Rechtsmittel – Staatliche Beihilfen – Luftverkehrssektor – Maßnahmen des Internationalen Flughafens Timişoara (Temeschwar, Rumänien) zugunsten von Wizz Air und anderen diesen Flughafen nutzenden Fluggesellschaften – Beschluss, mit dem das Nichtvorliegen einer staatlichen Beihilfe festgestellt wird – Nichtigkeitsklage – Art. 263 AEUV – Zulässigkeit – Voraussetzung der unmittelbaren und individuellen Betroffenheit des Klägers – Begründungspflicht – Verfälschung von Beweismitteln
Leitsatz
Das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom , Carpatair/Kommission (T‑522/20, EU:T:2023:51), wird aufgehoben.
Die Rechtssache wird an das Gericht der Europäischen Union zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.
Gesetze: AEUV Art. 107 Abs. 1, AEUV Art. 263
Gründe
1 Mit ihren jeweiligen Rechtsmitteln begehren die Europäische Kommission (Rechtssache C‑244/23 P), die Wizz Air Hungary Légiközlekedési Zrt. (Wizz Air Hungary Zrt.) (im Folgenden: Wizz Air) (Rechtssache C‑245/23 P) und die Societatea Naţională „Aeroportul Internaţional Timişoara – Traian Vuia“ SA (AITTV) (Rechtssache C‑246/23 P) die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom , Carpatair/Kommission (T‑522/20, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2023:51), mit dem das Gericht Art. 2 des Beschlusses (EU) 2021/1428 der Kommission vom über die staatliche Beihilfe SA. 31662 – C/2011 (ex NN/2011) Rumäniens für den Internationalen Flughafen Timișoara – Wizz Air (ABl. 2021, L 308, S. 1, im Folgenden: streitiger Beschluss) für nichtig erklärt hat, soweit darin festgestellt wird, dass die Flughafengebühren gemäß dem Luftfahrthandbuch 2010 und die im Jahr 2008 zwischen AITTV und Wizz Air geschlossenen Vereinbarungen (im Folgenden: Vereinbarungen von 2008), einschließlich der Änderungen dieser Vereinbarungen von 2010 (im Folgenden: Änderungsvereinbarungen von 2010), keine staatlichen Beihilfen darstellen.
Vorgeschichte des Rechtsstreits
2 Der Internationale Flughafen Timișoara (Temeschwar, Rumänien) wird von der AITTV betrieben, einer Gesellschaft, an der der rumänische Staat 80 % der Anteile hält.
3 Die Carpatair SA ist eine regionale rumänische Fluggesellschaft. Im Jahr 2000 richtete sie ihr Drehkreuz an diesem Flughafen ein und bot dort Hub-and-Spoke-Dienste an.
4 Im Laufe des Jahres 2008 unterzeichnete AITTV mit Wizz Air, einer ungarischen Billigfluggesellschaft, im Rahmen einer Strategie zur Schaffung von Anreizen für Billigfluggesellschaften und zur Erhöhung der allgemeinen Rentabilität dieses Flughafens die Vereinbarungen von 2008, in denen die Grundsätze ihrer Zusammenarbeit sowie die allgemeinen Bedingungen für die Nutzung der Flughafeninfrastruktur und ‑dienstleistungen durch Wizz Air festgelegt wurden. Zwei der Vereinbarungen von 2008 wurden am mittels der Änderungsvereinbarungen von 2010 durch eine neue, zwischen Wizz Air und AITTV vereinbarte Regelung geändert, die den Zeitraum bis abdeckte. Wizz Air begann im Oktober 2008 mit der Durchführung von Flügen, die am Flughafen Timișoara starteten.
5 Am legte Carpatair bei der Kommission eine Beschwerde ein, mit der sie eine rechtswidrige staatliche Beihilfe zugunsten von Wizz Air geltend machte.
6 Am teilte die Kommission Rumänien ihren Beschluss mit, ein förmliches Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV in Bezug auf u.a. die Vereinbarungen von 2008 und die Ermäßigungen der Flughafengebühren gemäß den Luftfahrthandbüchern 2007, 2008 und 2010 einzuleiten.
7 Ab 2014 stellte Carpatair ihre Tätigkeit am Internationalen Flughafen Timișoara ein und war Gegenstand einer gerichtlichen Umstrukturierung. Der Hauptstandort ihrer Tätigkeit befindet sich nunmehr am Flughafen Arad (Rumänien), der 50 km vom Internationalen Flughafen Timișoara entfernt ist und von dem aus sie u.a. Charterflüge anbietet. Sie bietet keine Linienflüge mehr an.
8 Am erließ die Kommission den streitigen Beschluss.
9 In Bezug auf die Flughafengebühren gemäß den Luftfahrthandbüchern 2007, 2008 und 2010 vertrat die Kommission im streitigen Beschluss die Auffassung, dass der Basissatz und die Ermäßigungen auf diese Gebühren nicht selektiv gewesen seien.
10 Zu den Vereinbarungen von 2008 und den Änderungsvereinbarungen von 2010 (im Folgenden: zusammen: Vereinbarungen von 2008 und 2010) stellte die Kommission unter Berücksichtigung von nach dem Abschluss dieser Vereinbarungen erstellten wirtschaftlichen Bewertungen fest, dass sie zu einer inkrementellen Rentabilität für AITTV führen sollten. Folglich war sie der Ansicht, dass ein umsichtiger marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber solche Vereinbarungen abgeschlossen hätte. Darüber hinaus seien diese Vereinbarungen Teil einer Gesamtstrategie und langfristiger Bemühungen in Bezug auf die Gesamtrentabilität des Internationalen Flughafens Timișoara gewesen. Die Kommission kam daher zu dem Schluss, dass sie Wizz Air keinen wirtschaftlichen Vorteil verschafft hätten, den dieses Unternehmen unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte.
Klage vor dem Gericht und angefochtenes Urteil
11 Mit am bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift erhob Carpatair Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses.
12 Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht zum einen festgestellt, dass die Kommission einen Rechtsfehler begangen habe, indem sie es versäumt habe, zu prüfen, ob die in Nr. 7.3 des Luftfahrthandbuchs 2010 vorgesehene Ermäßigung der Flughafengebühren für sich genommen selektiven Charakter gehabt habe. Zum anderen hat das Gericht festgestellt, dass die Kommission ihre Beurteilung, die Vereinbarungen von 2008 und 2010 hätten Wizz Air keinen wirtschaftlichen Vorteil verschafft, den sie unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte, nicht rechtmäßig begründet habe. Daher hat das Gericht, nachdem es dem ersten Klagegrund und teilweise dem zweiten Klagegrund von Carpatair stattgegeben hatte, Art. 2 des streitigen Beschlusses in dem in Rn. 1 des vorliegenden Urteils genannten Umfang für nichtig erklärt.
