Vorlage zur Vorabentscheidung – Zollunion – Verordnung (EU) Nr. 952/2013 – Zollkodex der Union – Delegierte Verordnung (EU) 2015/2446 – Durchführungsverordnung (EU) 2015/2447 – Freizonen – Wechsel des zollrechtlichen Status von Nicht-Unionswaren zu Unionswaren – Aufzeichnungen des Inhabers einer Bewilligung für die Ausübung von Tätigkeiten in einer Freizone – Vertrauensschutz – Rechtskraft
Leitsatz
Art. 214 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Union und Art. 178 Abs. 1 Buchst. b und c der Delegierten Verordnung (EU) 2015/2446 der Kommission vom zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates mit Einzelheiten zur Präzisierung von Bestimmungen des Zollkodex der Union
sind wie folgt auszulegen:
Sie stehen nicht dem entgegen, dass der Inhaber einer Bewilligung für die Ausübung von Tätigkeiten in einer Freizone in seine Aufzeichnungen Informationen über die Art, wie das Zollverfahren der Freizone erledigt wurde, und Angaben, die eine Feststellung anderer die Erledigung betreffender Unterlagen als einer Zollanmeldung ermöglichen, aufnimmt, ohne dabei die Hauptbezugsnummer anzugeben, anhand derer die Zollanmeldung, mit der die Waren in ein anschließendes Zollverfahren übergeführt wurden, ermittelt werden kann.
Art. 214 Abs. 1 und Art. 215 Abs. 1 der Verordnung Nr. 952/2013 und Art. 178 Abs. 1 Buchst. b und c der Delegierten Verordnung 2015/2446
sind wie folgt auszulegen:
Sie stehen nicht dem entgegen, dass der Inhaber einer Bewilligung für die Ausübung von Tätigkeiten in einer Freizone in seinen Aufzeichnungen bei bestimmten Waren die Erledigung des besonderen Zollverfahrens der Freizone verzeichnet und sich dabei darauf beschränkt, lediglich Angaben zu einem gemäß dem am in Genf unterzeichneten Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr in der durch das Protokoll vom geänderten Fassung ausgestellten Frachtbrief aufzunehmen, der die Waren bei der Verbringung aus der betreffenden Freizone begleitet und mit einem durch den Stempel des Zolls bestätigten und von einem Zollbeamten unterschriebenen Vermerk über den zollrechtlichen Status der Waren versehen ist, sofern die Zollbehörden diese Art der Erledigung gemäß Art. 178 Abs. 3 der Delegierten Verordnung 2015/2446 genehmigt haben.
Sie gebieten nicht, dass der Inhaber einer Bewilligung für die Ausübung von Tätigkeiten in einer Freizone überprüft, ob dieser Vermerk zutrifft.
Der Grundsatz des Vertrauensschutzes ist wie folgt auszulegen:
Eine ständige Übung der Zollbehörden, aus der sich konkret und nicht an Bedingungen geknüpft ergibt, dass es, um den Verpflichtungen aus Art. 178 Abs. 1 Buchst. b und c der Delegierten Verordnung 2015/2446 nachzukommen, genügt, wenn die Aufzeichnungen des Bewilligungsinhabers nur Angaben zu einem gemäß dem am in Genf unterzeichneten Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr in der durch das Protokoll vom geänderten Fassung ausgestellten Frachtbrief enthalten, der die betreffenden Waren bei der Verbringung aus einer Freizone begleitet und mit einem durch den Stempel des Zolls bestätigten und von einem Zollbeamten unterschriebenen handschriftlichen Vermerk über den zollrechtlichen Status versehen ist, ein schutzwürdiges Vertrauen des Inhabers einer Bewilligung für die Ausübung von Tätigkeiten in einer Freizone darauf begründet, dass seine Aufzeichnungen mit Art. 178 Abs. 1 Buchst. b und c der Delegierten Verordnung 2015/2446 in Einklang stehen.
Das Unionsrecht steht der Anwendung einer nationalen Bestimmung über die Rechtskraft, nach der ein Gericht eines Mitgliedstaats verpflichtet ist, eine Zollschuld des Inhabers einer Bewilligung für die Ausübung von Tätigkeiten in einer Freizone gemäß Art. 79 der Verordnung Nr. 952/2013 aufzuheben, weil das Gericht dieses Mitgliedstaats, das für die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der verwaltungsrechtlichen Sanktion zuständig ist, die gegen den Inhaber einer Bewilligung für die Ausübung von Tätigkeiten in einer Freizone wegen derselben Zollvorgänge und aus denselben Gründen, auf denen die Zollschuld beruht, verhängt wurde, in einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung festgestellt hat, dass der Bewilligungsinhaber nicht gegen die in den zollrechtlichen Vorschriften der Union festgelegten Verpflichtungen verstoßen hat, nicht entgegen.
Gesetze: Delegierte VO (EU) 2015/2446 Art. 178 Abs. 1 Buchst. b, Delegierte VO (EU) 2015/2446 Art. 178 Abs. 1 Buchst. c, Delegierte VO (EU) 2015/2446 Art. 178 Abs. 3, DVO (EU) 2015/2447 Art. 22, VO (EU) Nr. 952/2013 Art. 79 Abs. 1 Buchst. a, VO (EU) Nr. 952/2013 Art. 79 Abs. 3 Buchst. a, VO (EU) Nr. 952/2013 Art. 214 Abs. 1, VO (EU) Nr. 952/2013 Art. 215 Abs. 1
Gründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung
von Art. 79 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 3 Buchst. a, Art. 214 Abs. 1 und Art. 215 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. 2013, L 269, S. 1, im Folgenden: Zollkodex der Union),
von Art. 178 Abs. 1 Buchst. b und c der Delegierten Verordnung (EU) 2015/2446 der Kommission vom zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates mit Einzelheiten zur Präzisierung von Bestimmungen des Zollkodex der Union (ABl. 2015, L 343, S. 1) und
der allgemeinen Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtskraft.
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der „BALTIC CONTAINER TERMINAL“ SIA (im Folgenden: BCT) und dem Valsts ieņēmumu dienests (Finanzverwaltung, Lettland) wegen der Zahlung von Einfuhrzöllen und Mehrwertsteuer auf aus der Freizone des Freihafens Riga (Lettland) verbrachte Waren.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Zollkodex der Union
3 Art. 5 („Begriffsbestimmungen“) des Zollkodex der Union bestimmt:
„Für den Zollkodex gelten folgende Begriffsbestimmungen:
…
‚Zollanmeldung‘ ist die Handlung, durch die eine Person in der vorgeschriebenen Art und Weise die Absicht bekundet, Waren in ein bestimmtes Zollverfahren überzuführen, gegebenenfalls unter Angabe der dafür in Anspruch zu nehmenden besonderen Regelung.
…
‚Zollverfahren‘ sind die folgenden Verfahren, in die Waren nach dem Zollkodex übergeführt werden können:
Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr,
besondere Verfahren,
Ausfuhr.
…
‚Zollrechtlicher Status‘ ist der Status von Waren als Unionswaren oder Nicht-Unionswaren.
‚Unionswaren‘ sind Waren, die
im Zollgebiet der [Europäischen] Union vollständig gewonnen oder hergestellt wurden und bei deren Herstellung keine aus Ländern oder Gebieten außerhalb des Zollgebiets der Union eingeführten Waren verwendet wurden,
aus Ländern oder Gebieten außerhalb des Zollgebiets der Union in dieses Gebiet verbracht und zum zollrechtlich freien Verkehr überlassen wurden,
‚Nicht-Unionswaren‘ sind andere als die unter Nummer 23 genannten Waren und Waren, die den zollrechtlichen Status als Unionswaren verloren haben.
