(Grundsicherung für Arbeitsuchende - Aufhebung der Leistungsbewilligung für die Vergangenheit - Austausch der Rechtsgrundlage von § 48 SGB 10 zu § 45 SGB 10 - Einkommensberücksichtigung - Absetzung einer Einkommensteuernachforderung für zurückliegende Zeiträume im aktuellen Bewilligungszeitraum - Zusammentreffen laufender und einmaliger Einnahmen - Erwerbstätigenfreibetrag)
Gesetze: § 11 SGB 2, § 11b Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 2, § 11b Abs 1 S 1 Nr 5 SGB 2, § 11b Abs 1 S 1 Nr 6 SGB 2, § 11b Abs 3 SGB 2, § 40 SGB 2, § 41a SGB 2, § 45 SGB 10, § 48 SGB 10
Instanzenzug: Az: S 35 AS 1239/19 Gerichtsbescheidvorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: L 6 AS 947/22 Urteil
Tatbestand
1Die Klägerin wendet sich zum einen gegen die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Alg II für den Monat Dezember 2017 und einen entsprechenden Erstattungsanspruch. Zum anderen begehrt sie höheres Alg II für den Monat Dezember 2018.
2Die Klägerin bezog seit 2015 Alg II. Sie bewohnt eine 51,75 m² große Mietwohnung, für die sie ab dem monatlich 311 Euro Grundmiete und 121 Euro Vorauszahlungen für Betriebs- und Heizkosten zahlte. Zum erhöhten sich die Grundmiete auf 327 Euro monatlich und zum darüber hinaus die Heiz- und Nebenkostenvorauszahlungen auf monatlich 124 Euro. Die Klägerin übte in den streitbefangenen Zeiträumen eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bei der Universität in Teilzeit aus. Das regelmäßige monatliche Bruttoeinkommen belief sich von November bis Dezember 2017 auf 1416,08 Euro sowie ab Januar 2018 bis April 2019 zunächst auf 1449,36 Euro. Im Mai 2019 erhöhten sich die monatlichen Bezüge rückwirkend für den Zeitraum ab Januar 2019 auf 1499,36 Euro brutto. Die Klägerin erhielt deshalb in diesem Monat eine Nachzahlung für Januar bis April 2019 von monatlich 50 Euro brutto.
3Für die betriebliche Altersversorgung der Klägerin bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) waren monatlich 1,81 % des Bruttoeinkommens abzuführen, vom regelmäßigen Einkommen 2017 ein Betrag iHv 25,63 Euro und 2018 iHv 26,23 Euro monatlich. Für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nutzte die Klägerin den Öffentlichen Personen-Nahverkehr bei monatlichen Kosten im Jahr 2017 von 185,11 Euro, im Jahr 2018 von 192,41 Euro und im Jahr 2019 von 194,85 Euro. Für ihren PKW entrichtete sie jährliche Beiträge zur Kfz-Haftpflichtversicherung iHv 161,40 Euro (2017), 166,20 Euro (2018) und 187,08 Euro (2019).
4Im November 2017 und im November 2018 erhielt die Klägerin - wie auch in den Vorjahren - neben den monatlichen Bezügen jeweils eine Jahressonderzahlung. Diese belief sich für November 2017 auf 1317,65 Euro brutto. Überwiesen wurde am ein Gesamtbetrag iHv 2062,51 Euro netto. Das Girokonto der Klägerin befand sich zu diesem Zeitpunkt mit 4194,91 Euro im Soll. Die Jahressonderzahlung für November 2018 betrug 1376,89 Euro brutto. Am wurden insgesamt 2058,39 Euro netto an die Klägerin überwiesen. Das Girokonto befand sich zu diesem Zeitpunkt mit 992 Euro im Soll.
5Auf den Weiterbewilligungsantrag der Klägerin vom gewährte das beklagte Jobcenter Alg II für die Zeit vom bis zum iHv 134,29 Euro für November 2017, iHv 122,99 Euro für Dezember 2017 sowie iHv 141,45 Euro monatlich für Januar bis April 2018 (Bescheid vom in der Fassung der Änderungsbescheide vom <betreffend die Monate Januar bis April 2018> und <betreffend den Monat November 2017>). Der Beklagte legte statt der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung eine von ihm als angemessen erachtete monatliche Grundmiete iHv 280 Euro und die zu leistenden Vorauszahlungen für Heiz- und Nebenkosten in tatsächlicher Höhe zugrunde. Er berücksichtigte Einkommen iHv 1160 Euro netto (1400 Euro brutto) abzüglich Werbungskosten, Freibeträgen und Aufwendungen für Versicherungen iHv insgesamt 474,88 Euro.
6Das für die Klägerin zuständige Finanzamt forderte für das Jahr 2016 eine Einkommensteuernachzahlung iHv 346,62 Euro, zahlbar bis zum (Bescheid vom ). Den Antrag der Klägerin auf "Kostenübernahme" dieser Forderung lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom ). Eine Übernahme als Mehrbedarf iS von § 21 Abs 6 SGB II komme nicht in Betracht, auch ein Darlehen sei abzulehnen. Die Klägerin legte keinen Widerspruch gegen diesen Bescheid ein. Die Forderung des Finanzamts wurde am durch einen Bekannten der Klägerin beglichen.
7Nach Anhörung der Klägerin hob der Beklagte die Bewilligung der Leistungen für den Zeitraum vom bis zum teilweise mit der Begründung auf, die Entscheidung sei wegen der Erzielung von Einkommen (Weihnachtsgeld) rechtswidrig geworden (§ 40 Abs 2 Nr 3 SGB II iVm § 330 Abs 3 SGB III und § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X), und verlangte die Erstattung eines überzahlten Betrags iHv 649,84 Euro (Bescheid vom ). Die Aufhebung und Erstattung für den Monat Dezember 2017 belief sich auf 98,82 Euro. Im Widerspruchsverfahren reduzierte der Beklagte die Aufhebung und Erstattung um monatlich jeweils 0,18 Euro und wies den Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom ). Dagegen hat die Klägerin vor dem SG Düsseldorf Klage erhoben, die unter dem Az S 35 AS 4706/18 geführt wurde.
