Instanzenzug: Az: (1) 3 StE 8/22 - 5 (1/22)
Gründe
1Das Kammergericht hat den Angeklagten wegen „mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland in vier Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Folter, schwerwiegende Freiheitsentziehung und Verfolgung sowie mit Kriegsverbrechen gegen Personen durch Folter und mit gefährlicher Körperverletzung, und in einem weiteren Fall in Tateinheit mit Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Folter, schwerwiegende Freiheitsentziehung und Verfolgung sowie mit jeweils drei rechtlich zusammentreffenden Fällen von Kriegsverbrechen gegen Personen durch Folter und gefährlicher Körperverletzung“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt. Der Angeklagte beanstandet mit seiner Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Zudem beantragt er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung einer Verfahrensbeanstandung. Das Rechtsmittel führt zu einer Änderung des Schuldspruchs und der Feststellung einer Verzögerung des Revisionsverfahrens; im Übrigen hat es ebenso wie der Wiedereinsetzungsantrag keinen Erfolg.
2I. Nach den vom Kammergericht getroffenen Feststellungen besetzte der „Islamische Staat“ (IS) Mitte des Jahres 2014 in Syrien das Siedlungsgebiet des Al-Shu’aytat-Stammes. Infolge von Gegenwehr umzingelte der IS von dem Stamm bewohnte Ortschaften, kündigte die Tötung verbliebener Stammesmitglieder an und setzte nach Beendigung der Kämpfe die Drohung um. Auch später kam es zu zahlreichen Übergriffen und einer großen Anzahl von Festnahmen. Viele Gefangene wurden nach der Inhaftierung in Gefängnissen in Umerziehungsanstalten kaserniert.
3Der aus Syrien stammende Angeklagte schloss sich spätestens im November 2014 dem IS an. In Kenntnis von dessen Zielen und der Verfolgung von Angehörigen des Al-Shu’aytat-Stammes nahm er zumindest von November 2014 bis Januar 2015 an den gegen diese und andere Bewohner der Region gerichteten Bestrafungsaktionen teil. Er war als ranghöherer Kämpfer an Kontrollstellen eingesetzt und mit dem Transport von Gefangenen zu verschiedenen IS-Gefängnissen befasst. Er beteiligte sich eigenhändig an Folterungen des Geschädigten, der dem im Siedlungsgebiet der Al-Shu’aytat beheimateten Al-Shuet-Stamm angehörte. Dessen Mitglieder unterstützten ebenfalls den Widerstand gegen den IS und hatten daher unter Verfolgung zu leiden. Als sich der Geschädigte am an einer IS-Kontrollstelle nach dem Verbleib eines verschleppten Bruders erkundigen wollte, forderte der Angeklagte ihn auf, ihm und weiteren IS-Kämpfern in einem leerstehenden Gebäude vorzubeten. Nach dem Gebet fesselte er den Betenden und bezeichnete ihn als „Abtrünnigen“. Die Kämpfer zogen den Geschädigten an einem an der Zimmerdecke befestigen Seil hoch, so dass seine Schultern ausgerenkt wurden. Der Angeklagte und ein weiterer schlugen ihn mit Gegenständen; nach ein bis zwei Stunden ließen sie von ihm ab. Der Geschädigte wurde in ein als Gefängnis genutztes Gebäude gebracht. Am Abend wurde er aus seiner Sammelzelle in einen Vorraum geführt. Dort kniete er sich auf Anweisung hin. Der Angeklagte und zwei andere hielten ihm abwechselnd ein Messer an den Hals und drohten, ihm die Kehle durchzuschneiden. Der Geschädigte ging von seinem bevorstehenden Tod aus. Indes fügten ihm der Angeklagte und die anderen Täter tiefe Schnittwunden an Arm und Hand zu. Zudem stießen sie ihm eine angespitzte Metallstange am Hinterkopf durch die Kopfhaut und zogen daran. Abschließend stieß der Angeklagte ihn heftig gegen eine Treppe, so dass er schließlich das Bewusstsein verlor.
