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BGH Beschluss v. - 2 StR 419/23

Instanzenzug: LG Aurich Az: 69 KLs 10/22

Gründe

1Das Landgericht hat gegen die Einziehungsbeteiligte die selbständige Einziehung von vier Grundstücken angeordnet, im Fall eines Grundstücks, soweit ihr das Eigentum in einer Errungenschaftsgemeinschaft albanischen Rechts zusteht. Hiergegen wendet sich die Einziehungsbeteiligte mit ihrer auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2Das Landgericht hat – soweit von Relevanz – folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

3Der Ehemann der Einziehungsbeteiligten war spätestens seit dem Jahr 2004 gewerbsmäßig mit dem Handel von Kokain befasst. Er wurde im selben Jahr durch das Landgericht Turin wegen Besitzes zum Handeltreiben bestimmter Betäubungsmittel unter anderem zu der Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Am verurteilte ihn das Landgericht Aachen wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten und ordnete die Einziehung eines „Wertersatzbetrages“ in Höhe von 1.500.000 € an. Dieser Verurteilung lagen Taten zugrunde, die der Ehemann der Einziehungsbeteiligten in der Zeit von Mitte 2018 bis Anfang 2020 begangen hatte. Ihm standen auch in dem zwischen diesen Erkenntnissen liegenden Zeitraum erhebliche, in der Höhe nicht genau bestimmbare Geldmittel aus im Einzelnen nicht näher feststellbaren Betäubungsmittelgeschäften zur Verfügung.

4Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt, jedenfalls aber vor September 2010, entschloss sich der Ehemann der Einziehungsbeteiligten, die von ihm aus den Betäubungsmittelgeschäften erlangten Gewinne für den Erwerb von Grundstücken einzusetzen. Die illegalen Geldmittel sollten dabei der Finanzierung von Eigenanteilen und Kaufnebenkosten, der Rückführung von Darlehensverbindlichkeiten und der Deckung der sonstigen, im Zusammenhang mit der Unterhaltung der Grundstücke stehenden Kosten dienen. Um die Grundstücke im Fall seiner Verurteilung einem staatlichen Zugriff zu entziehen, sollte das Eigentum an diesen jeweils auf die Einziehungsbeteiligte übertragen werden. Diese ging davon aus, dass die ihrem Ehemann zur Verfügung stehenden Geldmittel – mit Ausnahme seines geringfügigen Arbeitseinkommens – nicht legaler Herkunft waren; dass sie selbst Kenntnis von den Einzelheiten der Betäubungsmittelgeschäfte ihres Ehemanns hatte, konnte die Strafkammer nicht feststellen. In der Folge erwarb die Einziehungsbeteiligte im Jahr 2010 ein der Familie zu Wohnzwecken dienendes Einfamilienhaus und in den Jahren 2016, 2017 – gemeinsam mit ihrem Ehemann in einer Errungenschaftsgemeinschaft albanischen Rechts – und 2019 drei Mehrfamilienhäuser mit vermieteten Wohneinheiten.

5Die vier Objekte wurden überwiegend mit Bankdarlehen finanziert, dennoch erfolgten der Erwerb einschließlich der Kaufnebenkosten, die laufende Finanzierung sowie die Unterhaltung der Grundstücke wesentlich aus Geldmitteln, die aus Betäubungsmittelgeschäften des Ehemanns der Einziehungsbeteiligten herrührten.

6Die Staatsanwaltschaft Aachen führte gegen die Einziehungsbeteiligte ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und der vorsätzlichen Geldwäsche, in dessen Rahmen auch die vier Grundstücke beschlagnahmt wurden. Das Ermittlungsverfahren wurde am gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

7Das Landgericht ist davon ausgegangen, angesichts der Einkommenssituation der Familie seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass Vermögen aus redlicher Herkunft habe angespart und für den Erwerb der Grundstücke habe eingesetzt werden können. Wirtschaftlicher Eigentümer der Grundstücke sei der Ehemann der Einziehungsbeteiligten. Eigene Geldmittel habe die Einziehungsbeteiligte, die selbst nicht über signifikante Einnahmen verfüge, für den Erwerb und die Unterhaltung der Grundstücke nicht aufgewendet. Angesichts ihrer generellen Kenntnis von den kriminellen Aktivitäten ihres Ehepartners sei sie auch nicht schutzwürdig.

