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BGH Beschluss v. - V ZR 152/24

Gesetze: Art 103 GG, § 399 ZPO, § 544 Abs 9 ZPO

Instanzenzug: Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt Az: 12 U 147/23vorgehend LG Halle (Saale) Az: 6 O 597/15

Gründe

I.

1Mit notariellem Kaufvertrag vom veräußerte die Beklagte an den Kläger eine Teilfläche von ca. 1.000 m² eines Grundstücks zum Kaufpreis von 140.000 € zum Zwecke der Bebauung unter Ausschluss der Rechte des Klägers wegen Sachmängeln aller Art. In einem im Jahr 2004 von der Beklagten mit ihren damaligen Nachbarn, dem Zeugen Sch.           und dessen (verstorbener) Ehefrau, geführten Schiedsverfahren hatte die Schiedsstelle im Juni 2004 festgestellt, durch das Grundstück der Beklagten verlaufe ein „verrohrtes Entwässerungssystem“. Der Kläger wurde am als Eigentümer des neu vermessenen Grundstücks in das Grundbuch eingetragen. Im Zuge der von ihm durchgeführten Abrissarbeiten wurde eine über das Teilgrundstück des Klägers unterirdisch in ca. 13 cm Tiefe verlaufende Abwasserleitung, die der Entwässerung von vier Nachbargrundstücken diente, beschädigt. Die Existenz der Leitung war weder in amtlichen Unterlagen vermerkt noch in dem Lageplan, der der Niederschrift zum Grenztermin zur Neuvermessung des Kaufgrundstücks beigefügt war.

2Gestützt auf die Auffassung, die Beklagte habe die bestehende Verrohrung gekannt und arglistig verschwiegen, begehrt der Kläger - soweit noch von Bedeutung - von der Beklagten in der Hauptsache Erstattung seiner Aufwendungen für die Wiederherstellung der Rohrleitungen in Höhe von 3.876,73 € sowie Schadensersatz in Höhe weiterer 22.600 € wegen der eingeschränkten Nutzungstauglichkeit des Grundstücks. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt.

II.

3Das Berufungsgericht meint, das Landgericht habe fehlerfrei festgestellt, dass der Kläger von der Beklagten weder aufgrund einer Sachmängelhaftung (§ 437 Nr. 3, §§ 280, 281 BGB) noch wegen Verschuldens bei Vertragsschluss (§ 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB) Schadenersatz verlangen könne. Im Hinblick auf den wirksam vereinbarten Haftungsausschluss setze eine Haftung der Beklagten wegen Sachmängeln voraus, dass sie dem Kläger die Entwässerungsleitung arglistig verschwiegen habe (§ 444 BGB) oder - wie hier nicht - eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen habe. Zwar handele es sich bei dem unterirdischen Abwassersystem um einen Mangel. Der Kläger habe aber den ihm obliegenden Beweis für das arglistige Verschweigen der Abwasserleitung durch die Beklagte nicht erbracht. Das Landgericht habe die von der Beklagten behauptete Unkenntnis von der Abwasserleitung nicht als sicher widerlegt angesehen. Die Beweisaufnahme des Landgerichts sei im Hinblick auf die unterlassene Vernehmung des Zeugen Sch.           nicht unvollständig. Der Kläger habe mit Schriftsatz vom ausdrücklich auf die Vernehmung des Zeugen verzichtet. Der Verzicht nach § 399 ZPO habe zur Folge, dass dem erstinstanzlichen Gericht eine Verwertung dieses Beweismittels verwehrt sei. Ob die in erster Instanz zurückgezogenen Zeugen im Berufungsverfahren erstmals zu vernehmen seien, sei nach den Regelungen zur Tatsachengrundlage der Berufungsentscheidung zu beantworten (§§ 529 ff. ZPO). Der Beweisantritt wäre als neues Angriffs- oder Verteidigungsmittel i.S.d. § 531 Abs. 2 ZPO zu werten. Diese Frage könne jedoch dahinstehen, weil der Zeuge Sch.          von dem Kläger in zweiter Instanz nicht ausdrücklich erneut als Zeuge benannt sei.

4Der Kläger habe auch keinen Ersatzanspruch wegen Verschuldens bei Vertragsschluss (§ 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB), da nicht bewiesen sei, dass die Beklagte von dem unterirdischen Entwässerungssystem Kenntnis gehabt habe.

III.

5Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg. Das angefochtene Urteil ist gemäß § 544 Abs. 9 ZPO aufzuheben, weil das Berufungsgericht - wie die Beschwerde zu Recht rügt - den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

61. Senat, Beschluss vom - V ZR 170/22, BeckRS 2023, 40073 Rn. 4)

13a) Eine Vernehmung des Zeugen Sch.               scheidet nicht deshalb aus, weil er - wie das Landgericht nach dem überreichten ärztlichen Attest angenommen hat - krankheitsbedingt nicht vernehmungsfähig ist. Dass es sich so verhält, steht nicht fest. Das vorgelegte Attest belegt nur das krankheitsbedingte Unvermögen des Zeugen, der Ladung Folge zu leisten, nicht aber dessen dauerhafte Vernehmungsunfähigkeit. Das Berufungsgericht wird daher bei einer andauernden Reiseunfähigkeit eine Vernehmung des Zeugen durch einen beauftragten oder ersuchten Richter (§ 375 ZPO), eine Vernehmung per Videokonferenz (§ 128a ZPO) oder die Anordnung einer schriftlichen Beantwortung der Beweisfrage (§ 377 Abs. 3 ZPO) in Erwägung zu ziehen haben.

14b) Von einer Vernehmung des Zeugen Sch.             kann - anders als die Beschwerdeerwiderung weiter meint - auch nicht mit der von dem Landgericht gegebenen Begründung abgesehen werden, die Vernehmung werde sich „mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit“ als unergiebig erweisen.

Brückner                          Haberkamp                          Hamdorf

                     Malik                                 Laube

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:080525BVZR152.24.0

Fundstelle(n):
PAAAJ-92663