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BGH Beschluss v. - 2 StR 651/24

Instanzenzug: Az: 103 KLs 15/24

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und mit Herstellen von Betäubungsmitteln sowie wegen versuchten besonders schweren Raubes in Tateinheit mit Sachbeschädigung“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Schuldspruchänderung; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.

21. Der Schuldspruch bedarf in beiden Fällen der Urteilsgründe der Korrektur.

3a) Im Fall II.1 der Urteilsgründe ist der Angeklagte des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig.

4aa) Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen verwahrte der Angeklagte am in der Wohnung einer Verwandten, bei der er untergekommen war, in einem Schrank im Flur 78,63 Gramm Amphetaminöl (Wirkstoffmenge 43,3 Gramm Amphetaminbase). Die Hälfte dieses Amphetaminöls war zum Handeltreiben, der verbleibende Rest zum Eigenkonsum bestimmt. Im nur wenige Meter entfernten Wohnzimmer bewahrte er einen Teil seiner persönlichen Gegenstände in zwei Koffern und mehreren Taschen auf. In diesen befanden sich u.a. ein Teleskopschlagstock, zwei Macheten, ein Messer und weitere Waffen. In der ebenfalls in unmittelbarer Nähe liegenden Küche lagerte er im Tiefkühlfach des Kühlschranks 20,44 Gramm Amphetaminsulfatzubereitung mit einer Wirkstoffmenge von 3,63 Gramm Amphetaminbase, die er zuvor aus Amphetamin hergestellt hatte. Die Hälfte dieser Menge war zum gewinnbringenden Verkauf, die andere Hälfte zum Eigenkonsum bestimmt. Im Schlafzimmer der Wohnung, in dem er anlässlich der Durchsuchung schlafend angetroffen worden war, verwahrte er in seinem Rucksack „circa 50 Tabletten“ einer Ecstasy-Zubereitung mit Hydrochlorid und Amphetamin und weitere vier Tabletten derselben Ecstasy-Zubereitung in einer Bauchtasche. Der Wirkstoffgehalt der circa 54 Tabletten lag bei 4,95 Gramm MDMA und 0,63 Gramm Amphetaminbase. Die circa 50 Tabletten im Rucksack waren zum Vertrieb, die verbleibenden vier Tabletten in der Bauchtasche zum Eigenkonsum bestimmt. Seine Gegenstände hatte der Angeklagte kurze Zeit vor der Durchsuchung vom in die Wohnung gebracht.

5Das Landgericht ist bei seiner rechtlichen Wertung davon ausgegangen, dass der Angeklagte aufgrund der Zugriffsnähe des Teleskopschlagstocks mit der Hälfte des Amphetaminöls bewaffneten Handel mit Betäubungsmitteln betrieben habe. Tateinheitlich hierzu habe er hinsichtlich der hälftigen Handelsmenge der Amphetaminsulfatzubereitung Betäubungsmittel nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Var. 2 BtMG hergestellt und hinsichtlich der 50 Ecstasy-Tabletten Handel mit Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Var. 3 BtMG betrieben. Im Hinblick auf die Eigenkonsummengen hat es den Angeklagten wegen tateinheitlichen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 Var. 4 BtMG schuldig gesprochen.

6bb) Die rechtliche Würdigung des Landgerichts hält revisionsgerichtlicher Prüfung nicht stand. Das Landgericht hat bei seiner rechtlichen Wertung übersehen, dass sämtliche Betätigungen, die sich im Rahmen ein und desselben Güterumsatzes auf den Vertrieb einer einheitlichen Rauschgiftmenge beziehen, vom gesetzlichen Tatbestand des Handeltreibens zu einer Bewertungseinheit und damit zu einer Tat des Handeltreibens verbunden werden (, NStZ-RR 2022, 249, 250) Die Annahme einer solchen Bewertungseinheit gilt auch dann, wenn – wie hier – der Täter über einen einheitlichen Verkaufsvorrat verfügt (vgl. BGH, Beschlüsse vom  – 5 StR 445/11, NStZ-RR 2012, 121, 122, und vom  – 4 StR 12/19, Rn. 2, jew. mwN). Denn der Angeklagte brachte nach den Feststellungen seine gesamten Gegenstände kurz vor der Durchsuchung in die Wohnung seiner Verwandten, um dort unterzukommen. Spätestens dadurch verfügte er am Durchsuchungstag über einen einheitlichen Verkaufsvorrat. Dabei reicht es für den Qualifikationstatbestand des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, wenn der qualifizierende Umstand nur bei einem Teilakt der Tat verwirklicht ist (vgl. , Rn. 8).

7Insofern kommt es nicht darauf an, ob die weitere Wertung der Strafkammer zutrifft, eine Zugriffsnähe im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG sei nach den Feststellungen nur für den Teleskopschlagstock und das Amphetaminöl gegeben.

8b) Im Fall II.2 der Urteilsgründe ist der Angeklagte, wie die Strafkammer in den Urteilsgründen selber ausführt und worauf der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend hinweist, anstelle eines versuchten besonders schweren Raubes der versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung schuldig. Hinzu tritt die rechtsfehlerfrei ausgeurteilte tateinheitliche Sachbeschädigung.

9c) Der Senat ändert den Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO ab. Das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 StPO steht der Schuldspruchänderung auf die Revision des Angeklagten nicht entgegen (st. Rspr.; vgl. etwa , Rn. 27 mwN). Gleiches gilt für die Regelung des § 265 Abs. 1 StPO, weil dem Angeklagten bereits mit der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage ein bewaffnetes Handeltreiben mit sämtlichen aufgefundenen Drogen zur Last gelegt worden war.

102. Die Schuldspruchänderungen lassen den Strafausspruch unberührt. Zwar führt die Strafkammer im Fall II.1 der Urteilsgründe aus, dass „zulasten des Angeklagten ins Gewicht“ falle, „dass er tateinheitlich zu dem strafrahmenbestimmenden bewaffneten Handeltreiben weitere Straftaten begangen“ habe, „nämlich ein weiteres Handeltreiben, ein Herstellen und einen Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“. Jedoch wird durch die Schuldspruchänderung der Schuldgehalt erhöht, da nunmehr auch die Handelsmengen von 10,22 Gramm Amphetaminsulfatzubereitung sowie die circa 50 Tabletten mit einer Ecstasy-Zubereitung dem bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln unterfallen. Im Fall II.2 der Urteilsgründe bewirkt die Schuldspruchkorrektur keine Veränderung des Schuldgehalts.

113. Die Überprüfung der Einziehungsentscheidung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

124. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:120325B2STR651.24.0

Fundstelle(n):
SAAAJ-90439