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BGH Urteil v. - 3 StR 405/24

Leitsatz

Wird die Bereicherung des Täters im Wege der Tatertragseinziehung abgeschöpft, kann dies Anlass sein, auf die kumulative Verhängung von Freiheits- und Geldstrafe zu verzichten. Allerdings schließt eine solche Einziehungsanordnung diese Form der Bestrafung nicht zwangsläufig, grundsätzlich oder in aller Regel aus.

Gesetze: § 41 StGB, § 73 StGB, §§ 73ff StGB

Instanzenzug: LG Oldenburg (Oldenburg) Az: 3 KLs 38/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten der Urkundenfälschung in 85 Fällen schuldig gesprochen. Es hat ihn deswegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat, und mit einer Gesamtgeldstrafe von 210 Tagessätzen zu je 25 € unter Bewilligung von Zahlungserleichterungen belegt. Ferner hat es gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 15.790 € angeordnet. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision gegen den Strafausspruch. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat weitgehend Erfolg.

I.

21. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

3Um sich für längere Zeit eine dauerhafte Einnahmequelle von einigem Umfang zu verschaffen, bot der Angeklagte über das Internet die entgeltliche Überlassung von gefälschten Nachweisen für eine Impfung gegen das Coronavirus an. Im Zeitraum vom bis zum manipulierte er in 85 Fällen solche Dokumente wie folgt:

4Zum einen nahm er unzutreffende Eintragungen über angebliche Impfungen in zuvor von ihm erworbenen Blankettimpfbüchern vor, in die er entweder die Personalien des jeweiligen Kunden aufnahm oder die später absprachegemäß von diesem selbst um die Personalien ergänzt wurden. Zum anderen ließ sich der Angeklagte von seinen Abnehmern vorhandene Impfpässe zusenden und fügte Angaben zu scheinbaren Impfungen hinzu. In allen Fällen trug er in die betreffenden Dokumente handschriftlich Zeitdaten ein, brachte auf ihnen selbstgefertigte Chargenaufkleber für einen Impfstoff sowie – mittels von ihm hergestellter Stempel – Schriftzüge von Impfzentren an und versah sie mit erfundenen oder nachgeahmten Unterschriften.

5Mit den Manipulationen wollte er vortäuschen, dass eine Impfung tatsächlich durchgeführt worden war, und den Eindruck erwecken, der Eintrag stamme von einem Arzt des angegebenen Impfzentrums. Die gefälschten Impfnachweise versandte der Angeklagte per Post an die Abnehmer, die in der Folgezeit das vereinbarte Entgelt von in der Regel 150 € an ihn zahlten. Die vermeintlichen Zertifikate waren zur Vorlage bei öffentlichen und privaten Stellen bestimmt, um staatliche Auflagen für nicht geimpfte Personen zu umgehen.

62. Das Landgericht hat die festgestellten 85 Fälle jeweils als selbständige Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1 StGB bewertet. Die Strafen hat es dem Strafrahmen des § 267 Abs. 3 Satz 1 StGB entnommen. Es hat die Regelbeispiele des § 267 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Alternative 1 StGB (gewerbsmäßiges Handeln) sowie des § 267 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 StGB (erhebliche Gefährdung der Sicherheit des Rechtsverkehrs durch eine große Anzahl von unechten oder verfälschten Urkunden) angenommen und keine der Regelwirkung entgegenstehenden Umstände zu erkennen vermocht.

7Die Strafkammer hat die Entscheidung getroffen, „neben einer Freiheitsstrafe gemäß § 41 StGB eine Geldstrafe zu verhängen“, weil „der Angeklagte sich durch die Taten nicht unerheblich bereichert“ habe (UA S. 25). Als Einzelstrafen hat sie jeweils eine Freiheitsstrafe von einem Jahr sowie eine zusätzliche Geldstrafe von 90 Tagessätzen als tat- und schuldangemessen erachtet. Bei der Bemessung der Freiheitsstrafen hat sie die gesonderten Geldstrafen strafmildernd berücksichtigt. Die Tagessatzhöhe hat sie mit 25 € auf weniger als ein Dreißigstel des maßgebenden Nettoeinkommens festgesetzt, „um der progressiven Steigerung des Strafübels entgegen zu wirken“ (UA S. 25). Aus den Einzelstrafen hat sie eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren unter Strafaussetzung zur Bewährung und daneben eine Gesamtgeldstrafe von 210 Tagessätzen zu je 25 € gebildet.

