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BVerwG Urteil v. - 11 A 6/24

Tatbestand

1Der angegriffene Planfeststellungsbeschluss spricht der Klägerin eine Entschädigung für die Beeinträchtigung einer bergrechtlichen Bewilligung zu. Die Klägerin hält die Regelung für unzureichend.

2Mit Beschluss vom stellte der Beklagte den Plan für die Errichtung und den Betrieb des HVAC Netzanbindungssystems OST-1-4 (220 kV) zur Anbindung eines Windparks auf der Fläche O-1.3 - Abschnitt Seetrasse im Küstenmeer - fest ("Ostwind 3"). Das geplante Netzanbindungssystem quert unter anderem die marine Kiessandlagerstätte "Landtief".

3Die Klägerin ist seit 2010 Inhaberin der bergrechtlichen Bewilligung "Landtief", die das Gewinnungsrecht für den Bodenschatz Kiessand in der marinen Lagerstätte umfasst. Seit 2006 findet keine Kiesgewinnung mehr statt und liegen keine Betriebspläne für das Feld vor. Das Bewilligungsfeld hat einen Flächeninhalt von ca. 4,2 km². Es liegt fast vollständig im FFH-Gebiet "Greifswalder Boddenrandschwelle und Teile der Pommerschen Bucht" (DE 1749-302) und wird von dem planfestgestellten Kabelsystem auf einer Länge von ca. 1,5 km gequert. Das Kabelsystem verläuft parallel - mit etwa 100 m Abstand - zu den Systemen "Ostwind 1 und 2" (zu diesen: 11 A 5.24 -). Die durch "Ostwind 3" zusätzlich in Anspruch genommene Fläche des Bewilligungsfeldes beträgt ca. 10,46 ha.

4Der Planfeststellungsbeschluss enthält eine Entschädigungsregelung zugunsten der Klägerin, die - auszugsweise - wie folgt lautet:

" Entschädigung in Geld

Die K. GmbH hat einen Anspruch gegen die Vorhabenträgerin auf Entschädigung in Geld in Folge der unmittelbaren Inanspruchnahme von Teilflächen des bergrechtlichen Bewilligungsfeldes 'Landtief' durch das planfestgestellte Vorhaben, soweit der Wert der bergrechtlichen Bewilligung 'Landtief' durch die vorhabenbedingte Inanspruchnahme der Teilfläche des Bewilligungsfeldes verringert wird. Erbrachte Aufwendungen, die der K. GmbH bis zum Erlass des Planfeststellungsbeschlusses für die Ausnutzung der bergrechtlichen Bewilligung 'Landtief' und/​oder die Aufsuchung von Rohstoffen in dem Gebiet 'Landtief' entstanden sind, und die sich bei Ausführung des planfestgestellten Vorhabens als nutzlos erweisen, sind im Verhältnis der in Anspruch genommenen Teilfläche zur Gesamtfläche des Bewilligungsfeldes zu ersetzen."

5Die Klägerin hält diese Regelung für rechtswidrig. Sie meint, der Planfeststellungsbeschluss hätte eine Verpflichtung zur Entschädigung nach dem Wert der durch die Bewilligung rechtlich gewährten Rohstoffmenge regeln müssen. Werde nur auf den Wert der Bewilligung abgestellt, bleibe für das Entschädigungsverfahren offen, welche Faktoren für die Wertermittlung heranzuziehen seien. Über die maßgeblichen Bemessungsgrundlagen sei schon im Planfeststellungsbeschluss zu entscheiden.

6Die Klägerin beantragt,

- jeweils unter Aufhebung von Satz 1 der Nebenbestimmung Nr. des Planfeststellungsbeschlusses vom für die Errichtung und Betrieb des HVAC-Netzanbindungssystems OST-1-4 (220 kV) zur Anbindung eines Windparks auf der Fläche O-1.3 - Abschnitt Seetrasse im Küstenmeer -

den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin einen Anspruch gegen die Vorhabenträgerin zuzusprechen, ihr - der Klägerin - im Hinblick auf die Bewilligung "Landtief" eine Entschädigung für die vorhabenbedingte Inanspruchnahme von Teilflächen des Bewilligungsfeldes "Landtief" zum Verkehrswert des in der Bewilligung verbrieften Rohstoffvorkommens, das heißt nach dem Wert des gewinnungsfähigen Rohstoffvorkommens unter Berücksichtigung von berechtigten Abzugspositionen, zu leisten,

hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, über die der Klägerin von der Vorhabenträgerin zu gewährende Entschädigung für die vorhabenbedingte Inanspruchnahme von Teilflächen des Bewilligungsfeldes "Landtief" unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

7Beklagter und Beigeladene beantragen,

die Klage abzuweisen.

8Sie halten die Entschädigungsregelung für ausreichend.

Gründe

91. Das Bundesverwaltungsgericht ist für den Rechtsstreit sachlich zuständig. Es entscheidet gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO im ersten und letzten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten, die Planfeststellungsverfahren betreffen, die in dem § 43e Abs. 4 EnWG bezeichnet sind. Dazu gehören Energieleitungen, die nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EnWG planfestgestellt werden, also unter anderem Hochspannungsleitungen, die - wie hier - zur Netzanbindung von Windenergieanlagen auf See im Sinne des § 3 Nr. 49 EEG im Küstenmeer als Seekabel verlegt werden sollen.

102. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass der Planfeststellungsbeschluss als Bemessungsgrundlage für die Entschädigung den Verkehrswert des in der Bewilligung verbrieften Rohstoffvorkommens unter Berücksichtigung von berechtigten Abzugspositionen bestimmt. Die Entschädigungsregelung ist rechtmäßig, so dass die Klägerin auch keinen Anspruch auf die weiter hilfsweise beantragte Neubescheidung hat. Der Planfeststellungsbeschluss durfte - wie geschehen - als Bemessungsgrundlage für die Entschädigung die vorhabenbedingte Verringerung des Wertes der bergrechtlichen Bewilligung bestimmen.

11Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG M-V i. V. m. § 43 Abs. 4 und 5 EnWG. Nach § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG M-V hat die Planfeststellungsbehörde dem Träger des jeweiligen Vorhabens die Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen aufzuerlegen, die zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf die Rechte anderer erforderlich sind. Sind solche Vorkehrungen oder Anlagen untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar, hat der Betroffene nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG M-V einen Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld. Werden Inhalt und Schranken des Eigentums durch einen Verwaltungsakt bestimmt, muss dieser zugleich über einen gegebenenfalls zu gewährenden Ausgleich befinden; bei finanzieller Kompensation ist zumindest dem Grunde nach über das Bestehen des Anspruchs zu entscheiden ( - BVerfGE 100, 226 <246>). Im Planfeststellungsbeschluss sind zudem die Bemessungsgrundlagen für die Höhe des Entschädigungsanspruchs anzugeben ( 4 C 15.83 - BVerwGE 71, 166 <174 f.>, vom - 11 A 6.00 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 56 S. 31, vom - 7 A 11.11 - BVerwGE 143, 249 Rn. 70, 86, vom - 3 A 5.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 75 Rn. 111 und vom - 4 C 1.22 - BVerwGE 178, 371 Rn. 48).

12Die Höhe der Entschädigung orientiert sich grundsätzlich am Wert des beeinträchtigten Gutes (vgl. - NVwZ 2010, 512 Rn. 43 zur Enteignung). Das ist hier die bergrechtliche Bewilligung (vgl. 4 C 1.22 - BVerwGE 178, 371 Rn. 53 ff.), die dem Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts nach Art. 14 Abs. 1 GG unterfällt ( - BVerfGE 77, 130 <136>; Beschluss vom - 1 BvR 1679/17 u. a. - BVerfGE 155, 238 Rn. 83; 4 C 9.17 - BVerwGE 163, 294 Rn. 24 ff. und vom - 4 C 1.22 - BVerwGE 178, 371 Rn. 16). Da der Ausgleichsanspruch des § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG M-V nur der Kompensation eines gleichheitswidrigen Sonderopfers dient, muss er grundsätzlich auch nur diejenige Belastung ausgleichen, die die von der Sozialgebundenheit gerechtfertigte Belastung des Eigentums übersteigt ( 7 A 11.11 - BVerwGE 143, 249 Rn. 75).

13Um eine angemessene Entschädigung zu gewähren, war es nicht geboten, den Verkehrswert der förderbaren Rohstoffe als Ausgangspunkt für die Entschädigung zu wählen und damit - vorbehaltlich der von der Klägerin nur vage umschriebenen Abzugspositionen - sowohl die tatsächlichen und rechtlichen Risiken des "Ob" einer Gewinnung als auch die Kosten und den Aufwand einer solchen Gewinnung unberücksichtigt zu lassen.

14Die Bewilligung gewährt nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 BBergG das ausschließliche Recht, in einem bestimmten Feld (Bewilligungsfeld) die in ihr bezeichneten Bodenschätze aufzusuchen, zu gewinnen sowie das Eigentum an den Bodenschätzen zu erwerben. Bei Erteilung der Bewilligung wird jedoch grundsätzlich nicht geprüft, ob ihrer Ausübung öffentliche oder private Belange entgegenstehen. Ausgeübt werden kann die Bewilligung erst, nachdem ein Betriebsplan aufgestellt und genehmigt worden ist (vgl. §§ 51 f. BBergG). Der Bewilligungsinhaber kann deshalb nicht darauf vertrauen, die Bewilligung in vollem Umfang nutzen zu können ( 4 A 2.97 - BVerwGE 106, 290 <293>; Franke/​Karrenstein, in: Kühne u. a., BBergG, 3. Aufl. 2023, § 8 Rn. 23; Pottschmidt, in: Frenz, BBergG, 2019, § 8 Rn. 1).

15Die in einem Bewilligungsfeld förderbaren Rohstoffe werden meist den Wert der Bewilligung maßgeblich beeinflussen. Sie stellen aber nur einen unter mehreren Faktoren für diesen Wert dar. Weitere Faktoren sind regelmäßig die mit der Gewinnung der Rohstoffe verbundenen Kosten sowie die rechtlichen und tatsächlichen Risiken, die Rohstoffe fördern zu können ( 4 C 1.22 - BVerwGE 178, 371 Rn. 67). Der Planfeststellungsbeschluss musste daher nicht den Wert der förderbaren Rohstoffe als Bemessungsgrundlage für die Entschädigungshöhe benennen. Es genügte vielmehr, den Betroffenen darüber zu informieren, dass er vollständig für den vorhabenbedingt eintretenden Wertverlust der Bewilligung entschädigt wird. Es bleibt dem nach § 45a EnWG angeordneten Entschädigungsverfahren vorbehalten, die im konkreten Einzelfall zutreffenden Faktoren zur Bestimmung des Wertes der Bewilligung festzulegen und zur Anwendung zu bringen (vgl. zur Minderung des Verkehrswerts bei Grundstücken 11 A 1.97 - BVerwGE 107, 313 <333 f.>, vom - 11 A 6.00 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 56 S. 31 und vom - 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 396 a. E.).

16Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2025:150125U11A6.24.0

Fundstelle(n):
KAAAJ-90339