Suchen
BGH Urteil v. - VIa ZR 207/23

Instanzenzug: Az: 16a U 261/19vorgehend Az: 7 O 196/19

Tatbestand

1 Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch. Er erwarb im September 2012 von der Beklagten einen von dieser hergestellten Mercedes-Benz GLK 220 CDI als Neufahrzeug mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 651 (Euro 5).

2 Der Kläger hat zuletzt die Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe seines Fahrzeugs (Zurückweisungsantrag sowie Anschlussberufungsantrag zu 1) sowie die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (Anschlussberufungsantrag zu 2) verlangt. Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 30.869,28 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage unter Zurückweisung der Anschlussberufung des Klägers abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verlangt der Kläger die Zahlung von 36.354,79 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz jährlich hieraus Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs des Klägers sowie die Freistellung von Rechtsanwaltskosten, soweit er sein Klagebegehren auf seine deliktische Schädigung durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs stützt.

Gründe

3Die mit Blick auf die Rechtfertigung des Klageziels aus Delikt uneingeschränkt zugelassene (vgl. VIa ZR 1031/22, NJOZ 2023, 1133 Rn. 10 f. mwN) und auch im Übrigen zulässige Revision hat Erfolg.

4Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen wie folgt begründet:

5Ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB bestehe nicht. Eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung durch die Beklagte könne nicht festgestellt werden. Ein Anspruch des Klägers aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV oder mit Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 scheitere jedenfalls an der fehlenden Schutzgesetzqualität dieser Vorschriften.

II.

6Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren teilweise nicht stand.

71. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.

82. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Urteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl.  VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).

9Das Berufungsgericht hat daher zwar im Ergebnis zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl.  VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

10Die angefochtene Entscheidung ist demnach im tenorierten Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil sie sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Die Sache ist insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird auf der Grundlage der mit Urteil des Senats vom in der Sache VIa ZR 335/21 aufgestellten Grundsätze die erforderlichen Feststellungen zu einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben, nachdem es dem Kläger Gelegenheit gegeben hat, den Differenzschaden zu berechnen und dazu vorzutragen.

                                                  

                                           

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:010425UVIAZR207.23.0

Fundstelle(n):
BAAAJ-90303