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BGH Beschluss v. - 4 StR 579/24

Instanzenzug: LG Landau (Pfalz) Az: 2 KLs 7352 Js 3062/24 jug

Gründe

1 Das Landgericht hat den Angeklagten E.            wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit besonders schwerem Raub und besonders schwerer räuberischer Erpressung, Betruges, Bedrohung in zwei Fällen, Körperverletzung, versuchter Körperverletzung sowie Diebstahls in elf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Zudem hat es seine Unterbringung in der Entziehungsanstalt nach dem Vorwegvollzug eines Teils der verhängten Strafe angeordnet. Den Angeklagten P.             hat das Landgericht wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Diebstahls in sieben Fällen zu einer Einheitsjugendstrafe von vier Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil richten sich die jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten. Das Rechtsmittel des Angeklagten E.           hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es – wie die Revision des Angeklagten P.              – unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2 1. Die Unterbringung des Angeklagten E.           in der Entziehungsanstalt hat keinen Bestand. Die Maßregelanordnung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung am Maßstab des seit dem geltenden § 64 StGB in der Fassung vom (BGBl. 2023 I Nr. 203) nicht stand.

3 a) Ob der Angeklagte E.         nach den Feststellungen einen Hang im Sinne von § 64 Satz 1 StGB aufgrund einer Cannabinoidabhängigkeit aufweist, kann dahinstehen. Denn jedenfalls belegen die Urteilsgründe einen symptomatischen Zusammenhang dergestalt, dass die Anlasstaten „überwiegend“ auf den Hang zurückgehen, nicht. Die Mitursächlichkeit des Hangs für die Tat(en) ist nur dann ausreichend, wenn sie quantitativ andere Ursachen überwiegt (vgl. BT-Drucks. 20/5913, S. 69 f.; s. dazu Rn. 4; Beschluss vom – 6 StR 316/23 Rn. 8; Beschluss vom – 5 StR 246/23 Rn. 3; Urteil vom – 1 StR 214/23 Rn. 11 ff. mwN).

4 Hiervon ist auch die Strafkammer ausgegangen, hat jedoch eine Mitursächlichkeit in diesem Sinne nicht tragfähig begründet. Im Rahmen ihrer Prüfung nach § 32 JGG hat sie die gemeinsame Wurzel aller abgeurteilten Straftaten in der „problematischen dissozial geprägten Persönlichkeit“ des Angeklagten gesehen. Schon deshalb versteht es sich nicht von selbst, dass die Diebstahlstaten (Fälle 7 bis 17 der Urteilsgründe), die „auch der Beschaffung von Betäubungsmitteln dienten“, überwiegend auf den Hang des Angeklagten zurückgehen. Zumindest ohne nähere – und hier fehlende – Erörterung ist zudem nicht nachvollziehbar, dass sich im Fall 5 der Urteilsgründe eine hangbedingte Enthemmung (nach dem Konsum eines Joints und zusätzlich von Alkohol) in dem körperlichen Übergriff auf seine Mutter symptomatisch geäußert hat. Insoweit kommt hinzu, dass das Landgericht von einem emotionalen Ausnahmezustand des Angeklagten am Tattag nach dem Verweis aus der gemeinsamen Wohnung ausgegangen ist. Im schließlich herangezogenen Fall 18 der Urteilsgründe, dem ein Cannabis- und Amphetaminkonsum vorausging, hat die Strafkammer nicht erkennbar bedacht, dass das Raub-/Erpressungsdelikt zum Nachteil des Stiefbruders des Angeklagten darauf zielte, dem Opfer für einen seinerseits verübten Diebstahl eine Lektion zu erteilen. Bei dem Angeklagten P.              hat das Landgericht den symptomatischen Zusammenhang hier auch verneint.

5 b) Darüber hinaus ist die Erfolgsaussicht der Maßregel nicht durch hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte belegt. Denn die Ausführungen des Landgerichts lassen die erforderliche Gesamtabwägung (vgl. BT-Drucks. 20/5913 S. 47 ff., 69 ff.; Rn. 6; Beschluss vom – 6 StR 452/23 Rn. 5 f.) vermissen, die namentlich Behandlungsfähigkeit und Behandlungsbereitschaft des Angeklagten in den Blick zu nehmen hat und bei der es damit in erster Linie um in der Person und Persönlichkeit des Täters liegende Umstände geht. Mit der festgestellten Persönlichkeitsfehlentwicklung und den antisozialen Persönlichkeitsanteilen des Angeklagten E.         hat sich die Strafkammer jedoch im Rahmen ihrer Prüfung der Erfolgsaussichten nicht auseinandergesetzt.

6 c) Die aufgezeigten Rechtsfehler bedingen die Aufhebung des Maßregelausspruchs und des Ausspruchs über den Vorwegvollzug. Um dem neuen Tatgericht insgesamt widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen, hebt der Senat auch die jeweils zugehörigen Feststellungen auf (§ 353 Abs. 2 StPO).

7 2. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf die Sachrügen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

Quentin                      Sturm                      Maatsch

                  Scheuß                    Marks

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:260325B4STR579.24.0

Fundstelle(n):
AAAAJ-90231