…“
4 Art. 79 („Entstehen der Zollschuld bei Verstößen“) des Zollkodex der Union bestimmt:
„(1) Für einfuhrabgabenpflichtige Waren entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn Folgendes nicht erfüllt ist:
eine der in den zollrechtlichen Vorschriften festgelegten Verpflichtungen in Bezug auf das Verbringen von Nicht-Unionswaren in das Zollgebiet der Union, auf das Entziehen dieser Waren aus der zollamtlichen Überwachung oder auf die Beförderung, Veredelung, Lagerung, vorübergehende Verwahrung, vorübergehende Verwendung oder Verwertung dieser Waren in diesem Gebiet,
…
(3) In den Fällen nach Absatz 1 Buchstaben a und b ist Zollschuldner,
wer die betreffenden Verpflichtungen zu erfüllen hatte,
…“
5 Art. 158 Abs. 1 („Zollanmeldung von Waren und zollamtliche Überwachung von Unionswaren“) des Zollkodex der Union bestimmt:
„Für alle Waren, die in ein Zollverfahren – mit Ausnahme des Freizonenverfahrens – übergeführt werden sollen, ist eine Zollanmeldung zu dem jeweiligen Verfahren erforderlich.“
6 Art. 188 („Überprüfung der Zollanmeldung“) des Zollkodex der Union bestimmt:
„Zur Überprüfung der Richtigkeit der Angaben in der angenommenen Zollanmeldung können die Zollbehörden
die Zollanmeldung und die Unterlagen prüfen,
vom Anmelder verlangen, dass er weitere Unterlagen beibringt,
eine Beschau der Waren vornehmen,
Muster und Proben zur Analyse oder eingehenden Prüfung entnehmen.“
7 In Titel VI („Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr und Befreiung von den Einfuhrabgaben“) des Zollkodex der Union bestimmt Art. 201 („Geltungsbereich und Wirkung“):
„(1) Nicht-Unionswaren, die auf den Unionsmarkt gebracht oder der privaten Nutzung oder dem privaten Verbrauch innerhalb des Zollgebiets der Union zugeführt werden sollen, sind in den zollrechtlich freien Verkehr zu überführen.
(2) Die Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr umfasst
die Erhebung der fälligen Einfuhrabgaben,
gegebenenfalls die Erhebung sonstiger Abgaben nach den einschlägigen geltenden Vorschriften für die Erhebung dieser Abgaben,
(3) Durch die Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr erhalten Nicht-Unionswaren den zollrechtlichen Status von Unionswaren.“
8 In Titel VII des Zollkodex der Union sind die besonderen Zollverfahren geregelt. Titel VII Kapitel I (Art. 210 bis 225) des Zollkodex der Union enthält die allgemeinen Vorschriften für diese besonderen Zollverfahren.
9 Art. 210 („Geltungsbereich“) des Zollkodex der Union bestimmt:
„Waren können in die folgenden Arten besonderer Verfahren übergeführt werden:
…
b) Lagerung – umfasst das Zolllager und Freizonen,
…“
10 Art. 211 Abs. 1 Buchst. b des Zollkodex der Union bestimmt:
„Eine Bewilligung der Zollbehörden ist erforderlich für
…
den Betrieb von Lagerstätten zur Zolllagerung von Waren, es sei denn, die Lagerstätten werden von der Zollbehörde selbst betrieben.“
11 Art. 214 („Aufzeichnungen“) des Zollkodex der Union bestimmt:
„(1) Außer im Falle des Versands oder anderweitiger Regelungen müssen der Bewilligungsinhaber, der Inhaber des Verfahrens und sämtliche Personen, die an der Lagerung oder der Veredelung oder an dem Erwerb oder der Veräußerung von Waren in Freizonen beteiligt sind, geeignete Aufzeichnungen in der von den Zollbehörden genehmigten Form führen.
Die Aufzeichnungen enthalten die Informationen und die Einzelheiten, die den Zollbehörden die Überwachung des betreffenden Verfahrens ermöglichen; dazu gehören insbesondere die Nämlichkeitssicherung der in dieses Verfahren übergeführten Waren, ihr zollrechtlicher Status und ihre Beförderungen.
…“
12 Art. 215 („Erledigung eines besonderen Verfahrens“) des Zollkodex der Union bestimmt:
„(1) Außer im Falle des Versands ist ein besonderes Verfahren unbeschadet des Artikels 254 erledigt, wenn die in das betreffende Verfahren übergeführten Waren oder die Veredelungserzeugnisse in ein anschließendes Zollverfahren übergeführt werden, aus dem Zollgebiet der Union verbracht oder zerstört werden und kein Abfall übrig bleibt oder nach Artikel 199 zugunsten der Staatskasse aufgegeben werden.
…“
13 Art. 247 („Nicht-Unionswaren in einer Freizone“) des Zollkodex der Union bestimmt:
„(1) Nicht-Unionswaren in einer Freizone können zum zollrechtlich freien Verkehr überlassen oder in die aktive Veredelung, die vorübergehende Verwendung oder die Endverwendung übergeführt werden, sofern die Voraussetzungen für diese Verfahren erfüllt sind. In diesen Fällen gelten die Waren als nicht in das Freizonenverfahren übergeführt.
…“
Delegierte Verordnung 2015/2446
14 Art. 1 der Delegierten Verordnung 2015/2446 („Begriffsbestimmungen“) bestimmt:
„Für die Zwecke dieser Verordnung gelten die folgenden Begriffsbestimmungen:
…
‚Hauptbezugsnummer‘ (Master Reference Number – MRN) ist die Registriernummer, die von der zuständigen Zollbehörde Anmeldungen oder Mitteilungen gemäß Artikel 5 Nummern 9 bis 14 des [Zollkodex der Union], TIR-Verfahren oder Nachweisen des Zollstatus von Unionswaren zugewiesen wird;
…“
15 In Titel V Kapitel 1 Abschnitt 3 (Art. 123 bis 127) der Delegierten Verordnung 2015/2446 ist der Nachweis des zollrechtlichen Status von Unionswaren geregelt. Danach kann der Nachweis des zollrechtlichen Status von Unionswaren durch ein „T2L“ oder ein „T2LF“, durch eine Rechnung oder ein Beförderungspapier, auf der bzw. auf dem der Code „T2L“ oder „T2LF“ angegeben ist und die bzw. das vom Versender oder, wenn es keinen Versender gibt, von der betreffenden Person unterschrieben ist, durch ein Manifest oder durch ein Carnet TIR, ein Carnet ATA oder ein „Formular 302“ über die Beförderung von Waren gemäß dem am in London unterzeichneten Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen erbracht werden.
16 Art. 178 („Aufzeichnungen“) der Delegierten Verordnung 2015/2446 bestimmt:
„(1) Die Aufzeichnungen gemäß Artikel 214 Absatz 1 des [Zollkodex der Union] enthalten Folgendes:
…
die MRN oder, wenn nicht vorhanden, eine andere Nummer oder ein anderer Code, anhand derer die Zollanmeldungen, mit denen die Waren in das besondere Verfahren übergeführt wurden, ermittelt werden können und, wenn das Verfahren gemäß Artikel 215 Absatz 1 des [Zollkodex der Union] erledigt wurde, Informationen über die Art, wie das Verfahren erledigt wurde;
Angaben, die eine eindeutige Feststellung anderer Zollpapiere als Zollanmeldungen, von anderen für die Überführung von Waren in ein besonderes Verfahren relevanten Unterlagen und von anderen für die betreffende Erledigung des Verfahrens relevanten Unterlagen ermöglichen;
…
(2) Im Fall von Freizonen enthalten die Aufzeichnungen zusätzlich zu den Angaben gemäß Absatz 1 Folgendes:
Angaben zur Feststellung der Beförderungspapiere für Waren beim Eingang oder Ausgang aus den Freizonen;
…
(3) Die Zollbehörden können auf einige Angaben gemäß den Absätzen 1 und 2 verzichten, wenn sich dies nicht nachteilig auf die zollamtliche Überwachung und die Kontrollen der Inanspruchnahme eines besonderen Verfahrens auswirkt.
…“
Durchführungsverordnung (EU) 2015/2447
17 Art. 226 („MRN“) der Durchführungsverordnung (EU) 2015/2447 der Kommission vom mit Einzelheiten zur Umsetzung von Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. 2015, L 343, S. 558) mit Einzelheiten zur Umsetzung von Art. 172 („Annahme der Zollanmeldung“) des Zollkodex der Union bestimmt:
„Außer im Fall einer mündliche[n] Zollanmeldung, eines Vorgangs, der als eine Zollanmeldung gilt, oder einer Zollanmeldung mittels einer Anschreibung in der Buchführung des Anmelders gemäß Artikel 182 des [Zollkodex der Union] unterrichten die Zollbehörden den Anmelder über die Annahme der Zollanmeldung und erteilen ihm eine MRN für die betreffende Anmeldung und teilen ihm das Datum der Annahme mit.
