Instanzenzug: Az: 6 U 300/18vorgehend Az: 12 O 201/18
Tatbestand
1Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung des Klägers.
2Der Kläger erwarb im September 2014 einen Neuwagen Mercedes zum Kaufpreis von 33.050 €. Zur Finanzierung des über die geleistete Anzahlung von 25.500 € hinausgehenden Kaufpreises schlossen die Parteien mit Datum vom einen Darlehensvertrag über 7.550 € mit einem gebundenen Sollzinssatz von 2,95% p.a. Zins- und Tilgungsleistungen sollten in 48 Monatsraten zu je 166,95 € erbracht werden. Über sein Widerrufsrecht informierte die Beklagte den Kläger auf Seite 2 des Darlehensvertrags wie folgt:
3Mit Schreiben vom erklärte der Kläger den Widerruf seiner auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung. Nachdem die Beklagte den Widerruf als verfristet zurückgewiesen hatte, forderte der Kläger mit Anwaltsschreiben vom von der Beklagten die Rückzahlung der von ihm auf den Darlehensvertrag bis zum Widerruf erbrachten Leistungen nebst Anzahlung in Höhe von insgesamt 31.677,15 € nebst Zinsen und bot ihr im Gegenzug die Übergabe des finanzierten Fahrzeugs an.
4Mit der Klage begehrt der Kläger von der Beklagten (1.) die Zahlung von 31.677,15 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe des finanzierten Fahrzeugs, (2.) die Rückzahlung der nach dem Widerruf erbrachten Leistungen auf den Darlehensvertrag in Höhe von insgesamt 1.836,45 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe des finanzierten Fahrzeugs, (3.) die Feststellung, dass er der Beklagten keinen Wertersatz für den Wertverlust schulde, der an dem Fahrzeug seit der Übergabe an ihn eingetreten sei, (4.) die Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Übernahme des Fahrzeugs im Annahmeverzug befinde, und (5.) die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Gründe
5Die Revision ist überwiegend begründet.
I.
6Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
7Der Kläger habe seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung nicht wirksam widerrufen. Der Widerruf sei verfristet, weil die dem Kläger erteilte Widerrufsinformation nicht zu beanstanden sei und die ihm zur Verfügung gestellte Vertragsurkunde alle für die Ingangsetzung der Widerrufsfrist erforderlichen Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB in der bei Vertragsschluss geltenden Fassung enthalten habe.
8Die Widerrufsinformation genüge bereits wegen der Fiktion gemäß Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB den gesetzlichen Anforderungen. Dies gelte auch für den Hinweis auf eine nach Widerruf des Darlehensvertrags grundsätzlich bestehende Verpflichtung des Darlehensnehmers zur Zahlung von Sollzinsen für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung des Darlehens. Die Angabe des pro Tag zu zahlenden Zinsbetrags von "0,00 Euro" entspreche den Vertragsbedingungen. Die Widerrufsinformation sei auch nicht deswegen undeutlich, weil die Darlehensbedingungen ein möglicherweise AGB-rechtlich unwirksames Aufrechnungsverbot enthielten.
9Die Pflichtangaben zum Anspruch des Darlehensnehmers auf einen Tilgungsplan und zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrags seien zutreffend. Dagegen sei der Hinweis zur pauschalierten Vorfälligkeitsentschädigung zwar möglicherweise fehlerhaft. Ein etwaiger Fehler führe aber lediglich dazu, dass ein Anspruch der Beklagten auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung nach § 502 Abs. 2 BGB ausgeschlossen sei, während das Anlaufen der Widerrufsfrist unberührt bleibe.
II.
10Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.
11Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein wirksamer Widerruf des streitgegenständlichen, gemäß § 358 Abs. 3 BGB mit einem Kaufvertrag über ein Kraftfahrzeug verbundenen (Allgemein-)Verbraucherdarlehensvertrags nicht verneint werden. Das Berufungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass dem Kläger bei Abschluss des Darlehensvertrags gemäß § 495 Abs. 1 i.V.m. § 355 BGB ein Widerrufsrecht zustand und die Widerrufsfrist nicht zu laufen begann, bevor der Kläger die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hatte. Es hat aber zu Unrecht angenommen, dass die Beklagte ihre aus § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 EGBGB in der hier maßgeblichen, vom bis geltenden Fassung (im Folgenden: aF) resultierende Verpflichtung, über das nach § 495 Abs. 1 BGB bestehende Widerrufsrecht zu informieren, ordnungsgemäß erfüllt hat.
121. Wie der Senat nach Erlass der Berufungsentscheidung entschieden und im Einzelnen begründet hat, ist die dem Kläger erteilte Widerrufsinformation fehlerhaft, weil die in ihr enthaltene Verweisung auf "alle Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB" zwar nach den Maßstäben des nationalen Rechts klar und verständlich i.S.d. Art. 247 § 6 Abs. 1 EGBGB aF ist, dies aber im Geltungsbereich der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. 2008, L 133, S. 66, berichtigt in ABl. 2009, L 207, S. 14, ABl. 2010, L 199, S. 40 und ABl. 2011, L 234, S. 46) in Bezug auf (Allgemein-)Verbraucherdarlehensverträge bei einer richtlinienkonformen Auslegung gleichwohl zu verneinen ist (vgl. , BGHZ 227, 253 Rn. 13 ff. und vom - XI ZR 426/19, WM 2021, 44 Rn. 14 ff.).
