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BGH Beschluss v. - 5 StR 610/24

Instanzenzug: LG Lübeck Az: 7 KLs 710 Js 46694/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung in zwei Fällen sowie wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und mit versuchter Körperverletzung und wegen tätlicher Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende materiell-rechtliche Überprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Insbesondere war das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung nicht gehalten, die angeordnete Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zu erörtern, denn zwischen Strafe und Maßregelanordnung besteht grundsätzlich keine Wechselwirkung (vgl. Rn. 17; Beschluss vom – 4 StR 99/22, NJW 2022, 2945).

32. Die nach § 66 Abs. 1 StGB angeordnete Unterbringung in der Sicherungsverwahrung hat keinen Bestand. Die Strafkammer hat das Vorliegen eines Hangs zur Begehung erheblicher Straftaten rechtsfehlerhaft auch auf zulässiges Verteidigungsverhalten des Angeklagten gestützt.

4Sie hat insoweit ausgeführt, dass die vom psychiatrischen Sachverständigen angenommene zustimmende Haltung des Angeklagten zur Delinquenz auch in der Hauptverhandlung deutlich geworden sei. Danach habe er zwar in einem Fall eine körperliche Misshandlung der Geschädigten „vordergründig bedauert, zugleich aber deutlich gemacht, dass er sich hierzu als berechtigt ansah, weil diese sich auf den Boden erbrochen und nach ihm getreten habe.“

5Zulässiges Verteidigungsverhalten – wie hier das Bestreiten der Rechtswidrigkeit – darf jedoch weder hangbegründend noch als Anknüpfungspunkt für die Gefährlichkeit des Angeklagten verwertet werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 277/20, NStZ 2021, 730; vom – 4 StR 588/19, StV 2021, 254, 255; vom – 5 StR 449/23 Rn. 21, jeweils mwN). Denn müsste der Angeklagte befürchten, dass zulässiges Verteidigungsverhalten zur Begründung der Anordnung der Sicherungsverwahrung zu seinem Nachteil verwertet wird, wäre er in seiner Entscheidung nicht mehr frei, wie er sich gegen die Anklagevorwürfe verteidigen will.

63. Der Rechtsfehler nötigt zur Aufhebung des Maßregelausspruchs mit den zugehörigen Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO).

Cirener                        Gericke                        Köhler

                    Resch                       von Häfen

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:270325B5STR610.24.0

Fundstelle(n):
GAAAJ-90832