8Durch einen weiteren Einkommensteuerbescheid des Finanzamts (Bescheid vom ) ist für das Jahr 2017 eine Steuerschuld iHv 317,67 Euro mit Zahlungsfrist bis zum festgestellt worden. Die Klägerin beantragte auch die Übernahme dieser Steuernachforderung.
9Auf den Weiterbewilligungsantrag vom gewährte der Beklagte für den Zeitraum bis wegen der Berücksichtigung von Einkommen zunächst vorläufig Alg II iHv monatlich 39,21 Euro für Dezember 2018 und 28,34 Euro monatlich für Januar bis Mai 2019 (Bescheid vom ). Dabei legte er an Stelle tatsächlich geschuldeter 327 Euro wiederum nur eine von ihm als angemessen angesehene monatliche Grundmiete iHv 307 Euro sowie Heiz- und Nebenkostenvorauszahlungen in tatsächlicher Höhe von 35 Euro bzw 89 Euro monatlich zugrunde. Den Antrag der Klägerin auf Übernahme der Steuernachforderung für das Jahr 2017 lehnte er ab (Bescheid ebenfalls vom ). Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom ). Dagegen hat die Klägerin ebenfalls Klage erhoben (SG Düsseldorf - S 35 AS 1239/19), die sie darauf beschränkte, (nur) für Dezember 2018 höhere Leistungen zu erhalten. Im Verlauf dieses Klageverfahrens hat der Beklagte die Leistungen für den Bewilligungszeitraum vom bis abschließend festgesetzt, für Dezember 2018 auf 1,44 Euro (Bescheid vom ).
10Das SG hat die Verfahren S 35 AS 4706/18 und S 35 AS 1239/19 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und den Beklagten unter Klageabweisung im Übrigen verpflichtet, "den Bescheid vom und den Widerspruchsbescheid vom dahingehend abzuändern, dass der Klägerin eine weitere Absetzungssumme in Höhe von 346,62 Euro anerkannt wird", sowie "den Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom dahingehend abzuändern, dass der Klägerin ein weiterer Absetzungsbetrag in Höhe von 317,67 Euro zuerkannt wird" (Gerichtsbescheid vom ). Die Bescheide erwiesen sich als rechtswidrig, soweit der Beklagte die von der Klägerin zu leistende Einkommensteuernachzahlung nicht gemäß § 11b Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II als von dem Einkommen entrichtete Steuern von deren Einnahmen abgesetzt habe. Den Bewilligungsbescheid vom in der Fassung des Änderungsbescheids vom habe der Beklagte für die Zeit vom bis zum dagegen zu Recht teilweise aufgehoben, weil insoweit Einkommen aus der Sonderzahlung an die Klägerin zu berücksichtigen gewesen sei.
11In dem nach Zulassung durch das LSG vom Beklagten angestrengten Berufungsverfahren hat dieser im Termin zur mündlichen Verhandlung am den Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom dahingehend abgeändert, "dass von der Klägerin [für den Monat Dezember 2017] ein um 1,35 Euro geringerer Betrag aufgehoben und zur Erstattung verlangt wird". Darüber hinaus hat er den Bescheid vom bezogen auf den Monat Dezember 2018 dahingehend abgeändert, "dass festgestellt wird, dass der Klägerin für diesen Leistungsmonat ein Leistungsbetrag i.H.v. 26,17 Euro zusteht". In diesem Umfang hat der Beklagte seine Berufung für erledigt erklärt.
12Das LSG hat den Gerichtsbescheid des SG aufgehoben und die Klagen (vollständig) abgewiesen (Urteil vom ). Zur Begründung hat es ua ausgeführt, zwar sei Rechtsgrundlage für die den Dezember 2017 betreffende Aufhebungsentscheidung § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 45 Abs 1 bis 4 SGB X und nicht § 48 Abs 1 SGB X. Die ursprünglichen Bescheide seien bereits anfänglich rechtswidrig gewesen, weil der Anspruch auf die tarifliche Sonderzahlung dem Beklagten bekannt gewesen sei. Die Voraussetzungen für eine Rücknahme nach § 45 Abs 1 SGB X lägen aber vor. Die vom Beklagten vorgenommene Berechnung zur Einkommensberücksichtigung sei zutreffend. Insbesondere könne die Einkommensteuernachforderung aus dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2016 nicht von dem zu berücksichtigenden Einkommen der Klägerin in Abzug gebracht werden, weil es sich weder um Steuern handele, die auf das aktuelle Einkommen entrichtet wurden, noch um Steuern iS von § 11b Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB II. Deshalb bestehe auch für Dezember 2018 kein Anspruch der Klägerin auf Alg II, der über die bewilligten Leistungen hinausgehe.
13Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 11 SGB II iVm § 11b Abs 1 Satz 1 Nr 1 und 5 SGB II, § 45 iVm § 24 Abs 1 SGB X sowie von § 41a Abs 4 SGB II aF. Der Wortlaut von § 11b Abs 1 Satz 1 Nr 1 und Nr 5 SGB II schließe es nicht aus, darunter auch Einkommensteuernachzahlungen für Vorjahre zu subsumieren. § 45 iVm § 24 Abs 1 SGB X sei verletzt, weil keine Anhörung der Klägerin erfolgt sei zu den inneren Tatsachen, die § 45 SGB X als Rückforderungsvoraussetzung nenne. Schließlich hätte bezogen auf den Leistungsanspruch ab Dezember 2018 für den Fall, dass die Einkommensteuernachzahlung als abzugsfähige Ausgabe anzusehen sei, keine Durchschnittsberechnung iS von § 41a Abs 4 SGB II aF erfolgen dürfen.
14Die Klägerin beantragt,das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom aufzuheben und die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
15Der Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.
16Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Gründe
17Die zulässige Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG) begründet. Der Senat vermag aufgrund fehlender Feststellungen zur Angemessenheit der Kosten der Unterkunft nicht zu entscheiden, ob die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Alg II sowie der geltend gemachte Erstattungsanspruch für den Monat Dezember 2017 rechtmäßig sind, und ebenso wenig, ob ein Anspruch auf höheres Alg II für den Monat Dezember 2018 besteht.
181. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist neben den Entscheidungen der Vorinstanzen zum einen der Bescheid zur Aufhebung sowie Erstattung vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom und der Erklärung des Beklagten vom , zeitlich beschränkt - wegen der Bestandskraft dieses Bescheids im Übrigen - auf den Monat Dezember 2017. Der Beklagte hat für diesen Monat die Leistungsbewilligung iHv 97,29 Euro aufgehoben und die Erstattung dieses Betrags verlangt.
19Zum anderen ist Gegenstand des Verfahrens der Bescheid vom in der Fassung der Änderung durch die Erklärung des Beklagten vom , zeitlich durch den ursprünglichen Klageantrag begrenzt auf den Monat Dezember 2018, soweit ein Anspruch für diesen Monat über den Betrag von 26,17 Euro hinaus abgelehnt worden ist. Der Beklagte hat abschließend Leistungen bewilligt, wodurch die vorläufige Bewilligung durch Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom ersetzt worden ist und sich erledigt hat (§ 39 Abs 2 SGB X). Der Bescheid vom ist nach § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Zwar hatte das SG mangels Kenntnis dieses Bescheids über die abschließende Bewilligung ausdrücklich (nur) über den Bescheid vom entschieden. Indessen hat das LSG im Berufungsverfahren über den Bescheid vom befunden, sodass ein möglicher Verfahrensfehler des SG geheilt wäre.
20Mit dem LSG ist davon auszugehen, dass der zeitgleich zu dem Bescheid über die vorläufige Bewilligung ergangene Bescheid über die Ablehnung der Übernahme der Steuerschuld aus dem Einkommensteuerbescheid vom keinen gegenüber der vorläufigen Bewilligung weitergehenden bzw eigenständigen Regelungsgegenstand enthält. Ein (möglicher) Mehrbedarf ist kein neben dem Regelbedarf gesondert geltend zu machender, abtrennbarer Streitgegenstand (stRspr; vgl nur - SozR 4-4200 § 21 Nr 34 RdNr 9 mwN; - SozR 4-4200 § 21 Nr 36 RdNr 11; - vorgesehen für SozR 4-4200 § 21 Nr 38 RdNr 11). Ob die Steuernachforderung zu einem höheren Leistungsanspruch führt, ist deshalb eine Frage der Rechtmäßigkeit des abschließenden Leistungsbescheids.
21Die Klägerin verfolgt ihr Begehren in Klagehäufung (§ 56 SGG) bezogen auf den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid mit einer Anfechtungsklage und im Übrigen mit einer kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs 1, 4 SGG (vgl - SozR 4-4200 § 11b Nr 14 RdNr 11). Mit dieser Klage macht sie für Dezember 2018 zulässigerweise im Höhenstreit weitere Geldleistungen (nur) dem Grunde nach (§ 130 Abs 1 Satz 1 SGG) geltend.
222. Als Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid bezogen auf den Monat Dezember 2017 hat das LSG zwar zu Recht § 45 SGB X iVm den Sonderregelungen des SGB II und SGB III herangezogen (a). Der Bescheid ist auch formell rechtmäßig (b). Mangels Feststellungen zur Angemessenheit der Kosten der Unterkunft vermag der Senat jedoch über die materielle Rechtmäßigkeit dieses Bescheids nicht abschließend zu entscheiden (c).
23a) Rechtsgrundlage für die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Alg II für den Monat Dezember 2017 ist - wie vom LSG zutreffend erkannt - § 40 Abs 1 Satz 1 SGB Il iVm § 45 SGB X. Mit der Jahressonderzahlung an die Klägerin im November 2017 ist - anders als der Beklagte angenommen hat - keine wesentliche Änderung derjenigen Verhältnisse eingetreten, die dem Bewilligungsbescheid vom zugrunde gelegen haben. Denn ein Bescheid über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ist rechtswidrig iS von § 45 SGB X, wenn schon feststeht, dass die begünstigte Person im geregelten Leistungszeitraum Einnahmen erzielen wird, die Behörde diesen Umstand aber nicht berücksichtigt. Bei einer in die Zukunft reichenden Bewilligung können und müssen objektiv feststehende bzw sicher zu erwartende Umstände, wie etwa ein regelmäßiges Einkommen, bereits in die Bewilligungsentscheidung einbezogen werden (vgl zum Ganzen Aubel in jurisPK-SGB II, 5. Aufl 2020, § 40 RdNr 15). Bei Unklarheiten - etwa wenn Einnahmen der Höhe nach schwanken - sieht das Gesetz die Möglichkeit einer vorläufigen Bewilligung (§ 41a Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II) vor.
24Hier stand bei Bekanntgabe des Bescheids vom objektiv zwar schon fest, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Beschäftigung aufgrund der tarifvertraglichen Regelungen jeweils im November eine Jahressonderzahlung erhalten würde. Ob der Beklagte auch die Höhe der Zahlung ohne Weiteres prognostizieren und entsprechend berücksichtigen konnte, erscheint indes zweifelhaft, kann aber dahinstehen. Denn soweit keine ausreichende Grundlage für eine abschließende Leistungsbewilligung bestand, hätte eine vorläufige Bewilligung erfolgen müssen. Die Entscheidung des Beklagten ist jedenfalls aus diesem Grund bereits bei ihrem Erlass rechtswidrig gewesen (vgl - SozR 4-1300 § 45 Nr 23 RdNr 22; - SozR 4-4200 § 41a Nr 3 RdNr 15, jeweils mwN).
