Instanzenzug: LG Kleve Az: 110 KLs 1/24
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten Ka. wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in sechs Fällen, davon in fünf Fällen in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Den Angeklagten K. hat es der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in sieben Fällen, davon in sechs Fällen in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis, schuldig gesprochen sowie eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verhängt. Zudem hat es den Anrechnungsmaßstab für von dem Angeklagten Ka. erlittene Auslieferungshaft bestimmt. Die Angeklagten beanstanden mit ihren Revisionen die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Rechtsmittel haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
21. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen gründete ein gesondert Verfolgter ein Unternehmen, das in einem ehemaligen Supermarkt in Kleve Material für den Aufbau und Betrieb professioneller Cannabis-Plantagen verkaufte, etwa Utensilien zur Beleuchtung, Belüftung und Bewässerung sowie Pflanzenerde, Dünger und Rankhilfen für die Aufzucht. Mehr als neunzig Prozent der über eine Million Euro liegenden Jahresumsätze wurden mit dem Handel mit solchen Plantagen erzielt, die für den Schwarzmarkt produzierten. Sortiment und Zahlungsweise waren besonders auf das Interesse der Kunden abgestimmt, nicht entdeckt zu werden. Beispielsweise wurden Waren in neutraler Umverpackung übergeben und Rechnungen nicht an die Käufer adressiert, sondern mit Phantasienamen beschriftet. Die Aufgaben der Geschäftsführung übernahm im Jahr 2020 der Angeklagte Ka. , ab August 2023 der Angeklagte K. . Dieser war bereits zuvor als Mitarbeiter beschäftigt und im Verkauf tätig. Die Angeklagten beteiligten sich an dem ihnen bekannten Geschäftsmodell, weil sie neben finanziellen Interessen das ideologisch motivierte Ziel hatten, Dritten den Anbau und Vertrieb von Cannabis ohne staatliche Kontrolle zu ermöglichen. Im Jahr 2023 verlud der Angeklagte K. in mehreren Fällen von Käufern bestellte Waren, die letztlich in sechs unterschiedlichen Plantagen genutzt wurden und zum dortigen Anbau von Cannabis im Umfang von 24 bis annähernd 200 Kilogramm beitrugen.
32. Die Verfahrensrügen haben aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen keinen Erfolg.
43. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrügen führt zu einer Änderung der Schuldsprüche in Bezug auf die konkurrenzrechtliche Bewertung und daraus folgend zu einer Festsetzung der vom Landgericht bestimmten Gesamtfreiheitsstrafen als (Einzel-)Freiheitsstrafen. Im Übrigen hat sich kein Rechtsfehler zu Lasten der Angeklagten ergeben.
5a) Die durch die Beweiswürdigung belegten Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis (§ 129 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 StGB, § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 4 KCanG, §§ 27, 52 StGB). Insbesondere ergibt sich, dass der organisierte Zusammenschluss über individuelle Belange hinaus ein übergeordnetes gemeinsames Interesse verfolgte (s. dazu , BGHSt 66, 137 Rn. 21 ff.). Bei den Straftaten, auf deren Begehung Zweck oder Tätigkeit der Vereinigung gerichtet ist, kann es sich auch um Beihilfetaten handeln (vgl. , BGHR StGB § 129 Straftaten 4 Rn. 48 mwN). Der Verkauf und die Lieferung von speziell für professionelle Cannabisplantagen vorgesehenen Gegenständen waren nach den konkret getroffenen Feststellungen nicht lediglich „neutrale Handlungen“ (vgl. etwa , aaO Rn. 54), sondern solche, die gerade auf die Begehung von Straftaten gemäß § 34 KCanG abzielten.
6b) Das Konkurrenzverhältnis ist in Abweichung von dem Urteil dahin zu bewerten, dass die Angeklagten jeweils einer mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis schuldig sind.
7Der Tatbestand der mitgliedschaftlichen Beteiligung gemäß § 129 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 StGB verbindet grundsätzlich alle Betätigungen des Mitglieds für die kriminelle Vereinigung zu einer einzigen Tat im sachlichrechtlichen Sinne. Diese tatbestandliche Handlungseinheit umfasst mithin nicht nur Beteiligungsakte, die im Übrigen straflos sind, sondern auch solche, die noch ein weiteres Strafgesetz verletzen. Die anderen Delikte werden durch die mitgliedschaftliche Beteiligung zu Tateinheit verklammert. Nur wenn in Anwendung der allgemein geltenden Regeln der Klammerwirkung mindestens zwei weitere, durch verschiedene Einzelakte begangene Gesetzesverstöße ein – mehr als unwesentlich – höheres Gewicht als das Vereinigungsdelikt haben, stehen sie, obwohl sie mit diesem jeweils tateinheitlich zusammenfallen, in Tatmehrheit zueinander (, NJW 2025, 456 Rn. 11). Soweit der Senat zwischenzeitlich eine andere Ansicht vertreten hatte (vgl. dazu , BGHSt 60, 308), an der sich das Landgericht bei seinem Urteil ersichtlich orientiert hat, hat er diese aufgegeben.
8Hieran gemessen verbindet die mitgliedschaftliche Beteiligung einzelne Beihilfehandlungen zum Handeltreiben mit Cannabis, da diese nicht gewichtiger sind. Daher ist nicht mehr entscheidend, ob den Urteilsgründen überhaupt zu entnehmen ist, dass der Angeklagte Ka. individuelle Beiträge für die einzelnen Plantagen erbrachte und nicht bloß im Sinne eines uneigentlichen Organisationsdelikts tätig wurde (vgl. , NJW 2021, 3735 Rn. 27 mwN).
9c) Der Senat ändert den Schuldspruch und die Strafen entsprechend § 354 Abs. 1 StPO. Dem steht § 265 StPO nicht entgegen, denn die Angeklagten hätten sich bei einem Hinweis nicht wirksamer als geschehen verteidigen können. Hinsichtlich der Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis ist die Kennzeichnung einer gleichartigen Tateinheit in der Entscheidungsformel entbehrlich (s. , BGHSt 65, 286 Rn. 84). Die jeweiligen Gesamtfreiheitsstrafen sind als (Einzel-)Freiheitsstrafen festzusetzen, weil auszuschließen ist, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung auf geringere Strafen erkannt hätte. Es hat in den Urteilsgründen ausdrücklich dargelegt, dass es die Strafe ebenfalls für tat- und schuldangemessen hielte, wenn lediglich von einer Tat im Sinne des § 52 StGB auszugehen wäre.
104. Wegen des geringen Teilerfolgs der Revisionen ist es nicht unbillig, die Angeklagten mit den gesamten Kosten ihrer jeweiligen Rechtsmittel zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:180325B3STR452.24.0
Fundstelle(n):
EAAAJ-90234