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BAG Urteil v. - 4 AZR 70/24

Eingruppierung eines LKW-Fahrers - Begriff des Berufskraftfahrers

Instanzenzug: ArbG Augsburg Az: 5 Ca 384/22 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht München Az: 5 Sa 583/22 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers.

2Der Kläger ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts seit dem bei der Beklagten im Abfallwirtschafts- und Stadtreinigungsbetrieb (AWS) beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag vom bestimmt sich das Arbeitsverhältnis „nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung einschließlich des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts“ (TVÜ-VKA). Weiterhin „finden die im Bereich des Arbeitgebers jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge ... Anwendung“.

3Der Kläger, der am die Fahrerlaubnis zum Führen von LKW erworben hat und in dessen Führerschein die Kennziffer 95 eingetragen ist, wird als Fahrer beschäftigt. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist er überwiegend mit einer Großkehrmaschine mit einem Gesamtgewicht von 18 t tätig. Mit dieser wird Straßenkehricht durch rotierende Bürsten zusammengekehrt und von einem Sauger aufgenommen. Bei Bedarf wird der Kläger auf Müllfahrzeugen eingesetzt. In der Zeit vom 15. November bis 15. März ist er jeweils zur Winter-Rufbereitschaft eingeteilt und fährt im Einsatzfall ein Winterdienstfahrzeug mit Schneeräumschild und Salzstreuer mit einem Gesamtgewicht von ebenfalls 18 t. Sowohl die Großkehrmaschine als auch das Winterdienstfahrzeug sind als selbstfahrende Arbeitsmaschinen iSv. § 2 Nr. 17 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr (Fahrzeug-Zulassungsverordnung - FZV) vom (BGBl. 2023 I Nr. 199 S. 2) zugelassen. Die Beklagte vergütet den Kläger nach Entgeltgruppe 5 Stufe 5 TVöD/VKA.

4Der Kläger hat mit seiner Klage eine Vergütung nach Entgeltgruppe 6 Stufe 5 TVöD/VKA begehrt und geltend gemacht, die von ihm auszuübenden Tätigkeiten erfüllten das Tätigkeitsmerkmal Fahren eines Sonderfahrzeugs, „dessen Bedienung besondere Fachkenntnisse erfordert“ iSd. Entgeltgruppe 6 Fallgruppe 2 (Tätigkeitsbereich Fahrer) der Anlage 1a - Entgeltgruppenverzeichnis handwerkliche Tätigkeiten Bayern des am zwischen dem Kommunalen Arbeitgeberverband Bayern e.V. und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft - ver.di geschlossenen 13. Landesbezirklichen Tarifvertrags handwerklicher Bereich Bayern - 13. LBzTV (Anlage 1a zum 13. LBzTV). Er habe eine erhebliche Einarbeitungszeit benötigt, so dass besondere Fachkenntnisse zur Ausübung der Tätigkeit erforderlich seien. Zudem erfülle seine Tätigkeit das Tätigkeitsmerkmal „Berufskraftfahrer für Kraftfahrzeuge, deren zulässiges Gesamtgewicht mehr als 7,5 t beträgt“ (Entgeltgruppe 6 Fallgruppe 4 - Tätigkeitsbereich Fahrer - der Anlage 1a zum 13. LBzTV). Die Großkehrmaschine sei darüber hinaus ein Müllfahrzeug, da in ihr der aufgesammelte Kehricht als Müll transportiert werde. Daher sei auch das Tätigkeitsmerkmal „Fahrer von Müllfahrzeugen“ (Entgeltgruppe 6 - Tätigkeitsbereich Mülllader - der Anlage 1a zum 13. LBzTV) erfüllt.

5Der Kläger hat zuletzt beantragt,

6Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, der Kläger fahre weder Sonderfahrzeuge noch seien zur Ausübung der Tätigkeit besondere Fachkenntnisse erforderlich. Er sei nicht als Berufskraftfahrer tätig, da seine Tätigkeit nicht dem Anwendungsbereich des Gesetzes über die Grundqualifikation und die Weiterbildung der Fahrer bestimmter Kraftfahrzeuge für den Güter- oder Personenkraftverkehr (Berufskraftfahrerqualifikationsgesetz - BKrFQG) vom (BGBl. I S. 2575) unterfalle. Zudem sei für eine Eingruppierung als Berufskraftfahrer eine abgeschlossene Berufsausbildung erforderlich, über die der Kläger - unstreitig - nicht verfügt.

