Leitsatz
1. Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 lässt eine Direktklage des Geschädigten gegen den Versicherer des Haftenden zu, falls sie entweder nach dem auf das außervertragliche Schuldverhältnis oder nach dem auf den Versicherungsvertrag anzuwendenden Recht vorgesehen ist. Die Anwendbarkeit der Regelung setzt voraus, dass der Geschädigte gegen den Haftenden einen Anspruch aus einem außervertraglichen Schuldverhältnis hat. Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 ist nicht anwendbar, wenn dem Geschädigten aufgrund eines mit dem Haftenden geschlossenen Vertrags über die Beförderung von Gütern ein Schadensersatzanspruch zusteht.
2. Ist nach Art. 15 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 für das Verhältnis zwischen dem Geschädigten und seinem Versicherer deutsches Recht maßgeblich, geht nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG nicht nur der frachtvertragliche Anspruch des Geschädigten, sondern auch dessen etwaiger Direktanspruch gegen den Versicherer des Haftenden auf den Versicherer über, soweit der Versicherer den Schaden ersetzt hat.
3. Da die Haftpflichtversicherung
Gesetze: Art 18 EGV 864/2007, Art 7 Abs 4 Buchst b EGV 593/2008, Art 15 EGV 593/2008, Art 46d Abs 2 BGBEG, § 86 Abs 1 S 1 VVG, § 115 Abs 1 S 1 VVG, § 7a Abs 1 GüKG
Instanzenzug: Az: 15 U 54/23vorgehend LG Mannheim Az: 25 O 40/22
Tatbestand
1Die Klägerin ist alleiniger Verkehrshaftungsversicherer der N. S. GmbH (nachfolgend: Versicherungsnehmerin der Klägerin). Die Versicherungsnehmerin der Klägerin wurde von dem Spediteur R. am zu einem fixen Entgelt von 530 € damit beauftragt, am in Uelzen eine Partie Pulvermischungen, insgesamt 16 Kolli mit 10.130 kg, zu übernehmen und nach Nidda-Harb zu befördern. Der Spediteur hatte seinerseits einen entsprechenden Auftrag von der Versenderin des Transportguts erhalten. Die Versicherungsnehmerin der Klägerin gab den Auftrag an den in Polen wohnhaften Beklagten zu 1 weiter, dessen Haftungsversicherung die Beklagte zu 2 ist, die ihren Geschäftssitz ebenfalls in Polen hat.
2Der Beklagte zu 1 nahm die Sendung in einwandfreiem Zustand auf sein Fahrzeug. Bei Ankunft bei der Empfängerin war die Ware massiv durchnässt. Die Empfängerin verweigerte die Annahme. Ein Sachverständiger stellte einen Totalschaden fest und bezifferte diesen auf 91.620,59 € (Warenwert: 90.440,59 € zuzüglich 590 € Kosten der Beförderung nebst Ersatzlieferung).
3Der Spediteur R. wurde durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Mannheim vom zum Schadensersatz an den Versicherer der Versenderin des Transportguts in Höhe von 91.984,65 € nebst Zinsen verurteilt. In diesem Rechtsstreit hatte die Versicherungsnehmerin der Klägerin beiden Beklagten den Streit verkündet, nachdem ihr selbst von dem Spediteur R. der Streit verkündet worden war.
4Die Versicherer des Spediteurs R. erwirkten sodann ein Urteil des Landgerichts Mannheim vom , mit dem die Versicherungsnehmerin der Klägerin zur Erstattung des Schadensbetrags und der Prozesskosten abzüglich eines von der Beklagten zu 2 entrichteten Betrags verurteilt wurde.
5Die Klägerin beglich die Summe, die ihre Versicherungsnehmerin zu zahlen hatte, und verlangt im vorliegenden Rechtsstreit von den Beklagten gesamtschuldnerisch Ersatz von ihr gezahlter Beträge in Höhe von 69.535,81 €, von 7.375,00 € und von 6.587,13 €, jeweils nebst Zinsen.
6Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil des Zinsanspruchs stattgegeben (LG Mannheim, Urteil vom - 25 O 40/22, BeckRS 2023, 54257). Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert. Es hat die landgerichtliche Verurteilung des Beklagten zu 1 zur Zahlung von Beträgen in Höhe von 59.480,81 €, 7.375,00 € und 6.587,13 €, insgesamt 73.442,94 €, nebst Zinsen unter Zurückweisung seiner weitergehenden Berufung bestätigt und die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Klage abgewiesen (OLG Karlsruhe, RdTW 2025, 20).
7Mit der vom Berufungsgericht insoweit zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des der Klage gegen die Beklagte zu 2 stattgebenden landgerichtlichen Urteils im Umfang der vom Berufungsgericht gegenüber dem Beklagten zu 1 ausgeurteilten Beträge. Die ordnungsgemäß geladene Beklagte zu 2 war im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Revisionsgericht nicht vertreten. Die Klägerin beantragt, über ihr Rechtsmittel durch Versäumnisurteil zu entscheiden.
Gründe
8die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte gegeben. Soweit die Klage gegen den Beklagten zu 1 gerichtet sei, sei sie überwiegend begründet. Die Klage gegen die Beklagte zu 2 sei jedoch unbegründet. Dazu hat es ausgeführt:
973.442,94 €) zu. wegen einer ebenfalls dem deutschem Recht unterliegenden Hilfsaufrechnung des Beklagten zu 1 mit Forderungen auf Transportlohn aus nicht streitgegenständlichen Frachtverträgen in Höhe von 10.055 € erfüllt. Insoweit sei die Klage gegen den Beklagten zu 1 abzuweisen.
10Die Klage gegen die Beklagte zu 2 sei unbegründet. Die Klägerin könne sich nicht auf die einen Direktanspruch gegen den Versicherer begründende Vorschrift des Art. 822 § 4 Abs. 4 des Polnischen Zivilgesetzbuchs berufen. Das auf den Anspruch der deutschen Geschädigten gegen die polnische Beklagte zu 2 anwendbare Recht bestimme sich nicht nach Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom-II-VO). Diese Vorschrift setze ein außervertragliches Schuldverhältnis voraus. Ein angeblicher im Gesetz geregelter Direktanspruch des Geschädigten gegen den Versicherer seines Vertragspartners knüpfe jedoch an den Transportvertrag an, da der Versicherer die vertragliche Schuld des Versicherungsnehmers erfüllen solle. Es sei daher von einem vertraglichen und nicht von einem außervertraglichen Charakter eines angeblichen Direktanspruchs gegen die Beklagte zu 2 auszugehen. Auf diesen Anspruch sei nach Art. 15 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom-I-VO) das zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 1 geltende Recht abzustellen und damit auf das deutsche Recht. Das deutsche Recht werde nicht durch das polnische Recht wieder verdrängt. Da der Beklagte zu 1 gemäß § 7a GüKG zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung verpflichtet gewesen sei, unterliege der Versicherungsvertrag zwischen den beiden Beklagten im Hinblick auf den geltend gemachten direkten Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 2 gemäß Art. 46d Abs. 2 EGBGB, Art. 7 Abs. 4 Buchst. b Rom-I-VO deutschem Recht. Ausgehend vom deutschen Recht bestehe kein Direktanspruch gegen die Beklagte zu 2.
11B. Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Über das Rechtsmittel ist trotz der Säumnis der Beklagten zu 2 nicht durch Versäumnisurteil, sondern durch streitiges Endurteil (unechtes Versäumnisurteil) zu entscheiden, weil sich die Revision als unbegründet erweist (st. Rspr.; vgl. nur , GRUR 2024, 1345 [juris Rn. 5] = WRP 2024, 1056 - durchschnittliche Sternebewertung, mwN). Die Klage gegen die in Polen geschäftsansässige Beklagte zu 2 ist zulässig (dazu B I), aber unbegründet (dazu B II).
