Instanzenzug: LG Mönchengladbach Az: 21 KLs 38/22
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Verbreitung kinderpornographischer Schriften in sechs Fällen und Sichverschaffens kinderpornographischer Schriften in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Der Angeklagte beanstandet mit seiner Revision, von der er die unterbliebene Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ausgenommen hat, die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Nach den vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tauschte der Angeklagte am mit einem gesondert Verfolgten Chatnachrichten aus. Innerhalb von rund zweieinviertel Stunden sandten sie sich wechselseitig sexualbezogene Bilddateien mit spärlich oder nicht bekleideten Kindern zu. Insgesamt versandte der Angeklagte jeweils separat zumindest sechs derartige Dateien und erhielt gesondert drei zugesandt.
32. Die materiellrechtliche Nachprüfung des Urteils führt zu einer Änderung des Schuldspruchs und der Aufhebung des Strafausspruchs. Im Übrigen hat sich kein Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
4a) Der Angeklagte hat sich nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen in Bezug auf die von ihm selbst versendeten Dateien wegen Drittbesitzverschaffung kinderpornographischer Schriften gemäß § 184b Abs. 1 Nr. 2 StGB in der zur Tatzeit geltenden Fassung, nicht wegen Verbreitung im Sinne des § 184b Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht. Ein solches Verbreiten setzt voraus, dass der Täter eine Schrift beziehungsweise einen Inhalt im Sinne des § 11 Abs. 3 StGB einem größeren Personenkreis zugänglich macht, wobei dieser nach Zahl und Individualität unbestimmt oder jedenfalls so groß sein muss, dass er für den Täter nicht mehr kontrollierbar ist. Eines Verbreitungserfolgs in dem Sinne, dass ein größerer Personenkreis tatsächlich Kenntnis genommen haben muss oder diese zumindest erlangt hat, bedarf es dabei nicht (vgl. , NStZ-RR 2023, 47; Urteil vom – 3 StR 32/24, NJW 2025, 380 Rn. 16 zu § 130 Abs. 2 Nr. 1 StGB). Hier beabsichtigte der Angeklagte lediglich die Speicherung der von ihm übersandten Dateien auf dem Gerät des Chatpartners. Dass er mit einer Weitergabe an mehrere Personen rechnete, ergibt sich aus den Feststellungen nicht. Danach liegt kein Verbreiten, aber eine Drittbesitzverschaffung im Sinne des § 184b Abs. 1 Nr. 2 StGB vor.
5b) Die einzelnen Handlungen stehen unter den gegebenen Umständen im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander. Zwar kann sich die Übermittlung mehrerer Inhalte im Zuge der einheitlichen Nutzung eines Messengerdienstes als eine Tat im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit darstellen (vgl. , StV 2024, 298 Rn. 18 mwN). Allerdings haben hier die jeweiligen Übersendungen einen eigenständigen Charakter, weil ihnen ein gesonderter Tatentschluss zugrunde lag. So forderte der Angeklagte seinen Chatpartner wiederholt individuell auf, ein weiteres Foto zu versenden. Überdies kam es zwischenzeitlich zu einer Pause, weil der Angeklagte anderes zu erledigen hatte.
6c) Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil das Geschehen bereits in der Anklageschrift als Drittbesitzverschaffung nach § 184b Abs. 1 Nr. 2 StGB aF gewertet worden ist. Auch die abweichende konkurrenzrechtliche Beurteilung des Generalbundesanwalts hindert die Änderung nicht (vgl. , juris Rn. 11).
7d) Der Strafausspruch hat keinen Bestand.
8aa) Das Landgericht hat bei Bemessung der Einzelstrafen jeweils insbesondere zu Lasten des Angeklagten gewertet, dass er bereits einschlägig wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Erregung öffentlichen Ärgernisses vorbestraft sei. Indes fehlt es an einer solchen vor den Taten liegenden Verurteilung; denn der Angeklagte wurde insofern erst im Jahr 2021 verurteilt. Demnach kann zwar die Begehung früherer Taten berücksichtigt werden, nicht aber der Warneffekt einer Vorverurteilung (vgl. , BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 37 Rn. 2). Nach dem Gesamtzusammenhang ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht insoweit von unzutreffenden Voraussetzungen ausgegangen ist und sich dies auf die Strafe ausgewirkt hat.
9bb) Im Übrigen lässt sich nach den Urteilsgründen nicht prüfen, ob das Landgericht zu Recht die Strafe aus einem Urteil des Amtsgerichts Frankfurt vom bei der Bildung der Gesamtstrafe nicht berücksichtigt hat; denn insofern werden weder der Zeitpunkt der zugrundeliegenden Tat noch der Vollstreckungsstand mitgeteilt. Ebenso wenig lässt sich entnehmen, dass der Angeklagte durch eine unterbliebene Einbeziehung nicht beschwert ist.
10cc) Die zugrundeliegenden Feststellungen sind von den Rechtsfehlern nicht betroffen und können aufrechterhalten bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen sind möglich und in Bezug auf die weitere Strafe geboten. Dabei ist der Vollstreckungsstand zum Zeitpunkt des angefochtenen Urteils in den Blick zu nehmen (s. , NStZ-RR 2020, 7).
113. Die Nichtanordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) unterliegt nicht der Prüfung des Senats, da der Angeklagte sie von der Revision ausgenommen hat und gegen die Wirksamkeit der Revisionsbeschränkung hier keine Bedenken bestehen (vgl. zu den Maßstäben , juris Rn. 12 mwN; vom – 2 StR 251/11, StV 2012, 203; vom – 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362; s. auch , juris; anders Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 331 Rn. 22).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:180325B3STR414.24.0
Fundstelle(n):
ZAAAJ-90107