7Das Arbeitsgericht hat der Klage, soweit noch streitgegenständlich, stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil insoweit abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Gründe

8Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage im Ergebnis zutreffend im noch streitgegenständlichen Umfang für unbegründet erachtet.

9I. Die Klage ist zulässig, insbesondere handelt es sich bei dem Antrag zu 2. um einen allgemein üblichen Eingruppierungsfeststellungsantrag, für den das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse besteht (st. Rspr., etwa  - Rn. 12).

10II. Weder der Feststellungs- noch der Leistungsantrag ist begründet. Der Kläger kann keine Vergütung nach Entgeltgruppe 6 TVöD/VKA beanspruchen.

111. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden aufgrund vertraglicher Bezugnahme der TVöD/VKA sowie der 13. LBzTV und der - ebenfalls am in Kraft getretene - 14. Landesbezirkliche Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten im handwerklichen Bereich in die EGO Bayern Handwerk vom (14. LBzTV) Anwendung. Das Arbeitsverhältnis des Klägers wird vom Geltungsbereich des 13. und 14. LBzTV erfasst. Es fällt mangels speziellerer Regelungen in den Anwendungsbereich des § 1 TVöD-BT-V. Der Kläger übt auch handwerkliche Tätigkeiten (dh. solche, die vor dem der Rentenversicherung der Arbeiter unterlegen hätten, § 38 Abs. 5 Satz 2 TVöD/VKA) iSd. Teils A Abschnitt I Nr. 2 der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA aus.

122. Die Eingruppierung des Klägers bestimmt sich seit dem nach den Regelungen des 13. und 14. LBzTV iVm. §§ 12, 13 TVöD/VKA. Nach § 2 Abs. 1 des 14. LBzTV erfolgt zwar die Überleitung unter Beibehaltung der bisherigen Entgeltgruppe für die Dauer der unverändert auszuübenden Tätigkeit. Ergibt sich aber nach den Tätigkeitsmerkmalen der Anlage 1a zum 13. LBzTV eine höhere Entgeltgruppe, sind die Beschäftigten - ohne Antrag - ab dem in diese eingruppiert (§ 3 Nr. 2 des 14. LBzTV).

133. Die maßgebenden Bestimmungen der Anlage 1a zum 13. LBzTV lauten:

144. Das Landesarbeitsgericht hat keine hinreichenden Feststellungen getroffen, die die Bestimmung von Arbeitsvorgängen ermöglichen würden.

15a) Nach § 2 des 13. LBzTV iVm. § 12 Abs. 2 Satz 1 TVöD/VKA ist der Beschäftigte in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Das ist dann der Fall, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen (§ 12 Abs. 2 Satz 2 TVöD/VKA).

16b) Maßgebend für die Bestimmung von Arbeitsvorgängen ist das Arbeitsergebnis. Für die Beurteilung, ob eine oder mehrere Einzeltätigkeiten zu einem Arbeitsergebnis führen, sind eine natürliche Betrachtungsweise und die durch die Arbeitgeberin vorgenommene Arbeitsorganisation ausschlaggebend. Dabei kann die gesamte vertraglich geschuldete Tätigkeit einen einzigen Arbeitsvorgang ausmachen. Einzeltätigkeiten können dann nicht zusammengefasst werden, wenn die verschiedenen Arbeitsschritte von vornherein auseinandergehalten und organisatorisch voneinander getrennt sind. Hierfür reicht jedoch die theoretische Möglichkeit nicht aus, einzelne Arbeitsschritte oder Einzelaufgaben verwaltungstechnisch isoliert auf andere Beschäftigte zu übertragen. Bei der Zuordnung zu einem Arbeitsvorgang können wiederkehrende und gleichartige Tätigkeiten zusammengefasst werden. Dem Arbeitsvorgang hinzuzurechnen sind dabei nach Satz 1 der Protokollerklärung zu § 12 Abs. 2 TVöD/VKA auch Zusammenhangsarbeiten. Das sind solche, die aufgrund ihres engen Zusammenhangs mit bestimmten Aufgaben eines Beschäftigten bei der tariflichen Bewertung zwecks Vermeidung tarifwidriger „Atomisierung“ der Arbeitseinheiten nicht abgetrennt werden dürfen, sondern diesen zuzurechnen sind. Die tarifliche Wertigkeit der verschiedenen Einzeltätigkeiten oder Arbeitsschritte bleibt dabei zunächst außer Betracht. Erst nachdem die Bestimmung des Arbeitsvorgangs erfolgt ist, ist dieser anhand des in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmals zu bewerten ( - Rn. 23; ausf. - 4 AZR 195/20 - Rn. 27 ff., BAGE 172, 130 zu § 12 TV-L).

