Suchen
BGH Urteil v. - V ZR 194/23

Leitsatz

1. Das Recht zur Ausübung des Vorkaufsrechts setzt das Zustandekommen eines rechtswirksamen Kaufvertrags voraus. Letzteres ist erst dann der Fall, wenn auch die für die Wirksamkeit des Vertrags erforderlichen Genehmigungen erteilt sind. Nur bis zu diesem Zeitpunkt können Verkäufer und Käufer das Vorkaufsrecht gegenstandslos machen, indem sie den Kaufvertrag aufheben.

2a. Ein siedlungsrechtliches Vorkaufsrecht nach § 4 RSiedlG kann nicht dadurch vereitelt werden, dass Verkäufer und Käufer den Vertrag nach dem Zugang der Mitteilung über die Ausübung des Vorkaufsrechts aufheben.

2b. Wird der Kaufvertrag durch Vertreter ohne Vertretungsmacht vor Zugang der Mitteilung über die Ausübung des Vorkaufsrechts aufgehoben und genehmigen Verkäufer und Käufer die Vertragsaufhebung erst danach, entfällt hierdurch nicht rückwirkend das bereits ausgeübte Vorkaufsrecht des Siedlungsunternehmens.

Gesetze: § 177 BGB, § 184 BGB, § 463 BGB, § 4 RSiedlG, § 6 Abs 1 S 3 RSiedlG

Instanzenzug: OLG Frankfurt Az: 15 U 68/23vorgehend LG Marburg Az: 7 O 121/22

Tatbestand

1    Die Kläger verkauften mit notariellem Vertrag vom zwei in Hessen belegene, etwa 1,4 ha bzw. 2,3 ha große landwirtschaftliche Grundstücke an eine GmbH & Co. KG (nachfolgend: Käuferin). Die Käuferin beabsichtigte, auf den Grundstücken eine Freiflächenphotovoltaikanlage zu bauen und zu betreiben. Im Mai 2018 beantragte der beurkundende Notar die Genehmigung des Kaufvertrags nach dem Grundstückverkehrsgesetz. Aufgrund eines Zwischenbescheids der Genehmigungsbehörde verlängerte sich die Genehmigungsfrist auf drei Monate. Am ließen die Kläger und die Käuferin durch jeweils für sie handelnde vollmachtlose Vertreter den Kaufvertrag durch notariellen Vertrag aufheben. Mit den Vertragsparteien jeweils am zugegangenem Bescheid teilte die Genehmigungsbehörde mit, dass die Beklagte (Siedlungsunternehmen) das siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht nach § 4 Reichssiedlungsgesetz (RSiedlG) ausgeübt habe; zugleich verwies sie auf § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG als Grund für die Versagung der Genehmigung. Am 3. bzw. genehmigten die Vertragsparteien den Aufhebungsvertrag notariell.

2    In einem parallel vor dem Landwirtschaftsgericht geführten Verfahren wollen die Kläger die Genehmigungsfreiheit des Kaufvertrags feststellen lassen. Im hiesigen Zivilprozess begehren sie die Feststellung, dass das siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht nicht wirksam ausgeübt worden ist. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten durch Beschluss zurückgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Kläger beantragen, verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Gründe

I.

3    Das Berufungsgericht meint, das Vorkaufsrecht der Beklagten nach § 4 RSiedlG sei infolge der Vertragsaufhebung gegenstandslos geworden. Der Vorkaufsfall werde nur durch einen gültigen Vertrag ausgelöst; ein solcher habe zum Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechts nicht mehr vorgelegen. Der Aufhebungsvertrag sei zwar zunächst wegen fehlender Vertretungsmacht schwebend unwirksam gewesen. Die Genehmigungserklärungen der Vertragsparteien vom 3. und wirkten aber gemäß § 184 Abs. 1 BGB auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts am zurück. Das Vorkaufsrecht sei erst danach durch die Mitteilung der Genehmigungsbehörde am ausgeübt worden. Der Vorkaufsberechtigte habe keinen Anspruch auf den Eintritt des Vorkaufsfalles. Daher könnten die Vertragsparteien den Vertrag in der Schwebezeit, also bis zur Genehmigungserteilung, noch einvernehmlich aufheben. § 184 Abs. 2 BGB sei nicht analog anwendbar, weil die Beklagte nicht schutzbedürftig sei. Sinn und Zweck des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts stünden einer Aufhebung des Kaufvertrags nicht entgegen, denn die Agrarstruktur bleibe unverändert, zumal die Grundstücke an einen Landwirt verpachtet seien. Schließlich handele es sich auch nicht um ein unzulässiges Umgehungsgeschäft. Die Kläger und die Käuferin hätten den Kaufvertrag zwar in Kenntnis des von der Beklagten ausgeübten Vorkaufsrechts aufgehoben, damit aber nicht treuwidrig gehandelt, sondern lediglich von einem ihnen zustehenden Recht Gebrauch gemacht.