II.

8Die Revision der Staatsanwaltschaft ist weitgehend begründet. Sie führt zur Aufhebung des Strafausspruchs; lediglich die zugehörigen Feststellungen bleiben aufrechterhalten.

91. Die Beschwerdeführerin hat ihr Rechtsmittel wirksam auf den Strafausspruch beschränkt. Sie hat vom Anfechtungsumfang nicht nur den Schuldspruch, sondern auch den Einziehungsausspruch ausnehmen können. Dem steht nicht entgegen, dass sie die Rechtsfehlerhaftigkeit der kumulativen Verhängung einer Geldstrafe (§ 41 StGB) unter anderem aus der zugleich angeordneten Vermögensabschöpfung hergeleitet hat. Denn auf die Einziehung des Wertes von Taterträgen ist nach §§ 7373c StGB zwingend zu erkennen, so dass dem neuen Tatgericht auf der Grundlage der zu den Taten getroffenen Feststellungen nicht gestattet wäre, von der Anordnung der Maßnahme abzusehen. Ein Zusammenhang mit dem Strafausspruch ergibt sich nur insoweit, als darüber zu befinden ist, ob und inwieweit die Anwendung des § 41 StGB von der Einziehungsentscheidung abhängig ist, nicht umgekehrt. Deshalb ist nicht zu besorgen, dass die nach dem Teilrechtsmittel stufenweise entstehende Gesamtentscheidung einen inneren Widerspruch aufweisen könnte (zu den anzuwendenden rechtlichen Maßstäben s. , BGHSt 41, 57, 59; Beschluss vom – 3 StR 246/04, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 16; Urteil vom – 3 StR 275/17, juris Rn. 8).

102. Der Strafausspruch hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die auf § 41 StGB gestützte Entscheidung, neben – von § 267 Abs. 3 Satz 1 StGB ausschließlich angedrohter – Freiheitsstrafe auf Geldstrafe zu erkennen, erweist sich auch unter Anlegung des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs (dazu allgemein , juris Rn. 23 mwN) als rechtsfehlerhaft.

11a) Nach § 41 StGB kann neben einer Freiheitsstrafe eine sonst nicht oder nur wahlweise angedrohte Geldstrafe verhängt werden, wenn sich der Täter durch die Tat bereichert oder dies versucht hat und die kumulative Verhängung auch unter Berücksichtigung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse angebracht ist. Liegen diese beiden Voraussetzungen im konkreten Fall vor, steht es im pflichtgemäßen Ermessen des Tatgerichts, ob es eine zusätzliche Geldstrafe ausspricht.

12aa) Als Kann-Vorschrift hat § 41 StGB wegen des durch die Kumulation ausgelösten latenten Spannungsverhältnisses zu § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB Ausnahmecharakter (s. , BGHSt 26, 325, 330; vom – 3 StR 375/20, BGHR StGB § 41 Geldstrafe 7 Rn. 104).

13Sinn und Zweck des § 41 StGB ist in erster Linie, Täter, für die bestimmendes Tatmotiv die Erlangung von Vermögensvorteilen ist, mit einem besonders wirksamen Strafübel belegen zu können (s. , BGHR StGB § 41 Geldstrafe 7 Rn. 106). Die Vorschrift ermöglicht eine flexible Auswahl der Strafen (s. LK/Werner, StGB, 14. Aufl., § 41 Rn. 30; zum Zusammenhang mit Art. 12 Abs. 3 EGStGB vgl. BT-Drucks. V/4095 S. 22) und ist auf Fälle zugeschnitten, in denen es nach der Art von Tat und Täter ausnahmsweise zur Erreichung der Strafzwecke sinnvoll erscheint, ihn nicht nur an der Freiheit, sondern darüber hinaus am Vermögen zu treffen (s. , BGHSt 26, 325, 328; Beschluss vom – 4 StR 306/92, BGHR StGB § 41 Bereicherung 1).