25b) Der angefochtene Aufhebungs- und Erstattungsbescheid ist entgegen der Auffassung der Klägerin formell rechtmäßig. Insbesondere liegt keine Verletzung der Anhörungspflicht (§ 24 Abs 1 SGB X) vor. Zwar fordert § 24 Abs 1 SGB X, dass vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in Rechte des Beteiligten eingreift, Gelegenheit zu geben ist, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern. Bei der Beurteilung, welche Tatsachen entscheidungserheblich sind, ist allerdings auf die Rechtsansicht der Behörde abzustellen, selbst wenn diese unrichtig sein sollte (vgl - BSGE 112, 221 = SozR 4-1300 § 45 Nr 12, RdNr 21; - SozR 4-4200 § 40 Nr 9 RdNr 12). Deshalb ist es nach stRspr des BSG unschädlich, wenn zu einer Aufhebung nach § 48 SGB X angehört wird, obwohl Rechtgrundlage für die Aufhebung § 45 SGB X ist ( - BSGE 112, 221 = SozR 4-1300 § 45 Nr 12, RdNr 21; - BSGE 131, 128 = SozR 4-1300 § 45 Nr 24, RdNr 20; Aubel in jurisPK-SGB II, 5. Aufl 2020, § 40 RdNr 17 f).
26So liegt der Fall hier. Der Beklagte hat die Klägerin ausdrücklich zu einer Aufhebung nach § 48 SGB X angehört und die Aufhebung sodann - entsprechend seiner Rechtsauffassung - auch auf diese Vorschrift gestützt. Nichts anderes folgt aus dem von der Klägerin zitierten - SozR 4-1300 § 41 Nr 2). Nach dem Sachverhalt, der dieser Entscheidung zugrunde lag, hatte die Behörde - anders als hier - ihre Entscheidung bereits im Widerspruchsbescheid und abweichend vom Ausgangsbescheid auf § 45 SGB X anstelle von § 48 SGB X gestützt. Die von der Klägerin angerissene Frage nach möglicherweise strengeren Aufhebungsvoraussetzungen (hier etwa die Kenntnis bzw grobfahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit) betrifft bei einer unzutreffenden Rechtsauffassung der Behörde allein die materielle Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids und nicht das formelle Verfahrensrecht, dem die Anhörungspflicht zuzuordnen ist (so auch Aubel in jurisPK-SGB II, 5. Aufl 2020, § 40 RdNr 17).
27Der Austausch der Rechtsgrundlagen, auf die die Entscheidung gestützt wird, führt ebenfalls nicht zur formellen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids. Die §§ 45, 48 SGB X richten sich auf dasselbe Ziel, nämlich die Aufhebung eines Verwaltungsakts. Im Regelungsgefüge des SGB II ist zudem nach beiden Vorschriften eine gebundene Entscheidung vorgesehen. Gemäß § 40 Abs 2 Nr 3 SGB II ist § 330 Abs 2, 3 Satz 1 und Abs 4 SGB III entsprechend anwendbar. § 330 Abs 2 SGB III sieht auch im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen des § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X eine Rücknahme zwingend vor. Bleibt die getroffene Regelung aber dieselbe, ist das "Auswechseln" der Rechtsgrundlagen für die Entscheidung durch das Gericht grundsätzlich zulässig (vgl nur - BSGE 131, 128 = SozR 4-1300 § 45 Nr 24, RdNr 21 mwN; zuletzt - BSGE 135, 237 = SozR 4-4200 § 20 Nr 25, RdNr 18). Sind in diesem Fall die Voraussetzungen der zutreffenden Rechtsgrundlage erfüllt, kommt zwar eine unzutreffende Begründung des Verwaltungsakts in Betracht. Eine solche ist nach Maßgabe des § 41 Abs 1 Nr 2 SGB X aber unbeachtlich.
28c) Ob der angefochtene Bescheid nicht nur formell, sondern auch materiell rechtmäßig ist, kann nicht abschließend entschieden werden. Nach § 40 Abs 2 Nr 3 SGB II iVm § 330 Abs 2 Satz 1 SGB III und § 45 Abs 1 SGB X ist ein begünstigender Verwaltungsakt, soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den Einschränkungen der Abs 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung auch für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dabei kann sich der Begünstigte nach § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X nicht auf Vertrauen in den Bestand des Verwaltungsakts berufen, wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Hier war der ursprüngliche Bewilligungsbescheid vom in der Fassung des Änderungsbescheids vom wegen der im November 2017 ausgezahlten, unberücksichtigt gebliebenen Jahressonderzahlung bezogen auf den streitbefangenen Monat Dezember 2017 jedenfalls insoweit rechtswidrig, als die Klägerin dadurch in geringerer Höhe hilfebedürftig war, als im Ausgangsbescheid angenommen.
29Die Anspruchsvoraussetzungen für Alg II lagen vor, insbesondere war die Klägerin trotz ihres Einkommens hilfebedürftig (dazu aa). Denn sie war nicht in der Lage, ihren Bedarf (dazu bb) aus dem zu berücksichtigenden Einkommen (dazu cc), das anteilig auch die Jahressonderzahlung aus November 2017 umfasst (dazu dd), zu decken. Weil sich das zu berücksichtigende Einkommen allerdings als niedriger erweist als vom LSG angenommen, kann für eine abschließende Beurteilung, in welcher Höhe ihr Leistungen zustanden, nicht offenbleiben, ob die tatsächlichen Kosten der Unterkunft angemessen waren (dazu ee).
30aa) Rechtsgrundlage des Anspruchs auf Alg II sind § 19 Abs 1 Satz 1 iVm §§ 7, 20 ff SGB II in der ab dem geltenden Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen sowie zur Änderung des Zweiten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom (BGBl I 3159; Geltungszeitraumprinzip, vgl nur - SozR 4-4200 § 11 Nr 78 RdNr 14 f). Die Klägerin, die die Altersgrenzen nach § 7a SGB II noch nicht erreicht hat, war erwerbsfähig und hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 2 und 4 SGB II). Ausschlusstatbestände nach § 7 Abs 4, 4a oder 5 SGB II lagen nicht vor. Nach § 19 Abs 1 Satz 1 und § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Alg II nur, wenn sie hilfebedürftig sind. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs 1 SGB II ua, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann.