II.

4    Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

5    1. Allerdings legt das Berufungsgericht den zutreffenden Prüfungsmaßstab zugrunde.

6    a) Wird ein landwirtschaftliches Grundstück in Größe von zwei Hektar aufwärts durch Kaufvertrag veräußert, so hat das gemeinnützige Siedlungsunternehmen, in dessen Bezirk die Hofstelle des Betriebes liegt, das Vorkaufsrecht, wenn die Veräußerung einer Genehmigung nach dem Grundstückverkehrsgesetz (GrdstVG) bedarf und die Genehmigung nach § 9 GrdStVG nach Auffassung der Genehmigungsbehörde zu versagen wäre (§ 4 Abs. 1 RSiedlG). Ein solches Vorkaufsrecht wird nicht durch eine Erklärung gegenüber dem Verpflichteten ausgeübt, wie es dem Normalfall des § 464 Abs. 1 Satz 1 BGB entspricht. Vielmehr hat der Gesetzgeber die Ausübung des Vorkaufsrechts in das Genehmigungsverfahren nach dem Grundstückverkehrsgesetz eingebunden. Liegen nach Ansicht der Genehmigungsbehörde, die über einen nach dem Grundstückverkehrsgesetz genehmigungsbedürftigen Vertrag (vgl. § 2 GrdstVG) zu entscheiden hat, die Voraussetzungen vor, unter denen das Vorkaufsrecht nach § 4 RSiedlG ausgeübt werden kann, so hat die Genehmigungsbehörde nach § 12 GrdstVG, bevor sie über den Antrag auf Genehmigung entscheidet, den Vertrag der Siedlungsbehörde zur Herbeiführung einer Erklärung über die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die vorkaufsberechtigte Stelle vorzulegen. Die Erklärung des Vorkaufsberechtigten über die Ausübung des Vorkaufsrechts ist über die Siedlungsbehörde der Genehmigungsbehörde, die ihr den Kaufvertrag vorgelegt hat, zuzuleiten (§ 6 Abs. 1 Satz 2 RSiedlG). Nach § 6 Abs. 1 Satz 3 RSiedlG wird das Vorkaufsrecht sodann dadurch ausgeübt, dass die Genehmigungsbehörde diese Erklärung dem Verpflichteten mitteilt; damit gilt für das Rechtsverhältnis zwischen dem Verkäufer und dem Vorkaufsberechtigten die Veräußerung als genehmigt.

7    b) Die Mitteilung über die Ausübung des Vorkaufsrechts hat nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine doppelte Funktion. Zum einen enthält sie im Rechtsverhältnis zwischen den Parteien des ursprünglichen Kaufvertrags einen Verwaltungsakt, mit dem die Genehmigungsbehörde die Genehmigung dieses Kaufvertrages in modifizierter Form versagt; dieser Verwaltungsakt kann (nur) im Einwendungsverfahren gemäß § 10 RSiedlG durch die Landwirtschaftsgerichte überprüft werden. Dabei sind die Landwirtschaftsgerichte auf die Prüfung beschränkt, ob die Veräußerung der Genehmigung nach § 2 GrdstVG bedurfte und ob diese nach § 9 GrdstVG zu versagen wäre. Zum anderen wird durch die Mitteilung der Genehmigungsbehörde im Rechtsverhältnis zwischen dem Verkäufer und dem Vorkaufsberechtigten (Siedlungsunternehmen) das Vorkaufsrecht ausgeübt. Ob in diesem Verhältnis ein Vorkaufsrecht besteht und ob gemäß § 8 RSiedlG i.V.m. § 464 Abs. 2 BGB zwischen diesen Parteien ein Kaufvertrag zustande gekommen ist, wird ausschließlich in einem zwischen dem Verkäufer und dem Siedlungsunternehmen zu führenden Zivilprozess geklärt (vgl. , NJW-RR 2017, 1228 Rn. 21; Beschluss vom - BLw 1/18, DNotZ 2020, 149 Rn. 24). Dass die Genehmigung für den ursprünglichen Kaufvertrag versagt wird, berührt die Wirksamkeit der Ausübung des Vorkaufsrechts nicht. Denn mit dem Zugang des Bescheids der Genehmigungsbehörde gilt für das Rechtsverhältnis zwischen dem Verkäufer und dem Vorkaufsberechtigten der (ursprüngliche) Kaufvertrag als genehmigt (§ 6 Abs. 1 Satz 3 RSiedlG). Damit wird die Gültigkeit des Vertrags, die Voraussetzung für die Ausübung des Vorkaufsrechts ist, gesetzlich fingiert (vgl. , juris Rn. 7); auch steht es der Ausübung des Vorkaufsrechts nicht entgegen, wenn über eine nach anderen Gesetzen erforderliche Genehmigung noch nicht entschieden ist (§ 6 Abs. 3 RSiedlG).

