Instanzenzug: Az: 9 KLs 6630 Js 3780/24
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Im Adhäsionsverfahren hat es der Adhäsionsklägerin Schmerzensgeld nebst Prozesszinsen seit dem zuerkannt und festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, ihr „alle infolge der festgestellten Einwirkungen des Angeklagten auf sie in der Nacht vom 17. auf den entstehenden materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, soweit sie nicht auf einen Träger der Sozialversicherung oder Dritte übergegangen sind oder übergehen werden“, womit ausweislich der Urteilsgründe alle zukünftigen immateriellen und materiellen Schäden gemeint sind. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat im Adhäsionsausspruch in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
21. Die Feststellung der Ersatzpflicht des Angeklagten für alle zukünftigen immateriellen und materiellen Schäden der Adhäsionsklägerin hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt:
„Die […] Ausführungen der Kammer […] belegen […] nicht, dass das für die Feststellung der Ersatzpflicht des Revisionsführers für die zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden der Adhäsionsklägerin erforderliche Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO) vorliegt. Dies setzt die Möglichkeit eines zukünftigen Schadenseintritts voraus, wobei eine bloß abstrakt-theoretische Möglichkeit nicht genügt; erforderlich ist vielmehr, dass aufgrund konkreter Anhaltspunkte bei verständiger Würdigung mit dem Eintritt eines zukünftigen Schadens wenigstens zu rechnen ist (vgl. , Rn. 10 m.w.N.).
Das ist den Urteilsgründen mit Blick auf etwaige zukünftige materielle Schäden der Adhäsionsklägerin nicht zu entnehmen. Die Kammer bejaht das Feststellungsinteresse mit dem knappen Hinweis, dass ‚der Eintritt weiterer Schäden der Nebenklägerin möglich erscheint‘, und verweist im Übrigen auf die Feststellungen zu den Taten und ihren Auswirkungen […]. Aus diesen folgt indes nicht, dass sich die Adhäsionsklägerin (weiterhin) in ärztlicher Behandlung befinde, ihre körperlichen Verletzungen noch nicht verheilt seien o.ä. […].
Dies gilt auch hinsichtlich etwaiger zukünftiger immaterieller Schäden. Zwar ist mit Blick auf die psychische Beeinträchtigung der Adhäsionsklägerin festgestellt worden, dass diese weiterhin unter Angstzuständen leide […]; ob und ggf. in welchem Maße sich diese in Zukunft ausweiten oder andere Beeinträchtigungen hinzutreten könnten, hat die Kammer aber weder dargelegt noch ist dies sonst ersichtlich. Dies wäre jedoch Voraussetzung für die Bejahung eines Feststellungsinteresses betreffend etwaiger zukünftiger, vom zugesprochenen Schmerzensgeld nicht abgedeckter immaterieller Schäden gewesen. Verlangt der Geschädigte für erlittene Verletzungen ein Schmerzensgeld, so werden durch den Klageantrag nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgelds nämlich alle diejenigen Schadensfolgen bereits erfasst, die entweder bereits eingetreten und objektiv erkennbar sind oder deren Eintritt jedenfalls vorhergesehen und bei der Entscheidung berücksichtigt werden kann (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom - 2 StR 192/24, Rn. 6; vom - 6 StR 389/21, Rn. 3; vom - 2 StR 397/19, Rn. 8). Eine darüberhinausgehende Feststellungsklage erfordert deshalb die Wahrscheinlichkeit der Entstehung anderer als bereits bei der Bemessung des Schmerzensgeldes in den Blick genommener zukünftiger Schäden (vgl. BGH a.a.O.). Hieran fehlt es – wie dargelegt – jedoch.
Der Adhäsionsausspruch ist daher insoweit aufzuheben. Danach ist auszusprechen, dass von einer Entscheidung abzusehen ist, weil der Antrag insoweit unbegründet erscheint (§ 406 Abs. 1 Satz 3 StPO; vgl. , Rn. 11). Eine Zurückverweisung der Sache zur teilweisen Erneuerung des Adhäsionsverfahrens kommt nicht in Betracht (vgl. , Rn. 13 m.w.N.).“
Dem tritt der Senat bei.
32. Außerdem ist der Die Adhäsionsklägerin hat Anspruch auf Prozesszinsen auf den ihr zugesprochenen Schmerzensgeldbetrag gemäß § 404 Abs. 2 StPO, § 291 Satz 1, § 187 Abs. 1 BGB analog ab dem Tag, der auf den Eintritt der Rechtshängigkeit folgt (vgl. , BGHR StPO § 357 Erstreckung 15 mwN). Dies war hier der , denn ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls ging der Antrag am bei dem Landgericht ein, wodurch er rechtshängig wurde (§ 404 Abs. 2 Satz 2 StPO).
4Dass der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift eine Änderung nicht beantragt hat, hindert den Senat nicht an einer Korrektur im Beschlussweg. Ebenso wenig steht ihr das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) entgegen. Der Senat ist nicht gehindert, die Zinsentscheidung aufgrund des Rechtsmittels des Angeklagten auf das rechtlich zutreffende frühere und damit für den Angeklagten ungünstigere Datum zu ändern, denn bei den im Adhäsionsverfahren verfolgten Ansprüchen handelt es sich nicht um Rechtsfolgen der Tat im Sinne von § 358 Abs. 2 StPO (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 426/00, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 11, und vom – 4 StR 426/23, ZfSch 2024, 644 Rn. 3).
53. Der geringe Teilerfolg der Revision lässt es nicht unbillig erscheinen, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels, den besonderen Kosten des Adhäsionsverfahrens und den notwendigen Auslagen der Adhäsions- und Nebenklägerin zu belasten.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:110325B2STR80.25.0
Fundstelle(n):
HAAAJ-90943