Instanzenzug: Az: 23 U 1400/21vorgehend Az: 15 O 237/20
Tatbestand
1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung in Anspruch. Er erwarb im Dezember 2012 von der Beklagten einen von ihr hergestellten neuen Mercedes-Benz GLK 220 CDI 4MATIC, der mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 651 (Schadstoffklasse 5) ausgerüstet ist.
2Der Kläger hat die Beklagte unter den Gesichtspunkten der kaufrechtlichen Gewährleistung und seiner deliktischen Schädigung durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs in Anspruch genommen. Er hat in erster Instanz zuletzt die Zahlung von 28.522,08 € nebst Verzugszinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs verlangt (Antrag zu 1). Soweit er mit der Klageschrift die Zahlung eines um 404,60 € höheren Betrags geltend gemacht hat, hat er den Rechtsstreit einseitig für erledigt erklärt. Ferner hat er die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten (Antrag zu 2) sowie die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (Antrag zu 3) begehrt. Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Die Berufung des Klägers, mit der er zuletzt in Bezug auf den Antrag zu 1 die Zahlung weiterer 321,86 € und Verzugszinsen aus einem Betrag von 25.132,15 € verlangt, den Antrag zu 1 in Höhe eines zunächst zusätzlich verlangten weiteren Betrags von 3.389,93 € nebst Verzugszinsen einseitig für erledigt erklärt und seinen Antrag zu 2 weiterverfolgt hat, ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsbegehren weiter, soweit er diese auf seine deliktische Schädigung durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs stützt.
Gründe
3Die Revision des Klägers hat Erfolg.
4Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
5Ein Anspruch gemäß § 826 BGB stehe dem Kläger nicht zu, da ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten nicht festzustellen sei. Ein Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB bestehe ebenfalls nicht. Das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, liege nicht im Aufgabenbereich der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV.
II.
6Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.
71. Allerdings begegnet es keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus § 826 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine konkreten Einwände.
82. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Urteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. VIa ZR 335/21, Rn. 29 bis 32).
9Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. VIa ZR 335/21, Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , NJW 2024, 361 Rn. 21 ff. und III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.
III.
10Das angefochtene Urteil ist in dem tenorierten Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil es sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil diese nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
11die erforderlichen
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:250325UVIAZR848.22.0
Fundstelle(n):
YAAAJ-90690