14Daneben bietet § 41 StGB nach dem gesetzgeberischen Willen „in geeigneten Fällen“ die Möglichkeit, „die Freiheitsstrafe niedriger zu halten und auf diese Weise zu einem angemessenen Ausgleich für die Schuld des Täters zu gelangen“ (BT-Drucks. IV/650 S. 172; dazu , BGHSt 32, 60, 66 f.; vom – 3 StR 375/20, BGHR StGB § 41 Geldstrafe 7 Rn. 106). Auf die gesonderte Geldstrafe darf allerdings nicht allein deshalb erkannt werden, um die an sich verwirkte höhere Freiheitsstrafe auf ein Maß herabsetzen zu können, das die Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung ermöglicht (s. , juris; Urteil vom – 1 StR 367/18, BGHR StGB § 41 Geldstrafe 6 Rn. 16 mwN; LK/Werner, StGB, 14. Aufl., § 41 Rn. 32 f.).

15Die Verhängung der zusätzlichen Geldstrafe bedarf der näheren Begründung (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO), wohingegen die Urteilsgründe auf das Absehen von dieser Form der Bestrafung regelmäßig nicht explizit eingehen müssen (s. , BGHR StGB § 41 Geldstrafe 5 Rn. 30; Urteile vom – 1 StR 367/18, BGHR StGB § 41 Geldstrafe 6 Rn. 16; vom – 3 StR 375/20, aaO, Rn. 102).

16bb) Wird die Bereicherung des Täters nach §§ 73 ff. StGB abgeschöpft, kann dies Anlass sein, auf die Anwendung des § 41 StGB – entweder als nicht tatbestandlich angebracht oder in Ausübung des Ermessens – zu verzichten (vgl. , NStZ-RR 2020, 239; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 7. Aufl., Rn. 319; SSW-StGB/Claus, 6. Aufl., § 41 Rn. 6). Allerdings schließt die Anordnung der Tatertragseinziehung die kumulative Verhängung von Freiheits- und Geldstrafe nicht zwangsläufig, grundsätzlich oder in aller Regel aus (so aber , juris Rn. 28; OLG Celle, Beschluss vom – 32 Ss 77/08, NStZ 2008, 711, 712; Lackner/Kühl/Heger, StGB, 30. Aufl., § 41 Rn. 6; ähnlich MüKoStGB/Radtke, 4. Aufl., § 41 Rn. 9; Schönke/Schröder/Kinzig, StGB, 30. Aufl., § 41 Rn. 1).

17(1) Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde:

18(a) Der Wortlaut des § 41 StGB bietet keinen Anhalt dafür, die Anwendung der Vorschrift neben den §§ 73 ff. StGB prinzipiell auszuschließen. Nach den gesetzlichen Voraussetzungen kommt vielmehr die Verhängung von Geld- neben Freiheitsstrafe auch dann in Betracht, wenn der Täter lediglich einen erfolglosen Versuch unternommen hat, sich zu bereichern. Es erschließt sich nicht, einen tatsächlich bereicherten Täter, dem zugleich das Taterlangte entzogen wird, im rechtlichen Ausgangspunkt anders zu behandeln.

