Tatbestand
1Der Antragsteller wendet sich gegen die Feststellung eines Sicherheitsrisikos in seiner erweiterten Sicherheitsüberprüfung (Ü 2).
2Der ... geborene Antragsteller ist seit März 2014 Soldat auf Zeit. Er wurde am zum Oberfeldwebel ernannt. Seit dem hat er in der ... den Dienstposten als ... inne. Seine Dienstzeit endet voraussichtlich mit Ablauf des .
3Im Jahr 2016 führte die Staatsanwaltschaft K. gegen den Antragsteller ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der wechselseitigen Körperverletzung am . Sie sah mit Zustimmung des Gerichts nach § 153 Abs. 1 der Strafprozessordnung (StPO) von der Verfolgung ab. In einer vom stammenden Sicherheitserklärung verneinte der Antragsteller die Frage 10 ("Ist zurzeit ein Straf- und/oder Disziplinarverfahren gegen Sie [...] anhängig?").
4Insbesondere aufgrund seines Zugangs zu Sperrzonen betreffend den ... wurde im Dezember 2018 die Durchführung einer erweiterten Sicherheitsüberprüfung beauftragt.
5Im August 2019 wurde gegen den Antragsteller ein Durchsuchungsbeschluss vollzogen, bei dem ein digitaler Receiver sichergestellt wurde. Die Durchsuchung erfolgte, weil der Antragsteller als Kunde einem "Cardsharing-Netzwerks" angehöre. Laut Staatsanwaltschaft A. war dies strafbar als Computerbetrug in Tateinheit mit Ausspähen von Daten gemäß § 202a Abs. 1, § 263a Abs. 1, § 25 Abs. 2, § 52 StGB. Mit Schreiben vom teilte das Polizeipräsidium N. der Kriminalinspektion A. mit, dass keine Beschuldigtenvernehmung stattgefunden habe. Der Beschuldigte - der hiesige Antragsteller - wolle sich erst nach anwaltlicher Beratung eventuell zur Sache äußern.
6Am wurde der Antragsteller im Rahmen des Sicherheitsüberprüfungsverfahrens vom Militärischen Abschirmdienst (MAD) befragt. Nach der Darstellung im Befragungsbericht gab er dabei an, dass zwar kein Strafverfahren gegen ihn laufe, es allerdings im Juni 2019 zu einem immer noch laufenden Verfahren gekommen sei, in dem er Zeuge sei. Er habe auf einer Feier eine Person kennengelernt, die sich als Mitarbeiter der Firma ... ausgegeben habe. Diese habe ihm für 100 € den Receiver und ein Bundesliga-Jahresabonnement verschafft. Einen Vertrag und einen Zahlungsbeleg habe er nicht erhalten. Dies sei ihm auch nicht komisch vorgekommen. Gegen ihn liege jedoch ganz sicher keine Strafanzeige vor. Auf Nachfrage, ob es in der Vergangenheit zu einem Strafverfahren gegen ihnen gekommen sei, gab er im Hinblick auf das Ereignis im Jahr 2016 an, Opfer eines Körperverletzungsdelikts geworden zu sein. Gegen ihn sei nicht ermittelt worden. Er habe sich einen Anwalt als Rechtsbeistand genommen, um Schmerzensgeldansprüche geltend zu machen. Im Rahmen der Befragung wurde vereinbart, dass der Antragsteller eine aktualisierte Sicherheitserklärung abgeben solle.
7In dieser aktualisierten Sicherheitserklärung vom bejahte der Antragsteller die Frage 10 und gab ergänzend an "Zur Zeit bin ich beschuldigter in der Strafsache Computerbetrug wegen illegalen schauen von ..." Die Staatsanwaltschaft A. sah diesbezüglich mit Verfügung vom gemäß § 153a StPO gegen Zahlung von 750 € von der Erhebung der öffentlichen Klage ab.