II.

8Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg; eines Eingehens auf die Verfahrensrüge bedarf es daher nicht.

91. Ein Verfahrenshindernis besteht nicht.

10a) Anders als die Revision meint, kann die Einziehungsbeteiligte nicht wegen der der Sicherstellung zugrundeliegenden Straftat(en) verfolgt oder verurteilt werden. Vielmehr ist, was der Senat als Verfahrensvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens, also auch in der Revisionsinstanz, zu prüfen hat (vgl. , BGHSt 64, 186, 188, Rn. 13 mwN), die Durchführung eines Strafverfahrens gegen die Einziehungsbeteiligte unmöglich.

11Dabei musste der Senat nicht entscheiden (vgl. auch BGH, aaO, Rn. 14 mwN), ob das Vorliegen dieser Verfahrensvoraussetzung von Amts wegen im Wege des Freibeweises nachzuprüfen ist oder ob die Entscheidungskompetenz darüber, ob eine bestimmte Person verfolgt oder verurteilt werden kann, nach der Grundkonzeption des Strafprozessrechts auch in diesem Zusammenhang allein der Staatsanwaltschaft zusteht und die Verfahrensvoraussetzung nur dann nicht vorliegt, wenn sich aus der Begründung des Antrags oder aus dem Akteninhalt ohne Weiteres ergibt, dass die Annahme der Staatsanwaltschaft aus tatsächlichen Gründen nicht zutrifft oder auf einem Rechtsirrtum beruht. Denn der Senat konnte sich im Wege des Freibeweises davon überzeugen, dass die Staatsanwaltschaft zurecht einen hinreichenden Tatverdacht sowohl im Hinblick auf eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (vgl. , Rn. 6) als auch wegen Geldwäsche verneint hat.

12b) Ob in dem gegen den Ehemann der Einziehungsbeteiligten geführten Strafverfahren die Einziehung der beschlagnahmten Grundstücke oder des Wertes der durch die Einziehungsbeteiligte erlangten Gelder zulässig gewesen wäre, musste der Senat nicht prüfen. Das gegen den Ehemann der Einziehungsbeteiligten geführte Strafverfahren ist rechtskräftig abgeschlossen; eine über den Wert des durch ihn erlangten Tatertrages hinausgehende Einziehung ist unterblieben. Damit ist eine weitergehende Einziehung, insbesondere der beschlagnahmten Grundstücke, in einem subjektiven Verfahren jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr möglich. Da die Einziehungsbeteiligte in dem gegen ihren Ehemann geführten Strafverfahren nicht gemäß § 424 Abs. 1 StPO beteiligt war, stellt sich hier auch die Frage des Verfahrenshindernisses des Strafklageverbrauchs nicht (vgl. , BGHSt 67, 295, 316 Rn. 62). Zudem wurde das gegen sie geführte Ermittlungsverfahren erst am und damit nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens ihres Ehemanns im Dezember 2021 eingestellt, sodass bis zu diesem Zeitpunkt die Einziehung der Gegenstände in dem gegen die Einziehungsbeteiligte betriebenen subjektiven Verfahren noch möglich gewesen wäre. Die Staatsanwaltschaft war nicht gehalten, die Einziehung der im Verfahren gegen die Einziehungsbeteiligte sichergestellten Grundstücke zugleich im subjektiven Verfahren gegen ihren Ehemann zu erstreben.

132. Die Einziehungsentscheidungen halten sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

14a) Die hier vorzunehmenden Einziehungsanordnungen sind gemäß Art. 316h Satz 1, Art. 316k EGStGB am Maßstab des § 76a Abs. 4 Satz 1 StGB in den vor dem geltenden Fassungen zu messen. Aus der Antragsschrift der Staatsanwaltschaft vom , die der Senat im Revisionsverfahren von Amts wegen zur Kenntnis zu nehmen hatte, ergibt sich, dass die Sicherstellung der Grundstücke vor dem erfolgt ist, nämlich mit Beschluss des Amtsgerichts Aachen vom in Verbindung mit den Beschlüssen desselben Gerichts vom 20. und . Damit ist gemäß Art. 316k EGStGB das bis dahin geltende Recht maßgeblich. Der Antragsschrift ist weiter zu entnehmen, dass zum Zeitpunkt der Sicherstellung der Grundstücke bereits ein Verdacht wegen einer Katalogtat nach § 76a Abs. 4 Satz 3 StGB – hier gemäß Nr. 1 Buchst. f und 6 Buchst. b – bestand und die Sicherstellung gerade wegen dieses Verdachts erfolgte (vgl. , BGHSt 64, 186, 190 ff. Rn. 20 ff.).