8    c) Auf dieser Grundlage prüft das Berufungsgericht im Rahmen der Begründetheit der negativen Feststellungsklage zu Recht, ob die Aufhebung des Kaufvertrages der Ausübung eines siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts entgegensteht.

92. Seine Auffassung, dass dies der Fall und deshalb der Klage stattzugeben sei, ist aber von Rechtsfehlern beeinflusst.

10    a) Richtig ist allerdings, dass ein Vorkaufsrecht grundsätzlich das Zustandekommen eines rechtswirksamen Kaufvertrags voraussetzt. § 463 BGB, der sowohl für vertraglich begründete Vorkaufsrechte als auch - aufgrund einer Verweisung - für gesetzliche Vorkaufsrechte (z.B. nach § 2034 BGB [Miterben], § 577 BGB [Mieter], § 28 Abs. 2 Satz 2 BauGB [Gemeinden]) und ebenso für dingliche Vorkaufsrechte (§ 1098 BGB) gilt, knüpft das Entstehen des Rechts zur Ausübung des Vorkaufsrechts an das Zustandekommen eines rechtswirksamen Kaufvertrags (Vorkaufsfall). Letzteres ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erst dann der Fall, wenn auch die für die Wirksamkeit des Vertrags erforderlichen Genehmigungen erteilt sind. Nur bis zu diesem Zeitpunkt können Verkäufer und Käufer das Vorkaufsrecht gegenstandslos machen, indem sie den Kaufvertrag aufheben. Der Vorkaufsberechtigte hat kein Recht auf den Eintritt des Vorkaufsfalls. Liegen die Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts aber erst einmal vor, ist das daraus erwachsene Gestaltungsrecht des Vorkaufsberechtigten in seinem rechtlichen Fortbestand grundsätzlich unabhängig von dem rechtlichen Schicksal des Kaufverhältnisses zwischen dem Vorkaufsverpflichteten und dem Dritten (vgl. nur Senat, Urteil vom - V ZR 40/75, BGHZ 67, 395, 397 f. - Vorkaufsrecht nach § 24 BBauG (=§ 24 BauGB); Urteil vom - V ZR 173/09, NJW 2010, 3774 Rn. 20 - dingliches Vorkaufsrecht).

11    b) Handelt es sich bei dem Vorkaufsrecht um ein siedlungsrechtliches Vorkaufsrecht nach § 4 RSiedlG, gelten hinsichtlich des Zeitpunkts, bis zu dem die Kaufvertragsparteien das Vorkaufsrecht durch Aufhebung des Vertrages gegenstandslos machen können, Besonderheiten.

12    aa) Die Vorschrift des § 463 BGB wird in der Verweisungsnorm des § 8 RSiedlG nicht in Bezug genommen. Dies beruht auf der Verknüpfung der Ausübung des Vorkaufsrechts mit dem Genehmigungsverfahren nach dem Grundstückverkehrsgesetz (vgl. oben Rn. 6 f.). Obwohl der Kaufvertrag ohne die nach dem Grundstückverkehrsgesetz erforderliche Genehmigung schwebend unwirksam ist, ermöglichen die §§ 4 und 6 RSiedlG die Ausübung des Vorkaufsrechts im Hinblick auf einen schwebend unwirksamen Kaufvertrag (zutreffend Bühler/Schmitt, DNotZ 2023, 724, 744). Dies ändert aber nichts daran, dass auch das siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht eines tauglichen Anknüpfungsgegenstands bedarf. Der ursprüngliche Vertrag muss (nur) im Rechtsverhältnis zwischen dem Verkäufer und dem Vorkaufsberechtigten aufrechterhalten bleiben, damit das Vorkaufsrecht überhaupt ausgeübt werden kann und diesem nicht der Boden entzogen wird (vgl. , NJW-RR 2017, 1228 Rn. 21). Während durch die Mitteilung der Ausübung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts die Genehmigung des Kaufvertrags versagt wird, gilt der Kaufvertrag in dem Rechtsverhältnis zwischen dem Verkäufer und dem Vorkaufsberechtigten als genehmigt (§ 6 Abs. 1 Satz 3 RSiedlG).