4Der Geschädigte kam erst in einem anderen, etwa eine halbe Stunde Fahrtzeit entfernt liegenden Gefängnis in einer Zelle mit etwa 50 Gefangenen wieder zu sich. Die Inhaftierten waren bis auf wenige Ausnahmen Angehörige des Al-Shu’aytat-Stammes. Der Angeklagte erschien dort regelmäßig, lieferte neue Häftlinge ab und beteiligte sich an den fast täglich stattfindenden Folterungen von Gefangenen. Innerhalb der nächsten rund zwei Wochen wirkte er bei drei Gelegenheiten an weiteren Misshandlungen des Geschädigten mit. Dieser wurde jeweils von mehreren Personen, unter anderem dem Angeklagten, geschlagen und als „Abtrünniger“ sowie „Ungläubiger“ beschimpft. Bei einem der Vorfälle kam eine an einem Stock befestigte Metallkugel nach Art eines Morgensterns zum Einsatz, der angesichts wiederholter Schläge gegen den ungeschützten Oberkörper generell geeignet war, das Opfer in Lebensgefahr zu bringen.
5Der Angeklagte ging insbesondere wegen der vielfachen Bezeichnung des Verletzten als „Ungläubigen“ davon aus, dieser gehöre zu der Gruppe, gegen die das systematische Vorgehen des IS gerichtet war.
6II. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 44 Satz 1 StPO) zur Nachholung einer Verfahrensrüge dringt nicht durch, da die Revisionsbegründungsfrist (§ 345 Abs. 1 StPO) nicht versäumt worden ist und die Voraussetzungen nicht vorliegen, unter denen ausnahmsweise eine Wiedereinsetzung zur Nachholung von Verfahrensrügen in Betracht kommt (vgl. allgemein , NStZ 2019, 625 Rn. 4).
71. In dem Wiedereinsetzungsantrag ist dargelegt, dass der die Revision begründende Verteidiger auf seinen Antrag auf unbeschränkte Akteneinsicht einen Datenträger mit dem Hinweis erhalten habe, es handele sich um den vollständigen Aktenbestand. Da sich darin keine Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch gegen die erkennenden Richter befunden habe, habe der Verteidiger einen in der Hauptverhandlung anwesenden Verteidiger nach der weiteren Behandlung des Gesuchs gefragt; dieser habe sich aber weder an dienstliche Erklärungen noch an eine Entscheidung erinnert. Der Angeklagte habe erklärt, darüber keine Kenntnis zu haben. Über einen nach der Revisionsbegründung eingegangenen Vermerk habe der Verteidiger erfahren, dass die das Ablehnungsgesuch betreffenden Dokumente in einem Sonderband zu den Akten genommen worden seien.
82. Danach sind die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung nicht gegeben. Es fehlt bereits an einem Tatsachenvortrag zum Zeitpunkt der Nachfrage, die an den in der Hauptverhandlung tätigen Verteidiger gerichtet war. Zudem erfordert eine Wiedereinsetzung aufgrund unzureichender Akteneinsicht, dass diese trotz angemessener Bemühungen unterblieben ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 152/97, NStZ-RR 1997, 302; vom – 1 StR 242/20, NStZ-RR 2021, 111). Solche Bemühungen liegen nach den konkreten Umständen nicht vor, da die naheliegende und sich aufdrängende Möglichkeit nicht genutzt worden ist, bei dem Kammergericht nach der Übersendung von das Ablehnungsgesuch betreffenden Aktenteilen nachzufragen (vgl. , NStZ-RR 2021, 111). Grund hierzu hat deshalb bestanden, weil sich aus dem übersandten Datenträger keine das Ablehnungsgesuch betreffenden Unterlagen ergeben haben, der Verteidiger selbst Anlass zur Nachfrage bei dem in der Hauptverhandlung präsenten Verteidiger gesehen und dieser keine Erinnerung gehabt hat.
9III. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung führt lediglich zu einer Änderung des Schuldspruchs.
