Suchen
BGH Beschluss v. - VII ZR 248/23

Instanzenzug: Az: 19 U 25/23vorgehend Az: 89 O 36/20

Gründe

I.

1Der als Handelsvertreter tätige Kläger macht gegen die Beklagte Provisionsansprüche geltend, die ihm nach seiner Auffassung aufgrund eines Handelsvertretervertrags mit der A.          H. Sp. z.o.o. (im Folgenden: A.         H. ) zustehen, und fordert zur Vorbereitung eines Ausgleichsanspruchs im Wege der Stufenklage auf der ersten Stufe Auskunft über von der A.          H.  in den Jahren 2012 bis 2016 getätigte Geschäfte sowie die Erteilung eines Buchauszugs nach näherer Maßgabe für die Jahre 2014 bis 2016.

2Die Beklagte ist ein im Jahr 2017 im Zuge der Abspaltung von der A.           H.  gegründetes Unternehmen, das sich mit der Herstellung von Tablettierwerkzeugen und Ersatzteilen für Tabletten-, Kapsel- und Blistermaschinen befasst, die in der Pharmazie und im industriellen Bereich eingesetzt werden. Der Kläger war ab dem zunächst als Arbeitnehmer für die A.           H.  tätig. Ab dem bestand zwischen ihm und der A.           H.  ein Handelsvertretervertrag, wonach dem Kläger der Vertrieb von näher bezeichneten Vertragserzeugnissen für namentlich aufgeführte Kunden in Deutschland exklusiv zugewiesen wurde. Nach der vertraglichen Vereinbarung sollte der Vertrag deutschem Recht unterliegen; als Gerichtsstand war Köln vereinbart.

3Am kündigte die A.           H.  den Handelsvertretervertrag mit dem Kläger zum Ablauf des . Der Kläger erklärte mit Schreiben vom , dass er das Vertragsverhältnis bis zum genannten Kündigungsdatum erfüllen werde, und meldete einen Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB an. Überdies wies er darauf hin, dass eine Kündigung nach der vertraglichen Vereinbarung erst zum möglich gewesen wäre. Die A.           H.  bestätigte mit E-Mail vom , dass die Kündigungsfrist zu kurz bemessen worden sei. Mit E-Mail vom gleichen Tag erklärte der Kläger, dass er keiner einseitigen Veränderung der Kündigung mehr zustimmen werde. Mit E-Mail vom wies der Kläger darauf hin, dass sich die A.           H.  an dem von ihr selbst genannten Kündigungsdatum festhalten lassen müsse. Mit Schreiben vom erklärte die A.           H.  daraufhin die fristlose Kündigung des Vertragsverhältnisses wegen Nichterfüllung der vertraglichen Pflichten durch den Kläger.

4Mit Schreiben vom rechnete der Kläger Provisionen in Höhe von 62.062,88 € ab, wobei er der Rechnung eine Excel-Tabelle beifügte. Diese Rechnung wurde von der A.         H.  nicht beglichen.

5Am beschloss die A.           H.  die Annahme des Spaltungsplans der Gesellschaft, mit dem im Wege der Spaltung durch Ausgliederung ein Teil ihres Vermögens in Form einer Produktions- und Handelsabteilung auf die Beklagte übertragen wurde.

6Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte hafte für seine Forderungen gegenüber der A.           H.  als Gesamtschuldnerin, weil die Rechte und Pflichten aus dem Handelsvertretervertrag infolge des Spaltungsplans auf sie übergegangen seien. Mit der Klage hat er neben einer Provisionsforderung in Höhe von 62.062,88 € im Wege der Stufenklage zum einen zur Vorbereitung eines Ausgleichsanspruchs gemäß § 89b HGB Auskunft über von der A.           H.  in den Jahren 2012 bis 2016 geschlossene Geschäfte und zum anderen zur Vorbereitung eines weiteren Provisionsanspruchs die Erteilung eines Buchauszugs nach näherer Maßgabe für die Jahre 2014 bis 2016 jeweils auf der ersten Stufe geltend gemacht.