13    bb) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erlangt das Siedlungsunternehmen zu diesem Zeitpunkt eine bereits verfestigte Rechtsposition, die weder die Vertragsparteien noch die Genehmigungsbehörde selbst diesem wieder entziehen können. Ein siedlungsrechtliches Vorkaufsrecht nach § 4 RSiedlG kann deshalb nicht dadurch vereitelt werden, dass Verkäufer und Käufer den Vertrag nach dem Zugang der Mitteilung über die Ausübung des Vorkaufsrechts aufheben. Dabei kann dahinstehen, ob der entsprechend § 505 Abs. 2 BGB zwischen dem Siedlungsunternehmen und dem Verkäufer zustande gekommene Kaufvertrag bereits voll wirksam ist und erst im landwirtschaftsgerichtlichen Verfahren nach § 10 RSiedlG wieder beseitigt werden kann oder ob er im Fall der Erhebung von Einwendungen erst mit deren rechtskräftiger Zurückweisung seine volle Wirksamkeit erlangt. Jedenfalls verschafft ein durch Ausübung des Vorkaufsrechts entstandener, im Falle der Erhebung von Einwendungen bis zu deren rechtskräftiger Bescheidung „schwebend unwirksamer“ Kaufvertrag dem Siedlungsunternehmen gegenüber den Kaufvertragsparteien eine stärkere Rechtsposition im Vergleich zu dem Zustand, der vor der Mitteilung der Ausübung des Vorkaufsrechts bestanden hat (vgl. , NJW 1983, 41). Die Partner des den Vorkaufsfall auslösenden Kaufvertrages können nach Zugang der Mitteilung der Vorkaufsrechtsausübung den Genehmigungsantrag nach dem Grundstückverkehrsgesetz nicht mehr zurücknehmen, sie können von diesem Zeitpunkt an auch den Vertrag nicht mehr zum Nachteil des Siedlungsunternehmens aufheben oder abändern. Das Siedlungsunternehmen ist also vor einseitiger Vereitelung des Vorkaufsrechtes durch die Partner des Kaufvertrages geschützt (vgl. , BGHZ 41, 114, 117, 122 f.; Beschluss vom - V BLw 8/81, NJW 1983, 41 f.; Beschluss vom - BLw 11/06, juris Rn. 19).

14    c) Damit hängt der Erfolg der negativen Feststellungsklage davon ab, ob die nachträgliche Genehmigung der vor Zugang der Mitteilung über die Ausübung des Vorkaufsrechts erfolgten Vertragsaufhebung durch vollmachtlose Vertreter Rückwirkung entfaltet und das ausgeübte siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht gegenstandslos macht. Dies nimmt das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft an.

15    aa) Hierfür kann dahinstehen, ob - wie die Revision meint - die Aufhebung des Kaufvertrags nach § 465 BGB, der nach § 8 RSiedlG auch auf das siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht anwendbar ist, gegenüber der Beklagten als Vorkaufsberechtigte unwirksam ist. Das Berufungsgericht verneint ein unzulässiges Umgehungsgeschäft, ohne sich allerdings näher mit den Voraussetzungen der Vorschrift und dem Anwendungsbereich auseinanderzusetzen (vgl. hierzu etwa BeckOK BGB/Faust [], § 465 Rn. 2, 4; MüKoBGB/Maultzsch, 9. Aufl., § 465 Rn. 3).

16    bb) Anders als das Berufungsgericht meint, wirkt sich jedenfalls die Genehmigung des Aufhebungsvertrages auf die von der Beklagten bereits zuvor erlangte Rechtsposition nicht aus.