17c) Der Begriff des „Arbeitsvorgangs“ ist ein feststehender, abstrakter, von den Tarifvertragsparteien vorgegebener Rechtsbegriff. Seine Anwendung durch die Tatsachengerichte ist revisionsgerichtlich in vollem Umfang nachprüfbar (st. Rspr., vgl. zB  - Rn. 18).

18d) Nach diesen Maßstäben ist das Landesarbeitsgericht zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass das Fahren der Großkehrmaschine und des Winterdienstfahrzeugs zwei unterschiedliche Arbeitsvorgänge darstellen. Ersteres dient dem Arbeitsergebnis der Straßenreinigung, letzteres der Sicherung des Verkehrs durch Räumung der Straßen. Die Tätigkeiten sind durch die zeitliche Arbeitseinteilung organisatorisch getrennt. Der Kläger wird aber „bei Bedarf“ zudem „auf Müllfahrzeugen“ eingesetzt. Nähere Feststellungen zum zeitlichen Umfang und zur Organisation dieser weiteren Tätigkeit hat das Landesarbeitsgericht nicht getroffen. Es lässt sich daher nicht bestimmen, ob diese einem der beiden anderen Arbeitsvorgänge zuzuordnen ist oder einen eigenständigen Arbeitsvorgang darstellt.

195. Die Bestimmung der Arbeitsvorgänge kann jedoch dahinstehen. Dem Kläger steht unter keinem denkbaren Zuschnitt der Arbeitsvorgänge ein Anspruch auf die begehrte Vergütung nach Entgeltgruppe 6 TVöD/VKA zu.

20a) Seine Tätigkeit erfüllt nicht die tariflichen Voraussetzungen für eine Eingruppierung in Entgeltgruppe 6 Fallgruppe 2 (Tätigkeitsbereich Fahrer) der Anlage 1a zum 13. LBzTV.

21aa) Sowohl bei der Großkehrmaschine als auch dem Winterdienstfahrzeug handelt es sich zwar um „Sonderfahrzeuge“ iSd. Entgeltgruppe 6 Fallgruppe 2 (Tätigkeitsbereich Fahrer) der Anlage 1a zum 13. LBzTV.

22(1) Sonderfahrzeuge sind „Straßenfahrzeuge für besondere Zwecke außer zur Beförderung von Personen oder Gütern“. Die Anlage 1a zum 13. LBzTV enthält zwar keine Definition für „Sonderfahrzeuge“. Nach dem von Eurostat, der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UNECE) und dem International Transport Forum (ITF) veröffentlichten Glossar für die Verkehrsstatistik (5. Aufl., abrufbar unter https://ec.europa.eu/eurostat/documents/3859598/ 10013449/KS-GQ-19-004-DE-N.pdf, zuletzt abgerufen am ) sind Sonderfahrzeuge jedoch im oben genannten Sinne definiert (vgl. auch  -). Dieser Definition entsprechen die im Klammerzusatz zu Entgeltgruppe 5 Fallgruppe 2 (Tätigkeitsbereich Fahrer) der Anlage 1a zum 13. LBzTV als Beispiele für Großwerkzeuge oder Sonderfahrzeuge aufgeführten Bagger, Kunsteisbearbeitungsmaschinen, Schneepistenwalzen und Planierraupen. Systematisch erklärt sich durch den besonderen Zweck die Abgrenzung zu „Fahrzeugen“ sowie zur Tätigkeit im Güterkraft- und Personenverkehr.