8Mit Schreiben vom teilte der Geheimschutzbeauftragte des Streitkräfteamts dem Antragsteller mit, dass bei diesem Umstände vorlägen, die geeignet seien, ein Sicherheitsrisiko gemäß § 5 des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes (SÜG) zu begründen. Er sei von Januar 2018 bis März 2019 wegen Computerbetrugs strafrechtlich in Erscheinung getreten. Sein Verhalten indiziere ein gravierendes Defizit an Rechtsbewusstsein und eine verminderte Hemmschwelle bei der Übertretung gesetzlicher Vorschriften. Gegenüber dem MAD habe er im Zusammenhang mit diesem Strafverfahren mehrfach die Unwahrheit gesagt. Der Dienstherr müsse sich jedoch in allen Situationen auf die wahrheitsgemäße Beantwortung von Fragen und damit auf die Zuverlässigkeit seiner Bediensteten verlassen können.
9Bei seiner persönlichen Anhörung am gab der Antragsteller an, illegal ... geguckt zu haben. Er sei blauäugig gewesen. Im Nachhinein sei ihm bewusst, dass es illegal gewesen sei. Er habe in Bezug auf dieses Strafverfahren jedoch nicht die Unwahrheit gesagt. Er habe dies bei seiner Befragung auf die Frage nach Straf- oder Disziplinarverfahren direkt angegeben. Er habe auch nicht gesagt, dass er Zeuge sei. Er gab an, dass sein Rechtsanwalt ihm gesagt habe, dass er das Verfahren erst dann bei der Bundeswehr melden müsse, wenn gegen ihn Anklage erhoben werde. Das Verfahren aus dem Jahr 2016 habe er nicht verschweigen wollen, sondern nicht daran gedacht.
10Mit Schreiben vom teilte der Geheimschutzbeauftragte des Streitkräfteamtes dem Sicherheitsbeauftragten der Dienststelle des Antragstellers mit, dass die erweiterte Sicherheitsüberprüfung Umstände ergeben habe, die im Hinblick auf eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit ein Sicherheitsrisiko darstellten. Nach Ablauf von drei Jahren könne bei Bedarf eine Wiederholungsüberprüfung beantragt werden. Die Entscheidung wurde dem Antragsteller am eröffnet.
11Ausweislich der Entscheidungsgründe habe der Antragsteller aufgrund eigensüchtiger Motivation eine finanzielle Schädigung der Firma ... billigend in Kauf genommen. Seine Teilnahme an einem illegalen Cardsharing-Netzwerk sei ein Indiz für mangelndes Rechts-, Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein. Er habe gezeigt, dass er im Einzelfall bereit sei, sich zugunsten geringer Eigeninteressen über bestehende Verbote und Gesetze hinwegzusetzen. Seine Einlassungen im Zusammenhang mit dem angeblichen ...-Abonnement sowohl in der Befragung als auch in der persönlichen Anhörung seien als Schutzbehauptungen zu werten. Die geschilderten Bedingungen des vorgeblichen Abonnementabschlusses drängten die Annahme der Illegalität geradezu auf.
12Die unwahren Angaben des Antragstellers in der Befragung durch den MAD und in der persönlichen Anhörung hinsichtlich des Strafverfahrens wegen Computerbetrugs begründeten Zweifel an der persönlichen Zuverlässigkeit des Antragstellers. Der Inhalt des Befragungsberichts sei als zutreffend zugrunde zu legen, weil dieser in sich klar, widerspruchsfrei und differenziert sei. Dementsprechend sei davon auszugehen, dass der Antragsteller wahrheitswidrig behauptet habe, in dem Verfahren wegen Computerbetrugs als Zeuge zu fungieren, obwohl er tatsächlich Beschuldigter gewesen sei.