31bb) Als monatlichen Gesamtbedarf der Klägerin im Dezember 2017 hat das LSG "höchstens" 850,41 Euro angenommen. Zutreffend ist es dabei von einem Regelbedarf für Alleinstehende gemäß § 20 Abs 1 SGB II iHv 409 Euro (vgl § 20 Abs 1a Satz 1 und 3 SGB II, § 8 Abs 1 des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch in der Fassung vom , BGBl I 3159) und einem Mehrbedarf für Warmwassererzeugung gemäß § 21 Abs 7 SGB II iHv 9,41 Euro ausgegangen. Als Bedarf für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs 1 SGB II hat das LSG die tatsächlichen Aufwendungen der Klägerin iHv 432 Euro zugrunde gelegt. Feststellungen zur Angemessenheit dieser Kosten hat es allerdings nicht getroffen. Wiederum zutreffend hat es im Übrigen die im Dezember 2017 fällig gewordene Steuerschuld iHv 346,62 Euro nicht als bedarfserhöhend angesehen. Diese Steuerschuld begründet keinen Mehrbedarf nach § 21 SGB II in der hier anwendbaren Fassung des Gesetzes vom . Es handelt es sich bei dieser Forderung des Finanzamts für das Jahr 2016 schon um keinen laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarf iS von § 21 Abs 6 SGB II und die Forderung wäre zudem - jedenfalls bezogen auf den Zeitpunkt - möglicherweise vermeidbar gewesen.
32cc) Auf diesen "höchstens" bestehenden Gesamtbedarf ist das zu berücksichtigende Einkommen der Klägerin anzurechnen. Als Einkommen zu berücksichtigen sind gemäß § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II (in der Fassung des Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Rechtsvereinfachung - sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom , BGBl I 1824) Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen. Ergänzend bestimmen die auf Grundlage von § 13 Abs 1 Nr 1 SGB II erlassenen Vorschriften der Alg II-VO welche weiteren Einnahmen nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind und wie das Einkommen im Einzelnen zu berechnen ist. Auszugehen ist vom tatsächlichen Zufluss der Einnahme, es sei denn, rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt (modifizierte Zuflusstheorie; stRspr; siehe nur - SozR 4-4200 § 11 Nr 42 RdNr 10; - SozR 4-4200 § 22 Nr 107 RdNr 28).
33Die Klägerin erzielte im Dezember 2017 regelmäßige monatliche Einkünfte aus Erwerbstätigkeit iHv 1416,08 Euro (brutto). Hiervon sind nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG gemäß § 11b SGB II insgesamt 752,24 Euro abzusetzen (der vom LSG auf S 17 des Urteils genannte Betrag von 454,89 Euro enthält ersichtlich einen Übertragungsfehler). Der Absetzbetrag setzt sich zusammen aus 297,35 Euro für im Dezember 2017 einbehaltene Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung einschließlich Arbeitslosenversicherung (§ 11b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II), 69,08 Euro für weitere Beiträge zu Versicherungen (§ 11b Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II; im Einzelnen: Kfz-Haftplichtversicherung 13,45 Euro nach § 6 Abs 1 Nr 3 Alg II-VO, Arbeitnehmerbeitrag zur Zusatzversorgung 25,63 Euro und Pauschalbetrag nach § 6 Abs 1 Nr 1 Alg II-VO iHv 30 Euro), 185,81 Euro für Monatskarten als notwendige mit der Erzielung des Einkommens verbundene Ausgaben (§ 11b Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB II) und schließlich 200 Euro Erwerbstätigenfreibetrag (§ 11b Abs 1 Satz 1 Nr 6 iVm Abs 3 SGB II; maximale Höhe: 20 % von 900 Euro <180 Euro> nach Abs 3 Nr 1 + 10 % von 200 Euro <20 Euro> nach Abs 3 Nr 2).
34Die durch Einkommensteuerbescheid vom festgesetzte und im Dezember fällig gewordene Steuerschuld wegen der Einkommensteuer für das Jahr 2016 iHv 346,62 Euro ist demgegenüber nicht als Absetzbetrag zu berücksichtigen. Bei einer solchen Steuerschuld handelt es sich weder um auf das Einkommen zu entrichtende Steuern iS von § 11b Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II (dazu <1>) noch um (weitere) notwendige mit der Erzielung des Einkommens verbundenen Ausgaben iS von § 11b Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB II (dazu <2>).
35(1) § 11b Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II erfasst jedenfalls bei einer Erwerbstätigkeit in abhängiger Beschäftigung, wie sie die Klägerin ausgeübt hat, nur solche Steuern, die sich auf das im Bewilligungszeitraum erzielte Einkommen beziehen. Dies folgt aus systematischen Erwägungen und wird gestützt vom Wortlaut der Vorschrift. Nach § 11b Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II sind die "auf das Einkommen entrichtete Steuern" vom Einkommen abzusetzen. Unter Berücksichtigung des Einkommensbegriffs und des das Recht der Grundsicherung prägenden Monatsprinzips (dazu zuletzt -SozR 4-4200 § 41a Nr 8 RdNr 19; - vorgesehen für BSGE und SozR 4, RdNr 32) ist dabei im Falle einer abhängigen Beschäftigung allein das in dem Monat zugeflossene Einkommen in den Blick zu nehmen, für den Leistungen beansprucht werden. Soweit das Gesetz ausnahmsweise auf andere oder längere Zeiträume abstellt, bestehen Sonderregelungen, die auch die Absetzbeträge betreffen, etwa bei zu verteilenden Einmaleinnahmen (vgl § 11b Abs 1 Satz 2 SGB II) oder bei Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit (vgl § 3 Alg II-V).