Anträge der Parteien der Rechtsmittelverfahren
Anträge der Parteien in der Rechtssache C‑244/23 P
13 Die Kommission beantragt mit ihrem Rechtsmittel,
das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als darin dem zweiten Klagegrund von Carpatair stattgegeben wurde,
den zweiten Klagegrund in der Rechtssache T‑522/20 zurückzuweisen und
Carpatair die Kosten beider Rechtszüge aufzuerlegen.
14 Carpatair beantragt,
das Rechtsmittel zurückzuweisen und
der Kommission die Kosten beider Rechtszüge aufzuerlegen.
Anträge der Parteien in der Rechtssache C‑245/23 P
15 Wizz Air beantragt mit ihrem Rechtsmittel,
das angefochtene Urteil aufzuheben,
die von Carpatair vor dem Gericht erhobene Klage abzuweisen und
Carpatair die Kosten beider Rechtszüge aufzuerlegen.
16 Die Kommission beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und
Carpatair die Kosten aufzuerlegen.
17 Carpatair beantragt,
das Rechtsmittel zurückzuweisen und
Wizz Air die Kosten beider Rechtszüge aufzuerlegen.
Anträge der Parteien in der Rechtssache C‑246/23 P
18 AITTV beantragt mit ihrem Rechtsmittel,
das angefochtene Urteil aufzuheben,
die von Carpatair erhobene Klage abzuweisen oder die Rechtssache an das Gericht zurückzuverweisen und
Carpatair die Kosten beider Rechtszüge aufzuerlegen oder, falls die Rechtssache an das Gericht zurückverwiesen werden sollte, die Entscheidung über die Kosten vorzubehalten.
19 Die Kommission beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und
Carpatair die Kosten aufzuerlegen.
20 Carpatair beantragt,
das Rechtsmittel zurückzuweisen und
AITTV die Kosten beider Rechtszüge aufzuerlegen.
Zu den Gründen, mit denen die fehlende Klagebefugnis von Carpatair gerügt wird
Vorbringen der Parteien
Zum ersten Rechtsmittelgrund von Wizz Air in der Rechtssache C‑245/23 P
21 Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund macht Wizz Air, unterstützt von der Kommission, geltend, dass das Gericht mit der Feststellung, dass die Vereinbarungen von 2008 und 2010 eine der Ursachen für die Beeinträchtigung der Wettbewerbsstellung von Carpatair gewesen seien, Beweise verfälscht und eine wesentliche Formvorschrift verletzt habe.
22 Erstens sei das Gericht davon ausgegangen, dass Carpatair von den Vereinbarungen von 2008 und 2010 individuell und unmittelbar betroffen gewesen sei, weil Carpatair und Wizz Air beim Erlass des Beschlusses über die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens im Jahr 2011 auf fünf Strecken ab dem Internationalen Flughafen Timişoara im Wettbewerb gestanden hätten und weil zwischen 2008 und 2010 die Anzahl der Fluggäste, die Erträge und die Einnahmen von Carpatair auf diesen fünf Strecken erheblich zurückgegangen seien.
23 Das Gericht habe jedoch außer Acht gelassen, dass dieser Rückgang dem Rückgang, den Carpatair auf den Strecken erlitten habe, auf denen sie nicht mit Wizz Air im Wettbewerb gestanden habe, entsprochen habe bzw. sogar deutlich geringer gewesen sei.
24 Zudem enthalte das angefochtene Urteil offensichtliche Fehler bei der Berechnung des Rückgangs der Erträge von Carpatair.
25 Zweitens habe das Gericht in Rn. 77 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass aus der von Carpatair im Verwaltungsverfahren vorgelegten Stellungnahme hervorgehe, dass diese Gesellschaft sich auch darüber beschwert habe, dass sie die Flüge ab dem Internationalen Flughafen Timişoara nicht habe übernehmen können, die von zwei anderen Fluggesellschaften, die sich von diesem Flughafen im Laufe des Jahres 2008 zurückgezogen hätten, durchgeführt worden seien, da diese Flüge nunmehr von Wizz Air durchgeführt würden. Dieser Gesichtspunkt sei jedoch vor dem Gericht nicht erörtert worden. Anlage A.8 zur Nichtigkeitsklage („Stellungnahme von Carpatair vom an die Kommission“) sei in dieser Klage lediglich erwähnt worden, ohne dass sie kurz zusammengefasst worden wäre. Erst recht sei sie nicht Gegenstand eines Meinungsaustauschs vor dem Gericht gewesen; dies verstoße gegen eine wesentliche Formvorschrift, nämlich das Recht von Wizz Air, hierzu gehört zu werden.
26 Carpatair hält den ersten Rechtsmittelgrund von Wizz Air für unzulässig. Damit werde der Gerichtshof nämlich nur um eine erneute Tatsachen- und Beweiswürdigung ersucht. Außerdem gehe die von Wizz Air behauptete Verfälschung nicht in offensichtlicher Weise aus den Akten hervor.
27 Hilfsweise macht Carpatair geltend, dass dieser Rechtsmittelgrund unbegründet sei.
28 Erstens macht Carpatair zunächst geltend, dass dieser Rechtsmittelgrund auf einem fehlerhaften Verständnis von Rn. 73 des angefochtenen Urteils beruhe, in der sich das Gericht auf die Feststellung beschränkt habe, Carpatair habe nachgewiesen, dass die Vereinbarungen von 2008 und 2010 eine der Ursachen für die Beeinträchtigung ihrer Wettbewerbsstellung gewesen seien. Der Umstand, dass auch andere von Carpatair betriebene Strecken als diejenigen, auf denen sie mit Wizz Air im Wettbewerb gestanden habe, einen Ertragsrückgang erlitten hätten, entkräfte diese Feststellung nicht.
29 Sodann lasse Wizz Air außer Acht, dass die schädlichen Auswirkungen der Vereinbarungen von 2008 und 2010 nicht auf die Strecken begrenzt seien, auf denen sie mit Carpatair im Wettbewerb gestanden habe. Das angefochtene Urteil beschränke sich jedoch darauf, diese Auswirkungen auf die Strecken festzustellen, auf denen Carpatair in direktem Wettbewerb mit Wizz Air gestanden habe, wie es Art. 263 Abs. 4 AEUV verlange.