7Das Landgericht hat die Beklagte durch Teilurteil zur Zahlung in Höhe der von der Beklagten unstreitig gestellten Provisionsforderung von 53.962,88 € und antragsgemäß jeweils auf der ersten Stufe zur Erteilung der begehrten Auskunft und des Buchauszugs verurteilt. Das Landgericht hat die internationale Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts Köln sowie die Haftung der Beklagten für die sich aus dem mit der A.           H.  geschlossenen Handelsvertretervertrag ergebenden Pflichten nach Beweisaufnahme durch Einholung eines Rechtsgutachtens zum polnischen Recht bejaht. Die Berufung der Beklagten, mit der sie die Abweisung der Klage als unzulässig, jedenfalls aber als unbegründet begehrt hat, hat das Berufungsgericht nach entsprechendem Hinweis durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.

8Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Nichtzulassungsbeschwerde, mit der sie weiterhin die Abweisung der Klage erreichen möchte.

II.

9Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 9 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

101. Das Berufungsgericht führt, soweit für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren von Bedeutung, im Wesentlichen Folgendes aus:

11Die deutschen Gerichte seien international zuständig. Die internationale Zuständigkeit beruhe auf einer nach Maßgabe des Art. 25 EuGVVO als wirksam zu bewertenden Gerichtsstandsvereinbarung zwischen dem Kläger und der A.           H. , an welche die Beklagte gebunden sei. Soweit die Beklagte einwende, ihre Zustimmung zu der Gerichtsstandsvereinbarung sei für eine solche Bindungswirkung unerlässlich, greife dies nicht durch.

12Ein Dritter, der an dem Zustandekommen einer Gerichtsstandsvereinbarung weder beteiligt gewesen sei noch ihr zugestimmt habe, sei an diese gleichwohl gebunden, wenn er in die Rechte und Pflichten einer der ursprünglichen Vertragsparteien eingetreten sei, was insbesondere bei Rechtsnachfolge sowie auch bei befreiender oder kumulativer Schuldübernahme in Betracht komme. Ob ein Eintritt in die Rechte und Pflichten in vorstehendem Sinne anzunehmen sei, habe das angerufene Gericht in Anwendung des in der Sache anzuwendenden Rechts zu überprüfen.

13Vorliegend sei polnisches Recht anzuwenden. Maßgeblich sei, dass als Grundlage für die Annahme eines Eintritts der Beklagten in die Rechte und Pflichten der A.           H.  gegenüber dem Kläger durch einen Schuldbeitritt auf die im Zuge der Neugründung der Beklagten und Abspaltung von der A.          H.  getroffenen Vereinbarungen, insbesondere den Spaltungsplan, zurückzugreifen sei. Hiernach sei ein Eintritt in die Rechte und Pflichten zu bejahen, wobei dahinstehen könne, inwieweit dies auf einer in der Wirkung einem kumulativen Schuldbeitritt entsprechenden gesamtschuldnerischen Haftung infolge Abspaltung oder auf einer nach polnischem Recht als möglich zu erachtenden Kombination aus Gesamtschuld und einer (teilweisen) Universalsukzession beruhe. Der Wertung des Landgerichts werde gefolgt, wonach die Beklagte unbeschadet einer etwaigen im Hinblick auf den Vertrag mit dem Kläger anzunehmenden(Teil-)Universalsukzession für etwaige Ansprüche des Klägers gegen die A.           H.  infolge der Abspaltung jedenfalls auch gesamtschuldnerisch mit dieser hafte.

14Das Gericht folge wie das Landgericht den Ausführungen des beauftragten Sachverständigen Prof. Dr. Z.    , dass für die richtige Anwendung des ausländischen Rechts die Rechtspraxis maßgeblich sei, wie sie in der Rechtsprechung der Gerichte des betreffenden Landes zum Ausdruck komme. Hiervon ausgehend sei den auf höchstrichterlicher Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs der Republik Polen (OGH) beruhenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Z.     zu folgen. Danach sei das polnische Recht dahin auszulegen, dass eine Gesamtschuld zwischen der A.         H.  und der Beklagten selbst dann anzunehmen sei, wenn die betreffenden Vermögenswerte und/oder Verbindlichkeiten nach dem Spaltungsplan nur einer der beiden in Betracht kommenden Gesellschaften zugewiesen worden seien.

152. Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht, wie die Nichtzulassungsbeschwerde mit Recht rügt, auf einer Verletzung des Rechts der Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).

16a) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist allerdings keine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV im Hinblick auf die Frage geboten, ob eine Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne des Art. 25 EuGVVO auch einen Dritten bindet, der der Schuld, auf die sich die Gerichtsstandsvereinbarung bezieht, beigetreten ist, ohne der Gerichtsstandsvereinbarung in der Form des Art. 25 EuGVVO zuzustimmen.

17aa) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) ist ein Dritter an eine zwischen anderen Vertragsparteien getroffene Gerichtsstandsvereinbarung nur gebunden, wenn er nach dem in der Sache anwendbaren nationalen Recht, wie es in Anwendung der Bestimmungen des internationalen Privatrechts des angerufenen Gerichts bestimmt wurde, in alle Rechte und Pflichten der ursprünglichen Vertragspartei eingetreten ist oder ihr zugestimmt hat (vgl. Rn. 47, EuZW 2021, 398; Urteil vom - C-352/13 Rn. 65, EuZW 2015, 584; Urteil vom - C-543/10 Rn. 29 ff., EuZW 2013, 316; zum EuGVÜ: Urteil vom - C-387/98 Rn. 23 ff., EuZW 2001, 122). Ob der Dritte nach dem anwendbaren nationalen Recht in alle Rechte und Pflichten der ursprünglichen Vertragspartei eingetreten ist, hat das vorlegende Gericht zu prüfen (vgl. Rn. 63, EuZW 2021, 398; Urteil vom  - C-352/13 Rn. 65, EuZW 2015, 584).

18bb) Danach besteht kein weiterer Klärungsbedarf durch den Gerichtshof für die von der Beschwerde formulierte Frage. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs überprüft dieser nicht, ob das vorlegende Gericht in Anwendung des maßgeblichen nationalen Rechts zu Recht die Voraussetzungen für einen Eintritt des Dritten in alle Rechten und Pflichten der ursprünglichen Vertragspartei bejaht hat. Das Berufungsgericht hat diese Rechtsprechung zugrunde gelegt, indem es angenommen hat, dass die Beklagte aufgrund der Abspaltung von der A.         H. , die einem Schuldbeitritt gleichzusetzen sei, in die Rechte und Pflichten der A.          H.  eingetreten sei. Das Berufungsgericht hat dabei die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Z.   - ohne hinreichende Grundlage in dessen Gutachten - dahin interpretiert, dass die Beklagte entweder durch eine in der Wirkung einem kumulativen Schuldbeitritt entsprechende gesamtschuldnerische Haftung infolge Abspaltung oder durch eine Kombination aus Gesamtschuld und teilweiser Universalsukzession in die Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag eingetreten ist, auch soweit diese nach der Abspaltung bei der A.           H.  verblieben sind. Ob diese Feststellung zutreffend ist oder nicht, kann nicht durch den Gerichtshof geklärt werden, da sich diese Frage für die in Polen beschlossene und vollzogene Spaltung der A.            H.  nach polnischem Recht richtet.

19b) Das Berufungsgericht hat jedoch das Recht der Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) dadurch verletzt, dass es dem von ihr angebotenen Beweis auf Einholung eines weiteren Rechtsgutachtens zu der Frage, ob die Beklagte nach polnischem Recht aufgrund des Spaltungsvertrags vom in die Rechte und Pflichten der A.           H. eingetreten ist, nicht nachgegangen ist.