Dieser Artikel findet erst zu den jeweiligen Zeitpunkten Anwendung, zu denen [das Automatisierte Ausfuhrsystem (Automated Export System, AES)] und [das System des neuen EDV-gestützten Versandverfahrens (New Computerised Transit System, NCTS)] in Betrieb genommen werden und die nationalen Einfuhrsysteme gemäß dem Anhang des Durchführungsbeschlusses 2014/255/EU [der Kommission vom zur Erstellung des Arbeitsprogramms zum Zollkodex der Union (ABl. 2014, L 134, S. 46)] angepasst sind.“
Lettisches Recht
Verordnung Nr. 500 des Ministerkabinetts über die Zolllager, die vorübergehende Verwahrung und die Freizonen
18 Ziff. 77 der Ministru kabineta noteikumi Nr. 500 „Muitas noliktavu, pagaidu uzglabāšanas un brīvo zonu noteikumi“ (Verordnung Nr. 500 des Ministerkabinetts über die Zolllager, die vorübergehende Verwahrung und die Freizonen) vom (Latvijas Vēstnesis, 2017, Nr. 173) bestimmt:
„Die Person, in deren Freizone Nicht-Unionswaren gelagert, bearbeitet, verkauft oder gekauft werden, sorgt dafür, dass die in der Freizone gelagerten Waren in den Aufzeichnungen verzeichnet sind und ihre Nämlichkeit gesichert ist.“
19 Ziff. 79 der Verordnung bestimmt:
„Die betreffende Person hat innerhalb der in der Bewilligung angegebenen Frist eine monatliche Aufstellung der in die Freizone oder aus der Freizone verbrachten Nicht-Unionswaren, die im vorausgegangenen Monat in die Aufzeichnungen aufgenommenen wurden, vorzulegen und dabei die Nummer des Zolldokuments oder des Frachtbriefs anzugeben, unter der die Waren in die Freizone oder aus der Freizone verbracht wurden, oder den Bediensteten der Finanzverwaltung einen Online-Zugang zu dem Lagerverwaltungssystem zu gewähren.“
Gesetz über das Verwaltungsverfahren und das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten
20 Art. 153 Abs. 3 des Administratīvā procesa likums (Gesetz über das Verwaltungsverfahren und das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten) vom (Latvijas Vēstnesis, 2001, Nr. 164) bestimmt:
„Tatsachen, die in den Entscheidungsgründen eines rechtskräftigen Urteils festgestellt worden sind, müssen im Rahmen der Prüfung einer Verwaltungssache, an der dieselben Parteien beteiligt sind, nicht erneut nachgewiesen werden.“
21 Art. 16 Abs. 3 und 4 des Likums „Par tiesu varu“ (Gerichtsverfassungsgesetz) vom (Latvijas Vēstnesis, 1993, Nr. 1/2) bestimmt:
„(3) Nach den gesetzlich vorgesehenen Bedingungen ist ein Urteil für das Gericht bei der Prüfung anderer mit dieser Rechtssache in Zusammenhang stehender Rechtssachen bindend.
(4) Solche Urteile haben Gesetzeskraft, sind gegenüber jedermann verbindlich und müssen genauso beachtet werden wie die Gesetze.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
22 BCT, die Klägerin des Ausgangsverfahrens, ist Inhaberin einer Bewilligung für die Ausübung von Tätigkeiten des Ab- und Einladens und der Lagerung von Waren in der Freizone des Freihafens Riga. Die Aufzeichnungen gemäß Art. 214 des Zollkodex der Union, in denen BCT die in die Freizone übergeführten Waren erfasst, wurden von der Finanzverwaltung genehmigt.
23 Bei einer Prüfung der Buchführung betreffend die in die Freizone übergeführten Waren stellte die Finanzverwaltung fest, dass bestimmte Nicht-Unionswaren im Sinne von Art. 5 Nr. 24 des Zollkodex der Union (geflochtene Körbe aus Kunststoff), die am , am und am in drei Containern auf dem Seeweg in die Freizone verbracht und in den Aufzeichnungen von BCT erfasst worden waren, am , am und am aus der Freizone von Riga verbracht wurden, ohne in ein anschließendes Zollverfahren übergeführt worden zu sein. Das besondere Zollverfahren der Lagerung in einer Freizone war also noch nicht erledigt worden. Die Finanzverwaltung nahm deshalb an, dass die betreffenden Waren aus der zollamtlichen Überwachung entzogen worden seien, so dass zulasten von BCT eine Zollschuld gemäß Art. 79 des Zollkodex der Union entstanden sei.
24 Mit Bescheid vom setzte die Finanzverwaltung Einfuhrabgaben, die Mehrwertsteuer und entsprechende Säumniszuschläge fest, die BCT zu entrichten hatte.
25 BCT erhob gegen diesen Bescheid Klage. Mit Urteil vom wies die Administratīvā apgabaltiesa (Regionalverwaltungsgericht, Lettland) die Klage, soweit sie die Einfuhrabgaben und die Mehrwertsteuer betraf, ab. Die betreffenden Waren seien auf der Grundlage von drei gemäß dem am in Genf unterzeichneten Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr in der durch das Protokoll vom geänderten Fassung ausgestellten Frachtbriefen aus der betreffenden Freizone verbracht worden, in denen, bestätigt durch den Stempel des Zolls und die Unterschrift eines Zollbeamten, als zollrechtlicher Status der Waren „C“ angegeben gewesen sei (im Folgenden: CMR-Frachtbriefe), was für „Unionswaren“ im Sinne von Art. 5 Nr. 23 des Zollkodex der Union stehe. Nachdem die Waren aus der Freizone verbracht worden seien, hätten die Zollbeamten jedoch festgestellt, dass die Dokumente, die den Wechsel des zollrechtlichen Status von Nicht-Unionswaren zu Unionswaren gerechtfertigt hätten, nicht vorgelegen hätten.
26 Nach den einschlägigen Vorschriften könne ein CMR-Frachtbrief nämlich nur bei Waren, die bereits den zollrechtlichen Status von Unionswaren hätten, als Beweis für diesen zollrechtlichen Status dienen, nicht aber bei Waren, die diesen erst aufgrund eines Wechsels erlangten. Ein solcher Wechsel des zollrechtlichen Status könne mit einer Zollanmeldung, in der eine MRN angegeben sei, oder mit einem Frachtbrief, in dem ebenfalls eine einer solchen Zollanmeldung zugewiesene MRN angegeben sei, nachgewiesen werden. Wenn keine MRN angegeben sei, mit der die Anwendung eines Zollverfahrens festgestellt werden könne, durch das Nicht-Unionswaren den zollrechtlichen Status von Unionswaren erhielten, könnten der handschriftliche Vermerk „Status C“, eine Unterschrift und ein Stempel, mit denen ein CMR-Frachtbrief versehen seien, daher nicht als Beweis für den Wechsel des zollrechtlichen Status zu Unionswaren dienen.
27 Gegen das Urteil vom (siehe oben, Rn. 25) legte BCT bei der Augstākā tiesa (Senāts) (Oberstes Gericht, Lettland), dem vorlegenden Gericht, Kassationsbeschwerde ein.
28 BCT macht geltend, dass sie gegen keine gesetzliche Verpflichtung als Inhaberin einer Bewilligung für die Ausübung von Tätigkeiten in der Freizone (im Folgenden: Bewilligungsinhaber) verstoßen habe, dass sie sich nicht wissentlich an der rechtswidrigen Verbringung der betreffenden Waren aus der Freizone beteiligt habe und dass sie nicht gewusst habe und auch nicht hätte wissen können, dass diese Verbringung rechtswidrig gewesen sei. Sie habe die Waren nämlich gemäß der von der Finanzverwaltung erteilten Bewilligung in ihren Aufzeichnungen verzeichnet und dem Beförderer gemäß den CMR-Frachtbriefen übergeben, die den Stempel des Zolls getragen hätten und mit dem von einem Zollbeamten unterzeichneten Vermerk versehen gewesen seien, dass die Waren den zollrechtlichen Status von Unionswaren hätten, was der gängigen Praxis des Zolls entspreche. Sie habe daher davon ausgehen können, dass das besondere Zollverfahren der Lagerung in einer Freizone, in dem sich die Waren befunden hätten, erledigt worden sei.
29 BCT beruft sich auch auf ein Urteil der Rīgas apgabaltiesas Krimināllietu tiesas kolēģija (Regionalgericht Riga, Abteilung für Strafsachen, Lettland) vom , mit dem die verwaltungsrechtlichen Sanktionen aufgehoben wurden, die gegen sie in Form von Säumniszuschlägen wegen genau des Sachverhalts verhängt worden waren, um den es auch hier geht. Nach diesem Urteil hat BCT nicht gegen Art. 215 Abs. 1 des Zollkodex der Union verstoßen. Sie habe die betreffenden Waren nicht aus der betreffenden Freizone verbracht, ohne sie in ein anschließendes Zollverfahren übergeführt zu haben. Es gebe keinen Grund, anzunehmen, dass ein CMR-Frachtbrief mit der Angabe „Status C“, der den Stempel des Zolls trage und von einem Zollbeamten unterschrieben sei, nicht genügen würde, um die Waren in ein anschließendes Zollverfahren zu überführen. Die Rīgas apgabaltiesas Krimināllietu tiesas kolēģija (Regionalgericht Riga, Abteilung für Strafsachen, Lettland) soll auch festgestellt haben, dass es eine gängige Praxis des Zolls gebe, wonach die Waren in ein anschließendes Zollverfahren übergeführt seien, wenn der betreffende Frachtbrief mit dem durch den Stempel der Zollstelle bestätigten Vermerk „Status C“ versehen sei.