30 Schließlich sei dem Gericht in den Rn. 75 und 76 des angefochtenen Urteils zwar ein geringfügiger Fehler bei der Berechnung des Rückgangs der Erträge auf den Strecken von Carpatair unterlaufen. Es sei jedoch unbestreitbar, dass diese Erträge zwischen 2008 und 2010 deutlich gesunken seien.
31 Zweitens habe das Gericht nicht das Recht von Wizz Air verletzt, dazu gehört zu werden, dass es Carpatair unmöglich gewesen sei, die Strecken von zwei anderen Fluggesellschaften ab dem Internationalen Flughafen Timişoara zu übernehmen. Wie das Gericht in Rn. 77 des angefochtenen Urteils ausgeführt habe, habe Carpatair hierzu nämlich bereits in der Ausgangsuntersuchung Stellung genommen. Wizz Air habe daher Kenntnis vom Standpunkt von Carpatair gehabt. Zudem übergehe Wizz Air den Umstand, dass die Feststellung des Gerichts in Rn. 78 des angefochtenen Urteils auf den Beweisen in den Anlagen A.7 und A.8 zur Nichtigkeitsklage beruhe.
32 Drittens und letztens berücksichtige Wizz Air nicht alle Gesichtspunkte, auf deren Grundlage das Gericht in den Rn. 54 bis 86 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass Carpatair individuell betroffen sei.
Zum ersten Rechtsmittelgrund von AITTV in der Rechtssache C‑246/23 P
33 Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund macht AITTV, unterstützt durch die Kommission, insbesondere geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, als es festgestellt habe, dass Carpatair von dem streitigen Beschluss unmittelbar und individuell betroffen sei.
34 Erstens habe das Gericht ohne hinreichende Beweise lediglich angenommen, dass Carpatair und Wizz Air Wettbewerber gewesen seien, ohne die von AITTV vorgelegten Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die zeigten, dass Carpatair und Wizz Air keine Fluggesellschaften vergleichbarer Art und Größe gewesen seien und dass sie auf weitgehend unterschiedlichen Strecken operiert hätten.
35 Zweitens habe das Gericht ohne hinreichende Beweise auch angenommen, dass Carpatair durch den streitigen Beschluss spürbar beeinträchtigt worden sei, ohne die vor ihm vorgebrachten Argumente zu berücksichtigen.
36 Zum einen habe AITTV vor dem Gericht geltend gemacht, dass sich Carpatair unabhängig von den Vereinbarungen von 2008 und 2010 zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarungen in einer solchen rechtlichen und tatsächlichen Situation befunden habe, dass diese Fluggesellschaft nicht weiterhin erfolgreich vom Internationalen Flughafen Timişoara aus habe operieren können, da ihr Geschäftsmodell veraltet gewesen sei. Trotz der Beweise, die ihm in diesem Sinne vorgelegt worden seien, habe das Gericht auch nicht die weltweite Finanzkrise berücksichtigt, die zur maßgeblichen Zeit Auswirkungen auf die Fluggesellschaften gehabt habe und die eine andere plausible Erklärung für die Schwierigkeiten von Carpatair gewesen sei.
37 Zum anderen habe Carpatair keinen Beweis dafür vorgelegt, dass die Vereinbarungen von 2008 und 2010 sich auf ihre Situation, die sie in Rn. 4 ihrer Nichtigkeitsklage selbst als identisch mit der Situation vieler anderer vom Internationalen Flughafen Timişoara aus operierender Fluggesellschaften betrachtet habe, in irgendeiner Weise ausgewirkt hätten. Außerdem ergebe sich aus Rn. 116 dieser Klage, dass die Wirkungen dieser Vereinbarungen nicht notwendigerweise speziell diese Fluggesellschaft berührt hätten. Das Gericht habe jedoch nicht geprüft, ob etwaige Verluste dieser Gesellschaft auf den Wettbewerb durch andere Fluggesellschaften als Wizz Air oder auf andere Faktoren zurückzuführen seien.
38 Zwar seien, wie in Rn. 70 des angefochtenen Urteils ausgeführt, die Anzahl der Fluggäste, die Erträge und die Einnahmen von Carpatair auf den fünf Strecken, auf denen sie mit Wizz Air im Wettbewerb gestanden habe, zwischen 2008 und 2010 erheblich zurückgegangen. Die dem Gericht vorgelegten Beweise zeigten jedoch, dass die Erträge von Carpatair auf allen Strecken dieser Fluggesellschaft ab dem Internationalen Flughafen Timişoara zurückgegangen seien und nicht nur auf den Strecken, die den von Wizz Air betriebenen Strecken entsprochen hätten. Das angefochtene Urteil befasse sich jedoch nicht mit diesen Gesichtspunkten, die zeigten, dass Carpatair nicht unmittelbar und individuell im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV betroffen sei.
39 Drittens habe das Gericht in Rn. 78 des angefochtenen Urteils Einnahmeausfälle von Carpatair angeführt, obwohl sich Carpatair in ihren erstinstanzlichen Schriftsätzen nicht darauf berufen habe.
40 Carpatair hält den ersten Rechtsmittelgrund von AITTV mit der Begründung für unzulässig, dass er vage und ungenau sei, da AITTV nicht zwischen den streitigen Maßnahmen und den entsprechenden rechtlichen Kriterien unterscheide und die vom Gericht vorgenommene Prüfung der Klagebefugnis und des Rechtsschutzinteresses verwechsele.
41 Hilfsweise macht Carpatair geltend, dass dieser Rechtsmittelgrund unbegründet sei.
42 Das Gericht habe nämlich die relevanten rechtlichen Kriterien sehr genau definiert und angewandt, um die Befugnis von Carpatair festzustellen, die Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses zu beantragen, soweit er sowohl die Vereinbarungen von 2008 und 2010 als auch das Luftfahrthandbuch 2010 betreffe. Aus der Systematik des angefochtenen Urteils, in dem die Frage erschöpfend behandelt werde, ob Carpatair von den Vereinbarungen von 2008 und 2010 individuell betroffen sei und ob sie sowohl von diesen Vereinbarungen als auch vom Luftfahrthandbuch 2010 unmittelbar betroffen sei, gehe klar hervor, dass die Klagebefugnis von Carpatair rechtlich hinreichend dargelegt worden sei.
