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BGH Urteil v. - VIa ZR 196/22

Instanzenzug: Az: 8 U 74/20vorgehend Az: 5 O 273/19

Tatbestand

1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch. Er erwarb im März 2015 einen von der Beklagten hergestellten Audi SQ5 TDl quattro, der mit einem V6-3,0-Liter-Dieselmotor (Schadstoffklasse Euro 5) ausgerüstet ist.

2Der Kläger verlangt im Wesentlichen, ihn im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als habe er den Kaufvertrag nicht abgeschlossen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung, mit welcher der Kläger die Zahlung des Kaufpreises abzüglich einer von der Beklagten noch darzulegenden Nutzungsentschädigung nebst Prozesszinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs, die Feststellung des Annahmeverzugs und der Verpflichtung, alle dem Kläger aus der installierten Manipulationssoftware entstandenen und noch entstehenden Schäden zu ersetzen, und die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten begehrt hat, ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge weiter.

Gründe

3Die Revision hat im Umfang des Urteilsauspruchs Erfolg.

I.

4Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen wie folgt begründet:

5Ein Anspruch aus § 826 BGB bestehe nicht. Weder das unstreitig implementierte Thermofenster, dessen Unzulässigkeit nach den europäischen Zulassungsvorschriften in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zugunsten des Klägers unterstellt werde, noch die eingebaute Getriebefunktion mit Prüfstandserkennung und Umschaltlogik, bei der dahinstehen könne, ob es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung handele, rechtfertigten im konkreten Fall das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit. Auch ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 2, § 31 BGB in Verbindung mit §§ 4, 6 Abs. 1, §§ 25, 27 EG-FGV scheide aus. Die genannten Vorschriften intendierten nicht den Schutz eines Fahrzeugkäufers vor der Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit und seien daher keine Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB.

II.

6Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

71. Allerdings begegnet es keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.

82. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Urteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).

9Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , NJW 2024, 361 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

10Die angefochtene Entscheidung ist demnach aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO, weil sie sich nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil diese nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

11die erforderlichen

                                     

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:140525UVIAZR196.22.0

Fundstelle(n):
RAAAJ-91592