13Bei der Prognose der zukünftigen Entwicklung des Antragstellers sei positiv die Stellungnahme seines Disziplinarvorgesetzten zu berücksichtigen und dass die strafrechtliche Verfehlung bereits im März 2019 geendet habe, damit mittlerweile drei Jahre zurückliege und keine vergleichbaren sicherheitserheblichen Erkenntnisse hinzugekommen seien. Gleichwohl könne noch keine positive Prognose angenommen werden. Seine Einlassungen sowohl gegenüber dem MAD als auch in der persönlichen Anhörung zeigten eine deutliche Verschleierungs-, Beschönigungs- und Relativierungstendenz, was den Schluss zulasse, dass der Antragsteller zumindest derzeit noch nicht den Grad an Ehrlichkeit und Transparenz aufweise, die von einem Soldaten in sicherheitsempfindlicher Tätigkeit erwartet werden müsse. Es sei nach Abwägung aller Umstände angemessen, eine Wiederholungsüberprüfung nach Ablauf von drei Jahren vorzeitig zuzulassen.
14Am legte der Antragsteller "Einspruch" gegen die Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten ein. Er bestreite, das Strafverfahren wegen des Vorwurfs des Computerbetrugs erst nach wiederholten Nachfragen des MAD angegeben zu haben. Vielmehr habe er bereits in seiner Sicherheitserklärung vom diese Angaben eigeninitiativ gemacht.
15Mit Bescheid vom , dem Antragsteller ausgehändigt am , wies das Bundesministerium der Verteidigung die Beschwerde des Antragstellers zurück. Diese sei unbegründet.
16Gegen die Einschätzung des Geheimschutzbeauftragten, dass bereits die beiden Strafverfahren bzw. die ihnen zugrunde liegenden Taten Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers begründeten, sei nichts zu erinnern. Dass er zunächst davon ausgegangen sei, dass ein ...-Mitarbeiter zu einem deutlich geringeren Preis und ohne Zahlung auf eines der Konten von ... auf Partys Abonnements vergebe, sei nicht nachvollziehbar. Das habe der Antragsteller offenbar selbst erkannt und sodann erklärt, dass er nicht weiter nachgedacht habe und blauäugig gewesen sei. Auch diese Einlassung sei weder nachvollziehbar noch sinnvoll.
17Am hat der Antragsteller die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gegen den Bescheid vom beantragt. Das Bundesministerium der Verteidigung hat den Antrag mit einer Stellungnahme vom dem Senat vorgelegt.
18Der Antragsteller macht geltend, dass der Befragungsbericht des MAD vom tatsächlichen Verlauf der Befragung abweiche. Der Inhalt dieses Befragungsberichts sei ihm erst seit dem bekannt.
19Zu Unrecht stütze der Geheimschutzbeauftragte seine Entscheidung auf das abgeschlossene Strafverfahren wegen Computerbetrugs unter dem nicht näher begründeten Verweis auf strafrechtliche Auffälligkeiten. Es liege weder ein den Geheimschutzbeauftragten hinsichtlich der Feststellungen grundsätzlich bindendes Strafurteil, noch ein Disziplinarurteil vor. Vielmehr sei das Verfahren gemäß § 153a Abs. 1 StPO nach Auflagenerfüllung eingestellt worden. Daraus ergäben sich keine bindenden Feststellungen insbesondere auch im Hinblick auf die Frage des Vorsatzes. Deshalb habe der Geheimschutzbeauftragte prüfen und gegebenenfalls im Rahmen seiner Entscheidung nachvollziehbar darlegen müssen, ob und warum trotz des Fehlens strafrechtlicher Feststellungen wegen der Vorfälle, die Gegenstand der strafrechtlichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gewesen seien, von einem vorsätzlichen Handeln des Antragstellers auszugehen sei. Das sei jedoch nicht geschehen.
20Es seien keine Feststellungen dazu getroffen worden, durch welche objektiven Handlungen der Antragsteller die Strafvorschrift des § 263a StGB erfüllt haben solle bzw. warum, wenn ein objektiver Verstoß festgestellt werden könne, ein vorsätzlicher Verstoß vorliegen solle. Entsprechend fundierter Darlegungen habe es allerdings schon deshalb bedurft, weil äußerst umstritten sei, ob das sogenannte Cardsharing angesichts der fehlenden Täuschungsäquivalenz und auch mangels Beeinflussung eines Datenverarbeitungsvorgangs überhaupt unter § 263a StGB falle und es eine höchstrichterliche Entscheidung hierzu soweit ersichtlich bisher nicht gebe. Die Einlassungen des Antragstellers im Sicherheitsüberprüfungsverfahren sprächen für fehlenden Vorsatz. Es komme immer wieder vor, dass Mitarbeiter von Firmen stark verbilligte Angebote machten, um beispielsweise Provisionen zu erhalten. Auch sei der Antragsteller anders als in einem vom Oberlandesgericht Celle entschiedenen Fall von dem angeblichen ...-Mitarbeiter nicht auf eine mögliche Strafbarkeit hingewiesen worden.