Zum fünften Rechtsmittelgrund von AITTV in der Rechtssache C‑246/23 P
43 Mit ihrem fünften Rechtsmittelgrund macht AITTV, unterstützt durch die Kommission, erstens geltend, das Gericht habe die von der Kommission, Wizz Air und AITTV vorgelegten Beweise dafür, dass beim Abschluss der Vereinbarungen von 2008 und 2010 tatsächlich kein Wettbewerb zwischen Wizz Air und Carpatair bestanden habe, nicht hinreichend berücksichtigt.
44 AITTV ist der Ansicht, das Gericht sei zwar nicht verpflichtet, jedes vor ihm geltend gemachte Argument zu würdigen, doch verstoße es gegen eine wesentliche Formvorschrift, wenn es, wie im vorliegenden Fall, in den Rn. 63 und 69 des angefochtenen Urteils eine große Zahl materieller Argumente und Beweise anführe, ohne sie zu würdigen, obwohl eine andere Würdigung dieser Gesichtspunkte dazu geführt hätte, die Klage von Carpatair für unzulässig zu erklären.
45 Die von AITTV, Wizz Air und der Kommission vorgelegten Beweise belegten insbesondere, dass die Vereinbarungen von 2008 und 2010 wirtschaftlich vernünftig gewesen seien und dass die Fluggesellschaften im Wege von Aufforderungen zur Interessenbekundung ausgewählt worden seien, was es AITTV ermöglicht habe, die attraktivsten Angebote auszuwählen. Anhand dieser Gesichtspunkte hätte nachgewiesen werden können, dass diese Vereinbarungen zu einer inkrementellen Rentabilität führen sollten.
46 Zudem enthalte das angefochtene Urteil keine näheren Angaben zu den betreffenden Märkten und Marktanteilen, zu den Kapazitäten der Fluggesellschaften, zur Substituierbarkeit der Strecken, zu den Kosten und Gewinnspannen sowie zu anderen Parametern, anhand deren festgestellt werden könnte, ob Wizz Air und Carpatair Wettbewerber gewesen seien.
47 Im Übrigen habe das Gericht zwar in Rn. 15 des angefochtenen Urteils anerkannt, dass Carpatair ihre Tätigkeit am Internationalen Flughafen Timişoara eingestellt habe und keine Linienflüge mehr anbiete, doch habe es diese wesentlichen Tatsachen nicht ausreichend berücksichtigt.
48 Zweitens habe das Gericht gegen seine Begründungspflicht verstoßen, da es den Kausalzusammenhang zwischen den finanziellen Schwierigkeiten von Carpatair und dem angenommenen Wettbewerb mit Wizz Air nicht ermittelt und sich darauf beschränkt habe, in Rn. 83 des angefochtenen Urteils Vermutungen aufzustellen, während es andere sich aus den Akten ergebende mögliche Erklärungen außer Acht gelassen habe.
49 Carpatair habe in Rn. 46 ihrer Klageschrift zwar geltend gemacht, dass sie auf fünf Strecken in direktem Wettbewerb mit Wizz Air gestanden habe, in Rn. 50 der Klageschrift jedoch eingeräumt, ihre Tätigkeit auf 15 Strecken ab dem Internationalen Flughafen Timişoara eingestellt zu haben. Daraus folge, dass die Schwierigkeiten von Carpatair zu groß gewesen seien, als dass sie dem Wettbewerb seitens Wizz Air auf nur einem Drittel der von Carpatair vom Flughafen Timişoara aus bedienten Strecken zugerechnet werden könnten.
50 Außerdem habe Carpatair in ihrer Klageschrift nicht darauf hingewiesen, dass sie auf bestimmten Strecken mit anderen Fluggesellschaften als Wizz Air im Wettbewerb gestanden habe. Dieser Wettbewerb, der sich auf die Situation von Carpatair ebenfalls habe auswirken können, sei im angefochtenen Urteil nicht geprüft worden.
51 Carpatair hält den fünften Rechtsmittelgrund von AITTV für unzulässig, da AITTV damit nur bereits vor dem Gericht geltend gemachte Argumente wiederhole, ohne einen Rechtsfehler oder eine Verfälschung von Beweismitteln nachzuweisen.
52 Hilfsweise macht Carpatair geltend, dass dieser Rechtsmittelgrund unbegründet sei.
53 Nach ständiger Rechtsprechung ergebe sich die spürbare Beeinträchtigung der Wettbewerbsstellung eines Klägers auf den fraglichen Märkten nicht aus einer eingehenden Prüfung der verschiedenen Wettbewerbsbeziehungen auf diesen Märkten, sondern grundsätzlich aus einer Feststellung prima facie, dass die Durchführung der betreffenden Maßnahme zu einer spürbaren Beeinträchtigung dieser Wettbewerbsstellung führe.
54 Die eingehende Analyse im angefochtenen Urteil zeige, dass das Gericht alle ihm vorgelegten Beweise hinreichend geprüft und daraus zutreffend geschlossen habe, dass die Vereinbarungen von 2008 und 2010 geeignet gewesen seien, die Wettbewerbsstellung von Carpatair auf den betreffenden Märkten spürbar zu beeinträchtigen.
Würdigung durch den Gerichtshof
Zur Zulässigkeit
55 Was erstens die Zulässigkeit des ersten Rechtsmittelgrundes von Wizz Air betrifft, so ist festzustellen, dass Carpatair zwar geltend macht, dass die Tatsachenfeststellungen des Gerichts nicht sachlich unrichtig seien, aber dennoch anerkennt, dass das Gericht einen Fehler bei der Berechnung des Rückgangs ihrer Erträge im Hinblick auf die Beträge begangen habe, die in einer der Anlagen zu ihrer Nichtigkeitsklage genannt würden. Darüber hinaus beschränkt sich Wizz Air mit der Geltendmachung der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das Gericht nicht darauf, den Gerichtshof um eine neue Beurteilung des Sachverhalts zu ersuchen, sondern beruft sich auf die Verletzung einer wesentlichen Formvorschrift, was einen Rechtsmittelgrund darstellt, über den der Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsmittels entscheiden kann.