19(b) Der historische Gesetzgeber wies zwar auf einen Zusammenhang zwischen der kumulativen Geldstrafe und der Vermögensabschöpfung hin:

20In dem Zweiten Schriftlichen Bericht des Sonderausschusses des Deutschen Bundestages für die Strafrechtsreform vom wurde die Notwendigkeit des § 41 StGB damit begründet, dass insbesondere im Rahmen der Wirtschaftskriminalität ein Bedürfnis dafür bestehe, vermögende Täter nicht nur mit einer Freiheitsstrafe, sondern daneben auch noch mit einer Geldstrafe zu bedrohen, weil „nicht immer im Wege der Einziehung und des Verfalls auf das Vermögen solcher Täter Zugriff genommen werden“ könne, „derartige Täter aber häufig gerade Geldstrafen gegenüber besonders empfindlich“ seien (BT-Drucks. V/4095 S. 21 f.; dazu , BGHSt 32, 60, 62; vom – 1 StR 118/92, BGHR StGB § 41 Geldstrafe 1; zweifelnd , BGHR StGB § 41 Bereicherung 2 Rn. 5 ff.). Vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten vom (BGBl. I S. 2350) sowie insbesondere des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom (BGBl. I S. 872) hatte dieser Zusammenhang eine größere Bedeutung. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB aF hinderte in vielen Fällen eine effektive Vermögensabschöpfung; denn die Vorschrift bestimmte, dass die Anordnung des Verfalls nicht gestattet war, soweit dem Verletzten aus der Tat ein Anspruch erwachsen war, dessen Erfüllung dem Täter den Wert des Taterlöses entzogen hätte (vgl. BT-Drucks. 18/9525, S. 2, 46 [„Totengräber des Verfalls“]; dazu , BGHSt 63, 314 Rn. 11).

21Diesen und weiteren Gesetzesmaterialien ist jedoch nicht zu entnehmen, dass § 41 StGB lediglich eine Auffangfunktion zukommen sollte, wonach die Sanktionsnorm – im Grundsatz – nur greift, wenn vermögensabschöpfende Maßnahmen gemäß §§ 73 ff. StGB aus Rechtsgründen nicht in Betracht kommen oder tatsächlich nicht getroffen werden.

22(c) Die beiden Rechtsinstitute haben einen unterschiedlichen Rechtscharakter und dienen verschiedenen Zwecken. Insbesondere darin liegt es begründet, dass sie dem Tatgericht prinzipiell nebeneinander zur Verfügung stehen.

23Die kumulative Geldstrafe soll es – wie dargelegt – in erster Linie ermöglichen, gewinnorientiert handelnde Täter mit einem besonders wirksamen Strafübel zu belegen. Sie ist keine konfiskatorische Maßnahme (s. BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 302/02, NStZ 2003, 198 mwN; vom – 1 StR 389/15, BGHR StGB § 41 Bereicherung 2 Rn. 7; Peglau, wistra 2009, 124 f.). Da sich ihre Höhe allein nach dem Tagessatzsystem richtet (§ 40 StGB), kann, anders als bei der Geldbuße im Ordnungswidrigkeitenrecht (vgl. § 17 Abs. 4, § 30 Abs. 3 OWiG, § 81d Abs. 3 GWB), der aus der Tat stammende wirtschaftliche Vorteil nicht in die Bemessung einbezogen werden (vgl. , NStZ-RR 2004, 167, 168; NK-StGB/Albrecht, 6. Aufl., § 41 Rn. 6; zur gewinnabschöpfenden Funktion der Geldbuße s. demgegenüber , NStZ 2006, 231 Rn. 7 f.; , BFHE 189, 79, 85; , NStZ-RR 2022, 217, 218; BeckOK OWiG/Sackreuther, 45. Ed., § 17 Rn. 113 f.; Achenbach in Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, 110. Lfg., § 81d GWB Rn. 2, 62 ff.; Göhler/Thoma, OWiG, 19. Aufl., § 17 Rn. 37 f.). Bei der Tatertragseinziehung handelt es sich hingegen nicht um eine dem Schuldgrundsatz unterliegende Nebenstrafe, sondern um eine Maßnahme eigener Art mit kondiktionsähnlichem Charakter (s. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 192/18, NJW 2019, 1891 Rn. 42, 66; vom – 5 StR 145/23, NJW 2023, 3304 Rn. 18, jeweils mwN).