21Hinsichtlich der ihm vorgeworfenen falschen Angaben sei fernliegend, dass er lediglich angegeben haben solle, im Strafverfahren wegen Computerbetrugs Zeuge zu sein. Das folge auch daraus, dass er im Rahmen der Sicherheitserklärung vom zutreffende Angaben gemacht habe. Die abweichende Darstellung des Befragungsberichts könne nur daraus folgen, dass dieser mehr als zwei Monate nach der Befragung erstellt worden sei. Es sei naheliegend, dass es hier zu einer Verwechslung gekommen sei.
22Er beantragt,
den Bescheid des Geheimschutzbeauftragten Streitkräfteamt vom und den Beschwerdebescheid des Bundesministeriums der Verteidigung vom aufzuheben.
23Das Bundesministerium der Verteidigung bittet,
den Antrag zurückzuweisen.
24Bereits der über ein Jahr andauernde Verstoß gegen § 263a StGB rechtfertige - isoliert betrachtet - die Feststellung eines Sicherheitsrisikos. Es handele sich um ein Delikt, dessen Gegenstand die Täuschung und das Verheimlichen des eigenen Tuns sei. Der Antragsteller sei für einen vergleichsweise geringen materiellen Vorteil gewillt gewesen, sich in die kriminellen Strukturen des Cardsharing-Netzwerks einbinden zu lassen. Das Strafverfahren liege auch nicht außerhalb des Betrachtungszeitraums.
25Zum anderen wiege das Verhalten des Antragstellers im Rahmen des Sicherheitsüberprüfungsverfahrens schwer und wecke zusätzliche Zweifel an seiner Zuverlässigkeit. Bei der Befragung durch den MAD habe der Antragsteller das Strafverfahren wegen Körperverletzung überhaupt nicht offenbart. Dass er sich daran nicht erinnert habe, sei als Schutzbehauptung zu werten. Das Strafverfahren wegen Computerbetrugs habe er lediglich in der Hinsicht offenbart, dass er Zeuge sei. Es scheine fernliegend, dass diese Information falsch aufgenommen worden sei.
26In die Gefahrenprognose habe auch die besondere Sensibilität der Aufgabe des Antragstellers eingestellt werden dürfen. Der Aspekt der Nachbewährung sei berücksichtigt worden. Geeignete Auflagen seien nicht erkennbar.
27Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakten des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
Gründe
28Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.
291. Der Antrag ist zulässig. Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 SÜG kann durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung vor den Wehrdienstgerichten mit dem Ziel der Aufhebung des entsprechenden Bescheides angefochten werden. Die aus § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO (hier in Verbindung mit § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) folgende Zuständigkeit der Wehrdienstgerichte für Streitigkeiten, die die dienstliche Verwendung eines Soldaten betreffen, erstreckt sich auch auf die Überprüfung sicherheitsrechtlicher Bescheide im Sinne des § 14 Abs. 3 SÜG, weil mit der Feststellung des Geheimschutzbeauftragten über die Frage des Bestehens eines Sicherheitsrisikos im Kern über die sicherheitsrechtliche Eignung eines Soldaten für eine bestimmte dienstliche Verwendung entschieden wird ( 1 WB 32.21 - NZWehrr 2023, 345 Rn. 23 m. w. N.).
302. Der Antrag ist unbegründet. Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos ist rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten.