20aa) Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. Das Gericht ist danach unter anderem verpflichtet, den wesentlichen Kern des Vorbringens der Partei zu erfassen und - soweit er eine zentrale Frage des Verfahrens betrifft - zu bescheiden. Von einer Verletzung dieser Pflicht ist auszugehen, wenn die Begründung des Gerichts nur den Schluss zulässt, dass sie auf einer allenfalls den Wortlaut, aber nicht den Sinn des Vortrags der Partei erfassenden Wahrnehmung beruht (st. Rspr., vgl. Rn. 19, BauR 2024, 1720 = NZBau 2024, 613; Beschluss vom - VII ZR 271/19 Rn. 15, BauR 2023, 692; Beschluss vom - VII ZR 62/22 Rn. 17, BauR 2023, 124 = NZBau 2023, 91; Beschluss vom - V ZR 19/20 Rn. 6, juris; Beschluss vom - VII ZR 261/19 Rn. 4, NZBau 2021, 518). Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet ( Rn. 16, BauR 2023, 1422; Beschluss vom - VII ZR 163/14 Rn. 19, BauR 2015, 1325; Beschluss vom - VII ZR 37/12 Rn. 9, juris; Rn. 21, NJW 2009, 1585).

21bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze findet die Auffassung des Berufungsgerichts im Prozessrecht keine Stütze, dem Beweisangebot der Beklagten sei nicht nachzugehen, ein Rechtsgutachten zum polnischen Recht zu der Frage einzuholen, ob die Beklagte in die Rechte und Pflichten aus dem zwischen dem Kläger und der A.           H.  geschlossenen Handelsvertretervertrag eingetreten ist.

22Das Berufungsgericht kann sich für seine Annahme, die Beklagte sei in die Rechte und Pflichten aus dem zwischen dem Kläger und der A.           H.  geschlossenen Handelsvertretervertrag eingetreten, weil die gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten infolge Abspaltung einem Schuldbeitritt entspreche, was für die Annahme eines Eintritts in die Rechte und Pflichten der ursprünglichen Vertragsparteien ausreiche, oder weil eine Kombination aus Gesamtschuld und einer (teilweisen) Universalsukzession vorliege, nicht auf die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. Z.    stützen. Dieser hat sein Rechtsgutachten entsprechend der vom Landgericht im Hinweis- und Beweisbeschluss vom gestellten Beweisfrage auf die Frage beschränkt, ob "die Beklagte dem Kläger aus Ansprüchen aus dem zwischen dem Kläger und der A.           H.  geschlossenen Handelsvertretervertrag vom neben der A.           H.  nach polnischem Recht gesamtschuldnerisch aus einer analogen Anwendung des Art. 546 HGGB oder aus anderen rechtlichen Gründen" haftet, wenn der Handelsvertretervertrag weder der A.           H.  noch der Beklagten im Spaltungsplan ausdrücklich zugeordnet ist oder der Handelsvertretervertrag noch zum Vermögen der A.           H.  gehört.

23Der Sachverständige Prof. Dr. Z.    hat in seinem Gutachten vom und in seinem Ergänzungsgutachten vom klargestellt, dass er sich lediglich mit der Frage der Haftung, nicht jedoch mit der Frage des Eintritts in die Rechte und Pflichten befasst hat, also wem die Verpflichtung aus dem Handelsvertretervertrag aufgrund der Spaltungsvereinbarung in Verbindung mit dem Spaltungsplan zugeordnet worden ist. Das Berufungsgericht durfte die von ihm gezogene Schlussfolgerung, dass aufgrund der gesamtschuldnerischen Haftung, die ihre Grundlage in der Bewertung der Abspaltung als kumulativer Schuldübernahme habe, die Beklagte in die Rechte und Pflichten des Handelsvertretervertrags eingetreten sei, nicht auf die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Z.    stützen, da diese Frage nicht Gegenstand des von diesem erstellten Rechtsgutachtens war. Entsprechende Hinweise finden sich in den Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Z.    auch nicht. Eigene Kenntnisse des polnischen Rechts nimmt das Berufungsgericht nicht für sich in Anspruch.