24Dem benannten primären Zweck des § 41 StGB ist nicht ohne Weiteres dadurch Genüge getan, dass die Bereicherung nach §§ 73 ff. StGB abgeschöpft wird. Im Hinblick auf diesen Zweck kann die Verhängung von Geld- neben Freiheitsstrafe auch bei gleichzeitig angeordneter Tatertragseinziehung sachgerecht sein. Denn ohne die Geldstrafe kann etwa die wirtschaftliche Saldierung auf „null“ hinauslaufen. Eine derartige Bilanz der begangenen Straftat entfaltet auf den gewinnorientierten Täter keine spezialpräventive Wirkung. Dies wiegt umso schwerer, wenn die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird. Eine spezialpräventive Wirkung wird gewöhnlich erst erreicht, wenn der Täter durch die zusätzliche Geldstrafe die Erfahrung macht, dass von der Tat nicht nur kein Gewinn verbleibt, sondern er als deren Folge einen Realverlust erleidet. Bloße Bewährungsauflagen vermögen diese Funktion vielfach nicht zuverlässig zu erfüllen, weil im Fall einer nachträglichen – tatsächlichen oder nicht widerlegbar vorgetäuschten – Verschlechterung der finanziellen Situation des Verurteilten der Widerruf der Strafaussetzung gemäß § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB kaum möglich ist. Bei einer Geldstrafe tritt hingegen im Fall der Uneinbringlichkeit nach § 43 StGB an ihre Stelle die Ersatzfreiheitsstrafe (s. Peglau, wistra 2009, 124, 125; BeckOK StGB/von Heintschel-Heinegg, 63. Ed., § 41 Rn. 16).

25(2) Es ist deshalb Frage des Einzelfalls, ob § 41 StGB neben der Tatertragseinziehung Anwendung findet (vgl. – jeweils keine prinzipielle Beanstandung des Nebeneinanders der beiden Rechtsfolgen – , wistra 2009, 232, 234; Urteil vom – 5 StR 603/19, NStZ-RR 2020, 239; weitere Nachw. aus der BGH-Rspr. in MüKoStGB/Radtke, 4. Aufl., § 41 Rn. 9 Fn. 24; ebenso LK/Werner, StGB, 14. Aufl., § 41 Rn. 1). Das Tatgericht hat die Prüfung auf der Grundlage der gesetzlichen Voraussetzungen sowie im Rahmen pflichtgemäßer Ermessensausübung nach Maßgabe der allgemeinen Strafzumessungsgrundsätze (s. BT-Drucks. 7/550 S. 212; , BGHSt 26, 325, 327) vorzunehmen und dabei vermögensabschöpfende Maßnahmen zu berücksichtigen (zur grundsätzlich gebotenen Erörterung der Vermögensverhältnisse s. etwa , BGHSt 26, 325, 327; Beschluss vom – 3 StR 176/14, BGHR StGB § 41 Geldstrafe 4 Rn. 8; Urteil vom – 1 StR 339/16, juris Rn. 54; der Tatertragseinziehung vgl. , aaO; vom – 1 StR 188/22, NJW 2023, 2357 Rn. 41). Bei der Beurteilung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten haben solche Vermögenswerte außer Betracht zu bleiben, die der Tatertragseinziehung unterliegen, namentlich diejenigen, die auf Betreiben der Strafverfolgungsbehörden sichergestellt worden sind (s. , wistra 2009, 232, 234; ferner , BGHR StGB § 41 Geldstrafe 1). Weiteres Vermögen des Angeklagten oder von ihm zu erwartende erhebliche Einkünfte (etwa Gehaltszahlungen) können je nach den einzelfallbezogenen Umständen gleichwohl für eine zusätzliche Geldstrafe sprechen (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 7. Aufl., Rn. 312).

