Verfahrensrecht | Unterschiedliche steuerliche Zinssätze für Aussetzungszinsen und
Nachzahlungszinsen auch nach dem verfassungsrechtlich zweifelhaft
(FG)
Das FG Köln entschied, dass an der
unterschiedlichen Höhe des Zinssatzes für Aussetzungszinsen und
Nachzahlungszinsen ernstliche Zweifel bestehen ().
Hintergrund: Der VIII.
Senat des BFH hat dem BVerfG mit Beschluss vom 8.5.2024 - VIII
R 9/23 die Frage in der Folge zur Entscheidung vorgelegt, ob §
237 i.V.m.
§ 238 Abs.
1 Satz 1 AO seit dem
bis zum
insoweit mit dem
GG vereinbar ist, als der
Zinsberechnung für die Zinsen bei AdV ein Zinssatz von 0,5 % pro Monat zugrunde
gelegt wird. Dabei hat der VIII. Senat des BFH ausgeführt, dass seit dem
Steuerpflichtige, die AdV-Zinsen schulden, weil sie die Steuer nach AdV des
Verwaltungsakts nicht bezahlt haben, und Steuerpflichtige, die
Nachzahlungszinsen entrichten müssen, weil ihre Steuerfestsetzung zu einem
Unterschiedsbetrag (§
233a Abs. 3 AO) geführt hat und sie die
materiell-rechtlich von Anfang an geschuldete Steuer deshalb erst später zahlen
müssen, ungleich behandelt würden. Die Zinsen bei AdV betrügen 0,5 % pro Monat.
Nachzahlungszinsen würden dagegen seit dem
mit
einem Zinssatz von lediglich 0,15 % für jeden Monat berechnet. Der BFH vertrat
die Ansicht, dass diese Ungleichbehandlung (Zinssatzspreizung)
verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt sei (vgl.
; s. hierzu unsere
Online-Nachricht v.
22.8.2024).
Sachverhalt: Das
Finanzamt (FA) setzte gegenüber den Antragstellern Aussetzungszinsen für den
Zeitraum Februar 2023 bis November 2024 fest und legte bei der Zinsberechnung
den gesetzlichen Zinssatz von 0,5 % für jeden Monat zugrunde. Die Antragsteller
legten gegen die Zinsfestsetzung Einspruch ein und beantragten beim FA
erfolglos, die Zinsen in Höhe von 0,35 % (Differenzbetrag zwischen 0,5 % und
0,15 %) von der Vollziehung auszusetzen. Mit Blick auf die unterschiedlichen
Zinssätze bei Nachzahlungszinsen (seit dem
: 0,15 %
monatlich) und Aussetzungszinsen (0,5 % monatlich) bestünden
verfassungsrechtliche Zweifel an dem zugrunde gelegten Zinssatz von 0,5 %.
Hierzu beriefen sie sich ergänzend auf einen
, mit dem der BFH
die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Zinssatzes von Aussetzungszinsen dem
BVerfG vorgelegt hatte. Vor diesem Hintergrund ermittelten die Antragsteller
ihre Aussetzungszinsen in Höhe von 0,15 % pro Monat, die sie auch
bezahlten.
Das FA lehnte den Antrag ab und
verwies darauf, dass sich die Vorlage des BFH an das BVerfG nur auf Zinsen für
den Zeitraum vom bis
beziehe. Zudem sei spätestens ab dem
nicht
mehr von einer Niedrigzinsphase auszugehen.
Die Richterinnen
und Richter des 4. Senats gewährten den Antragstellern vorläufigen
Rechtsschutz:
Die Antragsteller brauchen die
vom FA geforderten weiteren Zinsen vorläufig nicht zu bezahlen.
Für Aussetzungszwecke bestehen
bereits deshalb hinreichende Zweifel an der Höhe der angefochtenen Zinsen, weil
die Rechtsprechung eine von der Ansicht der Finanzverwaltung divergierende
Auffassung vertritt. Nicht nur eine anhaltende Niedrigzinsphase habe nach den
Ausführungen des BFH verfassungsrechtliche Zweifel an der Höhe des Zinssatzes
für Aussetzungszinsen begründet. Vielmehr habe der BFH auch den
mangelnden Gleichlauf der Verzinsung ab 2019
und die hierdurch eingetretene
Zinssatzspreizung (zwischen 0,15 % und 0,5
%) moniert.
Vor diesem Hintergrund sind
ernstliche Zweifel zumindest dann zu bejahen, wenn – wie vorliegend
– im Einspruchsverfahren um die Höhe der Aussetzungszinsen gestritten
wird. Denn in einer solchen Konstellation findet kein anderweitiger
(Zins-)Ausgleich statt, wie z.B. durch den Anspruch auf Prozesszinsen während
eines Klageverfahrens.
Hinweise:
Den vollständigen
Entscheidungstext finden Sie
hier.
Die im vorläufigen Rechtsschutz
ergangene Entscheidung ist rechtskräftig. Das FA hat die gegen den Beschluss
zugelassene Beschwerde nicht eingelegt.