30 Die Finanzverwaltung macht geltend, dass BCT bei der Verbringung der betreffenden Waren aus der Freizone nicht dafür gesorgt habe, dass die Waren in ein anschließendes Zollverfahren übergeführt worden seien. Außerdem habe sie die Angaben gemäß Art. 178 Abs. 1 Buchst. b der Delegierten Verordnung 2015/2446 nicht in ihre Aufzeichnungen aufgenommen. Der Wechsel des zollrechtlichen Status von Nicht-Unionswaren zu Unionswaren könne nur durch ein anschließendes Zollverfahren nach Einreichung einer mit einer MRN identifizierten Zollanmeldung erfolgen. BCT hätte in ihren Aufzeichnungen deshalb eine MRN angeben müssen, anhand deren die Zollanmeldung, die zu einem Wechsel des zollrechtlichen Status der Waren von Nicht-Unionswaren zu Unionswaren geführt habe, hätte ermittelt werden können. Die Angabe „Status C“ auf den CMR-Frachtbriefen habe insoweit nicht genügt.
31 Das vorlegende Gericht fragt sich, ob BCT wirklich in der Lage gewesen wäre, anhand einer auf den CMR-Frachtbriefen angegebenen MRN den zollrechtlichen Status der betreffenden Waren zu überprüfen und die Echtheit eines „T2L“ zu beurteilen, auf dessen Grundlage eine Zollbehörde eines anderen Mitgliedstaats den zollrechtlichen Status der betreffenden Waren hätte ändern können. Es sei nämlich nicht erwiesen, dass BCT Zugang zu den hierfür erforderlichen Datenbanken gehabt habe. Im Übrigen habe es zum Zeitpunkt der Vorgänge, um die es im Ausgangsverfahren geht, eine Übung der Finanzbehörde gegeben, Unionswaren, die aus der betreffenden Hafenzone verbracht wurden, zuvor allesamt einer zusätzlichen Zollkontrolle zu unterziehen. Die CMR-Frachtbriefe enthielten als Beweis des zollrechtlichen Status von Unionswaren einen mit der Unterschrift des Zollbeamten und dem Stempel der Zollkontrollstelle versehenen Vermerk über diesen zollrechtlichen Status.
32 Nach dem Bewilligungsbescheid, mit dem die lettischen Zollbehörden die Form der von BCT geführten Aufzeichnungen genehmigt hätten, müsse BCT diese in einem Online-System speichern, den lettischen Zollbehörden Zugang hierzu gewähren und die Originale oder Kopien der Beförderungspapiere, die in die betreffende Freizone und aus der betreffenden Freizone verbrachten Waren begleiteten, aufbewahren. Bei Waren, die durch die Erstellung einer Zoll- oder Wiederausfuhranmeldung, in der eine MRN angegeben sei, in die betreffende Freizone oder aus der betreffenden Freizone verbracht würden, sei BCT als Bewilligungsinhaberin nicht verpflichtet, Kopien dieser MRN aufzubewahren. Zur Vermeidung von Dubletten in den Datenbanken der Zollstellen und der Terminals sei der Bewilligungsbescheid später dahin geändert worden, dass es in den Fällen, in denen eine Ladung angemeldet oder in ein Zollverfahren übergeführt worden und ihr eine MRN zugewiesen worden sei, nicht erforderlich sei, Kopien der Beförderungspapiere aufzubewahren.
33 Dem Gerichtshof seien daher Fragen zur Auslegung der Zollvorschriften der Union betreffend die Voraussetzungen der Erledigung des Zollverfahrens der Lagerung in einer Freizone und die Verpflichtungen eines Unternehmens wie BCT hinsichtlich der in den Aufzeichnungen aufzubewahrenden Schriftstücke und der etwaigen Überprüfung eines Wechsels des zollrechtlichen Status vorzulegen. Für den Fall, dass die zollrechtlichen Vorschriften der Union dahin auszulegen sein sollten, dass ein Wechsel des zollrechtlichen Status nur nach den von BCT durchgeführten Modalitäten erfolgen könne, möchte das vorlegende Gericht weiter wissen, ob die Übung der Zollbehörden, auf den CMR-Frachtbriefen den zollrechtlichen Status der aus einer Freizone verbrachten Waren anzugeben, ein schutzwürdiges Vertrauen von BCT begründet.
34 Außerdem möchte das vorlegende Gericht wissen, ob es durch den im nationalen Recht und im Unionsrecht anerkannten Grundsatz der Rechtskraft daran gehindert ist, zu einem anderen Ergebnis zu gelangen als dem, zu dem die Rīgas apgabaltiesas Krimināllietu tiesas kolēģija (Regionalgericht Riga, Abteilung für Strafsachen) in einem rechtskräftigen Urteil vom gelangt sei, wonach BCT nicht vorgeworfen werden könne, im Sinne von Art. 79 des Zollkodex der Union in den zollrechtlichen Vorschriften der Union festgelegte Verpflichtungen nicht erfüllt zu haben.
35 Die Augstākā tiesa (Senāts) (Oberstes Gericht) hat deshalb beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Ist es nach Art. 178 Abs. 1 Buchst. b und c der Delegierten Verordnung 2015/2446 in Verbindung mit Art. 214 Abs. 1 des Zollkodex der Union erlaubt, das besondere Verfahren der Freizone zu erledigen, ohne dass die MRN, anhand deren die Zollanmeldung ermittelt werden kann, mit der die Waren in das anschließende Zollverfahren übergeführt wurden, in das elektronische Aufzeichnungssystem eingegeben wurde?
Ist es nach Art. 214 Abs. 1 und Art. 215 Abs. 1 des Zollkodex der Union sowie Art. 178 Abs. 1 Buchst. b und c der Delegierten Verordnung 2015/2446 erlaubt, dass der Inhaber des besonderen Verfahrens der Lagerung in einer Freizone dieses Verfahren allein auf der Grundlage eines Vermerks über den zollrechtlichen Status der Waren, den ein Zollbeamter auf dem Beförderungspapier der Waren (CMR-Frachtbrief) angebracht hat, erledigt, ohne selbst die Gültigkeit des zollrechtlichen Status dieser Waren zu überprüfen?
Falls Frage 2 verneint wird: Welcher Überprüfungsumfang ist nach Art. 214 Abs. 1 und Art. 215 Abs. 1 des Zollkodex der Union sowie Art. 178 Abs. 1 Buchst. b und c der Delegierten Verordnung 2015/2446 ausreichend, um davon ausgehen zu können, dass das besondere Verfahren der Lagerung in einer Freizone ordnungsmäßig erledigt worden ist?
Kann die Bestätigung der Zollbehörden, dass sich der zollrechtliche Status der Waren von „Nicht-Unionswaren“ in „Unionswaren“ geändert habe, beim Inhaber des besonderen Verfahrens der Lagerung in einer Freizone ein berechtigtes Vertrauen begründen, obwohl diese Bestätigung weder den Grund für diese Änderung des zollrechtlichen Status noch Angaben enthält, die die Feststellung dieses Grundes ermöglichen?
Falls Frage 4 verneint wird: Kann es im Licht des im nationalen Recht und im Unionsrecht anerkannten Grundsatzes der Rechtskraft einen Grund für die Befreiung von der Zollschuld aus Art. 79 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 3 Buchst. a des Zollkodex der Union darstellen, dass ein nationales Gericht in einem anderen Rechtsstreit durch rechtskräftiges Urteil entschieden hat, dass der Inhaber des Zollverfahrens im Hinblick auf das besondere Zollverfahren der Freizone nach den Verfahren, die die Zollbehörden festgelegt haben, keinen Verstoß begangen hat?
Zu den Vorlagefragen
Zur Frage 1
36 Mit Frage 1 möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 214 Abs. 1 des Zollkodex der Union und Art. 178 Abs. 1 Buchst. b und c der Delegierten Verordnung 2015/2446 dahin auszulegen sind, dass sie nicht dem entgegenstehen, dass der Bewilligungsinhaber in seinen Aufzeichnungen vermerkt, dass das Freizonenverfahren, in das die Waren überführt wurden, erledigt worden ist, ohne in den Aufzeichnungen die MRN anzugeben, anhand derer die Zollanmeldung, mit der die Waren in ein anschließendes Zollverfahren übergeführt wurden, ermittelt werden kann.