31a) Maßgeblich für die gerichtliche Kontrolle ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Vorlage des Antrags (stRspr, vgl. z. B. 1 WB 37.07 - BVerwGE 130, 291 Rn. 35). Bis zu diesem Zeitpunkt können in Ergänzung der Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten und mit dessen Zustimmung tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Sicherheitsrisikos, einschließlich der dabei zu treffenden Prognose, in das Verfahren eingeführt werden (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WDS-VR 7.07 - juris Rn. 23, vom - 1 WB 47.13 - juris Rn. 29 und vom - 1 WB 3.19 - juris Rn. 22).
32b) Die Überprüfung von Angehörigen der Bundeswehr auf Sicherheitsbedenken ist eine vorbeugende Maßnahme, die Sicherheitsrisiken nach Möglichkeit ausschließen soll (stRspr, vgl. z. B. 1 WB 37.07 - BVerwGE 130, 291 Rn. 23 m. w. N.). Dabei obliegt es der zuständigen Stelle - hier dem Geheimschutzbeauftragten des Streitkräfteamts –, aufgrund einer an diesem Zweck der Sicherheitsüberprüfung orientierten Gesamtwürdigung des Einzelfalls die ihr übermittelten Erkenntnisse im Hinblick auf die vorgesehene Tätigkeit zu bewerten (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 14 Abs. 3 Satz 1 und 2 SÜG).
33Dem Geheimschutzbeauftragten steht bei der Entscheidung, ob in der Person eines Soldaten ein Sicherheitsrisiko festzustellen ist, ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob der Geheimschutzbeauftragte von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (stRspr, z. B. 1 WB 12.11 - BVerwGE 140, 384 Rn. 24 ff. m. w. N.).
34Wegen der präventiven Funktion der Sicherheitsüberprüfung und wegen des hohen Ranges der zu schützenden Rechtsgüter liegt ein Sicherheitsrisiko bereits dann vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für einen der Tatbestände des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SÜG bestehen. Dabei hat im Zweifel das Sicherheitsinteresse Vorrang vor anderen Belangen (§ 14 Abs. 3 Satz 3 SÜG). Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos, die zugleich eine Prognose über die künftige Zuverlässigkeit und Integrität des Soldaten darstellt, darf sich jedoch nicht auf eine vage Vermutung oder eine rein abstrakte Besorgnis stützen. Dabei gibt es keine "Beweislast", weder für den Soldaten dahingehend, dass er die Sicherheitsinteressen der Bundeswehr bisher gewahrt hat und künftig wahren wird, noch für die zuständige Stelle, dass der Soldat diesen Erwartungen nicht gerecht geworden ist oder ihnen künftig nicht gerecht werden wird (stRspr, z. B. 1 WB 58.11 - juris Rn. 30; vgl. auch - BVerfGE 39, 334 <353>).
35c) Nach diesen Maßstäben ist die Feststellung eines Sicherheitsrisikos durch den hierfür zuständigen Geheimschutzbeauftragten beim Streitkräfteamt (§ 3 Abs. 1 Satz 2 SÜG, Nr. 2418 der Zentralen Dienstvorschrift - ZDv - A-1130/3) rechtmäßig erfolgt.
36Der angefochtene Bescheid leidet nicht an materiell-rechtlichen Fehlern. Dabei ist nach dem Vortrag des Bundesministeriums der Verteidigung in seinem Vorlageschreiben davon auszugehen, dass die Feststellung eines Sicherheitsrisikos eigenständig tragend bereits auf den Vorwurf des Computerbetrugs gestützt wird und dass das Verhalten des Antragstellers im Sicherheitsüberprüfungsverfahren lediglich ergänzend herangezogen wurde. Da der Geheimschutzbeauftragte und das Bundesministerium der Verteidigung rechtsfehlerfrei bereits aus diesem Komplex "Computerbetrug" ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte für Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers und damit für das Vorliegen eines Sicherheitsrisikos im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG ableiten, kann dahinstehen, inwieweit sich auch aus dem Verhalten des Antragstellers im Sicherheitsüberprüfungsverfahren (weitere) Zweifel an dessen Zuverlässigkeit ergeben. Den diesbezüglichen Beweisanregungen des Antragstellers war deshalb nicht nachzugehen und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht erforderlich (vgl. § 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 18 Abs. 2 Satz 3 WBO).