23(2) Danach handelt es sich bei beiden Fahrzeugen um Sonderfahrzeuge. Sie dienen den besonderen Zwecken der Straßenreinigung und des Winterdienstes. Auch wenn sie Güter wie den aufgesammelten Kehricht oder das Streugut transportieren, ist dies nicht der Hauptzweck der Fahrzeuge. Dementsprechend sind sie nach § 2 Nr. 17 FZV als selbstfahrende Arbeitsmaschinen zugelassen, dh. als Kraftfahrzeuge, die nach ihrer Bauart und ihren besonderen, mit dem Fahrzeug fest verbundenen Einrichtungen zur Verrichtung von Arbeiten, jedoch nicht zur Beförderung von Personen oder Gütern bestimmt und geeignet sind.

24bb) Der Kläger hat aber nicht hinreichend dargelegt, dass die Bedienung dieser Fahrzeuge besondere Fachkenntnisse erfordern würde.

25(1) Das Tätigkeitsmerkmal der Entgeltgruppe 6 Fallgruppe 2 (Tätigkeitsbereich Fahrer) der Anlage 1a zum 13. LBzTV baut auf Entgeltgruppe 5 Fallgruppe 2 (Tätigkeitsbereich Fahrer) dieser Anlage auf. Bei Aufbaufallgruppen ist zunächst zu prüfen, ob die Anforderungen der Ausgangsfallgruppe erfüllt werden und anschließend, ob die Merkmale der darauf aufbauenden höheren Fallgruppen vorliegen. Es ist dabei durch einen wertenden Vergleich festzustellen, ob auch die Tätigkeitsmerkmale mit hierauf aufbauenden Heraushebungs- und Qualifikationsmerkmalen erfüllt sind ( - Rn. 30; ausf. zum wertenden Vergleich  - Rn. 29 ff.).

26(2) Der Kläger hat keine Tatsachen vorgetragen, die einen wertenden Vergleich ermöglichen würden. Er hat sich lediglich darauf berufen, die Ausübung seiner Tätigkeit habe eine „erhebliche Einarbeitungszeit“ und „entsprechende Fahrpraxis“ erfordert. Dieser Vortrag lässt nicht erkennen, welche konkreten Fachkenntnisse erforderlich sein sollen. Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, dass es sich dabei um Fachkenntnisse handeln würde, die speziell die vom Kläger geführten Fahrzeuge und nicht das Führen von Sonderfahrzeugen im Allgemeinen betreffen. Nur im ersten Fall könnte es sich um die tariflich geforderten „besonderen“ Fachkenntnisse handeln. Der Kläger hat sich mit seiner Revision auch nicht mehr gegen die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts gewendet, besondere Fachkenntnisse seien nicht hinreichend dargelegt.

27cc) Soweit der Kläger darüber hinaus auf Müllfahrzeugen eingesetzt wird, hat er nicht dargelegt, um welche Art von Fahrzeugen es sich handelt und welche Tätigkeiten er im Rahmen seines Einsatzes auszuüben hat. Dementsprechend ist der Vortrag insoweit unschlüssig.

28b) Die Tätigkeit des Klägers erfüllt auch nicht das Tätigkeitsmerkmal „Berufskraftfahrer für Kraftfahrzeuge, deren zulässiges Gesamtgewicht mehr als 7,5 t beträgt“ iSd. Entgeltgruppe 6 Fallgruppe 4 (Tätigkeitsbereich Fahrer) der Anlage 1a zum 13. LBzTV.

29aa) Berufskraftfahrer iSd. Entgeltgruppe 6 Fallgruppe 4 (Tätigkeitsbereich Fahrer) der Anlage 1a zum 13. LBzTV sind Beschäftigte, die die Ausbildung zum Berufskraftfahrer nach der Verordnung über die Berufsausbildung zum Berufskraftfahrer/zur Berufskraftfahrerin (Berufskraftfahrer-Ausbildungsverordnung - BKV) vom (BGBl. I S. 642) idF vom (BGBl. I S. 3564) erfolgreich abgeschlossen haben und als Fahrer im Güterkraft- und Personenverkehr auf öffentlichen Straßen beschäftigt werden. Das ergibt die Auslegung der tariflichen Vorschriften (zu den Auslegungsgrundsätzen vgl.  - Rn. 35 mwN, BAGE 164, 326).

30(1) Der Begriff des Berufskraftfahrers wird in der Anlage 1a zum 13. LBzTV nicht definiert. Dem Wortlaut der Regelungen für Fahrer lässt sich lediglich entnehmen, dass die Tarifvertragsparteien zwischen Fahrern/Kraftfahrern und Berufskraftfahrern differenziert haben.

