Arbeitsrecht | Kündigungsschutz für Ex-Geschäftsführer (BRAK/LAG)
Ein ehemaliger Geschäftsführer
unterliegt nach seiner Abberufung wieder voll dem
Kündigungsschutzgesetzes
(KSchG). Die
Ausnahme des
§ 14
Abs. 1 Nr. 1 KSchG, wonach Angestellte in leitender
Stellung vom Kündigungsschutz ausgenommen sind, kommt zu diesem Zeitpunkt nicht
mehr in Betracht. Auf die Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts,
Urteil v. - 8 Sa 153/24, weist die
Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) aktuell hin.
Hintergrund: Die Vorschriften des allgemeinen Kündigungsschutzes (§§ 1 bis 14 KSchG) gelten u.a. nicht in Betrieben einer juristischen Person für die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist, § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG.
Sachverhalt: Der Ex-Geschäftsführer war seit April 2021 als „Vice President für A“ bei der beklagten Gesellschaft angestellt. Vertragsgrundlage war ein Arbeitsvertrag, der zugleich die Basis für seine Bestellung als Geschäftsführer darstellte. Im November 2022 wurde ihm seine bevorstehende Abberufung angekündigt, Anfang Dezember wurde der Nachfolger offiziell benannt. Nach außen sichtbar wurde der Kläger fortan als „Special Project Manager“ geführt, nahm jedoch keine Tätigkeit in dieser Funktion wahr. Nach Widerruf seiner Geschäftsführerbestellung und Austragung aus dem Handelsregister erhielt er eine Kündigung. Dagegen klagte der Familienvater – sein ehemaliges Unternehmen habe keine Kündigungsgründe im Sinne des KSchG angeführt.
Das ArbG Darmstadt lehnte einen weitergehenden Kündigungsschutz mit Verweis auf § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG ab.
Das LAG Hessen gab der dagegen eingelegten Berufung größtenteils statt:
Das Arbeitsverhältnis ist nicht wirksam gekündigt worden.
Entscheidend ist, dass der Ex-Geschäftsführer zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs offiziell nicht mehr Organvertreter des Unternehmens gewesen ist. Die Kündigung hat damit ein normales Arbeitsverhältnis betroffen. Dieses hat den allgemeinen Schutzvorschriften des Kündigungsschutzgesetzes unterlegen (§ 1 Abs. 2 KSchG).
Weil das Unternehmen keine Kündigungsgründe vorgetragen hatte, ist die Kündigung mangels sozialer Rechtfertigung unwirksam (§ 1 Abs. 1 KSchG).
Damit § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG zur Anwendung gelangt, reicht das Abstellen auf das zu kündigende Vertragsverhältnis nicht aus. Eine Ausdehnung der Negativfiktion auf einen nicht mehr bestellten Geschäftsführer ist weder vom Wortlaut, systematischen Kontext noch dem Sinn und Zweck der Norm gedeckt.
Maßgeblich ist ausschließlich die tatsächliche Stellung des Arbeitnehmers im Zeitpunkt des Kündigungszugangs.
Personen, die im Zeitpunkt der Kündigung nicht mehr als Arbeitgeber auftreten, sollen wieder geschützt werden. Nicht relevant ist danach, dass der Vertrag ursprünglich mit einer Geschäftsführerstellung verbunden gewesen ist.
Selbst wenn man auf das Fortbestehen des ursprünglichen Vertrags abstellen wollte, kann § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG nur dann greifen, wenn der Arbeitsvertrag ausschließlich für die Organstellung abgeschlossen worden wäre.
Das ist hier nicht der Fall gewesen: Der Vertrag enthielt ausdrücklich eine Klausel zur anderweitigen Beschäftigung, wonach dem Ex-Geschäftsführer auch gleichwertige Tätigkeiten außerhalb des Geschäftsführeramts zugewiesen werden konnten.
Sein Arbeitgeber hatte von dieser Möglichkeit nach der Abberufung sogar Gebrauch machen wollen und nach alternativen Einsatzmöglichkeiten gesucht. Eine vollständige Bindung des Arbeitsverhältnisses an die Organstellung hat daher nicht bestanden.
Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage zugelassen. Eine höchstrichterliche Klärung durch das BAG steht noch aus.
Quelle: BRAK online, Meldung v. (il)
Fundstelle(n):
FAAAJ-91116