12I. Die Klage gegen die Beklagte zu 2 ist zulässig. Das Berufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, die auch unter der Geltung des § 545 Abs. 2 ZPO in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. , BGHZ 233, 153 [juris Rn. 12] mwN), wegen der rügelosen Einlassung der Beklagten zu 2 gemäß Art. 26 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel-Ia-VO) zu Recht bejaht. Hiergegen wendet sich die Revision nicht.
13II. Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Klägerin stehe gegen die Beklagte zu 2 kein Direktanspruch zu, mit dem sie die Mitverpflichtung der Beklagten zu 2 als Gesamtschuldnerin neben dem Beklagten zu 1 geltend machen könne. Die Klägerin kann einen solchen Direktanspruch nicht gemäß Art. 18 Rom-II-VO aus Art. 822 § 4 Abs. 4 des Polnischen Zivilgesetzbuchs herleiten (dazu II 1). Ein derartiger Direktanspruch ergibt sich auch nicht aus dem nach der Rom-I-Verordnung für den von den beiden Beklagten geschlossenen Versicherungsvertrag maßgeblichen deutschen Recht (dazu II 2).
141. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass Art. 18 Rom-II-VO der Klägerin nicht das Recht gewährt, gegen die Beklagte zu 2 einen Direktanspruch nach Art. 822 § 4 Abs. 4 des Polnischen Zivilgesetzbuchs geltend zu machen.
15a) Nach Art. 18 Rom-II-VO kann der Geschädigte seinen Anspruch direkt gegen den Versicherer des Haftenden geltend machen, wenn dies nach dem auf das außervertragliche Schuldverhältnis oder nach dem auf den Versicherungsvertrag anzuwendenden Recht vorgesehen ist.
16Art. 18 Rom-II-VO ist keine Kollisionsnorm für das materielle Recht, das für die Bestimmung der Verpflichtung des Versicherers oder des Versicherungsnehmers anzuwenden ist. Art. 18 Rom-II-VO beschränkt sich darauf, eine Direktklage zuzulassen, falls sie nach einer der aufgeführten Rechtsordnungen erhoben werden kann (, TranspR 2016, 468 [juris Rn. 40 und 41] - Prüller-Frey unter Verweis auf die Schlussanträge des Generalanwalts vom - C-240/14, juris Rn. 75). Um zu bestimmen, ob ein Kläger unmittelbar gegen den Versicherer des Haftenden klagen kann, ist zu prüfen, ob nach dem auf das außervertragliche Schuldverhältnis anzuwendenden Recht oder nach dem auf den zwischen dem Versicherer und dem Haftenden geschlossenen Versicherungsvertrag anzuwendenden Recht eine Direktklage gegeben ist (vgl. EuGH, TranspR 2016, 468 [juris Rn. 43] - Prüller-Frey; BayObLG, VersR 2025, 188 [juris Rn. 13]; zu Art. 40 Abs. 4 EGBGB, der - bezogen auf unerlaubte Handlungen - Art. 18 Rom-II-VO entspricht, vgl. , BGHZ 209, 157 [juris Rn. 15]).
17b) Art. 18 Rom-II-VO ist im Streitfall nicht anwendbar. Die Regelung setzt voraus, dass der Geschädigte gegen den Haftenden einen Anspruch aus einem außervertraglichen Schuldverhältnis hat. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt, weil der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch ihrer Versicherungsnehmerin gegen den Beklagten zu 1 auf einem Frachtvertrag und damit auf einem vertraglichen und nicht auf einem außervertraglichen Schuldverhältnis beruht.
18aa) Ein Direktanspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 2 käme nach Art. 18 Rom-II-VO nur in Betracht, wenn das Rechtsverhältnis zwischen der geschädigten Versicherungsnehmerin der Klägerin und dem Beklagten zu 1 außervertraglicher Natur wäre.