31(2) Aus der Systematik der tariflichen Regelungen ergibt sich, dass Berufskraftfahrer nur ist, wer die Ausbildung nach der BKV erfolgreich abgeschlossen hat.

32(a) Entgegen der Auffassung der Beklagten waren die Tarifvertragsparteien allerdings nicht bereits aufgrund der ihnen nach Abs. 3 Satz 1 des Anhangs Regelungskompetenzen zur Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA eingeräumten Möglichkeit, spezielle Tätigkeitsmerkmale auf Landesebene zu vereinbaren, die der Wertigkeit der allgemeinen Merkmale entsprechen, verpflichtet, eine Eingruppierung in Entgeltgruppe 6 der Anlage 1a zum 13. LBzTV von dem erfolgreichen Abschluss einer Ausbildung nach der BKV abhängig zu machen. Ein Tätigkeitsmerkmal, welches keine abgeschlossene Ausbildung erfordert, kann die gleiche Wertigkeit haben wie ein solches mit einer entsprechenden Anforderung. Die Wertigkeit eines Tätigkeitsmerkmals ergibt sich nicht allein aus der dort vorausgesetzten Ausbildung, sondern (auch) aus den Anforderungen an die Tätigkeit.

33(b) Dem Begriff des Berufskraftfahrers in Entgeltgruppe 5 Fallgruppe 3 (Tätigkeitsbereich Fahrer) und Entgeltgruppe 6 Fallgruppe 4 (Tätigkeitsbereich Fahrer) der Anlage 1a zum 13. LBzTV liegt dasselbe Verständnis zugrunde. Es fehlt an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, die Tarifvertragsparteien hätten demselben Begriff unterschiedliche Bedeutung beigemessen. In Entgeltgruppe 6 Fallgruppe 4 (Tätigkeitsbereich Fahrer) der Anlage 1a zum 13. LBzTV wird zwar die Anforderung „mit einschlägiger Ausbildung“ nicht wiederholt. Dies lässt aber nicht den Schluss zu, an den Berufskraftfahrer der höheren Entgeltgruppe würden geringere Anforderungen gestellt als an denjenigen der niedrigeren Entgeltgruppe.

34(c) Die Abgrenzung zwischen einem Fahrer und einem Berufskraftfahrer iSd. Tätigkeitsmerkmale des Tätigkeitsbereichs Fahrer der Anlage 1a zum 13. LBzTV kann nur nach subjektiven Anforderungen, nicht aber tätigkeitsbezogen erfolgen. Nach den inhaltsgleichen Protokollerklärungen zu den Fallgruppen 1 und 3 der Entgeltgruppe 5 (Tätigkeitsbereich Fahrer) der Anlage 1a zum 13. LBzTV ist für beide Personengruppen eine „Tätigkeit als Fahrerin / Fahrer im Güterkraft- und Personenverkehr auf öffentlichen Straßen“ und damit dieselbe Tätigkeit erforderlich.

35(d) Die Eingruppierung als Berufskraftfahrer setzt eine abgeschlossene Berufsausbildung nach der BKV und nicht lediglich den Erwerb der Grundqualifikation nach dem BKrFQG voraus.

36(aa) Das BKrFQG findet nach dessen § 1 Abs. 1 Satz 1 Anwendung auf Fahrer, die Beförderungen im Güter- und Personenkraftverkehr auf öffentlichen Straßen mit Kraftfahrzeugen durchführen, für die eine Fahrerlaubnis der Klassen C1, C1E, C, CE, D1, D1E, D oder DE erforderlich ist. Das Gesetz regelt deren Pflicht, eine über die Fahrerlaubnis hinausgehende Grundqualifikation zu erwerben und sich einer regelmäßigen Weiterbildung zu unterziehen, um Fahrten im Güterkraft- oder Personenverkehr durchführen zu dürfen (BT-Drs. 16/1365 S. 9).