56 Was zweitens die Zulässigkeit des ersten Rechtsmittelgrundes von AITTV betrifft, ist zum einen festzustellen, dass dieser Rechtsmittelgrund nicht so ungenau formuliert ist, dass die Argumente, auf die er sich stützt, nicht verstanden werden könnten. Zum anderen kann eine bloße falsche Auslegung der in Art. 263 Abs. 4 AEUV vorgesehenen Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Nichtigkeitsklage durch AITTV nicht zur Folge haben, dass dieser Rechtsmittelgrund für unzulässig zu erklären wäre. Ein solcher Fehler müsste nämlich, wenn er erwiesen wäre, dazu führen, diesen Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen.
57 Drittens und letztens ist zur Zulässigkeit des fünften Rechtsmittelgrundes von AITTV festzustellen, dass AITTV mit diesem Rechtsmittelgrund das angefochtene Urteil insoweit beanstandet, als das Gericht ihm vorgelegte Beweise nicht berücksichtigt und seine Begründungspflicht verletzt habe. Da dieser Rechtsmittelgrund somit auf das angefochtene Urteil zurückgeht, kann er naturgemäß keine Wiederholung der im ersten Rechtszug vorgebrachten Argumente darstellen.
58 Folglich ist das Vorbringen von Carpatair zur Unzulässigkeit des ersten Rechtsmittelgrundes von Wizz Air sowie des ersten und des fünften Rechtsmittelgrundes von AITTV insgesamt zurückzuweisen.
Zur Begründetheit
59 Es ist unbestritten, dass der streitige Beschluss zum einen ein individueller Rechtsakt ist, soweit darin festgestellt wird, dass die Vereinbarungen von 2008 und 2010 keine staatlichen Beihilfen seien, und zum anderen ein Rechtsakt mit Verordnungscharakter, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, im Sinne von Art. 263 Abs. 4 dritte Variante AEUV, soweit darin festgestellt wird, dass die mit dem Luftfahrthandbuch 2010 eingeführten Flughafengebühren keine staatliche Beihilfe seien. Folglich hat das Gericht zu Recht festgestellt, dass Carpatair zum Nachweis ihrer Klagebefugnis aufzeigen musste, dass sie von dem Teil des streitigen Beschlusses, der sich auf die Vereinbarungen von 2008 und 2010 bezieht, unmittelbar und individuell betroffen ist, während sie in Bezug auf den das Luftfahrthandbuch 2010 berührenden Teil dieses Beschlusses nur nachweisen musste, unmittelbar betroffen zu sein.
60 AITTV und Wizz Air, unterstützt durch die Kommission, wenden sich gegen die Beurteilungen des Gerichts, mit denen dieses festgestellt hat, dass Carpatair von dem Teil des streitigen Beschlusses, der sich auf die Vereinbarungen von 2008 und 2010 bezieht, unmittelbar und individuell sowie von dem das Luftfahrthandbuch 2010 betreffenden Teil dieses Beschlusses unmittelbar betroffen sei.
– Zur Voraussetzung der individuellen Betroffenheit von Carpatair
61 Stellt der Kläger die Begründetheit eines auf der Grundlage von Art. 108 Abs. 3 AEUV oder nach Abschluss des förmlichen Prüfverfahrens getroffenen Beschlusses, mit dem die Beihilfe beurteilt wird, in Frage, muss er dartun, dass dieser Beschluss ihn wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, ihn aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und ihn daher in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten eines solchen Beschlusses. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Stellung des Klägers auf dem fraglichen Markt durch die Beihilfe, die Gegenstand des betreffenden Beschlusses ist, spürbar beeinträchtigt wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Mory u.a./Kommission, C‑33/14 P, EU:C:2015:609, Rn. 97, und vom , Kommission/Braesch u.a., C‑284/21 P, EU:C:2023:58, Rn. 54).
62 In den Rn. 61 bis 86 des angefochtenen Urteils hat das Gericht festgestellt, dass Carpatair von dem die Vereinbarungen von 2008 und 2010 berührenden Teil des streitigen Beschlusses individuell betroffen sei. Insbesondere hat das Gericht, nachdem es dem Umstand, dass Carpatair eine aktive Rolle im Ablauf des Verwaltungsverfahrens gespielt hatte, keine entscheidende Bedeutung beigemessen hat, zum einen darauf hingewiesen, dass Carpatair Angaben zu den Märkten, auf denen sie in einem Wettbewerbsverhältnis mit Wizz Air gestanden habe, gemacht und nachgewiesen habe, dass diese Vereinbarungen eine der Ursachen für die spürbare Beeinträchtigung ihrer Wettbewerbsstellung auf diesen Märkten gewesen seien, und zum anderen darauf, dass Carpatair nachgewiesen habe, dass sie einen Sonderstatus gehabt habe, der sie aus dem Kreis der anderen am Internationalen Flughafen Timișoara tätigen Fluggesellschaften herausgehoben habe.
63 Was als Erstes die Würdigung des Gerichts in den Rn. 63 bis 70 und 73 bis 85 des angefochtenen Urteils betrifft, wonach Carpatair nachgewiesen habe, dass die Vereinbarungen von 2008 und 2010 geeignet gewesen seien, ihre Wettbewerbsstellung auf den betreffenden Märkten spürbar zu beeinträchtigen, ist darauf hinzuweisen, dass die von einem Kläger verlangte Darlegung einer spürbaren Beeinträchtigung seiner Stellung auf dem betreffenden Markt nicht bedeutet, dass über das Wettbewerbsverhältnis zwischen dem Kläger und den von der streitigen Maßnahme begünstigten Unternehmen eine abschließende Entscheidung erginge, sondern von Seiten des Klägers nur erfordert, dass er in stichhaltiger Weise darlegt, aus welchen Gründen der Beschluss der Kommission durch eine erhebliche Beeinträchtigung seiner Stellung auf diesem Markt seine legitimen Interessen verletzen kann. Die spürbare Beeinträchtigung der Wettbewerbsstellung des Klägers auf dem betreffenden Markt ergibt sich nämlich nicht aus einer eingehenden Prüfung der verschiedenen Wettbewerbsbeziehungen auf diesem Markt und der daraus folgenden Bestimmung des genauen Ausmaßes der Beeinträchtigung seiner Wettbewerbsstellung, sondern grundsätzlich aus einer Feststellung prima facie, dass die Durchführung der vom Beschluss der Kommission erfassten Maßnahme zu einer spürbaren Beeinträchtigung dieser Wettbewerbsstellung führt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , COFAZ/Kommission, C‑169/84, EU:C:1990:301, Rn. 28, und vom , Deutsche Lufthansa/Kommission, C‑594/19 P, EU:C:2022:40, Rn. 74 und 75 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
64 Im vorliegenden Fall rügt AITTV erstens, das Gericht habe in Rn. 69 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass Wizz Air und Carpatair auf fünf Strecken ab dem Internationalen Flughafen Timișoara im Wettbewerb gestanden hätten, ohne die vor ihm geltend gemachten Gegenargumente zu berücksichtigen.