19(1) Allerdings wird im Schrifttum die Ansicht vertreten, dass der Anwendungsbereich des Art. 18 Rom-II-VO auch bei Bestehen eines Frachtvertrags zwischen Geschädigtem und Haftenden eröffnet sei. Begründet wird dies damit, dass der Direktanspruch des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers kein vertraglicher sei, sondern eine außervertragliche Natur besitze (Hartenstein, TranspR 2013, 20, 26; Gördes, RdTW 2025, 13 Rn. 14). Außerdem wird die Ansicht vertreten, sofern die Voraussetzungen für eine Anknüpfung nach dem Deliktsstatut mangels außervertraglichen Haftungsverhältnisses nicht vorlägen, verbleibe die Anknüpfung nach dem Versicherungsstatut (Gördes, RdTW 2025, 13 Rn. 28).
20(2) Dem kann nicht zugestimmt werden. Art. 18 Rom-II-VO ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Regelung allein auf den Anspruch des Geschädigten gegen den Schädiger anwendbar und bestimmt, unter welchen Voraussetzungen dieser Anspruch als Direktanspruch gegen den Versicherer des Schädigers geltend gemacht werden kann. Aus dem Regelungszusammenhang der Vorschrift als Teil der allein für außervertragliche Schuldverhältnisse geltenden Rom-II-Verordnung ergibt sich zudem, dass dieser Anspruch des Geschädigten gegen den Schädiger außervertraglicher Natur sein muss (vgl. BeckOGK.Rom-II-VO/Bisping, Art. 18, Stand: , Rn. 16; MünchKomm.BGB/Junker, 9. Aufl., Art. 18 Rom-II-VO Rn. 14; Nordmeier in Hüßtege/Mansel/Dauner-Lieb/Heidel/Ring, Rom-Verordnungen, 4. Aufl., Art. 18 Rom-II-VO Rn. 5 und 7). Auf die Rechtsnatur des Direktanspruchs des Geschädigten oder seines Versicherers gegen den Versicherer des Schädigers als vertraglicher oder außervertraglicher Anspruch kommt es für die Anwendbarkeit des Art. 18 Rom-II-VO danach nicht an. Die Frage, ob nach dem auf das außervertragliche Schuldverhältnis oder nach dem auf den Versicherungsvertrag anzuwendenden Recht ein Direktanspruch des Geschädigten gegen den Versicherer des Schädigers vorgesehen ist, stellt sich nicht, wenn der Geschädigte gegen den Schädiger keinen Anspruch aus einem außervertraglichen Schuldverhältnis hat.
21bb) Das zwischen der geschädigten Versicherungsnehmerin der Klägerin und dem Beklagten zu 1 bestehende Rechtsverhältnis beruht auf einem Frachtvertrag und ist damit vertraglicher und nicht außervertraglicher Natur.
22(1) Mit der Rom-I-Verordnung und der Rom-II-Verordnung wurden, wie sich jeweils aus deren Art. 1 ergibt, die Kollisionsnormen für vertragliche und für außervertragliche Schuldverhältnisse in Zivil- und Handelssachen harmonisiert. Das auf diese beiden Arten von Schuldverhältnissen anzuwendende Recht ist anhand der Vorschriften einer der beiden Verordnungen zu bestimmen, wenn auch vorbehaltlich der Bestimmungen in den Art. 23 und 25 der Rom-I-Verordnung sowie Art. 27 und 28 der Rom-II-Verordnung ( und C-475/14, NJW 2016, 217 [juris Rn. 37] - ERGO Insurance und Gjensidige Baltic). Die in diesen Regelungen über den jeweiligen Anwendungsbereich der Rom-I-Verordnung und der Rom-II-Verordnung verwendeten Begriffe "vertragliches Schuldverhältnis" und "außervertragliches Schuldverhältnis" sind autonom und in erster Linie unter Berücksichtigung der Systematik und der Ziele dieser Verordnungen auszulegen (EuGH, NJW 2016, 217 [juris Rn. 43] - ERGO Insurance und Gjensidige Baltic). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bezeichnet der Begriff "vertragliches Schuldverhältnis" im Sinne von Art. 1 Rom-I-VO eine von einer Person gegenüber einer anderen freiwillig eingegangene rechtliche Verpflichtung (EuGH, NJW 2016, 217 [juris Rn. 44] - ERGO Insurance und Gjensidige Baltic). Der Begriff "außervertragliches Schuldverhältnis" im Sinne von Art. 1 der Rom-II-Verordnung bezieht sich auf jede Klage, mit der eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird und die nicht an einen "Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag" anknüpft. Die Rom-II-Verordnung ist - wie sich aus ihrem Art. 2 ergibt - auf Schuldverhältnisse anzuwenden, die sich aus einem Schaden, das heißt sämtlichen Folgen einer unerlaubten Handlung, einer ungerechtfertigten Bereicherung, einer Geschäftsführung ohne Auftrag oder eines Verschuldens bei Vertragsverhandlungen ergeben (EuGH, NJW 2016, 217 [juris Rn. 45] - ERGO Insurance und Gjensidige Baltic).