37(bb) Die Tarifvertragsparteien haben weder auf den Anwendungsbereich des BKrFQG Bezug genommen noch sich an den Begrifflichkeiten „Grundqualifikation“ und „Weiterbildung“ orientiert oder auf die Fahrerlaubnisklassen abgestellt, um zwischen Fahrern und Berufskraftfahrern zu unterscheiden. Sie haben vielmehr in den Protokollerklärungen zu Entgeltgruppe 5 Fallgruppen 1 und 3 (Tätigkeitsbereich Fahrer) der Anlage 1a zum 13. LBzTV Anforderungen an die Tätigkeit vereinbart, die nur zum Teil mit dem Anwendungsbereich des BKrFQG übereinstimmen. Zudem ist ein Beschäftigter der Entgeltgruppe 5 Fallgruppe 1 (Tätigkeitsbereich Fahrer) der Anlage 1a zum 13. LBzTV, der ein Fahrzeug ab 3,5 t im Güterkraft- und Personenverkehr auf öffentlichen Straßen führt, kein Berufskraftfahrer iSd. tariflichen Regelungen, obwohl er eine Fahrerlaubnis der Klasse C1 (§ 6 Abs. 1 FeV) und damit grundsätzlich ebenfalls eine Grundqualifikation nach dem BKrFQG benötigt.

38(cc) Abgesehen von der Grundqualifikation nach dem BKrFQG kommt als personenbezogenes Abgrenzungskriterium allein die abgeschlossene Berufsausbildung nach der BKV in Betracht. Die Tarifvertragsparteien durften entgegen der Auffassung des Klägers die Eingruppierung in Entgeltgruppe 6 Fallgruppe 4 (Tätigkeitsbereich Fahrer) der Anlage 1a zum 13. LBzTV von dem Abschluss dieser Ausbildung abhängig machen, mit der Folge, dass Arbeitnehmer, die diese Ausbildung nicht erfolgreich absolviert haben, bei gleicher Tätigkeit eine niedrigere Vergütung erhalten. Ihnen steht es frei, den Vergütungsanspruch nicht nur von der Ausübung einer bestimmten Tätigkeit, sondern zudem von weiteren persönlichen Voraussetzungen, wie dem Nachweis bestimmter Kenntnisse oder einer speziellen Ausbildung, abhängig zu machen ( - Rn. 25 ff.; - 4 AZR 316/12 - Rn. 24; - 4 AZR 147/10 - Rn. 39, BAGE 140, 291). Die Berufsausbildung nach der BKV geht auch über die Grundqualifikation nach dem BKrFQG hinaus. Mit beiden erhalten Fahrer zwar die Erlaubnis, mit LKW und Bussen Fahrten im gewerblichen Güterkraft- und Personenverkehr durchzuführen, die Berufsausbildung bietet jedoch eine bessere Grundlage zur Ausübung des Berufs und ist daher förderungswürdig (so auch der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Einführung einer Grundqualifikation und Weiterbildung der Fahrer im Güterkraft- oder Personenverkehr BT-Drs. 16/1365 S. 9).

39(e) Im Übrigen hat der Senat die das Verständnis der tariflichen Regelung betreffende Verfahrensrüge des Klägers geprüft und nicht für durchgreifend erachtet. Von einer darauf bezogenen Begründung sieht er ab (§ 564 Satz 1 ZPO).

40(3) Weitere Voraussetzung für eine Eingruppierung in Entgeltgruppe 6 Fallgruppe 4 (Tätigkeitsbereich Fahrer) der Anlage 1a zum 13. LBzTV ist die Ausübung einer „entsprechenden Tätigkeit“, mithin einer solchen als Fahrer im Güterkraft- und Personenverkehr auf öffentlichen Straßen, für Kraftfahrzeuge, deren zulässiges Gesamtgewicht mehr als 7,5 t beträgt.

41(a) Die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes sehen entgegen der Auffassung des Klägers keine strikte Trennung personen- und tätigkeitsbezogener Merkmale vor. In der Regel wird die jeweilige Tätigkeit des Beschäftigten bewertet (vgl. § 12 Abs. 2 Satz 1 TVöD/VKA). Tarifliche Anforderungen sind grundsätzlich so zu verstehen, dass sie sich auf die Tätigkeit beziehen. Wird eine bestimmte Ausbildung vorausgesetzt, bedeutet dies regelmäßig, dass die bei einer solchen Ausbildung erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich sein müssen, um die übertragenen Tätigkeiten ausüben zu können (vgl. zu Tarifverträgen der Privatwirtschaft  - Rn. 17; - 4 AZR 127/15 - Rn. 17, 32). Für eine abweichende Regelung im 13. LBzTV fehlt es an ausreichenden Anhaltspunkten. Die „entsprechende Tätigkeit“ wird zwar in Entgeltgruppe 6 Fallgruppe 4 (Tätigkeitsbereich Fahrer) der Anlage 1a zum 13. LBzTV anders als in Entgeltgruppe 5 Fallgruppe 3 (Tätigkeitsbereich Fahrer) der Anlage 1a zum 13. LBzTV nicht ausdrücklich erwähnt. Es kann aber nicht angenommen werden, dass die Anforderungen der Entgeltgruppe 6 hinter denjenigen der Entgeltgruppe 5 zurückbleiben sollen (Rn. 33).

