Leitsatz
Zu den Anforderungen des § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO an die Übermittlung eines elektronischen Dokuments.
Gesetze: § 130a Abs 3 S 1 ZPO
Instanzenzug: OLG Zweibrücken Az: 1 U 154/23vorgehend LG Kaiserslautern Az: 3 O 492/22
Gründe
I.
1Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom abgewiesen. Dieses Urteil ist den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am zugestellt worden. Die Berufungsschrift und ein Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist sind form- und fristgemäß beim Oberlandesgericht eingegangen. Das Berufungsgericht hat die Berufungsbegründungsfrist antragsgemäß bis zum verlängert. Am ist beim Berufungsgericht eine von Rechtsanwalt Dr. I. qualifiziert elektronisch signierte Berufungsbegründung eingegangen. Im zugehörigen Prüfvermerk vom ist als Absender der Nachricht Rechtsanwalt Dr. E. genannt mit dem Hinweis: "Diese Nachricht wurde per EGVP versandt". Im Briefkopf der Berufungsbegründung sind mehrere Berufsträger angegeben, unter anderem Rechtsanwalt Dr. E. und Rechtsanwalt Dr. I. In der Berufungsbegründung wird einleitend Rechtsanwalt Dr. E. als "Ansprechpartner" genannt. Am Ende des Schriftsatzes findet sich nur die Angabe "Rechtsanwalt", ein Name ist dort nicht angegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung nach einem Hinweis durch Beschluss als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Rechtsbeschwerde.
II.
2Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
31. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Berufung sei als unzulässig zu verwerfen, da sie nicht innerhalb der Frist des § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO begründet worden sei. Die als PDF-Dokument eingegangene Berufungsbegründung genüge nicht den Anforderungen des § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO. Der Schriftsatz sei per EGVP, also nicht auf einem sicheren Übermittlungsweg, eingereicht worden. Es wäre deshalb eine qualifizierte elektronische Signatur des Einreichers notwendig gewesen. Zwar habe Rechtsanwalt Dr. I. die Berufungsschrift qualifiziert elektronisch signiert; es sei aber nicht hinreichend sicher, ob dieses Sozietätsmitglied den eingereichten Schriftsatz auch bewusst eingereicht habe und ihn habe verantworten wollen. Denn eine einfache Signatur am Ende der Berufungsbegründung - also die maschinenschriftliche Wiedergabe des Namens oder z.B. die eingescannte Unterschrift des Einreichers - fehle. Die Berufungsbegründung sei lediglich mit "Rechtsanwalt" unterzeichnet. Hinzu komme, dass die Berufungsbegründung ausweislich des Prüfvermerks vom "aus dem EGVP" des Rechtsanwalts Dr. E. versandt worden sei, der im Kopf der Berufungsbegründung als Sachbearbeiter ("Ansprechpartner") aufgeführt sei. Dieser habe auch die Berufung eingelegt und das Verfahren in erster Instanz allein verantwortet. Damit stehe nicht fest, welcher der beiden Anwälte die Berufungsschrift verantworte.
42. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
5Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Die Verwerfung der Berufung als unzulässig verletzt die Klägerin in ihrem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). Dieses Verfahrensgrundrecht verbietet es, einer Partei den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. BVerfG NJW 1991, 3140; Senatsbeschluss vom - VI ZB 74/22, NJW 2023, 2280 Rn. 6 mwN). Das ist vorliegend erfolgt. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Berufung der Klägerin sei nicht innerhalb der Frist des § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO begründet worden, da der am beim Berufungsgericht eingegangene Schriftsatz den Anforderungen des § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO nicht genüge, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
6a) Gemäß § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO muss das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Die Bestimmung stellt damit zwei Wege zur rechtswirksamen Übermittlung von elektronischen Dokumenten zur Verfügung. Zum einen kann der Rechtsanwalt den Schriftsatz mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Zum anderen kann er auch nur einfach signieren, muss den Schriftsatz aber sodann selbst auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a Abs. 4 ZPO, etwa über ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) nach den §§ 31a und 31b BRAO (§ 130a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ZPO), einreichen. Die einfache Signatur hat in dem zuletzt genannten Fall die Funktion zu dokumentieren, dass die durch den sicheren Übermittlungsweg als Absender ausgewiesene Person mit der die Verantwortung für das elektronische Dokument übernehmenden Person identisch ist; ist diese Identität nicht feststellbar, ist das Dokument nicht wirksam eingereicht (vgl. Senatsbeschluss vom - VI ZB 22/23, NJW-RR 2024, 1058 Rn. 5; , NJW 2024, 1660 Rn. 9 f.). Nach einhelliger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist ein elektronisches Dokument, das aus einem persönlich zugeordneten beA (vgl. § 31a BRAO) versandt wird und nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, nur dann wirksam eingereicht, wenn die das Dokument signierende und damit verantwortende Person mit der des tatsächlichen Versenders übereinstimmt (vgl. Senatsbeschluss vom - VI ZB 22/23, NJW-RR 2024, 1058 Rn. 5 mwN).