37aa) Der Sicherheitsbeauftragte ist hinsichtlich des Komplexes "Computerbetrug" nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Ist der objektive Sachverhalt als solcher - anders als dessen sicherheitsrechtliche Bewertung - zwischen den Beteiligten nicht umstritten, ist der Geheimschutzbeauftragte nicht gehindert, an die tatsächlichen Feststellungen vorangegangener Verfahren anzuknüpfen (vgl. 1 WB 35.15 - juris Rn. 37).
38(1) Der im Ermittlungsverfahren anwaltlich vertretene Antragsteller hat dort keine von der Sachverhaltsdarstellung durch die Staatsanwaltschaft abweichenden Angaben gemacht und der vereinfachten Verfahrenserledigung nach § 153a Abs. 1 StPO nicht widersprochen. Die tatsächlichen Umstände des Zustandekommens seiner monatelangen Teilnahme an dem Cardsharing-Netzwerk hat er zu keinem Zeitpunkt bestritten. Deshalb unterscheidet sich der vorliegende Fall auch von dem im Beschluss des Senats vom (1 WB 59.06) entschiedenen, auf den sich der Antragsteller beruft. Der dortige Antragsteller hatte schon im Sicherheitsüberprüfungsverfahren mit eingehender Begründung die schuldhafte Begehung einer Straftat bestritten und im Einzelnen dargelegt, dass die Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage auf einem "Deal" beruhe. Mit diesem Vortrag hatte sich der Geheimschutzbeauftragte in jenem Verfahren nicht auseinandergesetzt. Vorliegend bewertete der Antragsteller sein Verhalten in seiner persönlichen Anhörung hingegen selbst als "illegal" und in seiner Beschwerde erneut als "illegal" und "Straftat". Damit lag zum Zeitpunkt der Vorlage des Antrags ein detailliertes Bestreiten, das eigene tatsächliche Feststellungen des Sicherheitsbeauftragten notwendig gemacht hätte (vgl. Deiseroth, jurisPR-BVerwG 9/2008 Anm. 2 unter B.), nicht vor.
39(2) Die Annahme eines (jedenfalls bedingten) Vorsatzes des Antragstellers stützen der Geheimschutzbeauftragte und das Bundesministerium der Verteidigung entgegen der Auffassung des Antragstellers auf eine eigene Würdigung dieser unbestrittenen tatsächlichen Umstände und der Aussagen des Antragstellers im Sicherheitsüberprüfungsverfahren. Sie haben sich mit dem Vortrag des Antragstellers, dass es ihm nicht komisch vorgekommen sei, dass weder ein Vertrag unterzeichnet noch ein Zahlungsbeleg ausgestellt wurde, er über das günstige Angebot nicht weiter nachgedacht habe und blauäugig gewesen sei, auseinandergesetzt. Dabei sind sie nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich insoweit um Schutzbehauptungen handele, weil sich angesichts der geschilderten Bedingungen des vorgeblichen Abonnements die Annahme der Illegalität geradezu aufdränge. Eine ausdrückliche Warnung vor der Strafbarkeit durch den Betreiber des Cardsharing-Netzwerkes, wie sie der Antragsteller für die Annahme eines Vorsatzes offenbar verlangen möchte, ist jedenfalls vor diesem Hintergrund nicht erforderlich.
40bb) Es ist unter Berücksichtigung des Beurteilungsspielraums des Geheimschutzbeauftragten rechtlich auch nicht zu beanstanden, dass er in dem dargelegten Sachverhalt tatsächliche Anhaltspunkte für Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG) gesehen hat.