15b) Die teilweise Finanzierung des Erwerbs der Immobilien mittels Bankdarlehen steht einer Einziehung gemäß § 76a Abs. 4 Satz 1 StGB nicht grundsätzlich entgegen.

16aa) Die Vorschrift des § 76a Abs. 4 StGB ermöglicht es, Vermögen unklarer Herkunft unabhängig vom Nachweis einer konkreten rechtswidrigen Tat einzuziehen, wenn das Gericht davon überzeugt ist, dass der sichergestellte Gegenstand aus einer rechtswidrigen Tat herrührt. Das Tatbestandsmerkmal „Herrühren“ ist § 261 StGB entlehnt und soll nach dem Willen des Gesetzgebers an die hierzu entwickelte Rechtsprechung anknüpfen (BT-Drucks. 18/9525, S. 73). Der weit auszulegende Begriff des „Herrührens“ erfasst daher auch eine Kette von Verwertungshandlungen, bei denen der ursprünglich bemakelte Gegenstand – gegebenenfalls mehrfach – durch einen anderen oder auch durch mehrere Surrogate ersetzt wird. Maßgeblich ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise, wonach Gegenstände dann als bemakelt anzusehen sind, wenn sie sich im Sinne eines Kausalzusammenhangs auf die Vortat zurückführen lassen, mithin ihre Ursache in der rechtswidrigen Tat haben (BT-Drucks. aaO, mwN).

17bb) In Fällen, in denen durch die Aufnahme eines Bankdarlehens möglicherweise legal erworbene und inkriminierte Geldmittel miteinander vermischt werden, ist der Einziehungsgegenstand nach den Grundsätzen zu bestimmen, die für den Geldwäschetatbestand bei „Teilkontamination“ entwickelt worden sind (BT-Drucks. aaO). Danach kommt es entscheidend darauf an, dass der aus Vortaten herrührende Anteil bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht völlig unerheblich ist (, BGHR StGB § 261 Abs. 7 Gegenstand 1 Rn. 60 mwN). Verfassungsrechtlichen Bedenken, die darauf abstellen, dass die weite Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Herrühren“ unter Rückgriff auf die von der Rechtsprechung zur Begründung einer Strafbarkeit wegen Geldwäsche entwickelten Grundsätze dem rein vermögensordnenden Charakter der Vermögensabschöpfung in Fällen der sogenannten Mischfinanzierung zuwiderlaufen könnte (vgl. Satzger/Schluckebier/Werner/Heine, StGB, 6. Aufl., § 76a Rn. 15; MüKoStGB/Joecks/Meißner, 4. Aufl., § 76a Rn. 16; Schönke/Schröder/Eser/Schuster, StGB, 30. Aufl., § 76a Rn. 13; Matt/Renzikowski/Altenhain/Fleckenstein, StGB, 2. Aufl., § 76a Rn. 9 ff.; NK-StGB/Saliger, 6. Aufl., § 76a Rn. 31; Meyer, StV 2017, 343, 345), wird nach Ansicht des Senats zumindest in Fällen wie dem vorliegenden, in denen sich die Vermischung legaler und illegaler Geldmittel als Folge nicht hinreichend aufklärbarer Straftaten der organisierten Kriminalität darstellt, dadurch Rechnung getragen, dass die Ausgestaltung der Norm als Soll-Vorschrift im Einzelfall unverhältnismäßige Einziehungsanordnungen verhindert (so auch Köhler, NZWiSt 2018, 226, 229). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme kann anknüpfend an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu „Verschiebungsfällen“ bei der Dritteinziehung und zu § 74f Abs. 1 StGB auf das Ausmaß der Bösgläubigkeit des betroffenen Dritten (BT-Drucks. aaO, mwN), die Höhe der Bemakelungsquote und den aktuellen Verkehrswert des Einziehungsgegenstands abgestellt werden und zudem Berücksichtigung finden, wer wirtschaftlicher Eigentümer der bemakelten Sache ist und ob die in diese investierten Geldmittel „faktisch“ aus strafbaren Handlungen stammen, es sich mithin um inkriminierte Gelder handelt, die beispielsweise über eine Darlehenskonstruktion in den Wirtschaftskreislauf eingespeist werden (vgl. , BGHR StGB § 74f Abs. 1 Verhältnismäßigkeit 1 Rn. 71).