24cc) Die Gehörsverletzung ist entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht nach Einholung des von der Beklagten beantragten Rechtsgutachtens zum polnischen Recht zu einem für diese günstigeren Ergebnis gelangt wäre.

25dd) Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar.

26Auf der Grundlage der bislang vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ist eine internationale Zuständigkeit des Landgerichts Köln nicht nach Art. 7 Nr. 1 a), b) EuGVVO begründet. Bilden ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens, kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre, wobei im Sinn dieser Vorschrift der Erfüllungsort der Verpflichtung für die Erbringung von Dienstleistungen der Ort in einem Mitgliedstaat ist, an dem sie nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen.

27Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist für den besonderen Gerichtsstand für vertragliche Streitigkeiten im Fall der Erbringung von Dienstleistungen, wenn es mehrere Erbringungsorte gibt, unter dem Erfüllungsort grundsätzlich der Ort zu verstehen, an dem die engste Verknüpfung zwischen dem Vertrag und dem zuständigen Gericht besteht, wobei dies im Allgemeinen der Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung sein wird (vgl. zum gleichlautenden Art. 5 Nr. 1 b) EuGVO (Brüssel I)  C­19/09 Rn. 33, EuZW 2010, 378). Der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsorts gilt dabei für alle Klagen aus demselben Vertrag und nicht nur für diejenige, die auf die Erbringung der Dienstleistung gerichtet ist (vgl. zum gleichlautenden Art. 5 Nr. 1 b) EuGVO (Brüssel I) für Lieferpflichten Rn. 50, NJW 2010, 1059; Urteil vom - C-386/05 Rn. 26, NJW 2007, 1799; zu Dienstleistungsverpflichtungen Rn. 34, EuZW 2009, 569).

28Bei einem Handelsvertretervertrag ist der Handelsvertreter derjenige, der die für diesen Vertrag charakteristische Leistung und die Dienstleistung im Sinne von Art. 7 Nr. 1 b) EuGVVO erbringt. Unter Erfüllungsort ist grundsätzlich der Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung durch den Handelsvertreter zu verstehen. Der Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung ist nach Möglichkeit aus den Bestimmungen des Vertrags selbst abzuleiten. Somit ist bei einem Handelsvertretervertrag auf der Grundlage dieses Vertrags der Ort zu ermitteln, an dem der Vertreter seine Tätigkeit für Rechnung des Unternehmers hauptsächlich vorzunehmen hat. Kann der Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung nicht anhand der Vertragsbestimmungen ermittelt werden, weil diese entweder mehrere Erbringungsorte oder ausdrücklich gar keinen bestimmten Erbringungsort vorsehen, hat der Vertreter aber bereits solche Leistungen erbracht, so ist hilfsweise der Ort heranzuziehen, an dem er seine Tätigkeiten zur Erfüllung des Vertrags tatsächlich überwiegend vorgenommen hat, vorausgesetzt, die Erbringung der Dienstleistungen an diesem Ort widerspricht nicht dem Parteiwillen, wie er sich aus den Vertragsbestimmungen ergibt. Wenn der Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung weder anhand der Bestimmungen des Vertrags selbst noch aufgrund von dessen tatsächlicher Erfüllung bestimmt werden kann, ist als Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung durch einen Handelsvertreter der Ort anzusehen, an dem er seinen Wohnsitz hat (vgl. Rn. 34 ff., EuZW 2010, 378).

29Feststellungen dazu, wo der Kläger nach dem Handelsvertretervertrag seine Leistung zu erbringen hatte oder wo er seine Leistung tatsächlich erbracht hat, hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Mit der Zurückverweisung der Sache erhält das Berufungsgericht Gelegenheit, Feststellungen hierzu zu treffen, wobei den Parteien zunächst Gelegenheit zu weiterem Sachvortrag zu der Frage zu geben ist, ob die Voraussetzungen von Art. 7 Nr. 1 b) EuGVVO vorliegen.

Pamp                          Jurgeleit                          Graßnack

                Sacher                        Hannamann

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:020425BVIIZR248.23.0

Fundstelle(n):
XAAAJ-91256