65 Insoweit ist zum einen darauf hinzuweisen, dass mit dem Rechtsmittelgrund, mit dem geltend gemacht wird, das Gericht sei auf im ersten Rechtszug vorgebrachte Argumente nicht eingegangen, im Wesentlichen ein Verstoß gegen die Begründungspflicht gerügt wird, die sich aus Art. 36 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der nach Art. 53 Abs. 1 der Satzung für das Gericht gilt, und Art. 117 der Verfahrensordnung des Gerichts ergibt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Gogos/Kommission, C‑583/08 P, EU:C:2010:287, Rn. 29, und vom , Land Rheinland-Pfalz/Deutsche Lufthansa, C‑466/21 P, EU:C:2023:666, Rn. 93).
66 Zum anderen geht aus den Rn. 64 bis 69 des angefochtenen Urteils hervor, dass das Gericht festgestellt hat, dass Wizz Air und Carpatair auf fünf Strecken ab dem Internationalen Flughafen Timişoara im Wettbewerb gestanden hätten, weil diese Strecken dieselben Flughäfen oder weniger als 100 km voneinander entfernt liegende Flughäfen bedient hätten. Dagegen geht aus keiner Passage des angefochtenen Urteils hervor, dass das Gericht die Argumente geprüft hat, mit denen AITTV das Bestehen eines solchen Wettbewerbs bestritt, wobei AITTV in Rn. 15 ihres Streithilfeschriftsatzes vor dem Gericht insbesondere geltend gemacht hat, dass Wizz Air und Carpatair unterschiedliche Geschäftsmodelle sowie eine Flotte von Flugzeugen mit unterschiedlichen technischen Merkmalen hätten.
67 Zwar ist das Gericht nicht verpflichtet, bei seinen Ausführungen alle von den Parteien des Rechtsstreits vorgetragenen Argumente nacheinander erschöpfend zu behandeln; die Begründung des Gerichts kann daher implizit erfolgen, sofern sie es den Betroffenen ermöglicht, die Gründe zu erkennen, aus denen das Gericht ihrer Argumentation nicht gefolgt ist, und dem Gerichtshof ausreichende Angaben liefert, damit er seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann (Urteile vom , FIAMM u.a./Rat und Kommission, C‑120/06 P und C‑121/06 P, EU:C:2008:476, Rn. 96, sowie vom , Land Rheinland-Pfalz/Deutsche Lufthansa, C‑466/21 P, EU:C:2023:666, Rn. 94).
68 Es trifft auch zu, dass, wie in Rn. 63 des vorliegenden Urteils ausgeführt, im Rahmen der Beurteilung der Zulässigkeit einer Klage nach Art. 263 Abs. 4 AEUV die Darlegung einer spürbaren Beeinträchtigung seiner Stellung auf dem betreffenden Markt durch den Kläger nicht bedeutet, dass über das Wettbewerbsverhältnis zwischen ihm und dem vorgeblichen Begünstigten der fraglichen Beihilfe eine abschließende Entscheidung erginge.
69 Da im vorliegenden Fall mit den von AITTV vorgelegten Daten die Relevanz der Gesichtspunkte in Abrede gestellt werden sollte, die von Carpatair vorgelegt worden waren, um glaubhaft zu machen, dass sie mit Wizz Air im Wettbewerb gestanden habe, hätte das Gericht, um seiner Begründungspflicht nachzukommen, die Gründe darlegen müssen, warum diese Daten seiner Ansicht nach nicht geeignet waren, seine Beurteilung, dass Carpatair und Wizz Air Wettbewerber gewesen seien, in Frage zu stellen.
70 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass das Gericht dadurch, dass es festgestellt hat, dass Carpatair auf fünf Strecken ab dem Internationalen Flughafen Timișoara mit Wizz Air im Wettbewerb gestanden habe, ohne die Gründe darzulegen, aus denen es dem Vorbringen von AITTV, mit dem das Bestehen eines solchen Wettbewerbs bestritten werden sollte, nicht gefolgt ist, der Pflicht nicht nachgekommen ist, seine Urteile in einer Weise zu begründen, die genügt, um es den Betroffenen zu ermöglichen, die Gründe zu erfahren, von denen es sich hat leiten lassen, und dem Gerichtshof, über die zur Ausübung seiner Kontrolle im Rahmen eines Rechtsmittels erforderlichen Angaben zu verfügen.
71 Zweitens machen Wizz Air und AITTV geltend, das Gericht habe in den Rn. 73 bis 85 des angefochtenen Urteils nicht aufgezeigt, dass die Vereinbarungen von 2008 und 2010 die Ursache für die spürbare Beeinträchtigung der Wettbewerbsstellung von Carpatair sein könnten.
72 Im angefochtenen Urteil hat sich das Gericht auf zwei Gründe gestützt, um in Rn. 79 des angefochtenen Urteils festzustellen, dass Carpatair nachgewiesen habe, dass die Vereinbarungen von 2008 und 2010 eine der Ursachen für die spürbare Beeinträchtigung ihrer Marktstellung und für die Beeinträchtigung ihrer Wettbewerbsstellung gewesen seien.
73 Zum einen hat das Gericht in Rn. 77 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass sich Carpatair im Verwaltungsverfahren über Einnahmeausfälle beschwert habe, da sie zwei Strecken ab dem Internationalen Flughafen Timișoara nach Norditalien nicht habe übernehmen können.
74 Wie sich aus der in Rn. 61 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergibt, ist es indessen Sache des Klägers, vor dem Gericht seine Klagebefugnis zu beweisen. Wie Wizz Air und AITTV, unterstützt durch die Kommission, geltend machen, hat Carpatair diese Einnahmeausfälle in ihrer Klageschrift jedoch nicht geltend gemacht.