36Dies zugrunde gelegt, fehlt Steuernachforderungen für zurückliegende Jahre, wie hier für das Jahr 2016, der Bezug zum Einkommen im Leistungsmonat. Sie beruhen vielmehr auf Einkommen in früheren Zeiträumen (so auch NZB - juris RdNr 18; - juris RdNr 35; - juris RdNr 26; zur Arbeitslosenhilfe bereits - SozR 4-4300 § 194 Nr 5 juris RdNr 15). Auch Steuernachforderungen stehen deshalb Schulden gleich, die grundsätzlich keine Hilfebedürftigkeit begründen (vgl <zur Arbeitslosenhilfe> - SozR 4-4300 § 194 Nr 5 - juris RdNr 15; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 11b RdNr 110, Stand Dezember 2024; Söhngen in jurisPK-SGB II, § 11b, 1. Überarbeitung, RdNr 31, Stand ).
37Weil es auf die - regelmäßig ohnehin nur schwer zu ermittelnde - Ursache von Schulden nicht ankommt, ist auch ohne Bedeutung, warum es zu der Steuernachforderung gekommen ist. Unerheblich ist daher die im Verfahren aufgeworfene Frage, ob der Klägerin bei einem von ihr veranlassten niedrigeren Lohnsteuerfreibetrag im Jahr 2016 wegen des dann geringeren Nettoeinkommens höhere Grundsicherungsleistungen zugestanden hätten. Zudem hätte sich die wirtschaftliche Lage der Klägerin - trotz eines solchen höheren Anspruchs - in dem früheren Zeitraum des Leistungsbezugs nicht abweichend dargestellt, denn die zum Lebensunterhalt zur Verfügung stehenden Beträge wären wegen des Steuerabzugs trotz höherer Grundsicherungsleistungen in etwa gleich gewesen.
38(2) § 11b Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB II vermag den Abzug der für das Jahr 2016 nachzuzahlenden Steuern ebenfalls nicht zu rechtfertigen, denn es handelt sich bei diesen auch nicht um als mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgaben. Entsprechende Ausgaben sind nur solche, die gerade durch die Erzielung des jeweiligen Einkommens kausal verursacht sind; nur diese Ausgaben können "notwendig" mit der Erzielung des Einkommens verbunden sein (vgl etwa - RdNr 31 mwN). Eine solche Kausalität liegt nicht vor, weil zwischen dem Einkommen im Dezember 2017 und der Steuernachzahlung keinerlei Zusammenhang besteht. Die Zahlung von Einkommensteuer ist schon grundsätzlich keine Voraussetzung für die Erzielung von Einkommen (hier aus Erwerbstätigkeit) sondern eine Rechtsfolge des Steuersystems.
39dd) Neben diesem im Dezember 2017 bereits zu berücksichtigenden Erwerbseinkommen iHv 663,84 Euro (1416,08 Euro abzüglich 752,24 Euro Absetzbeträge) ist normativ weiteres Einkommen wegen der am gezahlten Jahressonderzahlung (1317,65 Euro brutto) anzurechnen. Grundlage hierfür ist § 11 Abs 3 iVm Abs 2 SGB II (Normfassung des Gesetzes vom - im Folgenden aF). Nach § 11 Abs 3 Satz 1 SGB II aF sind einmalige Einnahmen in dem Monat, in dem sie zufließen, zu berücksichtigen. Sofern für den Zuflussmonat bereits Leistungen ohne Einbeziehung einmaliger Einnahmen erbracht worden sind, werden sie im Folgemonat berücksichtigt (§ 11 Abs 3 Satz 3 SGB II aF). Entfiele der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung in einem Monat, ist die einmalige Einnahme nach § 11 Abs 3 Satz 4 SGB II aF auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag zu berücksichtigen. § 11 Abs 2 Satz 3 SGB II aF bestimmt, dass für laufende Einnahmen, die in größeren als monatlichen Abständen zufließen, § 11 Abs 3 SGB II entsprechend gilt.
40Die Jahressonderzahlung ist jedenfalls wie eine einmalige Einnahme zu behandeln. Zwar handelt es sich - anders als das LSG meint - bei dieser Zahlung tatsächlich ebenfalls um eine laufende und nicht um einmalige Einnahme. Sie ist nach ihrem Rechtsgrund wiederkehrend zu zahlen (vgl - in Abgrenzung zur einmaligen Einnahme - zusammenfassend - SozR 4-4200 § 11 Nr 72 RdNr 16 f). Da sie aber entsprechend den tarifvertraglichen Regelungen nur jährlich und damit in einem größeren als monatlichen Abstand iS von § 11 Abs 2 Satz 3 SGB II aF zufließt, ist auf sie gleichwohl § 11 Abs 3 SGB II aF anzuwenden und die Zahlung jedenfalls wie eine einmalige Einnahme zu behandeln (vgl Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 11 RdNr 423 f, Stand Dezember 2019; Söhngen in jurisPK-SGB II, 5. Aufl 2020, § 11 RdNr 75, Stand ). Bei dem Zufluss der Jahressonderzahlung Ende November waren die Leistungen für diesen Monat ohne Einbeziehung dieser Zahlung bereits erbracht. Die volle Anrechnung im Dezember 2017 als den auf den Zufluss folgenden Monat würde den Leistungsanspruch der Klägerin für diesen Monat entfallen lassen, was selbst bei dem maximal in Betracht kommenden Gesamtbedarf von 850,41 Euro wegen des bereits zu berücksichtigenden Einkommens von 663,84 Euro ersichtlich der Fall wäre. Die Jahressonderzahlung ist deshalb auf sechs Monate ab Dezember 2017 zu verteilen.
41Der Berücksichtigung der Sonderzahlung steht, wie vom LSG zu Recht angenommen, nicht entgegen, dass mit dem Zufluss dieser Einnahme durch Gutschrift auf dem Konto der Klägerin ein Kontosoll zurückgeführt wurde. Denn ein tatsächlicher Wertzuwachs ist gleichwohl eingetreten (vgl - SozR 4-4200 § 11 Nr 70 RdNr 31 f; - SozR 4-4200 § 12 Nr 32 RdNr 38; zu gepfändetem Einkommen - BSGE 108, 144 = SozR 4-5870 § 6a Nr 2, RdNr 18).