17    (1) Richtig ist zwar, dass die Vertragsparteien den Kaufvertrag rückwirkend zum aufgehoben haben. Der zunächst von Vertretern ohne Vertretungsmacht geschlossene und deshalb nach § 177 Abs. 1 BGB schwebend unwirksame Aufhebungsvertrag ist nachträglich wirksam geworden. Die Genehmigungserklärungen vom 3. und wirken im Grundsatz gemäß § 184 Abs. 1 BGB auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts, hier den Abschluss des Aufhebungsvertrags am , zurück. Ausgeübt wurde das Vorkaufsrecht erst danach, nämlich durch den Zugang des Bescheides der Genehmigungsbehörde an die Kläger am .

18    (2) Das Vorkaufsrecht der Beklagten bleibt davon aber unberührt. Wird der Kaufvertrag durch Vertreter ohne Vertretungsmacht vor Zugang der Mitteilung über die Ausübung des Vorkaufsrechts aufgehoben und genehmigen Verkäufer und Käufer die Vertragsaufhebung erst danach, entfällt hierdurch nicht rückwirkend das bereits ausgeübte Vorkaufsrecht des Siedlungsunternehmens. Für den Schutz des vorkaufsberechtigten Siedlungsunternehmens spielt es keine Rolle, ob der ursprüngliche Kaufvertrag nach der Ausübung des Vorkaufsrechts für die Zukunft oder rückwirkend aufgehoben wird. Eine Rückwirkung zu Lasten des Siedlungsunternehmens scheidet in entsprechender Anwendung des § 184 Abs. 2 BGB aus.

19    (a) Im unmittelbaren Anwendungsbereich dieser Norm werden durch die in Abs. 1 angeordnete Rückwirkung Verfügungen nicht unwirksam, die vor der Genehmigung über den Gegenstand des Rechtsgeschäfts von dem Genehmigenden getroffen worden oder im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung oder durch den Insolvenzverwalter erfolgt sind. Um eine solche Verfügung geht es bei der Ausübung eines Vorkaufsrechts nicht. Die Vorschrift ist aber anerkanntermaßen entsprechend anzuwenden, wenn aufgrund gesetzlicher Anordnung zu Lasten des Zustimmungsberechtigten Rechte Dritter entstanden sind und der Sinn und Zweck der jeweiligen Entstehungsnorm den uneingeschränkten Fortbestand dieser Rechte gebietet (vgl. etwa BeckOGK/Regenfus, BGB [], § 184 Rn. 110; MüKoBGB/Bayreuther, 10. Aufl., § 184 Rn. 43; Staudinger/Klumpp, BGB [2024], § 184 Rn. 142; jeweils mwN). Dies trifft auch auf das gesetzliche Vorkaufsrecht nach § 4 RSiedlG zu. Wie oben ausgeführt (vgl. Rn. 13), erlangt das Siedlungsunternehmen mit der Mitteilung über die Ausübung des Vorkaufsrechts eine bereits verfestigte Rechtsposition, die durch die Vertragsparteien nicht mehr beeinträchtigt werden kann. Dies wäre aber der Fall, wenn der Genehmigung auch im Verhältnis zwischen dem Verkäufer und dem Vorkaufsberechtigten Rückwirkung zukäme.

20    (b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die Rechtsstellung des Vorkaufsberechtigten bei einer nachträglichen Genehmigung der Aufhebung des Kaufvertrags schutzwürdig. Zutreffend ist zwar, dass mit der Aufhebung des Kaufvertrags das Bedürfnis für eine Abwehr von Gefahren für die Agrarstruktur entfällt; denn wenn der Kaufvertrag wegfällt oder nicht durchgeführt wird, bleibt die Agrarstruktur im Ergebnis unverändert (so auch Schulte, RdL 1964, 117, 119). Ob Gefahren für die Agrarstruktur bestehen und durch das siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht abzuwehren sind, ist nach dem Sinn und Zweck des § 4 RSiedlG aber bereits zum Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechts zu beurteilen (näher , juris Rn. 12 ff.). Entschließen sich die Vertragsparteien erst danach, einen zuvor durch Vertreter ohne Vertretungsmacht geschlossenen Aufhebungsvertrag zu genehmigen, lässt dies die bereits entstandene Rechtsposition des Siedlungsunternehmens nicht nachträglich entfallen. Sähe man dies anders, müsste man auch eine einvernehmliche Aufhebung des Kaufvertrages nach Ausübung des Vorkaufsrechts als gegenüber dem vorkaufsberechtigten Siedlungsunternehmen wirksam ansehen, was aber einhellig abgelehnt wird (vgl. oben Rn. 13).