75 Es trifft zwar zu, dass Carpatair ihre im Verwaltungsverfahren vorgelegte Stellungnahme der Klageschrift als Anlage A.8 beigefügt und darin auf die Einnahmeausfälle hingewiesen hat, doch ist festzustellen, dass die Klageschrift diese Anlage nur in Fn. 31 erwähnt, die nur pauschal auf diese Anlage verweist. In keinem der Zulässigkeit gewidmeten Teil ihrer Nichtigkeitsklage erwähnt Carpatair Einnahmeausfälle durch einen unlauteren Wettbewerb von Wizz Air.
76 Mit der „kurzen Darstellung der Klagegründe“, die jede Klageschrift im Sinne von Art. 21 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der gemäß Art. 53 Abs. 1 der Satzung für das Gericht gilt, und im Sinne von Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung des Gerichts enthalten muss, ist jedoch gemeint, dass in der Klageschrift konkret dargelegt werden muss, worin der Klagegrund besteht, auf den die Klage gestützt wird. Für die Zulässigkeit einer beim Gericht erhobenen Klage ist es daher insbesondere erforderlich, dass sich die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf die sie sich stützt, zumindest in gedrängter Form, aber zusammenhängend und verständlich aus dem Text der Klageschrift selbst ergeben. Zwar kann ihr Text zu speziellen Punkten durch Bezugnahmen auf bestimmte Abschnitte beigefügter Schriftstücke untermauert und ergänzt werden, doch kann eine pauschale Bezugnahme auf andere Schriftstücke, auch wenn sie der Klageschrift als Anlagen beigefügt sind, nicht das Fehlen der wesentlichen Bestandteile der Rechtsausführungen ausgleichen, die nach diesen Vorschriften in der Klageschrift enthalten sein müssen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , WV/EAD, C‑162/20 P, EU:C:2022:153, Rn. 67 und 68, sowie vom , EUIPO/The KaiKai Company Jaeger Wichmann, C‑382/21 P, EU:C:2024:172, Rn. 96).
77 Folglich war es unter diesen Umständen nicht Sache des Gerichts, die von Carpatair in ihrer Klageschrift entwickelte Argumentation zu ergänzen und hierzu in ihren Anlagen Beweise zu suchen und zu identifizieren, die die Zulässigkeit der Klage dieser Gesellschaft untermauern könnten.
78 Das Gericht hat daher einen Rechtsfehler begangen, als es sich in Rn. 77 des angefochtenen Urteils auf Einnahmeausfälle gestützt hat, die sich daraus ergäben, dass Carpatair zwei Strecken ab dem Internationalen Flughafen Timișoara nach Norditalien nicht habe übernehmen können.
79 Zum anderen hat das Gericht in den Rn. 74 bis 76 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass sich aus Anlage A.7 zur Klageschrift ergebe, dass der Nettoertrag von Carpatair zwischen 2008 und 2010 auf den fünf Strecken ab dem Internationalen Flughafen Timișoara, auf denen Carpatair nach Ansicht des Gerichts mit Wizz Air im Wettbewerb stand, um 52 % – auf vier Strecken nach Italien – bzw. um 57 % – auf der Strecke nach Düsseldorf (Deutschland) – zurückgegangen sei.
80 Hierzu ist festzustellen, dass sich diese Feststellung, wie Wizz Air geltend gemacht hat, aus einer Verfälschung der Anlage A.7 zur Klageschrift von Carpatair ergibt. Diese Prozentangaben spiegeln nämlich nicht den Rückgang der Erträge auf diesen Strecken wider, sondern drücken aus, in welchem Verhältnis die Erträge auf diesen Strecken für das Jahr 2010 zu den Erträgen auf denselben Strecken für das Jahr 2008 stehen, was Carpatair im Übrigen in ihrer Rechtsmittelbeantwortung einräumt.
81 Zudem geht, wie Wizz Air und AITTV geltend machen, ohne dass Carpatair dem widersprochen hätte, aus dieser Anlage A.7 hervor, dass im selben Zeitraum die Erträge bestimmter von Carpatair vom Internationalen Flughafen Timișoara aus bedienter Strecken, zu denen das Gericht in Rn. 69 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, dass Carpatair nicht nachgewiesen habe, mit Wizz Air im Wettbewerb zu stehen, genauso stark oder sogar stärker zurückgegangen sind als die Erträge der Strecken, auf denen Carpatair nach Ansicht des Gerichts in direktem Wettbewerb mit Wizz Air stand.
82 Indem das Gericht dies außer Acht gelassen hat, obwohl es sich offensichtlich aus Anlage A.7 zur Klageschrift von Carpatair ergibt, und die Gründe dafür nicht erläutert hat, hat es diesen Beweis verfälscht und seine Begründungspflicht verletzt.
83 Darüber hinaus durfte sich das Gericht im Hinblick auf einen solchen Gesamtrückgang der Erträge der von Carpatair vom Internationalen Flughafen Timișoara aus bedienten Strecken nicht auf die in Rn. 80 des angefochtenen Urteils getroffene Feststellung beschränken, dass die von Carpatair beigebrachten Beweise dafür, dass die Vereinbarungen von 2008 und 2010 geeignet gewesen seien, ihre Wettbewerbsstellung auf den betreffenden Märkten spürbar zu beeinträchtigen, nicht durch die Argumente in Frage gestellt würden, mit denen dargetan werden solle, dass dieser Rückgang durch andere Faktoren verursacht worden sein könnte, wie das als veraltet bezeichnete Geschäftsmodell dieser Fluggesellschaft, der Wettbewerb dieser Fluggesellschaft mit anderen Fluggesellschaften als Wizz Air oder die weltweite Finanzkrise, ohne diese Argumente zu berücksichtigen und jedenfalls ohne die Gründe zu erläutern, aus denen diese Argumente zurückzuweisen waren.
84 Zwar kann, wie das Gericht in Rn. 82 des angefochtenen Urteils ausführt, nicht verlangt werden, dass Carpatair nachweist, dass ihre erheblichen finanziellen Schwierigkeiten ausschließlich auf die Vereinbarungen von 2008 und 2010 zurückzuführen sind. Allerdings muss das Gericht zu dem Schluss kommen können, dass es zumindest plausibel war, dass diese Vereinbarungen die Ursache dieser Schwierigkeiten waren.
85 Nach alledem hat das Gericht seine Beurteilung, dass die Vereinbarungen von 2008 und 2010 geeignet gewesen seien, die Wettbewerbsstellung von Carpatair auf den betreffenden Märkten spürbar zu beeinträchtigen, nicht begründet.