132. Die Beklagte kann sich - anders als das Berufungsgericht meint - nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB aF berufen. Dies setzt voraus, dass die Widerrufsinformation der Beklagten dem Muster in Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB aF entspricht. Dies ist, was der Senat durch einen Vergleich selbst feststellen kann (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteil vom - XI ZR 482/15, BGHZ 212, 207 Rn. 26), wegen der fehlenden Zwischenüberschriften nicht der Fall (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 426/19, WM 2021, 44 Rn. 19).
III.
14Das Berufungsurteil erweist sich jedoch im Hinblick auf die Klageanträge zu 3 bis 5 aus anderen Gründen als richtig, so dass insoweit die Revision zurückzuweisen ist (§ 561 ZPO).
151. Das mit dem Klageantrag zu 3 verfolgte Feststellungsbegehren des Klägers, der Beklagten im Falle eines wirksamen Widerrufs keinen Wertersatz zu schulden, ist unbegründet. Entgegen der Auffassung des Klägers steht der Beklagten in diesem Fall gemäß § 358 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 357 Abs. 7 BGB - worauf sie ihn in der Widerrufsinformation hingewiesen hat - ein Anspruch auf Ersatz für den Wertverlust des finanzierten Fahrzeugs zu (vgl. im Einzelnen Senatsurteil vom - XI ZR 498/19, BGHZ 227, 253 Rn. 31 ff.).
162. Der Antrag auf Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des finanzierten Fahrzeugs in Annahmeverzug befinde (Klageantrag zu 4), ist ebenfalls unbegründet.
17Nach § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB ist auf die Rückabwicklung eines - wie hier - mit einem (Allgemein-)Verbraucherdarlehensvertrag verbundenen Vertrag über die Lieferung einer Ware neben § 355 Abs. 3 BGB ergänzend die Vorschrift des § 357 BGB anzuwenden (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 498/19, BGHZ 227, 253 Rn. 22). Aufgrund dessen ist der Kläger nach § 358 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB im Hinblick auf die Rückgabe des finanzierten Fahrzeugs vorleistungspflichtig. Der Beklagten steht nach § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB - was sie mit der Klageerwiderung geltend gemacht hat - gegenüber dem Kläger ein Leistungsverweigerungsrecht zu, bis sie das finanzierte Fahrzeug zurückerhalten hat oder der Kläger den Nachweis erbracht hat, dass er das Fahrzeug abgesandt hat. Dass die Beklagte angeboten hätte, das Fahrzeug beim Kläger abzuholen (§ 357 Abs. 4 Satz 2 BGB), ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der Kläger ist in der Widerrufsinformation auch darauf hingewiesen worden, dass er die Kosten der Rücksendung der Ware zu tragen hat (§ 357 Abs. 6 Satz 1 BGB).
18Die Rückgabepflicht des Klägers ist damit mangels anderweitiger Vereinbarung eine Bring- oder Schickschuld, die der Schuldner dem Gläubiger an dessen Wohnsitz anbieten oder an ihn absenden muss. Der Kläger hat der Beklagten das Fahrzeug nicht in einer den Annahmeverzug begründenden Weise nach §§ 293 bis 297 BGB angeboten. Dass der Kläger der Beklagten das Fahrzeug an deren Sitz tatsächlich angeboten oder an sie nachweisbar abgesandt hat (§ 294 BGB), hat er nicht vorgetragen. Seine wörtlichen Angebote waren zur Herbeiführung eines Annahmeverzugs der Beklagten unzureichend, weil diese seiner Vorleistungspflicht nicht genügt haben. Sein Schreiben vom enthält kein Angebot zur Herausgabe des Fahrzeugs. Im Anwaltsschreiben vom hat er der Beklagten lediglich eine Zug-um-Zug-Leistung angeboten.
193. Ein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (Klageantrag zu 5) steht dem Kläger gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Dies setzt voraus, dass der Kläger die von ihm selbst aus dem Rückgewährschuldverhältnis geschuldete Leistung der Beklagten in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten hat (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 498/19, BGHZ 227, 253 Rn. 25 mwN). Dies war hier nicht der Fall.
IV.
20Soweit sich das Urteil nicht aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 561 ZPO), ist es in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur weiteren Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
21Das Berufungsgericht wird sich zunächst mit dem Rechtsmissbrauchseinwand der Beklagten zu befassen haben (vgl. dazu Senatsurteil vom - XI ZR 498/19, BGHZ 227, 253 Rn. 27 f. mwN). Sofern das Berufungsgericht den Widerruf des Darlehensvertrags durch den Kläger für wirksam erachtet, wird es zu bedenken haben, dass der mit dem Klageantrag zu 1 verfolgte Zahlungsanspruch wegen der Vorleistungspflicht des Klägers (§ 358 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB) derzeit unbegründet ist. Soweit die Klage zumindest teilweise Erfolg haben sollte, wird sich das Berufungsgericht mit der Hilfswiderklage der Beklagten zu befassen haben.
V.
22Der Antrag des Klägers auf Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über die Vorabentscheidungsersuchen des Einzelrichters des Landgerichts Ravensburg vom (2 O 315/19, BKR 2020, 151), vom (2 O 328/19, 2 O 280/19, 2 O 334/19, juris) und vom (2 O 294/19, 2 O 249/19, juris) hat keinen Erfolg. Die dort und von der Revision aufgeworfenen Fragen hat der Senat bereits beantwortet (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 498/19, BGHZ 227, 253 Rn. 39 und , BGHZ 224, 302 Rn. 51).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:150621UXIZR365.20.0
Fundstelle(n):
AAAAJ-90672