23(2) Nach diesen Grundsätzen ist der auf einem Frachtvertrag beruhende Schadensersatzanspruch der geschädigten Versicherungsnehmerin der Klägerin gegen den Beklagten zu 1 vertraglicher und nicht außervertraglicher Natur.
242. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass das deutsche Recht, dem der zwischen den beiden Beklagten geschlossene Versicherungsvertrag nach den Vorschriften der Rom-I-Verordnung unterliegt, keinen Direktanspruch der Versicherungsnehmerin der Klägerin gegen die Beklagte zu 2 gewährt.
25a) Ein etwaiger Direktanspruch der Versicherungsnehmerin der Klägerin gegen die Beklagte zu 2 wäre allerdings nach dem nach Art. 15 Rom-I-VO anzuwendenden Recht auf die Klägerin übergegangen.
26aa) Hat eine Person ("Gläubiger") eine vertragliche Forderung gegen eine andere Person ("Schuldner") und ist ein Dritter verpflichtet, den Gläubiger zu befriedigen, oder hat er den Gläubiger aufgrund dieser Verpflichtung befriedigt, so bestimmt nach Art. 15 Rom-I-VO das für die Verpflichtung des Dritten gegenüber dem Gläubiger maßgebende Recht, ob und in welchem Umfang der Dritte die Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner nach dem für deren Beziehung maßgebenden Recht geltend zu machen berechtigt ist.
27bb) Im Streitfall hat die Klägerin als Dritte im Sinn von Art. 15 Rom-I-VO ihre Versicherungsnehmerin, die Gläubigerin des Beklagten zu 1 im Sinne der Vorschrift ist, befriedigt. Die Frage, ob und in welchem Umfang die Klägerin als Dritte die Forderung ihrer Versicherungsnehmerin gegen den Beklagten zu 1 geltend zu machen berechtigt ist, richtet sich nach dem für die Verpflichtung der Klägerin gegenüber ihrer Versicherungsnehmerin maßgeblichen Recht. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, das Versicherungsverhältnis zwischen der Klägerin und ihrer Versicherungsnehmerin weise keinen internationalen Bezug auf und unterliege deshalb dem deutschen Recht.
28cc) Das deutsche Recht, das nach Art. 15 Rom-I-VO für die Beantwortung der Frage anzuwenden ist, ob und in welchem Umfang die Klägerin Forderungen ihrer Versicherungsnehmerin gegen die Beklagten geltend machen kann, sieht in § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG einen Übergang von Ersatzansprüchen des Versicherungsnehmers gegen Dritte vor, soweit der Versicherer den Schaden ersetzt. Da beide Beklagte Dritte im Sinn dieser Vorschrift sind (vgl. hierzu , r + s 2018, 532 [juris Rn. 19] mwN) und die Klägerin ihre Versicherungsnehmerin entschädigt hat, wäre danach nicht nur der frachtvertragliche Anspruch ihrer Versicherungsnehmerin aus gegen den Beklagten zu 1, sondern auch ein etwaiger Direktanspruch ihrer Versicherungsnehmerin gegen die Beklagte zu 2 auf die Klägerin übergegangen.