37 Nach Art. 214 Abs. 1 Unterabs. 1 des Zollkodex der Union muss der Bewilligungsinhaber geeignete Aufzeichnungen in der von den Zollbehörden genehmigten Form führen. Diese enthalten nach Art. 214 Abs. 1 Unterabs. 2 des Zollkodex der Union die Informationen und die Einzelheiten, die den Zollbehörden die Überwachung des betreffenden Verfahrens ermöglichen, wozu insbesondere die Nämlichkeitssicherung der in dieses Verfahren übergeführten Waren, ihr zollrechtlicher Status und ihre Beförderungen gehören.
38 Der genaue Inhalt dieser Verpflichtung ergibt sich aus Art. 178 Abs. 1 der Delegierten Verordnung 2015/2446, der bestimmt, welche Angaben die Aufzeichnungen enthalten müssen und unter welchen Voraussetzungen der Bewilligungsinhaber verpflichtet ist, die MRN in den Aufzeichnungen anzugeben.
39 Was speziell Art. 178 Abs. 1 Buchst. b der Delegierten Verordnung 2015/2446 angeht, so enthält diese Bestimmung zwei gesonderte Verpflichtungen: Die Aufzeichnungen müssen zum einen die MRN oder, wenn nicht vorhanden, eine andere Nummer oder einen anderen Code, anhand derer die Zollanmeldungen, mit denen die Waren in das besondere Verfahren übergeführt wurden, ermittelt werden können, enthalten und zum anderen, wenn das Verfahren erledigt wurde, Informationen über die Art, wie das Verfahren erledigt wurde.
40 Zu der ersten dieser beiden Verpflichtungen ist festzustellen, dass – wie die Generalanwältin in Nr. 41 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat – für die Überführung von Waren in das besondere Zollverfahren der Freizone nach Art. 158 Abs. 1 des Zollkodex der Union keine Zollanmeldung erforderlich ist, so dass dabei keine MRN erteilt wird.
41 Die zweite Verpflichtung betrifft die Erledigung des besonderen Verfahrens, in das die Waren übergeführt wurden. Nach Art. 215 Abs. 1 des Zollkodex der Union kann das besondere Zollverfahren der Freizone auf vier verschiedene Weisen erledigt werden, nämlich erstens dadurch, dass die in das betreffende Verfahren übergeführten Waren in ein anschließendes Zollverfahren übergeführt werden, zweitens dadurch, dass sie aus dem Zollgebiet der Union verbracht werden, drittens dadurch, dass sie zerstört werden und kein Abfall übrig bleibt, und viertens dadurch, dass sie zugunsten der Staatskasse aufgegeben werden.
42 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Vorlageentscheidung, dass die drei Ladungen, um die es im Ausgangsverfahren geht, als Nicht-Unionswaren in das besondere Zollverfahren der Freizone übergeführt wurden und kurz danach als Unionswaren aus der Freizone verbracht wurden. Ein solcher Wechsel des zollrechtlichen Status der betreffenden Waren kann aber nur aufgrund der Überführung der Waren in das Zollverfahren der Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr erfolgen.
43 Nach Art. 201 Abs. 3 des Zollkodex der Union erhalten Nicht-Unionswaren den zollrechtlichen Status von Unionswaren nämlich durch die Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr. Nach Art. 247 Abs. 1 des Zollkodex der Union können Nicht-Unionswaren in einer Freizone zum zollrechtlich freien Verkehr überlassen werden.
44 Hierfür ist für die betreffenden Waren eine Zollanmeldung gemäß Art. 158 Abs. 1 des Zollkodex der Union erforderlich, der unter den Voraussetzungen gemäß Art. 226 der Durchführungsverordnung 2015/2447 eine MRN im Sinne von Art. 1 Nr. 22 der Delegierten Verordnung 2015/2446 zugewiesen wird.
45 Nach Art. 226 Abs. 1 der Durchführungsverordnung 2015/2447 erteilen die Zollbehörden dem Anmelder außer im Fall einer mündlichen Zollanmeldung, eines Vorgangs, der als eine Zollanmeldung gilt, oder einer Zollanmeldung mittels einer Anschreibung in der Buchführung des Anmelders eine MRN für die betreffende Anmeldung.
46 Art. 226 der Durchführungsverordnung 2015/2447 findet nach seinem Abs. 2 zwar erst zu den jeweiligen Zeitpunkten Anwendung, zu denen die Systeme AES und NCTS in Betrieb genommen werden und die nationalen Einfuhrsysteme gemäß dem Anhang des Durchführungsbeschlusses 2014/255 verbessert sind.
47 Jedoch ist unstreitig, dass Frage 1 auf zwei unausgesprochenen Annahmen beruht, nämlich zum einen, dass es sich bei dem Sachverhalt, um den es im Ausgangsverfahren geht, nicht um einen der in Art. 226 Abs. 1 der Durchführungsverordnung 2015/2447 genannten Sonderfälle handelt, in denen keine MRN erteilt wird, und zum anderen, dass sich dieser Sachverhalt nach den Zeitpunkten zugetragen hat, zu denen die Systeme AES und NCTS in Betrieb genommen wurden und die lettischen Einfuhrsysteme gemäß dem Anhang des Durchführungsbeschlusses 2014/255 verbessert waren.
48 Bei der Beantwortung von Frage 1 ist daher davon auszugehen, dass anders als für die ursprüngliche Überführung in das besondere Zollverfahren der Freizone für die anschließende Überführung der betreffenden Waren in das Zollverfahren des zollrechtlich freien Verkehrs eine Zollanmeldung erforderlich gewesen wäre und der Anmelder daher zu dem Zeitpunkt, als das Freizonenverfahren erledigt worden war, über eine MRN hätte verfügen müssen, anhand derer die Zollanmeldung hätte ermittelt werden können.
49 Nach der zweiten Verpflichtung gemäß Art. 178 Abs. 1 Buchst. b der Delegierten Verordnung 2015/2446 müssen die Aufzeichnungen des Bewilligungsinhabers jedoch nur Informationen über die Art, wie das Verfahren erledigt wurde, enthalten. Es wird nicht verlangt, dass in den Aufzeichnungen eine MRN angegeben wird.
50 Ähnlich verlangt Art. 178 Abs. 1 Buchst. c der Delegierten Verordnung 2015/2446, dass die Aufzeichnungen des Bewilligungsinhabers die Angaben enthalten, die eine eindeutige Feststellung der in der Bestimmung genannten Unterlagen ermöglichen. Es wird nicht verlangt, dass in den Aufzeichnungen eine MRN angegeben wird.
51 Demnach ist der Bewilligungsinhaber nach Art. 178 Abs. 1 der Delegierten Verordnung 2015/2446 nicht verpflichtet, in seinen Aufzeichnungen die MRN anzugeben, anhand derer die Zollanmeldung ermittelt werden kann, die durch die Überführung der betreffenden Waren in das Zollverfahren des zollrechtlich freien Verkehrs zu der Erledigung des besonderen Zollverfahrens der Lagerung in einer Freizone geführt hat.
52 Auf Frage 1 ist somit zu antworten, dass Art. 214 Abs. 1 des Zollkodex der Union und Art. 178 Abs. 1 Buchst. b und c der Delegierten Verordnung 2015/2446 dahin auszulegen sind, dass sie nicht dem entgegenstehen, dass der Bewilligungsinhaber in seine Aufzeichnungen Informationen über die Art, wie das Zollverfahren der Freizone erledigt wurde, und Angaben, die eine Feststellung anderer die Erledigung betreffender Unterlagen als einer Zollanmeldung ermöglichen, aufnimmt, ohne dabei die MRN anzugeben, anhand derer die Zollanmeldung, mit der die Waren in ein anschließendes Zollverfahren übergeführt wurden, ermittelt werden kann.
Zu den Fragen 2 und 3
53 Es bietet sich an, die Fragen 2 und 3 zusammen zu prüfen. Das vorlegende Gericht möchte im Wesentlichen wissen, ob Art. 214 Abs. 1 und Art. 215 Abs. 1 des Zollkodex der Union und Art. 178 Abs. 1 Buchst. b und c der Delegierten Verordnung 2015/2446 wie folgt auszulegen sind:
Sie stehen dem entgegen, dass der Bewilligungsinhaber in seinen Aufzeichnungen bei bestimmten Waren die Erledigung des besonderen Zollverfahrens der Freizone verzeichnet und sich dabei darauf beschränkt, lediglich Angaben zu einem CMR-Frachtbrief aufzunehmen, der die Waren bei der Verbringung aus der betreffenden Freizone begleitet und mit einem durch den Stempel des Zolls bestätigten und von einem Zollbeamten unterschriebenen Vermerk über den zollrechtlichen Status der Waren versehen ist.
