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BGH Urteil v. - VIa ZR 827/22

Instanzenzug: Az: 26 U 162/19vorgehend Az: 65 O 50/19

Tatbestand

1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch. Er erwarb im August 2017 kreditfinanziert von einem Dritten einen von der Beklagten hergestellten gebrauchten Audi A6 Limousine 3.0 TDl, der mit einem Dieselmotor der Schadstoffklasse Euro 5 ausgerüstet ist.

2Der Kläger verlangt im Wesentlichen, ihn im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als habe er Kauf- und Darlehensvertrag nicht abgeschlossen. Das Landgericht hatdie Klage abgewiesen. Die Berufung, mit welcher der Kläger die Zahlung des Kaufpreises und der Kreditkosten abzüglich einer Nutzungsentschädigung nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs, die Feststellung des Annahmeverzugs, der Verpflichtung, weitere Schäden zu ersetzen, und der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache im Übrigen begehrt hat, ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat im Umfang des Urteilausspruchs zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge im Umfang der Zulassung weiter.

Gründe

3Die Revision hat Erfolg.

I.

4Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen wie folgt begründet:

5Das Landgericht habe die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begründe die Implementierung eines sogenannten Thermofensters, auch wenn zu Gunsten des Klägers unterstellt werde, dass eine solche temperaturabhängige Steuerung der Abgasrückführung als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zu qualifizieren sei, keine Haftung aus § 826 BGB wegen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung. Aus Rechtsgründen bestehe auch kein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB wegen einer Verletzung der Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV. Es sei nicht ersichtlich, dass der Verordnungsgeber bei der Abfassung der EG-FGV auch einen Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit und speziell des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts der einzelnen Käufer bezweckt habe und an die (auch fahrlässige) Erteilung einer inhaltlich unrichtigen Übereinstimmungsbescheinigung einen gegen den Hersteller gerichteten Anspruch auf (Rück-)Abwicklung eines mit einem Dritten geschlossenen Kaufvertrags habe knüpfen wollen.

II.

6Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

71. Allerdings begegnet es keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.

82. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Urteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).

9Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , NJW 2024, 361 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, jurisRn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, jurisRn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

10Das angefochtene Urteil ist im Umfang des Urteilsausspruchs aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO, weil es sich insoweit nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil diese nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

11die erforderlichen

                                                  

                                             

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:270525UVIAZR827.22.0

Fundstelle(n):
CAAAJ-93220