42§ 24 Abs 4 Satz 2 SGB II - der zum in das SGB II eingefügt wurde - sieht im Übrigen nunmehr vor, dass Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als rückzahlbares Darlehen erbracht werden können, soweit Leistungsberechtigte einmalige Einnahmen entgegen deren gesetzlich vorgesehener Berücksichtigung im Verteilzeitraum vorzeitig verbraucht haben. Durch die veränderte Form der Leistungserbringung (Darlehen statt Zuschuss) soll einer Schuldentilgung mit den gleichwohl vom Jobcenter zu erbringenden existenzsichernden Mitteln entgegengetreten werden (vgl BT-Drucks 18/8041 S 40). Eine zuschussweise Leistungsgewährung scheidet demnach auch bei einem vorzeitigen Verbrauch der einmaligen Einnahme regelmäßig aus; das Bestreiten des Lebensunterhalts soll in diesem Fall allenfalls durch die Gewährung eines Darlehens sichergestellt werden.
43Allerdings hat das LSG die Höhe des sich aus der Jahressonderzahlung konkret ergebenden, weiter zu berücksichtigenden Einkommens nicht zutreffend beurteilt. Denn neben den vorgenommenen Absetzungen für Steuer und Versicherungsbeiträge ist wegen der Höhe des Bruttobetrags von mehr als 1200 Euro ein (zusätzlicher) Erwerbstätigenfreibetrag iHv 200 Euro nach § 11b Abs 1 Satz 1 Nr 6 iVm Abs 3 SGB II (maximale Höhe: 20 % von 900 Euro <180 Euro> nach Abs 3 Nr 1 + 10 % von 200 Euro <20 Euro> nach Abs 3 Nr 2) abzusetzen. Diesen hat das LSG zu Unrecht mit der Begründung nicht berücksichtigt, der Erwerbstätigenfreibetrag sei im Rahmen der Berechnung des laufenden Erwerbseinkommens vollständig ausgeschöpft.
44Der Senat hat bereits entschieden, dass im Fall von Einmaleinkommen neben laufendem Einkommen eine kumulative Berücksichtigung von Erwerbstätigenfreibeträgen vorzunehmen ist ( AS 9/21 R - SozR 4-4200 § 41a Nr 5 RdNr 30; vgl auch - SozR 4-4200 § 41a Nr 8 RdNr 26; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 11b RdNr 345 f, Stand Dezember 2024). Diese Entscheidung betraf die Nachzahlung von Überstundenvergütungen, die gemäß § 11 Abs 3 Satz 2 SGB II aF wie Einmalzahlungen zu behandeln und auch getrennt von den laufenden Einnahmen zu beurteilen war. Dies trifft auch auf die hier erfolgte Jahressonderzahlung zu. Für eine wegen Freibeträgen auf laufende Einkünfte nur begrenzte Berücksichtigung der Erwerbstätigenfreibeträge findet sich in § 11b Abs 1 Satz 1 Nr 6 SGB II, der uneingeschränkt auf Abs 3 verweist, nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Regelung kein Anhaltspunkt. Zwar will § 11b Abs 1 Satz 2 SGB II eine mehrfache Berücksichtigung von Absetz- und Freibeträgen auf dasselbe Einkommen vermeiden, doch handelt es sich bei einem laufenden und einem einmaligen Einkommen gerade nicht um dasselbe Einkommen (vgl AS 9/21 R - SozR 4-4200 § 41a Nr 5 RdNr 30).
45Unter Berücksichtigung der vom LSG vorgenommenen weiteren Absetzungen, die revisionsrechtlich nicht zu beanstanden sind, ergibt sich aus der Jahressonderzahlung insgesamt ein Anrechnungsbetrag iHv 769,41 Euro (969,41 Euro - 200 Euro zusätzlicher Erwerbstätigenfreibetrag). Dieser ist auf den Zeitraum Dezember 2017 bis Mai 2018 zu verteilen, woraus ein im Dezember 2017 zusätzlich zu berücksichtigendes Einkommen iHv nur 128,24 Euro folgt, und nicht wie vom LSG angenommen iHv 161,59 Euro.
46ee) Vor diesem Hintergrund kann nicht offenbleiben, ob Aufwendungen der Klägerin für ihre Unterkunft in tatsächlicher Höhe oder nur in angemessener Höhe als Bedarf anzuerkennen sind. Das LSG hat - aufgrund seiner Rechtsauffassung und der vorgenommenen Berechnung konsequent - angenommen, dass die Aufhebung und Erstattung selbst bei Anerkennung der tatsächlichen Aufwendungen für Kosten der Unterkunft als Bedarf auch der Höhe nach rechtmäßig sind. Demgegenüber ist der Beklagte in seinen Bescheiden durchgehend nur von geringeren angemessenen Kosten der Unterkunft ausgegangen, die zu berücksichtigen seien. Wären allerdings nur geringere als die tatsächlichen Aufwendungen für Kosten der Unterkunft anzuerkennen, könnte sich wegen des daraus folgenden geringeren Leistungsanspruchs die Aufhebung trotz des niedrigeren zu berücksichtigen Einkommens als rechtmäßig erweisen und eine Beschwer der Klägerin fehlen. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das LSG deshalb zunächst weitere Feststellungen zur Angemessenheit der Kosten der Unterkunft nachzuholen und in der Folge ggf auch die weiteren Rücknahmevoraussetzungen sowie die Höhe des sich aus § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X ergebenden Erstattungsanspruchs neu zu beurteilen haben.
473. Der Senat vermag wegen dieser noch fehlenden Feststellungen zu den Bedarfen für Unterkunft auch nicht zu entscheiden, ob die Klägerin für Dezember 2018 einen Anspruch auf höhere Leistungen hat, als ihr durch den Bescheid über die abschließende Bewilligung vom in der Fassung der Erklärung der Beklagten vom (26,17 Euro) gewährt wurden.
