Instanzenzug: OLG Zweibrücken Az: 7 U 120/21vorgehend LG Frankenthal Az: 8 O 263/20
Tatbestand
1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch. Er erwarb im Oktober 2013 von einem Dritten kreditfinanziert einen von der Beklagten hergestellten gebrauchten (Erstzulassung: September 2010) Audi Q5 3.0 V6 TDI quattro DPF, der mit einem V6-Dieselmotor (Schadstoffklasse Euro 5) ausgerüstet ist.
2Das Landgericht hat die im Wesentlichen auf Rückabwicklung von Kauf- und Darlehensvertrag gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung, mit welcher der Kläger Erstattung des Kaufpreises und der Kosten eines ersten Kreditvertrags abzüglich einer Nutzungsentschädigung nebst Verzugszinsen Zug um Zug gegen Übergabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs, die Feststellung des Annahmeverzugs und die Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten zuzüglich Prozesszinsen begehrt hat, ist ohne Erfolg geblieben. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge weiter.
Gründe
3Die Revision hat Erfolg.
I.
4Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen wie folgt begründet:
5Die Voraussetzungen einer Haftung aus §§ 826, 31 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung seien hier schon deshalb nicht gegeben, weil der Kläger dazu keinen ausreichenden Sachvortrag halte. Ein Thermofenster genüge zur Begründung einer Haftung aus § 826 BGB grundsätzlich nicht. Hinsichtlich der weiteren vom Kläger behaupteten Abschalteinrichtungen sei der klägerische Vortrag unschlüssig, ohne Substanz oder ins Blaue hinein vorgetragen. Dem Kläger stehe ebenfalls kein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit den Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 oder den die Bestimmungen der Richtlinie 2007/46/EG umsetzenden Vorschriften der §§ 6, 27 EG-FGV zu, da die genannten Vorschriften im hier in Rede stehenden Bereich nicht drittschützend seien. Hieran ändere sich selbst dann nichts, wenn - worauf es nicht entscheidend ankomme - die Einschätzung des Generalanwalts Rantos in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache C-100/21 vom zum mittelbaren Drittschutz unionsrechtlich zutreffend sein sollte. Denn selbst dann käme den genannten unionsrechtlichen Vorschriften nicht der Charakter eines Schutzgesetzes im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB zu.
II.
6Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.
71. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.
82. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Urteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV in der Fassung vom (a.F.) Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32; Urteil vom - VIa ZR 374/22, NJW-RR 2024, 577 Rn. 9-15).
9Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV a.F. ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , NJW 2024, 361 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.
III.
10Die angefochtene Entscheidung ist aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO, weil sie sich nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil diese nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
11die erforderlichen
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:140525UVIAZR14.23.0
Fundstelle(n):
IAAAJ-93205