Suchen
BGH Beschluss v. - 5 StR 450/24

Instanzenzug: LG Berlin I Az: 533 KLs 14/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwölf Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen sowie wegen Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition in Tateinheit mit Besitz von Munition zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf Verfahrensbeanstandungen und die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

21. Den Verfahrensrügen bleibt aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen der Erfolg versagt. Ergänzend dazu bemerkt der Senat:

3a) Die Rüge der Unverwertbarkeit der EncroChat-Daten insbesondere zum Nachweis der Taten, die sich auf Cannabis bezogen, ist unbegründet. Die Daten konnten auch zum Nachweis von Taten nach § 34 Abs. 1, Abs. 3 KCanG verwertet werden; ein Verfahrensverstoß lag darin nicht (vgl. Rn. 18 ff.; vgl. zur Verwertbarkeit von EncroChat-Daten auch Rn. 14 ff.).

4b) Die Rüge einer Verletzung des § 91g IRG ist schon deshalb nicht zulässig erhoben, weil mit der Stoßrichtung des nunmehr mit der Revisionsbegründung behaupteten Verfahrensfehlers – unterlassene Hinwirkung auf die Beendigung der Maßnahmen und unterlassene Information des Amtsgerichts Stuttgart durch das Bundeskriminalamt – in der Hauptverhandlung ein Verwertungswiderspruch nicht erhoben worden ist. Vielmehr war mit dem Verwertungswiderspruch in der Hauptverhandlung noch beanstandet worden, dass die französischen Behörden die erforderlichen Unterrichtungen nach § 91g Abs. 6 IRG, Art. 31 Abs. 1 RL-EEA unterlassen hätten. Der mit der Revision konkret geltend gemachte Verfahrensverstoß ist folglich in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht gerade nicht gerügt worden und damit in der Revision präkludiert. Die in der Gegenerklärung dazu angestellte Überlegung, der nunmehr geltend gemachte Verstoß sei „in groben Zügen“ im Verwertungswiderspruch enthalten gewesen, weil damit „die Unterschreitung des nationalen Schutzniveaus“ habe gerügt werden sollen, führt zu keiner anderen Bewertung. Denn es bleibt dabei, dass dem Verwertungswiderspruch die Rechtsprechung einer Strafkammer des Landgerichts Berlin und andererseits der Revision die spätere Rechtsprechung des Gerichthofs der Europäischen Union (EuGH) zu Grunde gelegt wurde und damit jeweils unterschiedliche Versäumnisse unterschiedlicher Behörden zu unterschiedlichen Zeitpunkten in Rede stehen.

5Die Rüge wäre im Übrigen aber auch unbegründet. Hierzu gilt ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts: Nach der Rechtsprechung des EuGH konnten die französischen Behörden ihrer Verpflichtung aus Art. 31 Abs. 1 RL-EEA genügen, indem sie eine ihnen geeignet erscheinende deutsche Behörde unterrichteten (, NJW 2024, 1723, 1730 Rn. 117). In Fällen, in denen die unterrichtete Behörde für Mitteilungen nach Art. 31 Abs. 3 RL-EEA nicht zuständig ist, obliegt ihr zwar von Amts wegen die Weiterleitung der Mitteilung an die zuständige Behörde, um die praktische Wirksamkeit von Art. 31 RL-EEA sicherzustellen (EuGH aaO Rn. 118). Dies führt entgegen der Auffassung der Revision hier aber nicht zu einer „analogen“ Anwendung von § 91g Abs. 6 IRG. Insbesondere lösten die von der Revision vorgetragenen Unterrichtungen des Bundeskriminalsamts – namentlich die gänzlich vage gehaltene SIENA-Nachricht vom – keine entsprechende Benachrichtigungspflicht aus, denn ihnen konnten keine Umstände entnommen werden, die etwa die Prüfung erlaubt oder auch nur nahegelegt hätten, ob die Ermittlungsmaßnahme in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall nicht genehmigt würde (vgl. Art. 31 Abs. 3 RL-EEA, § 91g Abs. 6 IRG).

62. Der Schuldspruch bedarf auf die Sachrüge der Korrektur, weil sich die Tathandlungen des Angeklagten in den Fällen 2, 3, 4, 6, 9, 12 und 13 der Urteilsgründe auf Marihuana und damit auf Cannabis im Sinne von § 1 Nr. 8 des am in Kraft getretenen Konsumcannabisgesetzes (KCanG, BGBl. I 2024, Nr. 109) bezogen, das den Umgang mit zum Konsum bestimmten Cannabis nunmehr abschließend regelt. Da sich die hier in Betracht kommenden Strafdrohungen von § 34 Abs. 1, Abs. 3 KCanG in jedem Fall als milder erweisen als diejenige des vom Landgericht zur Anwendung gebrachten § 29a Abs. 1 BtMG, hat der Senat dies nach § 2 Abs. 3 StGB auch im Revisionsverfahren zu berücksichtigen. Dies führt entsprechend § 354 Abs. 1 iVm § 354a StPO zur Änderung der Schuldsprüche. Die Vorschrift des § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

73. Die aus dem Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG zugemessenen Einzelstrafen können angesichts der deutlich milderen Strafdrohungen nach § 34 Abs. 1, Abs. 3 KCanG keinen Bestand haben. Die Aufhebung der Einzelstrafen entzieht auch der Gesamtstrafe die Grundlage. Die Feststellungen sind von der durch die Gesetzesänderung bedingten Aufhebung nicht betroffen; sie können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).

84. Der Senat hat nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten davon abgesehen, dem Antrag des Generalbundesanwalts entsprechend einzelne Tatvorwürfe nach § 154 Abs. 2 StPO einzustellen. Er war nicht gehindert, nach § 349 Abs. 2 StPO zu entscheiden, denn die Revision des Angeklagten hat auch nach Auffassung des Generalbundesanwalts im Ergebnis keinen weitergehenden Erfolg (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 279/15, wistra 2015, 476; vom – 4 StR 134/21 Rn. 16).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:270325B5STR450.24.0

Fundstelle(n):
UAAAJ-90233