7b) Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zu Recht angenommen, dass die Berufungsbegründung, die mit dem Wort "Rechtsanwalt" ohne Namenszusatz endet, nicht unter den Voraussetzungen des § 130a Abs. 3 Satz 1 2. Alt. ZPO beim Berufungsgericht eingereicht worden ist. Denn die Berufungsbegründung ist weder mit einer einfachen Signatur eines Rechtsanwalts versehen, wofür die einfache Wiedergabe des Namens am Ende des Textes ausreicht (vgl. , NJW 2022, 3512 Rn. 10; BT-Drucks. 17/12634 S. 25; Bacher, MDR 2022, 1441 Rn. 22), noch auf einem sicheren Übermittlungsweg im Sinne des § 130a Abs. 4 Satz 1 ZPO eingereicht worden. Aus den Angaben im Prüfvermerk vom ergibt sich, dass die Berufungsbegründung zwar aus dem beA des Rechtsanwalts Dr. E. versandt worden ist, aber nicht von ihm persönlich. Hätte Rechtsanwalt Dr. E. die Nachricht persönlich versandt, lautete die Angabe im Prüfvermerk: "Sicherer Übermittlungsweg aus einem besonderen Anwaltspostfach". Bei Nachrichten, die nicht vom Inhaber des beA selbst versandt worden sind, lautet die Angabe im Prüfvermerk hingegen wie im Streitfall, nämlich "Diese Nachricht wurde per EGVP versandt" (vgl. , juris Rn. 10; Bacher, MDR 2022, 1441 Rn. 29, 32).
8c) Rechtsfehlerhaft ist aber die Ansicht des Berufungsgerichts, die Berufungsbegründung sei auch nicht nach § 130a Abs. 3 Satz 1 1. Alt. ZPO wirksam beim Berufungsgericht eingereicht worden, da nicht feststehe, welcher der beiden Anwälte, Rechtsanwalt Dr. E. oder Rechtsanwalt Dr. I., die Berufungsbegründung verantworte. Rechtsanwalt Dr. I. hat die Berufungsbegründung qualifiziert elektronisch signiert. Mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur ist die Vermutung verbunden, dass er die Verantwortung für die Berufungsbegründung übernehmen wollte; diese Vermutung ist im Streitfall nicht erschüttert.
9aa) Die qualifizierte elektronische Signatur entspricht im elektronischen Rechtsverkehr der handschriftlichen Unterschrift (Senatsbeschluss vom - VI ZB 36/22, NJW 2023, 2433 Rn. 16; , NJW 2024, 1660 Rn. 10; jeweils mwN). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht der Sinn der Unterschrift darin, die Identifizierung des Urhebers der Prozesshandlung zu ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck zu bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen. Zugleich soll sichergestellt werden, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist (Senatsbeschluss vom - VI ZB 22/19 und VI ZB 23/19, NJW-RR 2020, 309 Rn. 11; für die qualifizierte elektronische Signatur , NJW 2023, 1587 Rn. 10; jeweils mwN). Es spricht grundsätzlich eine Vermutung dafür, dass der Unterzeichner sich den Inhalt eines Schreibens zu eigen gemacht hat und dafür aufgrund eigener Prüfung die Verantwortung übernimmt (BVerfG, NJW 2016, 1570 Rn. 24; Senatsurteil vom - VI ZR 279/21, NJW-RR 2023, 495 Rn. 7 mwN). Entsprechend bringt der Rechtsanwalt, der ein elektronisches Dokument qualifiziert elektronisch signiert, selbst wenn es von einem anderen verfasst wurde, wie mit seiner eigenhändigen Unterschrift ohne weitere Voraussetzungen im Zweifel seinen unbedingten Willen zum Ausdruck, Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen (vgl. , NJW 2024, 1660 Rn. 13 mwN).
10bb) Diese mit der qualifizierten elektronischen Signatur von Rechtsanwalt Dr. I. verbundene Vermutung ist im Streitfall nicht erschüttert. Entgegenstehende Anhaltspunkte ergeben sich nach den oben angeführten Grundsätzen weder daraus, dass Rechtsanwalt Dr. E. nach den Feststellungen des Berufungsgerichts das Verfahren in erster Instanz allein verantwortet und die Berufung eingelegt hat, noch daraus, dass er als "Ansprechpartner" in der Berufungsbegründung angegeben ist. Anders als das Berufungsgericht meint, ist auch unschädlich, dass der Name von Rechtsanwalt Dr. I. am Ende des Schriftsatzes nicht genannt ist und der Schriftsatz nicht aus dessen beA versandt worden ist. Das Berufungsgericht verkennt die Anforderungen des § 130a Abs. 3 Satz 1 1. Alt. ZPO. Die einfache Signatur eines Schriftsatzes ist neben der qualifizierten elektronischen Signatur nach § 130a Abs. 3 Satz 1 1. Alt. ZPO nicht erforderlich (vgl. Bacher, MDR 2022, 1441 Rn. 17; nach , NJW 2024, 1660 Rn. 13 und BAG, NJW 2020, 258 Rn. 9 f. ist sogar unschädlich, wenn am Ende des qualifiziert elektronisch signierten Schriftsatzes ein anderer Name steht). § 130a Abs. 3 Satz 1 1. Alt. ZPO verlangt auch nicht, dass der Schriftsatz aus dem beA desjenigen Rechtsanwalts, der den Schriftsatz qualifiziert elektronisch signiert hat, dem Gericht übermittelt wird (vgl. , NStZ-RR 2024, 316 f., juris Rn. 5 f. mwN [zu § 32a Abs. 3 Satz 1 1. Alt. StPO]).
113. Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
Seiters von Pentz Klein
Allgayer Linder
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:110325BVIZB5.24.0
Fundstelle(n):
FAAAJ-90225