Sie gebieten, dass der Bewilligungsinhaber überprüft, ob dieser Vermerk richtig ist.
54 Als Erstes geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass sich aus den CMR-Frachtbriefen, die mit dem handschriftlichen, durch den Stempel des Zolls bestätigten und von einem Zollbeamten unterschriebenen Vermerk „Status C“ versehen sind, zwar ergibt, dass der zollrechtliche Status der betreffenden Waren von Nicht-Unionswaren zu Unionswaren gewechselt hat. Allerdings enthalten diese CMR-Frachtbriefe keine hinreichend ausführlichen Informationen über die Art, wie genau das besondere Zollverfahren der Lagerung in einer Freizone erledigt wurde. Die Bezugnahme auf solche CMR-Frachtbriefe in den Aufzeichnungen des Bewilligungsinhabers genügt mithin weder der zweiten Verpflichtung gemäß Art. 178 Abs. 1 Buchst. b der Delegierten Verordnung 2015/2446, dass die Aufzeichnungen Informationen über die Art, wie das betreffende Verfahren erledigt wurde, enthalten müssen, noch der Verpflichtung gemäß Art. 178 Abs. 1 Buchst. c der Delegierten Verordnung 2015/2446, dass die Aufzeichnungen Angaben enthalten müssen, die eine Feststellung der für die betreffende Erledigung des Verfahrens relevanten Unterlagen ermöglichen.
55 Wie die Generalanwältin in Nr. 44 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, ist jedoch zu beachten, dass die Zollbehörden nach Art. 178 Abs. 3 der Delegierten Verordnung 2015/2446 auf einige Angaben gemäß Art. 178 Abs. 1 und 2 der Verordnung verzichten können, wenn sich dies nicht nachteilig auf die zollamtliche Überwachung und die Kontrollen der Inanspruchnahme eines besonderen Verfahrens auswirkt. Das vorlegende Gericht wird daher zu prüfen haben, ob die lettischen Zollbehörden bei den Aufzeichnungen des Bewilligungsinhabers gemäß Art. 178 Abs. 3 der Delegierten Verordnung 2015/2446 auf Informationen über die Art, wie das besondere Zollverfahren der Freizone erledigt wurde, und Angaben, die eine Feststellung der für diese Erledigung relevanten Unterlagen ermöglichen, verzichtet haben.
56 Demnach kann der Bewilligungsinhaber seinen Verpflichtungen zur Führung von Aufzeichnungen betreffend die Erledigung des besonderen Zollverfahrens der Freizone, in das Nicht-Unionswaren übergeführt worden sind, nachkommen, indem er in den Aufzeichnungen Angaben zu einem CMR-Frachtbrief macht, der die Waren bei der Verbringung aus der betreffenden Freizone begleitet und in dem in Gestalt eines Vermerks der Zollbehörden der zollrechtliche Status der Waren angegeben ist, sofern die Zollbehörden gemäß Art. 178 Abs. 3 der Delegierten Verordnung 2015/2446 auf ausführlichere Informationen über die Art, wie das besondere Zollverfahren erledigt wurde, verzichtet haben, was das vorlegende Gericht im Ausgangsverfahren zu prüfen haben wird.
57 Was als Zweites die Überprüfung der Angabe des zollrechtlichen Status in den CMR-Frachtbriefen angeht, ist festzustellen, dass der Zollkodex der Union – wie die Generalanwältin in Nr. 55 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat – für den Bewilligungsinhaber keine besondere Verpflichtung begründet, zu überprüfen, ob die in den ihm vorgelegten Unterlagen enthaltenen Angaben und sonstigen Vermerke zutreffen.
58 Zwar muss der Bewilligungsinhaber als Fachmann ein Minimum an Sorgfalt walten lassen. Jedoch kann ihm, soweit bei einem Frachtbrief nicht für jeden Fachmann offenkundig ist, dass der Vermerk, den er trägt, Anlass zu Zweifeln gibt – was das vorlegende Gericht im Ausgangsverfahren zu prüfen haben wird, wobei es zu berücksichtigen haben wird, dass der auf den Frachtbriefen angebrachte Vermerk über den Status der Waren zudem durch den Stempel des Zolls bestätigt und von einem Zollbeamten unterschrieben war – nicht vorgeworfen werden, nicht geprüft zu haben, ob der Vermerk zutrifft.
59 Somit ist auf die Fragen 2 und 3 zu antworten, dass Art. 214 Abs. 1 und Art. 215 Abs. 1 des Zollkodex der Union und Art. 178 Abs. 1 Buchst. b und c der Delegierten Verordnung 2015/2446 wie folgt auszulegen sind:
Sie stehen nicht dem entgegen, dass der Bewilligungsinhaber in seinen Aufzeichnungen bei bestimmten Waren die Erledigung des besonderen Zollverfahrens der Freizone verzeichnet und sich dabei darauf beschränkt, lediglich Angaben zu einem CMR-Frachtbrief aufzunehmen, der die Waren bei der Verbringung aus der betreffenden Freizone begleitet und mit einem durch den Stempel des Zolls bestätigten und von einem Zollbeamten unterschriebenen Vermerk über den zollrechtlichen Status der Waren versehen ist, sofern die Zollbehörden diese Art der Erledigung gemäß Art. 178 Abs. 3 der Delegierten Verordnung 2015/2446 genehmigt haben.
Sie gebieten nicht, dass der Bewilligungsinhaber überprüft, ob dieser Vermerk zutrifft.
Zu Frage 4
60 Mit Frage 4 möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob der Grundsatz des Vertrauensschutzes dahin auszulegen ist, dass der durch den Stempel des Zolls bestätigte und von einem Zollbeamten unterschriebene Vermerk über den zollrechtlichen Status von Unionswaren, den ein CMR-Frachtbrief trägt, der die Waren bei der Verbringung aus einer Freizone begleitet, beim Bewilligungsinhaber ein schutzwürdiges Vertrauen auf die Gültigkeit eines Wechsels des zollrechtlichen Status der Waren nach den zollrechtlichen Vorschriften begründen kann, obwohl in dem Frachtbrief nicht angegeben ist, auf welcher Grundlage der Wechsel erfolgt ist.
61 Frage 4 stellt sich, falls das vorlegende Gericht im Hinblick auf die auf die Fragen 2 und 3 gegebenen Antworten feststellen sollte, dass die lettischen Zollbehörden nicht gemäß Art. 178 Abs. 3 der Delegierten Verordnung 2015/2446 einen formalen Rechtsakt erlassen haben, um auf die Informationen und Angaben, die eine eindeutige Feststellung der für die Erledigung des besonderen Zollverfahrens relevanten Unterlagen ermöglichen, wie sie die Aufzeichnungen des Bewilligungsinhabers nach Art. 178 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung enthalten müssen, zu verzichten.
62 Da der Zollkodex der Union für den Bewilligungsinhaber keine besondere Verpflichtung begründet, zu überprüfen, ob die in den ihm vorgelegten Unterlagen enthaltenen Angaben zutreffen (siehe oben, Rn. 57), möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, unter welchen Voraussetzungen das Vertrauen des Bewilligungsinhabers auf die Übereinstimmung seiner Aufzeichnungen mit den Verpflichtungen aus Art. 178 der Delegierten Verordnung 2015/2446 schutzwürdig ist.
63 Wie die Generalanwältin in Nr. 69 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, stellt sich daher insbesondere die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine ständige Verwaltungsübung dahin, dass die CMR-Frachtbriefe, die Waren bei der Verbringung aus einer Freizone begleiten, mit einem unterzeichneten Vermerk und einem Stempel versehen werden, die besagen, dass die Waren den zollrechtlichen Status von Unionswaren erlangt haben, beim Bewilligungsinhaber ein schutzwürdiges Vertrauen darauf begründen kann, dass die Zollbehörden gemäß Art. 178 Abs. 3 der Delegierten Verordnung 2015/2446 auf einige Angaben gemäß den Abs. 1 und 2 dieses Artikels verzichtet haben und in den Aufzeichnungen des Bewilligungsinhabers Angaben ausschließlich zu CMR-Frachtbriefen, die von den Zollbehörden mit einem solchen Vermerk versehen sind, genügen.
64 Nach ständiger Rechtsprechung ist der Grundsatz des Vertrauensschutzes Bestandteil der Unionsrechtsordnung und gilt für jede nationale Behörde, die mit der Anwendung des Unionsrechts betraut ist (Urteil vom , Sense Visuele Communicatie en Handel vof, C‑36/21, EU:C:2022:556, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).