48Grundlage dieser abschließenden Festsetzung nach vorläufiger Bewilligung ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht § 41a Abs 3 Satz 1 SGB II in der bis zum geltenden Fassung (im Folgenden: aF) des Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Rechtsvereinfachung - sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom (Rechtsvereinfachungsgesetz, BGBl I 1824). Danach hatten die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende abschließend über den monatlichen Leistungsanspruch zu entscheiden, sofern die vorläufig bewilligte Leistung nicht der abschließend festzustellenden entsprach. Bei der abschließenden Feststellung des Leistungsanspruchs war als Einkommen ein monatliches Durchschnittseinkommen zugrunde zu legen. Dies galt gemäß § 41a Abs 4 Satz 2 SGB II aF nur dann nicht, wenn besondere Ausnahmetatbestände vorlagen.
49Hier weichen die abschließend festzustellenden Leistungen im Bewilligungsabschnitt von Dezember 2018 bis Mai 2019 von den vorläufig bewilligten Leistungen ab. Denn bei deren Berechnung hatte der Beklagte eine auch im November 2018 gezahlte Jahressonderzahlung nicht berücksichtigt. Es liegt auch keiner der Ausnahmetatbestände des § 41a Abs 4 Satz 2 SGB II aF vor. Insbesondere lässt das zu berücksichtigende Einkommen in keinem Monat des Bewilligungszeitraums iS von § 41a Abs 4 Satz 2 Nr 2 SGB II aF den Leistungsanspruch der Klägerin entfallen. Dem vom LSG angenommenen maximalen Gesamtbedarf der Klägerin iHv 876,57 Euro für den Monat Dezember 2018 (Regelbedarf 416 Euro; tatsächliche Kosten der Unterkunft 451 Euro; Mehrbedarf für Warmwassererzeugung 9,57 Euro) bzw 884,75 Euro für die Monate Januar bis Mai 2019 (Regelbedarf 424 Euro; Kosten der Unterkunft 451 Euro; Mehrbedarf für Warmwassererzeugung 9,75 Euro) steht bei einem nach den allgemeinen Regelungen der §§ 11 ff SGB II gebildeten Durchschnittseinkommen in keinem Leistungsmonat bedarfsübersteigendes Einkommen gegenüber (vgl zu den insoweit vorzunehmenden Berechnungen AS 9/21 R - SozR 4-4200 § 41a Nr 5 RdNr 22).
50Im Einzelnen ist als monatliches Durchschnittseinkommen für jeden Kalendermonat im Bewilligungszeitraum der Teil des Einkommens zu berücksichtigen, der sich bei der Teilung des Gesamteinkommens im Bewilligungszeitraum durch die Anzahl der Monate im Bewilligungszeitraum ergibt. Das laufende Erwerbseinkommen der Klägerin belief sich von Dezember 2018 bis April 2019 auf monatlich 1449,36 Euro brutto und im Mai 2019 auf 1499,36 Euro brutto. Daraus errechnet sich bei einem Gesamtbruttoeinkommen von 8746,16 Euro im Bewilligungszeitraum ein durchschnittliches monatliches Bruttoeinkommen von 1457,69 Euro. Die mit den Bezügen für den Monat Mai 2019 zur Auszahlung gelangte "Nachverrechnung aus Vormonaten" iHv 200 Euro brutto war nicht mit in die Einkommensberechnung einzubeziehen. Bei dieser Nachzahlung für zurückliegende Monate handelte es sich um eine einmalige Einnahme iS von § 11 Abs 3 Satz 2 SGB II aF, welche gemäß Satz 3 der Vorschrift im Folgemonat zu berücksichtigen ist, sofern für den Monat des Zuflusses bereits Leistungen ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme erbracht worden sind. Diese Regelung ist auch im Fall der abschließenden Festsetzung nach vorläufiger Bewilligung anwendbar ( AS 9/21 R - SozR 4-4200 § 41a Nr 5 RdNr 33 f). Danach scheidet eine Berücksichtigung der Nachzahlung im Monat Mai 2019 aus, weil bei deren Zufluss für diesen Monat bereits SGB II-Leistungen erbracht waren.
51Dieses durchschnittliche monatliche Bruttoeinkommen von 1457,69 Euro ist um die Absetzbeträge nach § 11b SGB II zu bereinigen. Die durch den Einkommensteuerbescheid vom für das Jahr 2017 festgesetzte und zum fällig gestellte Einkommensteuernachforderung iHv 317,67 Euro ist auch in diesem Bewilligungsabschnitt nicht einkommensmindernd zu berücksichtigen. Diese Forderung war im Übrigen bereits im November 2018, also nicht erst im Bewilligungszeitraum (Dezember 2018 bis Mai 2019) fällig.
52Zu dem der Höhe nach noch zu ermittelnden, bereinigten durchschnittlichen laufenden Einkommen aus Erwerbstätigkeit ist die der Klägerin neben diesem Einkommen im November 2018 zugeflossene Jahressonderzahlung iHv 1376,89 Euro brutto - wie auch schon die Jahressonderzahlung aus November 2017 - als einmalige Einnahme hinzuzurechnen und iS von § 11 Abs 3 Satz 2 und 3 SGB II aF über einen Zeitraum von sechs Monaten ab Dezember 2018 zu verteilen. Auch insoweit wird vom LSG zu berücksichtigen sein, dass die Sonderzahlung nach § 11 Abs 1 Satz 2 SGB II iVm § 11b Abs 1 Satz 1 Nr 6 und Abs 3 SGB II um einen zusätzlichen Erwerbstätigenfreibetrag zu bereinigen ist, und es wird - ebenso wie für Dezember 2017 - weitere Ermittlungen zu den angemessenen Kosten der Unterkunft vorzunehmen haben.
53Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG vorbehalten.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2024:171224UB7AS923R0
Fundstelle(n):
PAAAJ-90307