41Nach ständiger Rechtsprechung des Senats können sich tatsächliche Anhaltspunkte, die Zweifel an der Zuverlässigkeit im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG begründen, unter anderem daraus ergeben, dass der Betroffene eine Straftat oder ein Dienstvergehen begangen hat, die - ggf. auch ohne speziellen Bezug zu Geheimhaltungsvorschriften oder zur dienstlichen Tätigkeit - ein gestörtes Verhältnis zur Rechtsordnung erkennen lassen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 37.07 - BVerwGE 130, 291 Rn. 26, vom - 1 WB 58.11 - juris Rn. 35, vom - 1 WB 35.15 - juris Rn. 42, vom - 1 WB 29.16 - juris Rn. 36 und vom - 1 WB 47.23 - juris Rn. 59). Die Annahme des Geheimschutzbeauftragten, dass der Antragsteller eine Straftat nach § 263a StGB begangen hat, ist angesichts des festgestellten Sachverhalts nicht lediglich auf eine vage Vermutung oder eine rein abstrakte Besorgnis gestützt. Soweit der Antragsteller nunmehr im gerichtlichen Verfahren die Verwirklichung des objektiven Tatbestands von § 263a StGB und weiterhin ein vorsätzliches Handeln in Abrede stellt, begründet dies nicht die Rechtsfehlerhaftigkeit der Annahme von Zweifeln an der Zuverlässigkeit des Antragstellers.
42(1) Die Sicherheitsüberprüfung ist weder eine strafrechtliche noch eine disziplinarrechtliche Maßnahme, sondern dient der Abwehr künftiger Gefahren, so dass die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK schon deswegen nicht eingreift. Der präventiven Funktion der Sicherheitsüberprüfung entspricht es, dass für die Annahme eines Sicherheitsrisikos im Sinne des § 5 Abs. 1 SÜG nicht zwingend ein individuelles Fehlverhalten vorliegen muss. Vielmehr lässt das Gesetz für die Feststellung eines Sicherheitsrisikos das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für eine der in § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SÜG beschriebenen Zweifels- oder Gefährdungslagen ausreichen. Mangels vollständigen Tatsachennachweises beinhaltet die Feststellung eines Sicherheitsrisikos auch keinen Schuldvorwurf (vgl. 1 WB 47.23 - juris Rn. 45 m. w. N.).
43Solche tatsächlichen Anhaltspunkte können sich grundsätzlich schon daraus ergeben, dass eine Einstellungsentscheidung der Staatsanwaltschaft nach § 153a Abs. 1 Satz 1 StPO nur mit Einverständnis des Betroffenen ("Mit Zustimmung [...] des Gerichts und des Beschuldigten") erfolgt (vgl. 1 WB 15.03 - NZWehrr 2004, 168 <168 f.>; abweichend für eine Konstellation, in der die Zustimmung zu einer Einstellung nach § 153a StPO im Rahmen eines "Deals" erfolgt ist 1 WB 59.06 - juris Rn. 27). Die Einstellung nach § 153a StPO setzt zudem einen hinreichenden Tatverdacht im Sinne der hohen Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung voraus (vgl. Peters, in: Münchener Kommentar zur StPO, 2. Aufl. 2024, § 153a Rn. 8 m. w. N.). Im Übrigen hat der Senat entschieden, dass sich tatsächliche Anhaltspunkte sogar bei einer Einstellung nach § 153 StPO ergeben können (vgl. 1 WB 17.05 - NZWehrr 2006, 153 <153 f.>), für die nur tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat im Sinne von § 152 Abs. 2 StPO, aber kein hinreichender Tatverdacht im Sinne der überwiegenden Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung erforderlich sind (vgl. Peters, in: Münchener Kommentar zur StPO, 2. Aufl. 2024, § 153 Rn. 17). Das entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, der davon ausgeht, dass sich Zweifel an der Zuverlässigkeit beispielsweise aus "strafrechtlichen Verfahren - insbesondere Verurteilungen -" ergeben können (BT-Drs. 12/4891 S. 21). Eine Verurteilung ist also gerade nicht in jedem Fall erforderlich. § 153a StPO wurde 1974 in die Strafprozessordnung eingefügt (vgl. Peters, in: Münchener Kommentar zur StPO, 2. Aufl. 2024, § 153a Rn. 1), so dass die Vorschrift dem Gesetzgeber des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes (die zitierte Gesetzesbegründung stammt vom ) bekannt war.