18c) Ausgehend hiervon ermöglichen die Urteilsgründe dem Senat nicht die Nachprüfung, ob die Einziehungsentscheidungen jeweils auf einer tragfähigen Ermessensgrundlage getroffen wurden und mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sind.

19aa) Die Strafkammer hat sich zwar tragfähig beweiswürdigend belegt davon zu überzeugen vermocht, dass die legalen Einkünfte der Einziehungsbeteiligten und ihres Ehemanns einen Vermögensaufbau und -zuwachs in der in den Urteilsgründen dargestellten Weise nicht ermöglichten und sich der Erwerb und die Unterhaltung der Grundstücke nur durch die Verwendung illegal erworbener Vermögenswerte erklären lässt.

20bb) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet es indes, dass das Landgericht die Frage der Bemakelung nicht bezogen auf die jeweiligen Grundstücke geprüft, sondern lediglich allgemeine für eine (Teil-)Kontamination des Vermögens der Eheleute – und damit auch der betroffenen Grundstücke – sprechende Umstände gewürdigt und hieraus Rückschlüsse auf die jeweiligen Erwerbsvorgänge gezogen hat.

21Um dem Senat die Prüfung zu eröffnen, ob der auf rechtswidrigen Taten beruhende Anteil an den insgesamt aufgewendeten Mitteln bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht völlig unerheblich ist, hätten neben den getroffenen Feststellungen zum Kaufpreis und der aufgenommenen Darlehenssumme auch die Kaufnebenkosten und die Kosten der nachfolgenden Unterhaltung der Grundstücke, einschließlich etwaiger Sanierungs- oder Modernisierungskosten, mitgeteilt werden müssen. Nur anhand dieser Werte ist es möglich, die jeweilige Bemakelungsquote des Grundstücks, also den Anteil inkriminierter Gelder an den Gesamtaufwendungen, bezogen auf den Zeitpunkt der Einspeisung des illegalen Geldes in den Wirtschaftskreislauf (vgl. BGH aaO) zu bestimmen. Die Bemakelungsquote dient maßgeblich der Ausfüllung des Tatbestandsmerkmals „Herrühren“ in den sogenannten Vermischungsfällen und bildet einen gewichtigen Gesichtspunkt bei der sich im Rahmen der Ermessensausübung stellenden Frage der Verhältnismäßigkeit der Einziehung.

22Bei ihrer Bestimmung ist auch zu prüfen, ob eine Finanzierungsform allein deshalb gewählt wurde, um aus deliktischen Quellen stammende Geldmittel in legale Finanzströme einzuschleusen. Daher fließen in die Bestimmung des Anteils der Bemakelung auch inkriminierte Gelder ein, die für die Rückführung des Darlehens, einschließlich etwaiger Sondertilgungen, genutzt werden. Dabei steht der Einsatz erzielter Mieteinnahmen für die Begleichung von Darlehensforderungen der Annahme einer Bemakelung des Grundstücks nicht entgegen, da sich eine solche bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise auch an den daraus gezogenen Nutzungen (§ 100 BGB) fortsetzen kann (LK-StGB/Krause, 13. Aufl., § 261 Rn. 11). Um bei mischfinanzierten Vermögenswerten einen unverhältnismäßigen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Eigentumsgarantie des Artikel 14 Abs. 1 GG zu vermeiden, ist die Höhe des Anteils illegaler Geldmittel an den für jedes Grundstück gesondert zu erfassenden Gesamtaufwendungen genau in den Blick zu nehmen.

233. Das Urteil beruht auf den aufgezeigten Rechtsfehlern. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat hebt das Urteil insgesamt mit den Feststellungen auf, um dem neuen Tatrichter umfassende eigene, in sich widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen.

Menges                        Meyberg                        Lutz

               Zimmermann                   Herold

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:130225B2STR419.23.0

Fundstelle(n):
WAAAJ-90776