handlung des Opfers oder dessen Duldung der beabsichtigten Wegnahme fortsetzen oder wiederholen. Allein das Ausnutzen der Angst des Opfers vor erneuter Gewaltanwendung enthält dagegen für sich genommen noch keine Drohung. Erforderlich hierfür ist vielmehr, dass der Täter die Gefahr für Leib oder Leben deutlich in Aussicht stellt, sie also durch ein bestimmtes Verhalten genügend erkennbar macht. Es reicht nicht aus, wenn das Opfer nur erwartet, der Täter werde es an Leib oder Leben schädigen. Erforderlich ist vielmehr die Aktualisierung der Nötigungslage durch ein im Urteil gesondert festzustellendes Verhalten des Täters (vgl. ).

11b) Das Landgericht hat weder festgestellt, dass der Angeklagte N.      bei der Wegnahme der Jacke Gewalt einsetzte, noch dass er durch ein bestimmtes Verhalten konkludent damit gedroht hätte, die zuvor angewendete Gewalt nunmehr zur Duldung der beabsichtigten Wegnahme fortzusetzen oder zu wiederholen. Es hat zwar angenommen, dass dem Angeklagten N.      bewusst gewesen sei, der Geschädigte werde sich angesichts des vorangegangenen Geschehens (Drohungen mit den Messern, Gewaltanwendung) nicht zur Wehr setzen. Eine aktualisierte (konkludente) Drohung setzt aber voraus, dass das Opfer das entsprechende Verhalten des Täters wahrnimmt. Hierzu schweigt das Urteil; die Strafkammer hat zudem schon keine Feststellungen dazu getroffen, wo sich der Geschädigte zum Zeitpunkt der Wegnahme aufgehalten hat. Es bleibt daher unklar, ob der Geschädigte ein entsprechendes Verhalten des Angeklagten N.      überhaupt hätte wahrnehmen können.

122. Das Urteil beruht auf diesem Rechtsfehler (§ 337 Abs. 1 StPO). Der Rechtsfehler führt angesichts der vom Landgericht angenommenen tateinheitlichen Begehung zur vollständigen Aufhebung der Schuldsprüche (§ 353 Abs. 1 StPO); dies entzieht den Strafaussprüchen die Grundlage.

133. Es bedarf daher keines weiteren Eingehens auf die vom Generalbundesanwalt und den Beschwerdeführern zutreffend aufgezeigten Rechtsfehler bei der Strafzumessung. Diese erweist sich betreffend den Angeklagten A.    als unzureichend, weil der zur Strafrahmenverschiebung herangezogene vertypte Strafmilderungsgrund des § 46a StGB nicht schon bei der Prüfung eines minder schweren Falls nach § 250 Abs. 3 StGB berücksichtigt worden ist. Beim Angeklagten N.      hat es das Landgericht im Rahmen der Prüfung der Schwere der Schuld (§ 17 Abs. 2 JGG) unterlassen, bei der gebotenen Parallelwertung nach Erwachsenenstrafrecht das Vorliegen der Voraussetzungen eines Täter-Opfer-Ausgleichs zu prüfen.

144. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen, sie können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Zum objektiven Tatgeschehen kann das neue Tatgericht ergänzende Feststellungen treffen, soweit diese nicht in Widerspruch zu den bisherigen treten.

155. Da die Angeklagten die Aufhebung des Urteils mit den zugrundeliegenden Feststellungen begehrt haben, waren die Revisionen insoweit zu verwerfen.

III. Revision der Staatsanwaltschaft

17Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

181. Der Schuldspruch enthält einen Rechtsfehler zu Gunsten des Angeklagten A.   , soweit dieser tateinheitlich nicht wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung verurteilt wurde.

19Das Landgericht hat bei der rechtlichen Würdigung übersehen, dass die Voraussetzungen des Qualifikationstatbestandes der besonders schweren räuberischen Erpressung nach §§ 255, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB erfüllt sind, wenn die Waffe oder das andere gefährliche Werkzeug bei der Tat verwendet werden. Dafür ist ein Einsatz der Waffe oder des gefährlichen Werkzeugs im Zeitraum zwischen Versuchsbeginn und Tatbeendigung ausreichend. So liegt es hier. Die Angeklagten haben den Geschädigten bereits in der Wohnung mit dem Messer bedroht, um ihn zur Herausgabe von Geld und Wertgegenständen zu veranlassen. Auch auf dem Weg zum Bahnhof führten sie die Messer mit sich, bis sie sich dieser entledigten.

202. Zudem hat die Strafkammer entgegen ihrer Kognitionspflicht (§ 264 StPO) nicht erörtert, ob das Tatgeschehen tateinheitlich auch als erpresserischer Menschenraub nach § 239a StGB strafbar ist, wozu sich die Strafkammer angesichts des Tatbilds hätte gedrängt sehen müssen.

213. Das Urteil beruht auf diesen Rechtsfehlern (§ 337 Abs. 1 StPO) und führt zur vollständigen Aufhebung des Schuldspruchs (§ 353 Abs. 1 StPO); dies betrifft auch den für sich genommen rechtsfehlerfreien Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung. Die Aufhebung des Schuldspruchs entzieht dem Strafausspruch die Grundlage.

224. Die objektiven Feststellungen sind von den Rechtsfehlern nicht betroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO); sie dürfen um solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen. Da die Staatsanwaltschaft die Aufhebung des Urteils mit den zugrundeliegenden Feststellungen begehrt hat, war ihre Revision insoweit zu verwerfen.

IV.

231. Das neue Tatgericht wird bei der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen von § 46a StGB in den Blick zu nehmen haben, dass das eine Strafmilderung rechtfertigende Verhalten des Täters Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein muss. Allein der Angeklagte N.      hat ein umfassendes Geständnis abgelegt, während der Angeklagte A.    den Tatvorwurf in Abrede gestellt und das Geschehen in einem anderen Licht dargestellt hat.

242. Zudem wird betreffend den Angeklagten N.      zu berücksichtigen sein, dass die Schwere der Schuld im Sinne von § 17 Abs. 2 Alt. 2 JGG nach jugendspezifischen Kriterien zu bestimmen ist (vgl. , NStZ 2024, 615, 616 mwN).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:230425U5STR63.25.0

Fundstelle(n):
EAAAJ-93228