44(2) Der Vortrag des Antragstellers, dass es umstritten sei, ob beim Cardsharing eine unmittelbare Vermögensschädigung vorliege und ob Täuschungsäquivalenz gegeben sei, macht die Annahme des Sicherheitsbeauftragten angesichts der vorstehenden Maßstäbe nicht fehlerhaft. Die Rechtsprechung und die herrschende Meinung in der strafrechtlichen Literatur bejaht heute mit Recht die Verwirklichung des objektiven Tatbestands des § 263a StGB durch die Nutzer eines Cardsharing-Netzwerks (vgl. OLG Celle, Beschluss vom - 2 Ss 93/16 - BeckRS 2016, 18380 Rn. 27; Schmidt, in: BeckOK StGB, Stand , § 263a Rn. 45; Esser/Rehaag, wistra 2017, 81 <87>; Hefendehl/Noll, in: Münchner Kommentar zum StGB, 4. Aufl. 2022, § 263a Rn. 175; Dressel, MMR 1999, 390 <392>; a. A. Planert StV 2014, 430 <431 f.>) ebenso wie es das Amtsgericht in seinem Durchsuchungsbeschluss und die Staatsanwaltschaft getan haben.
45(3) Auch die Würdigung des Delikts des Computerbetrugs als ein für die Beurteilung der Zuverlässigkeit des Antragstellers relevantes Delikt der mittleren Kriminalität ist ebenso wenig zu beanstanden wie die Einschätzung, dass der Antragsteller durch sein Verhalten ein mangelndes Rechts-, Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein gezeigt habe, in dem er sich zugunsten geringer Eigeninteressen über bestehende Verbote und Gesetze hinweggesetzt habe.
46cc) Die Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten ist auch unter dem Blickwinkel der prognostischen, also auf die Zukunft gerichteten Risikoeinschätzung nicht zu beanstanden.
47In seinem Vorlageschreiben hat das Bundesministerium der Verteidigung mit Zustimmung des Geheimschutzbeauftragten für die Prognose einerseits die besondere Sensibilität des Umgangs mit dem ..., für den der Antragsteller eingesetzt werden soll, berücksichtigt. Es hat - wie bereits der Sicherheitsbeauftragte - andererseits den Umstand, dass der Antragsteller seit 2019 nicht erneut strafrechtlich in Erscheinung getreten ist ("Nachbewährung"), den Zeitablauf, die tadelfreie Führung und die gezeigten Leistungen in seine Einschätzung mit einbezogen. Auf das Verhalten des Antragstellers im Sicherheitsüberprüfungsverfahren hat es - angesichts seiner Klarstellung, dass bereits der Komplex "Computerbetrug" isoliert ein Sicherheitsrisiko begründe, folgerichtig - bei der Prognose, anders als ursprünglich der Geheimschutzbeauftragte, nicht mehr abgestellt. Es hat nur auf die von diesem positiv gewürdigten Umstände Bezug genommen.
48Konkrete und praktikable Möglichkeiten, statt der Feststellung eines Sicherheitsrisikos lediglich Auflagen, Einschränkungen oder personenbezogene Sicherheitshinweise festzusetzen oder dem vorliegenden Sicherheitsrisiko durch Fürsorgemaßnahmen zu begegnen, sind weder vom Antragsteller aufgezeigt (vgl. 1 WB 29.22 - juris Rn. 50) noch sonst ersichtlich. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass der Geheimschutzbeauftragte dem Sicherheitsinteresse Vorrang eingeräumt hat (§ 14 Abs. 3 Satz 3 SÜG). Die für den Antragsteller sprechenden Umstände wurden im Übrigen durch die vorzeitige Zulassung einer Wiederholungsprüfung nach Ablauf von drei Jahren angemessen berücksichtigt.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2025:260325B1WB16.24.0
Fundstelle(n):
BAAAJ-91272