26Der 1. Strafsenat hat zuletzt die Rechtsansicht vertreten, in Fällen, in denen die Einziehung der durch oder für die Tat erlangten Vermögenswerte angeordnet werde, sei infolge der Reform des Vermögensabschöpfungsrechts „die Möglichkeit“ einer Kumulation von Freiheits- und Geldstrafe „grundlegend infrage gestellt“. Neben der Einziehungsentscheidung sei „im Regelfall“ für die Anwendung des § 41 StGB „kein Raum mehr“ (, juris Rn. 28). Aus den vorstehenden Gründen vermag der Senat dieser Auffassung nicht beizutreten. Einer Anfrage im Sinne des § 132 Abs. 3 GVG bedarf es indes nicht, weil es für den zu beurteilenden Fall auf die Divergenz nicht tragend ankommt.

27b) Den dargelegten rechtlichen Vorgaben wird die hier getroffene Entscheidung über die Verhängung von Geld- neben Freiheitsstrafe nicht gerecht.

28aa) Das Landgericht hat die Anwendung des § 41 StGB allein damit begründet, dass sich der Angeklagte durch die Taten nicht unerheblich bereicherte. Das beschreibt aber nur eine der beiden tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift. Dazu, dass diese Form der Bestrafung auch unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters angebracht sein muss, verhalten sich die Urteilsgründe nicht. Ebenso wenig ist eine Ausübung des Ermessens ersichtlich. Zwar ist trotz der insoweit missverständlichen Formulierung „war hier neben einer Freiheitsstrafe gemäß § 41 StGB eine Geldstrafe zu verhängen“ nicht anzunehmen, dass die Strafkammer gemeint haben könnte, sie treffe eine gebundene Entscheidung. Jedoch ist nicht dargetan, welche Umstände sie als ermessensleitend erachtet hat.

29Offenbleiben kann, ob und gegebenenfalls unter welchen einzelfallbezogenen Umständen derartige Darlegungen in den schriftlichen Urteilsgründen ausnahmsweise entbehrlich sein können. Denn ein solcher Fall liegt jedenfalls hier nicht vor. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen lebt der Angeklagte in wirtschaftlich prekären Verhältnissen. Er befindet sich in der Privatinsolvenz. Von seinen monatlichen Nettoeinkünften als Lagerarbeiter steht ihm nur der Selbstbehalt in Höhe von 1.600 € zur Verfügung. Die angeordnete Wertersatzeinziehung von Taterträgen belastet ihn finanziell zusätzlich.

30bb) Wenn auch in den Urteilsgründen ein Zusammenhang zwischen den gesonderten Geldstrafen und der Strafaussetzung zur Bewährung nicht ausdrücklich hergestellt wird, ist in Anbetracht des aufgezeigten Begründungsdefizits außerdem zu besorgen, dass das Landgericht nur deshalb § 41 StGB angewendet hat, um auf eine noch bewährungsfähige Gesamtfreiheitsstrafe erkennen zu können.

31c) Der Strafausspruch unterliegt infolgedessen der Aufhebung. Die Rechtsfehler wirken zu Gunsten wie zu Lasten des Angeklagten (§ 301 StPO). Einerseits hätte das Landgericht ohne die Anwendung des § 41 StGB möglicherweise auf höhere (Einzel- und Gesamt-)Freiheitsstrafen erkannt; andererseits stellen die gesonderten Geldstrafen ein zusätzliches Strafübel dar (vgl. , NStZ-RR 2020, 239; vom – 1 StR 116/23, wistra 2023, 515 Rn. 22; vom – 1 StR 473/23, juris Rn. 31).

32Die zugehörigen beanstandungsfrei getroffenen Feststellungen bleiben von den Rechtsfehlern unberührt. Sie können daher bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit diese den bisherigen nicht widerstreiten.

333. Im Umfang der Aufhebung bedarf die Sache neuer tatrichterlicher Prüfung. Daher kommt es nicht darauf an, ob die Aussetzung der Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung für sich genommen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet.

Schäfer                        Berg                        Erbguth

                   Kreicker                   Voigt

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:170425U3STR405.24.0

Fundstelle(n):
XAAAJ-93197