65 Bei der Durchführung der Vorschriften des Zollkodex der Union haben die nationalen Behörden diesen Grundsatz demnach zu beachten. Das Recht auf Vertrauensschutz steht als Ausfluss des Grundsatzes der Rechtssicherheit jedem Einzelnen zu, bei dem die Unionsverwaltung begründete Erwartungen geweckt hat. Konkrete, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Auskünfte von zuständiger und zuverlässiger Seite können unabhängig von der Form ihrer Mitteilung solche Erwartungen wecken. Dagegen kann niemand eine Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes geltend machen, dem die Verwaltung keine konkreten Zusicherungen gegeben hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Litauen u.a./Parlament und Rat [Mobilitätspaket], C‑541/20 bis C‑555/20, EU:C:2024:818, Rn. 616). Auch kann das Verhalten einer mit der Anwendung des Unionsrechts betrauten nationalen Behörde, das gegen eine Bestimmung des Unionsrechts oder gegen in Anwendung des Unionsrechts erlassenes nationales Recht verstößt, kein schutzwürdiges Vertrauen eines Wirtschaftsteilnehmers begründen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Sense Visuele Communicatie en Handel vof, C‑36/21, EU:C:2022:556, Rn. 27 und 28 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
66 In Art. 178 Abs. 3 der Delegierten Verordnung 2015/2446 ist nicht im Einzelnen geregelt, wie die Zollbehörden auf einige Angaben gemäß den Abs. 1 und 2 dieses Artikels verzichten können. Eine ständige Verwaltungsübung dahin, dass bei den Aufzeichnungen des Bewilligungsinhabers Angaben zu einem CMR-Frachtbrief, der die betreffenden Waren bei der Verbringung aus einer Freizone begleitet und mit einem durch den Stempel des Zolls bestätigten und von einem Zollbeamten unterschriebenen Vermerk über den zollrechtlichen Status versehen ist, für die Erledigung des besonderen Zollverfahrens für ausreichend erachtet werden, verstößt deshalb nicht gegen Art. 178 Abs. 1 Buchst. b und c und Abs. 3 der Delegierten Verordnung 2015/2446.
67 Wenn es eine solche Übung gibt, ist das Vertrauen des Bewilligungsinhabers auf die Übereinstimmung seiner Aufzeichnungen mit Art. 178 der Delegierten Verordnung 2015/2446 daher schutzwürdig. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Zollbehörden dem Bewilligungsinhaber in der Vergangenheit konkrete, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Auskünfte dahin erteilt hatten, dass es genüge, um anzunehmen, dass er seinen Verpflichtungen gemäß Art. 178 der Delegierten Verordnung 2015/2446 nachgekommen sei, wenn in seinen Aufzeichnungen Angaben enthalten seien, anhand deren sich ein CMR-Frachtbrief, der mit einem solchen Vermerk versehen sei, identifizieren lasse. In einem solchen Fall ist das Vertrauen des Bewilligungsinhabers darauf, dass die Zollbehörden gemäß Art. 178 Abs. 3 der Delegierten Verordnung 2015/2446 auf einige Angaben gemäß Abs. 1 dieses Artikels verzichtet haben, schutzwürdig.
68 Somit ist auf Frage 4 zu antworten, dass der Grundsatz des Vertrauensschutzes dahin auszulegen ist, dass eine ständige Übung der Zollbehörden, aus der sich konkret und nicht an Bedingungen geknüpft ergibt, dass es, um den Verpflichtungen aus Art. 178 Abs. 1 Buchst. b und c der Delegierten Verordnung 2015/2446 nachzukommen, genügt, wenn die Aufzeichnungen des Bewilligungsinhabers nur Angaben zu einem CMR-Frachtbrief enthalten, der die betreffenden Waren bei der Verbringung aus einer Freizone begleitet und mit einem durch den Stempel des Zolls bestätigten und von einem Zollbeamten unterschriebenen handschriftlichen Vermerk über den zollrechtlichen Status versehen ist, ein schutzwürdiges Vertrauen des Bewilligungsinhabers darauf begründet, dass seine Aufzeichnungen mit Art. 178 Abs. 1 Buchst. b und c der Delegierten Verordnung 2015/2446 in Einklang stehen.
Zu Frage 5
69 Mit Frage 5 möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob das Unionsrecht der Anwendung einer nationalen Bestimmung über die Rechtskraft entgegensteht, nach der ein Gericht eines Mitgliedstaats verpflichtet ist, eine Zollschuld des Bewilligungsinhabers aus Art. 79 des Zollkodex der Union aufzuheben, weil das Gericht dieses Mitgliedstaats, das für die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der verwaltungsrechtlichen Sanktion zuständig ist, die gegen den Bewilligungsinhaber wegen derselben Zollvorgänge und aus denselben Gründen, auf denen die Zollschuld beruht, verhängt wurde, in einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung festgestellt hat, dass der Bewilligungsinhaber nicht gegen die in den zollrechtlichen Vorschriften der Union festgelegten Verpflichtungen verstoßen hat.
70 Die Antwort auf Frage 5 wird für den Fall gegeben, dass das vorlegende Gericht zu dem Schluss gelangen sollte, dass die Zollbehörden nicht formal gemäß Art. 178 Abs. 3 der Delegierten Verordnung 2015/2446 auf die betreffenden Angaben des Bewilligungsinhabers verzichtet haben und das Vertrauen des Bewilligungsinhabers darauf, dass seine Aufzeichnungen mit Art. 178 Abs. 1 Buchst. b und c der Delegierten Verordnung 2015/2446 in Einklang stehen, unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht schutzwürdig ist.
71 Dem Grundsatz der Rechtskraft kommt sowohl in der Unionsrechtsordnung als auch in den nationalen Rechtsordnungen Bedeutung zu. Zur Gewährleistung des Rechtsfriedens und der Beständigkeit rechtlicher Beziehungen sowie einer geordneten Rechtspflege sollen nämlich nach Ausschöpfung des Rechtswegs oder nach Ablauf der entsprechenden Rechtsmittelfristen unanfechtbar gewordene Gerichtsentscheidungen nicht mehr in Frage gestellt werden können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Avio Lucos, C‑116/20, EU:C:2022:273, Rn. 92 und die dort angeführte Rechtsprechung).
72 Daher gebietet es das Unionsrecht einem nationalen Gericht nicht, von der Anwendung innerstaatlicher Verfahrensvorschriften, aufgrund deren eine Gerichtsentscheidung Rechtskraft erlangt, abzusehen, selbst wenn dadurch einer mit dem Unionsrecht unvereinbaren nationalen Situation abgeholfen werden könnte. Das Unionsrecht verlangt somit nicht, dass ein nationales Rechtsprechungsorgan seine rechtskräftig gewordene Entscheidung grundsätzlich rückgängig machen muss, um der Auslegung einer einschlägigen unionsrechtlichen Bestimmung durch den Gerichtshof Rechnung zu tragen (Urteil vom , CRPNPAC und Vueling Airlines, C‑370/17 und C‑37/18, EU:C:2020:260, Rn. 89 und 90 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
73 Da auf diesem Gebiet unionsrechtliche Vorschriften fehlen, ist es nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie Sache der innerstaatlichen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten, die Modalitäten der Umsetzung des Grundsatzes der Rechtskraft festzulegen. Sie dürfen jedoch nicht ungünstiger sein als die, die bei ähnlichen internen Sachverhalten gelten (Grundsatz der Äquivalenz), und nicht so ausgestaltet sein, dass sie die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität) (Urteil vom , Avio Lucos, C‑116/20, EU:C:2022:273, Rn. 100 und die dort angeführte Rechtsprechung).
74 Jeder Fall, in dem sich die Frage stellt, ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Unionsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, ist unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens vor den verschiedenen innerstaatlichen Stellen zu prüfen. Dabei sind gegebenenfalls die Grundsätze zu berücksichtigen, die dem nationalen Rechtsschutzsystem zugrunde liegen, wie z.B. der Schutz der Verteidigungsrechte, der Grundsatz der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäße Ablauf des Verfahrens (Urteil vom , CRPNPAC und Vueling Airlines, C‑370/17 und C‑37/18, EU:C:2020:260, Rn. 93).