21    (3) Die ursprünglichen Kaufvertragsparteien und insbesondere der Verkäufer werden hierdurch nicht unangemessen benachteiligt. Zwar wird der Verkäufer zu einem Verkauf an das Siedlungsunternehmen gezwungen, obwohl er seine Veräußerungsabsicht zwischenzeitlich aufgegeben hat. Seine Interessen werden aber gefestigter höchstrichterlichen Rechtsprechung zufolge dadurch geschützt, dass er nicht durch die Mitteilung über die Ausübung des gesetzlichen Vorkaufsrechts überrascht werden darf. Im Wege einer verfahrensleitenden Verfügung muss die Genehmigungsbehörde dem Veräußerer nach § 6 Abs. 1 Satz 2 GrdstVG einen Zwischenbescheid erteilen, aus dem sich die Absicht ergibt, den Vertrag der Siedlungsbehörde vorzulegen, um eine Erklärung über die Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 12 GrdstVG herbeizuführen. Der Zwischenbescheid hat eine Warnfunktion; unterbleibt er, ist das Vorkaufsrecht wegen des darin liegenden Verfahrensfehlers nicht wirksam ausgeübt (näher , DNotZ 2020, 149 Rn. 19, 23 ff. mwN). Den Zwischenbescheid können die Vertragsparteien zum Anlass nehmen, den Antrag zurückzuziehen und der drohenden Ausübung des Vorkaufsrechts auf diese Weise die Grundlage zu entziehen (vgl. , aaO Rn. 19). Machen sie hiervon jedoch - wie hier - keinen Gebrauch und wird in der Folge das Vorkaufsrecht ausgeübt, ist es nicht unbillig, der bereits verfestigten Rechtsposition des Siedlungsunternehmens den Vorrang gegenüber den Interessen des Verkäufers an einer Vertragsaufhebung einzuräumen.

22    3. Die Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Hinsichtlich der Voraussetzungen für ein siedlungsrechtliches Vorkaufsrecht ist im Zivilprozess zwischen dem Verkäufer und dem Siedlungsunternehmen und nicht im Einwendungsverfahren nach § 10 RSiedlG zu prüfen, ob die gesetzliche Größengrenze des § 4 Abs. 1 RSiedlG erreicht ist (vgl. , NJW-RR 2017, 1228 Rn.17, 19 unter Verweis auf BT-Drucks. 3/2635 S. 15 f.). Dies ist hier der Fall. Zwar beträgt die hierfür erforderliche Mindestgröße grundsätzlich zwei Hektar, diese Größe erreicht nur das eine Flurstück (2,3695 ha), während das andere Flurstück eine Größe von lediglich 1,4272 ha aufweist. Nach der auf der Grundlage von § 4 Abs. 4 RSiedlG erlassenen Hessischen Verordnung zur Ausführung des Reichssiedlungsgesetzes vom (GVBl I 2002, S. 689) hat das Land Hessen aber die Mindestgröße der Grundstücke, die dem Vorkaufsrecht nach § 4 Abs. 1 RSiedlG unterliegen, auf 0,5 ha festgesetzt. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob die verkauften Flächen ein einheitliches Grundstück im wirtschaftlichen Sinn bilden und deshalb zusammenzurechnen sind (vgl. hierzu , BGHZ 94, 299, 302 ff.).

III.

23    1. Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben; er ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil weitere Feststellungen nicht zu treffen sind und der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Da das siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht wirksam ausgeübt worden ist, ist die negative Feststellungsklage abzuweisen. Hiervon bleibt das von den Klägern zusätzlich eingeleitete Einwendungsverfahren nach § 10 RSiedlG unberührt. Wegen des unterschiedlichen Prüfungsmaßstabs in diesem Verfahren und dem Zivilprozess (vgl. oben Rn. 7) kann das in einem Zivilprozess erfolgreiche Siedlungsunternehmen seine Rechtsstellung als Vorkaufsberechtigter wieder verlieren, wenn in dem Verfahren nach § 10 RSiedlG der Bescheid über die Ausübung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts aufgehoben wird.

24    2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Brückner                        Göbel                        Haberkamp

                       Laube                        Grau

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:110425UVZR194.23.0

Fundstelle(n):
HAAAJ-91257