29b) Ob und in welchem Umfang sich aus dem zwischen den beiden Beklagten geschlossenen Versicherungsvertrag ein Direktanspruch der Versicherungsnehmerin der Klägerin gegen die Beklagte zu 2 ergibt, richtet sich nach dem auf diesen Versicherungsvertrag anwendbaren Recht. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass dieser Versicherungsvertrag gemäß Art. 7 Abs. 4 Buchst. b Rom-I-VO, Art. 46d Abs. 2 EGBGB dem deutschen Recht unterliegt.
30aa) Art. 7 Abs. 4 Buchst. b Rom-I-VO eröffnet den Mitgliedstaaten im Hinblick auf Versicherungsverträge über Risiken, für die ein Mitgliedstaat eine Versicherungspflicht vorschreibt, die Möglichkeit zu bestimmen, dass auf den Versicherungsvertrag das Recht dieses Mitgliedstaats anzuwenden ist. Von dieser Ermächtigung ist in Deutschland durch Art. 46d EGBGB (vormals Art. 46c EGBGB) Gebrauch gemacht worden (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung [EG] Nr. 593/2008, BT-Drucks. 16/12104 S. 10; Begründung zum Regierungsentwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung reiserechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 18/10822 S. 99). Art. 46d Abs. 2 EGBGB bestimmt, dass ein über eine Pflichtversicherung abgeschlossener Vertrag deutschem Recht unterliegt, wenn die gesetzliche Verpflichtung zu seinem Abschluss auf deutschem Recht beruht.
32c) Auf der Grundlage deutschen Rechts ergibt sich aus dem zwischen den beiden Beklagten geschlossenen Versicherungsvertrag kein Direktanspruch der Versicherungsnehmerin der Klägerin gegen die Beklagte zu 2 als Haftungsversicherer des Beklagten zu 1, der auf die Klägerin übergegangen wäre.
33aa) Nach § 115 Abs. 1 Satz 1 VVG kann der geschädigte Dritte einen Schadensersatzanspruch auch direkt gegen den Versicherer des Schädigers geltend machen, wenn es sich um eine Haftpflichtversicherung zur Erfüllung einer nach § 1 des Pflichtversicherungsgesetzes oder nach § 3 des Auslandsfahrzeug-Pflichtversicherungsgesetzes bestehenden Versicherungspflicht handelt (§ 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG) oder wenn über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist oder ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden ist (§ 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VVG) oder wenn der Aufenthalt des Versicherungsnehmers unbekannt ist (§ 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VVG).
34bb) Das Berufungsgericht hat angenommen, danach bestehe kein Direktanspruch gegen die Beklagte zu 2. Zwar handele es sich bei der Transportversicherung gemäß § 7a GüKG um eine Pflichtversicherung; die Pflicht zu deren Abschluss beruhe jedoch nicht auf dem Pflichtversicherungsgesetz (§ 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG). Die Voraussetzungen von § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 VVG lägen ebenfalls nicht vor. Diese Beurteilung weist keinen Rechtsfehler auf. Die Revision erhebt insoweit auch keine Rügen.
353. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst (vgl. , Slg. 1982, 3415 [juris Rn. 21] = NJW 1983, 1257 - Cilfit u.a.; Urteil vom - C-452/14, GRUR Int. 2015, 1152 [juris Rn. 43] - Doc Generici; Urteil vom - C-561/19, NJW 2021, 3303 [juris Rn. 32 f.] - Consorzio Italian Management und Catania Multiservizi). Es stellt sich keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt oder nicht zweifelsfrei zu beantworten ist. Insbesondere besteht kein vernünftiger Zweifel daran, dass Art. 18 Rom-II-VO voraussetzt, dass der Geschädigte gegen den Haftenden einen Anspruch aus einem außervertraglichen Schuldverhältnis hat.
36C. Die Revision der Klägerin ist danach mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Koch Löffler Schwonke
Feddersen Odörfer
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:200225UIZR39.24.0
Fundstelle(n):
AAAAJ-90176