75 So ist entschieden worden, dass eine Auslegung des Grundsatzes der Rechtskraft, nach der die nationalen Gerichte gezwungen wären, eine unrichtige Auslegung und eine unrichtige Anwendung des Unionsrecht allein deshalb zu übernehmen, weil die Rechtssache, über die sie zu entscheiden haben, auch wenn der Streitgegenstand ein anderer ist, dasselbe Rechtsverhältnis oder denselben grundlegenden Punkt betreffen, über das bzw. den in einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung entschieden worden ist, nicht mit dem Grundsatz der Effektivität zu vereinbaren wäre. Solche Hindernisse für die effektive Anwendung des Unionsrechts können bei vernünftiger Betrachtung nämlich nicht durch den Grundsatz der Rechtssicherheit gerechtfertigt werden und sind daher als Verstoß gegen den Grundsatz der Effektivität anzusehen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Fallimento Olimpiclub, C‑2/08, EU:C:2009:506, Rn. 29 bis 31, vom , CRPNPAC und Vueling Airlines, C‑370/17 und C‑37/18, EU:C:2020:260, Rn. 94 bis 96, und vom , Avio Lucos, C‑116/20, EU:C:2022:273, Rn. 102 bis 104).
76 Das vorlegende Gericht hat aber keine unrichtige Auslegung und Anwendung des Unionsrecht zu wiederholen, die sich aus einer gerichtlichen Entscheidung ergibt, in der rechtskräftig über ein Rechtsverhältnis oder einen grundlegenden Punkt entschieden worden ist, um das bzw. den es in einem Rechtsstreit, der einen anderen Streitgegenstand hat, geht.
77 Erstens haben die Rechtssache, über die die Rīgas apgabaltiesas Krimināllietu tiesas kolēģija entschieden hat (Regionalgericht Riga, Abteilung für Strafsachen), und die Rechtssache, um die es im Ausgangsverfahren geht, dieselben Zollvorgänge zum Gegenstand.
78 Zweitens kann die Nichterfüllung einer zollrechtlichen Verpflichtung zwar mehrere Rechtsfolgen haben, etwa die Entstehung einer Zollschuld als Hauptforderung (Einfuhrabgaben und Mehrwertsteuer) einerseits und Entstehung der entsprechenden Säumniszuschläge andererseits. Wie sich aus der Vorlageentscheidung ergibt, werden vom Bewilligungsinhaber aber sowohl die Hauptschuld als auch die entsprechenden Säumniszuschläge aufgrund ein und desselben Bescheids der Finanzverwaltung geschuldet, und Grundlage ist jedenfalls der Vorwurf der Nichterfüllung derselben Verpflichtungen betreffend die Aufzeichnungen des Bewilligungsinhabers wie derjenigen, die Gegenstand des Rechtsstreits waren, über den die Rīgas apgabaltiesas Krimināllietu tiesas kolēģija (Regionalgericht Riga, Abteilung für Strafsachen) entschieden hat.
79 Soweit das lettische Recht eine Regel enthält, nach der die Entscheidungen der Strafgerichte die Verwaltungsgerichte binden, ist daher, wenn im Rahmen von Klagen, die dieselben Zollvorgänge betreffen, der Vorwurf der Nichterfüllung der Verpflichtungen betreffend die Aufzeichnungen des Bewilligungsinhabers bestritten wird, grundsätzlich einheitlich zu entscheiden. Der Grundsatz der Effektivität steht der Beachtung der Rechtskraft einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung nicht entgegen, solange dies keine Auswirkungen auf andere Rechtsstreitigkeiten als diejenigen hat, in denen die Rechtmäßigkeit desselben Bescheids der Verwaltung oder die rechtliche Qualifizierung der Tatsachen betreffend dieselben Zollvorgänge angegriffen werden.
80 Somit ist auf Frage 5 zu antworten, dass das Unionsrecht der Anwendung einer nationalen Bestimmung über die Rechtskraft, nach der ein Gericht eines Mitgliedstaats verpflichtet ist, eine Zollschuld des Bewilligungsinhabers aus Art. 79 des Zollkodex der Union aufzuheben, weil das Gericht dieses Mitgliedstaats, das für die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der verwaltungsrechtlichen Sanktion zuständig ist, die gegen den Bewilligungsinhaber wegen derselben Zollvorgänge und aus denselben Gründen, auf denen die Zollschuld beruht, verhängt wurde, in einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung festgestellt hat, dass der Bewilligungsinhaber nicht gegen die in den zollrechtlichen Vorschriften der Union festgelegten Verpflichtungen verstoßen hat, nicht entgegensteht.
Kosten
81 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 214 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Union und Art. 178 Abs. 1 Buchst. b und c der Delegierten Verordnung (EU) 2015/2446 der Kommission vom zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates mit Einzelheiten zur Präzisierung von Bestimmungen des Zollkodex der Union
sind wie folgt auszulegen:
Sie stehen nicht dem entgegen, dass der Inhaber einer Bewilligung für die Ausübung von Tätigkeiten in einer Freizone in seine Aufzeichnungen Informationen über die Art, wie das Zollverfahren der Freizone erledigt wurde, und Angaben, die eine Feststellung anderer die Erledigung betreffender Unterlagen als einer Zollanmeldung ermöglichen, aufnimmt, ohne dabei die Hauptbezugsnummer anzugeben, anhand derer die Zollanmeldung, mit der die Waren in ein anschließendes Zollverfahren übergeführt wurden, ermittelt werden kann.
Art. 214 Abs. 1 und Art. 215 Abs. 1 der Verordnung Nr. 952/2013 und Art. 178 Abs. 1 Buchst. b und c der Delegierten Verordnung 2015/2446
sind wie folgt auszulegen:
Sie stehen nicht dem entgegen, dass der Inhaber einer Bewilligung für die Ausübung von Tätigkeiten in einer Freizone in seinen Aufzeichnungen bei bestimmten Waren die Erledigung des besonderen Zollverfahrens der Freizone verzeichnet und sich dabei darauf beschränkt, lediglich Angaben zu einem gemäß dem am in Genf unterzeichneten Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr in der durch das Protokoll vom geänderten Fassung ausgestellten Frachtbrief aufzunehmen, der die Waren bei der Verbringung aus der betreffenden Freizone begleitet und mit einem durch den Stempel des Zolls bestätigten und von einem Zollbeamten unterschriebenen Vermerk über den zollrechtlichen Status der Waren versehen ist, sofern die Zollbehörden diese Art der Erledigung gemäß Art. 178 Abs. 3 der Delegierten Verordnung 2015/2446 genehmigt haben.
Sie gebieten nicht, dass der Inhaber einer Bewilligung für die Ausübung von Tätigkeiten in einer Freizone überprüft, ob dieser Vermerk zutrifft.
Der Grundsatz des Vertrauensschutzes ist wie folgt auszulegen:
Eine ständige Übung der Zollbehörden, aus der sich konkret und nicht an Bedingungen geknüpft ergibt, dass es, um den Verpflichtungen aus Art. 178 Abs. 1 Buchst. b und c der Delegierten Verordnung 2015/2446 nachzukommen, genügt, wenn die Aufzeichnungen des Bewilligungsinhabers nur Angaben zu einem gemäß dem am in Genf unterzeichneten Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr in der durch das Protokoll vom geänderten Fassung ausgestellten Frachtbrief enthalten, der die betreffenden Waren bei der Verbringung aus einer Freizone begleitet und mit einem durch den Stempel des Zolls bestätigten und von einem Zollbeamten unterschriebenen handschriftlichen Vermerk über den zollrechtlichen Status versehen ist, ein schutzwürdiges Vertrauen des Inhabers einer Bewilligung für die Ausübung von Tätigkeiten in einer Freizone darauf begründet, dass seine Aufzeichnungen mit Art. 178 Abs. 1 Buchst. b und c der Delegierten Verordnung 2015/2446 in Einklang stehen.
Das Unionsrecht steht der Anwendung einer nationalen Bestimmung über die Rechtskraft, nach der ein Gericht eines Mitgliedstaats verpflichtet ist, eine Zollschuld des Inhabers einer Bewilligung für die Ausübung von Tätigkeiten in einer Freizone gemäß Art. 79 der Verordnung Nr. 952/2013 aufzuheben, weil das Gericht dieses Mitgliedstaats, das für die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der verwaltungsrechtlichen Sanktion zuständig ist, die gegen den Inhaber einer Bewilligung für die Ausübung von Tätigkeiten in einer Freizone wegen derselben Zollvorgänge und aus denselben Gründen, auf denen die Zollschuld beruht, verhängt wurde, in einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung festgestellt hat, dass der Bewilligungsinhaber nicht gegen die in den zollrechtlichen Vorschriften der Union festgelegten Verpflichtungen verstoßen hat, nicht entgegen.
ECLI Nummer:
ECLI:EU:C:2025:20
Fundstelle(n):
LAAAJ-91516