42(b) Die Tarifvertragsparteien haben mit der Protokollerklärung zu Entgeltgruppe 5 Fallgruppe 3 (Tätigkeitsbereich Fahrer) der Anlage 1a zum 13. LBzTV als „entsprechende Tätigkeit“ eines Berufskraftfahrers eine solche als Fahrer im Güterkraft- und Personenverkehr auf öffentlichen Straßen festgelegt. Dies gilt, da der Begriff des Berufskraftfahrers einheitlich verwendet wird (Rn. 33), auch für die Tätigkeit eines Berufskraftfahrers der Entgeltgruppe 6 Fallgruppe 4 (Tätigkeitsbereich Fahrer) der Anlage 1a zum 13. LBzTV, allerdings mit der zusätzlichen Anforderung des Führens eines Kraftfahrzeugs mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t.

43(c) Eine Tätigkeit im Güterkraftverkehr erfordert - entsprechend § 1 Abs. 1 des Güterkraftverkehrsgesetzes (GüKG) vom (BGBl. I S. 1485), zuletzt idF vom (BGBl. 2024 I Nr. 236) - die geschäftsmäßige oder entgeltliche Beförderung von Gütern. Die Tarifvertragsparteien haben sich, wie sich aus dem Wortlaut ergibt, an der Definition des GüKG orientiert, auch wenn dieses nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 GüKG keine Anwendung auf die Beförderung von Gütern durch Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts im Rahmen ihrer öffentlichen Aufgaben findet.

44bb) Nach diesen Grundsätzen ist der Kläger nicht als Berufskraftfahrer tätig.

45(1) Er verfügt nicht über eine Berufsausbildung nach der BKV. Der Kläger erfüllt auch nicht die Voraussetzungen, unter denen die personenbezogene Anforderung der abgeschlossenen Ausbildung ersetzt werden kann. Er hat weder eine betriebseigene Prüfung nach § 6 Abs. 1 des 13. LBzTV erfolgreich abgelegt noch gilt diese nach § 6 Abs. 5 des 13. LBzTV als abgelegt. Der Kläger ist noch nicht 20 Jahre bei der Beklagten beschäftigt.

46(2) Darüber hinaus übt der Kläger keine Tätigkeit im Güterkraftverkehr aus. Die Fahrten mit der Großkehrmaschine und dem Winterdienstfahrzeug dienen nicht der Beförderung von Gütern. Sie sind als selbstfahrende Arbeitsmaschinen iSv. § 2 Nr. 17 FZV zugelassen und dienen anderen Zwecken (Rn. 23). Selbst wenn sie Güter wie Straßenkehricht oder Streugut transportieren, ist dies nicht der Hauptzweck der Fahrten. Zur Tätigkeit in Bezug auf das Müllfahrzeug fehlt es an jeglichem Vortrag des Klägers.

47c) Der Kläger ist auch nicht als „Fahrer von Müllfahrzeugen“ iSd. Entgeltgruppe 6 (Tätigkeitsbereich Mülllader) der Anlage 1a zum 13. LBzTV tätig. Der Kläger beruft sich insoweit allein darauf, die Großkehrmaschine sei ein Müllfahrzeug iSd. tariflichen Regelungen. Ein der Straßenreinigung dienendes Fahrzeug wie die Großkehrmaschine ist aber kein Müllfahrzeug, wie sich aus der Trennung der Tätigkeitsbereiche Straßenreinigung und Mülllader in der Anlage 1a zum 13. LBzTV ergibt.

486. Mangels Hauptforderung steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Zahlung von Zinsen zu.

49III. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2025:290125.U.4AZR70.24.0

Fundstelle(n):
UAAAJ-91484