86 Was als Zweites die Beurteilung des Gerichts in den Rn. 71 und 72 des angefochtenen Urteils betrifft, wonach Carpatair nachgewiesen habe, dass sie einen Sonderstatus gehabt habe, der sie aus dem Kreis der anderen am Internationalen Flughafen Timișoara tätigen Fluggesellschaften herausgehoben habe, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es sich bei den Voraussetzungen der Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage um unverzichtbare Prozessvoraussetzungen handelt, deren Vorliegen die Unionsgerichte jederzeit – auch von Amts wegen – zu prüfen haben (Urteil vom , China Chamber of Commerce for Import and Export of Machinery and Electronic Products u.a./Kommission, C‑478/21 P, EU:C:2023:685, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).
87 Die Feststellung in Rn. 72 des angefochtenen Urteils, dass Carpatair insofern einen Sonderstatus gehabt habe, als sie die einzige Fluggesellschaft gewesen sei, die auf fünf Strecken ab dem Internationalen Flughafen Timișoara in direktem Wettbewerb mit Wizz Air gestanden habe, ist jedoch, wie in Rn. 70 des vorliegenden Urteils ausgeführt, mit einem Begründungsmangel behaftet.
88 Die behaupteten Wettbewerbsbeziehungen zwischen Wizz Air und Carpatair konnten daher nicht die Feststellung stützen, dass Carpatair einen Sonderstatus gehabt habe, der sie aus dem Kreis aller übrigen Personen herausgehoben und daher in ähnlicher Weise individualisiert habe wie die Adressatin des streitigen Beschlusses, nämlich die Republik Rumänien.
89 Unter diesen Umständen kann die Feststellung in Rn. 71 des angefochtenen Urteils, dass die Tätigkeit des Internationalen Flughafens Timișoara auf die Aktivitäten von Carpatair ausgerichtet gewesen sei und diese 90 % ihres Umsatzes aus ihren Tätigkeiten ab diesem Flughafen erzielt habe, nicht ausreichen, um zu belegen, dass diese Gesellschaft, deren Wettbewerb mit Wizz Air nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen wurde, von dem Teil des streitigen Beschlusses individuell betroffen ist, in dem festgestellt wird, dass die Vereinbarungen von 2008 und 2010 zwischen diesem Flughafen und Wizz Air keine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 AEUV darstellen.
90 Nach alledem hat das Gericht seine Schlussfolgerung, dass Carpatair nachgewiesen habe, dass sie von dem die Vereinbarungen von 2008 und 2010 berührenden Teil des streitigen Beschlusses individuell betroffen sei, nicht rechtlich hinreichend begründet.
– Zur Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit von Carpatair
91 Wie das Gericht in den Rn. 87 und 89 des angefochtenen Urteils zutreffend ausgeführt hat, musste Carpatair für den Nachweis, dass sie von dem streitigen Beschluss unmittelbar betroffen war, insbesondere belegen, dass sich dieser Beschluss unmittelbar auf ihre Rechtsstellung auswirkt, und hierzu stichhaltig darlegen, weshalb dieser Beschluss geeignet ist, sie in eine nachteilige Wettbewerbssituation zu versetzen.
92 Hierzu hat das Gericht in Rn. 90 des angefochtenen Urteils ausgeführt, aus den Akten gehe hervor, dass Wizz Air die mutmaßliche Begünstigte der Vereinbarungen von 2008 und 2010 sowie des Luftfahrthandbuchs 2010 sei, dass diese Gesellschaft und Carpatair ähnliche Tätigkeiten ausübten und dass sie auf demselben Dienstleistungsmarkt und demselben geografischen Markt tätig seien. Es hat daher daraus den Schluss gezogen, dass Carpatair stichhaltig begründet habe, dass der streitige Beschluss geeignet gewesen sei, sie in eine nachteilige Wettbewerbssituation zu versetzen.
93 AITTV wirft dem Gericht jedoch vor, in Rn. 90 im Wesentlichen festgestellt zu haben, dass Wizz Air und Carpatair Wettbewerber gewesen seien, ohne die vor ihm insoweit vorgebrachten Gegenargumente zu berücksichtigen.
94 Wie bereits in Rn. 70 des vorliegenden Urteils ausgeführt, weist eine solche Feststellung des Gerichts in der Tat einen Begründungsmangel auf.
95 Das angefochtene Urteil ist daher auch insoweit mit einem Begründungsmangel behaftet, als das Gericht festgestellt hat, dass Carpatair von dem streitigen Beschluss unmittelbar betroffen sei, soweit er sich sowohl auf die Vereinbarungen von 2008 und 2010 als auch auf das Luftfahrthandbuch 2010 beziehe.
96 Nach alledem hat das Gericht nicht rechtlich hinreichend begründet, dass Carpatair befugt gewesen sei, auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses zu klagen. Daher ist dem ersten Rechtsmittelgrund von Wizz Air sowie dem ersten und dem fünften Rechtsmittelgrund von AITTV, soweit damit diese Klagebefugnis von Carpatair bestritten wird, stattzugeben.
97 Ohne dass über die übrigen Rechtsmittelgründe von AITTV und Wizz Air oder über das Rechtsmittel der Kommission, insbesondere soweit sie darauf abzielen, die Erwägungen des Gerichts zur Begründetheit in Frage zu stellen, entschieden zu werden braucht, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.
Zur Klage vor dem Gericht
98 Nach Art. 61 Abs. 1 Satz 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann der Gerichtshof im Fall der Aufhebung der Entscheidung des Gerichts den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist.
99 Das ist hier nicht der Fall.
100 In Anbetracht der Verfälschung von Beweisen und angesichts von Begründungsmängeln im angefochtenen Urteil setzt die Prüfung der Zulässigkeit der Klage und gegebenenfalls ihrer Begründetheit nämlich Tatsachenwürdigungen voraus, die den Erlass zusätzlicher Maßnahmen – prozessleitende Maßnahmen oder eine Beweisaufnahme – durch den Gerichtshof erfordern würden.
101 Daher ist die Rechtssache an das Gericht zurückzuverweisen.
Kosten
102 Da die Rechtssache an das Gericht zurückverwiesen wird, ist die Entscheidung über die durch die vorliegenden Rechtsmittel entstandenen Kosten vorzubehalten.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Neunte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
Das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom , Carpatair/Kommission (T‑522/20, EU:T:2023:51), wird aufgehoben.
Die Rechtssache wird an das Gericht der Europäischen Union zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:EU:C:2025:87
Fundstelle(n):
CAAAJ-92877