Leitsatz
In Fällen, in denen das mit der Berufung angefochtene Urteil durch einen Richter gefällt worden ist, der entgegen § 309 ZPO der dem Urteil zugrunde liegenden Verhandlung nicht beigewohnt hat, ist eine mündliche Verhandlung im Sinne von § 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO geboten.
Gesetze: Art 103 Abs 1 GG, § 309 ZPO, § 522 Abs 2 Nr 4 ZPO
Instanzenzug: Az: 27 U 564/22 Bauvorgehend LG Augsburg Az: 63 O 547/21
Gründe
1Die Klägerin verlangt Kostenvorschuss wegen mangelhafter Ausführungen einer Tiefgaragenabdichtung bei einem Bauvorhaben in Augsburg sowie die Feststellung der weiteren Kostentragungspflicht hinsichtlich der Mangelbeseitigungskosten. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.
3Die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht nach vorherigem Hinweisbeschluss durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Beschwerde der Klägerin, die ihre zuletzt gestellten Anträge weiterverfolgen möchte.
6Zu Recht habe das Landgericht angenommen, etwaige Ansprüche der Klägerin seien verjährt.
72. Mit diesem Vorgehen hat das Berufungsgericht - wie die Beschwerde zu Recht rügt - den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
9b) Diese Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist in der Berufungsinstanz nicht geheilt worden, da das Berufungsgericht ohne mündliche Verhandlung über die Berufung der Klägerin entschieden hat. Dadurch hatte die Klägerin weder vor dem Landgericht noch dem Berufungsgericht die Möglichkeit, ihre Argumente in einer mündlichen Verhandlung darzulegen. Damit hat - auch - das Berufungsgericht den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.
11So liegt der Fall hier.
12Das Berufungsgericht durfte die Berufung nicht durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückweisen. Es durfte nicht annehmen, eine mündliche Verhandlung sei nicht geboten (§ 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO). In Fällen, in denen das mit der Berufung angefochtene Urteil durch einen Richter gefällt worden ist, der entgegen § 309 ZPO der dem Urteil zugrunde liegenden Verhandlung nicht beigewohnt hat, ist eine mündliche Verhandlung in jedem Fall geboten. Die Erwägungen des Berufungsgerichts dazu, dass und warum die vorzunehmende rechtliche Würdigung angemessen mit der Berufungsführerin im schriftlichen Verfahren erörtert werden könne, können deshalb im vorliegenden Fall an der Notwendigkeit der mündlichen Verhandlung nichts ändern.
143. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben und der Rechtsstreit ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, wobei der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht hat.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:160425BVIIZR126.23.0
Fundstelle(n):
NJW 2025 S. 10 Nr. 21
UAAAJ-90836