Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „sexuellen Übergriffs in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit sexueller Nötigung unter Anwendung von Gewalt in Tateinheit mit Vergewaltigung“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt. Sein Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
21. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3a) Der Angeklagte traf auf einem Dorffest seine 2008 geborene ehemalige Nachbarin J. und deren 2006 geborene Freundin L. . Gemeinsam saßen sie auf einer Bank und tranken Alkohol. Der Angeklagte fasste beiden Nebenklägerinnen unter der Kleidung an die Brust, J. zusätzlich über der Kleidung in den Schritt. Zudem steckte er ihnen jeweils seine Hand in die Hose und berührte sie am Gesäß. Schließlich nahm er die Hand von L. und führte sie in seine Unterhose an seinen Penis. Der Angeklagte ignorierte, dass den Nebenklägerinnen die Berührungen „unangenehm waren und (sie) diese nicht wollten“ (Fall II.1).
4Als die offensichtlich alkoholisierten Nebenklägerinnen das Fest verließen, folgte der Angeklagte ihnen. Er hielt die Hände von J. fest, ergriff ihren Kopf und gab ihr „gewaltsam“ gegen ihren Willen einen Zungenkuss. Außerdem nahm er zu einem nicht näher eingrenzbaren Zeitpunkt auf dem Nachhauseweg ihre Hand, legte sie auf seinen Penis und führte Masturbationsbewegungen aus, obwohl sie versuchte, ihre Hand wegzuziehen. Er fasste L. in die Hose und berührte ihren Intimbereich. Ihren entgegenstehenden Willen, auf den J. hinwies, ignorierte der Angeklagte. Er drückte vielmehr L. s Kopf nach unten an seinen Penis, worauf sie diesen in den Mund nahm und es zuließ, dass der Angeklagte ihren Kopf hin und her bewegte. Aufgrund seiner körperlichen Überlegenheit und ihrer alkoholbedingten Beeinträchtigung war L. nicht in der Lage, sich zu wehren. Kurz nachdem es J. gelungen war, sie vom Angeklagten wegzuziehen, und die beiden sich auf einem nahen Spielplatz hinter einer Bank versteckt hatten, entdeckte der Angeklagte sie, stellte sich hinter L. und begann, ihre Hose herunterzuziehen. L. forderte den Angeklagten auf, von ihr abzulassen, und bat J. um Hilfe. Diese zog L. erneut weg und lief mit ihr nach Hause (Fall II.2).
5b) Das Landgericht hat die Tathandlungen im Fall II.1 als sexuellen Übergriff (§ 177 Abs. 1 StGB) in zwei tateinheitlichen Fällen und im Fall II.2 als sexuellen Übergriff (§ 177 Abs. 2 Nr. 2 StGB) in Tateinheit mit sexueller Nötigung (§ 177 Abs. 5 StGB) und Vergewaltigung (§ 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB) gewertet.
62. Die den Feststellungen zugrundeliegende Beweiswürdigung des Landgerichts begegnet durchgreifenden Bedenken.
7a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Die revisionsrechtliche Überprüfung beschränkt sich darauf, ob diesem bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht etwa dann der Fall, wenn die Erwägungen in sich widersprüchlich, unklar oder lückenhaft sind oder wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstoßen (st. Rspr.; vgl. , Rn. 9; Beschluss vom – 4 StR 286/23, Rn. 6). Gemäß § 267 StPO hat das Tatgericht die wesentlichen Beweiserwägungen in den Urteilsgründen so darzulegen, dass seine Überzeugungsbildung für das Revisionsgericht nachvollziehbar und auf Rechtsfehler überprüfbar ist. Steht Aussage gegen Aussage oder liegt eine vergleichbar schwierige Beweislage vor, ergeben sich hieraus gesteigerte Darstellungsanforderungen, namentlich in Bezug auf die Wiedergabe des Inhalts einer Zeugenaussage und deren Würdigung in den schriftlichen Urteilsgründen (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 428/23, Rn. 13; vom – 2 StR 311/22, Rn. 9 f.).
8b) Diesen erhöhten Anforderungen wird die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht gerecht.
9aa) Angesichts der Schwierigkeit der Beweislage, in der zwar nicht Aussage gegen Aussage steht, das Tatgericht seine Überzeugung aber im Wesentlichen auf die Angaben der erheblich alkoholisierten Nebenklägerinnen gestützt hat, ist es durchgreifend rechtsfehlerhaft, dass das Landgericht die Wiedergabe der Aussagen der Nebenklägerinnen vor Gericht auf den Hinweis beschränkt hat, diese hätten übereinstimmende Angaben zu dem festgestellten Sachverhalt gemacht, und zu den Aussagen im Ermittlungsverfahren nur anmerkt, dass sie das Geschehen gemäß den Feststellungen geschildert hätten. Auf dieser Grundlage kann der Senat nicht überprüfen, ob die Strafkammer rechtsfehlerfrei den Schluss gezogen hat, dass die Aussagen der Nebenklägerinnen von einer „hohen Konstanz“ geprägt waren.
10bb) Zudem fehlt es an einer nachvollziehbaren Wiedergabe und Würdigung der Entstehungsgeschichte der Aussagen der Nebenklägerinnen. Die Strafkammer hat „ein wesentliches Merkmal der Glaubhaftigkeit der Angaben“ der Nebenklägerinnen darin gesehen, dass beide in ihrer ersten polizeilichen Vernehmung unabhängig voneinander befragt worden seien und von dieser Vernehmung an bis zur gerichtlichen Vernehmung einen übereinstimmenden Sachverhalt geschildert hätten. Das Landgericht hätte sich in diesem Zusammenhang zur Prüfung und Erörterung der Frage gedrängt sehen müssen, ob die festgestellte übereinstimmende Schilderung des mehraktigen Geschehens auch anders als durch ein tatsächliches Erleben erklärbar sein und etwa darauf hindeuten könnte, dass die Nebenklägerinnen ihre Aussagen aufeinander abgestimmt haben.
11cc) Schließlich lassen die Urteilsgründe auch unter Berücksichtigung ihres Zusammenhangs die Tatzeit offen. Bei dieser Sachlage ist dem Senat die Prüfung verwehrt, ob das Tatgericht gehalten gewesen wäre, das Alter der Nebenklägerinnen zur Tatzeit sowie den Zeitablauf zwischen Tatbegehung und Vernehmungen bei der Bewertung der Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen zu berücksichtigen.
123. Ungeachtet des Umstands, dass das Landgericht die Angaben der Nebenklägerinnen durch einzelne außerhalb ihrer Aussage liegende Beweisanzeichen – namentlich durch eine von den Nebenklägerinnen nach dem verfahrensgegenständlichen Geschehen gefertigte Videoaufnahme und die Aussage eines Zeugen vom Hörensagen – bestätigt gefunden hat, vermag der Senat ein Beruhen des Urteils auf den Darstellungsmängeln nicht auszuschließen; denn diese Beweisanzeichen betreffen sämtlich nicht das Kerngeschehen. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.
Bartel Feilcke Wenske
Fritsche von Schmettau
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:190225B6STR685.24.0
Fundstelle(n):
IAAAJ-90237