101. Die mit der Revision erhobenen Verfahrensrügen haben insgesamt, wie vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift näher dargelegt, keinen Erfolg.
11Dies gilt auch für die Beanstandung, ein Antrag auf Aussetzung, hilfsweise Unterbrechung der Hauptverhandlung und auf Feststellung bestimmter Reisekosten der Verteidigung, um dieser die Gelegenheit von Zeugenvernehmungen in Saudi-Arabien und der Türkei zu geben, sei rechtsfehlerhaft abgelehnt und dadurch die Verteidigung unzulässig beschränkt (§ 338 Nr. 8 StPO) sowie die Amtsaufklärungspflicht verletzt worden. Die Rüge ist, ungeachtet von Zulässigkeitsbedenken, jedenfalls in der Sache unbegründet.
12Die Ablehnung des letztlich auf eigene Ermittlungen der Verteidigung gerichteten Antrags ist nicht zu beanstanden. Der strafrechtlich relevante Sachverhalt ist nach der Konzeption der Strafprozessordnung von Amts wegen aufzuklären. Dies ist gemäß § 160 StPO im Ermittlungsverfahren Sache der Staatsanwaltschaft, die nicht nur die zur Belastung, sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln und für die Erhebung der Beweise Sorge zu tragen hat, deren Verlust zu besorgen ist (§ 160 Abs. 2 StPO). Im Hauptverfahren ist es Aufgabe des Gerichts, zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind (§ 244 Abs. 2 StPO). Daher besteht grundsätzlich kein Raum, der Verteidigung durch Aussetzung oder Unterbrechung der Hauptverhandlung (§§ 228 f. StPO) oder durch die Feststellung der Erforderlichkeit von Reisekosten (vgl. § 46 Abs. 2 RVG) gesonderte zeitliche oder finanzielle Ressourcen für eigene Ermittlungen zur Verfügung zu stellen. Vielmehr steht es ihr offen, die gerichtliche Aufklärungspflicht durch Anträge oder Anregungen zu aktualisieren sowie eine etwaige Verletzung der Pflicht in der Revision geltend zu machen. Unabhängig davon sind dem Verteidiger eigene Ermittlungen nicht verwehrt (vgl. , BGHSt 46, 1, 4; Beschlüsse vom – 2 ARs 231/79, AnwBl. 1981, 115; vom – 5 StR 623/18, juris Rn. 7). Allerdings besteht im Regelfall kein Grund, diese in der beantragten Weise zu unterstützen (vgl. OLG Celle, Beschluss vom – 1 Ws 135/15, wistra 2015, 366; LR/Kurtze, StPO, 27. Aufl., § 464a Rn. 49 mwN; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 464a Rn. 16; jeweils mwN). Eine Ausnahmesituation, in der das von der Verteidigung begehrte Vorgehen geboten gewesen wäre, ergibt sich nach dem Rügevorbringen nicht.
13Vor diesem Hintergrund bedürfen die Zulässigkeit des von der Verteidigung laut Antrag beabsichtigten Vorgehens, selbst im Ausland Zeugen „zu vernehmen“, dies auf Bild- und Tonträger aufzunehmen sowie die Aufnahme in der Hauptverhandlung in Augenschein zu nehmen, sowie der eingeschränkte Beweiswert eines solchen Verfahrens (vgl. , BGHSt 46, 1, 4) keiner weiteren Betrachtung.
142. Auf die Sachrüge ist der Schuldspruch infolge der konkurrenzrechtlichen Bewertung der einzelnen Handlungen zu ändern. Ansonsten liegt kein den Angeklagten beschwerender Rechtsfehler vor.
15a) Die vom Kammergericht getroffenen Feststellungen sind durch die Beweiswürdigung belegt. Dies gilt auch in Bezug auf die Identifizierung des Angeklagten als Täter aufgrund von Zeugenaussagen (vgl. , NStZ 2023, 754 Rn. 19). Der demnach rechtsfehlerfrei festgestellte Sachverhalt trägt die rechtliche Bewertung, der Angeklagte habe sich wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Folter, Freiheitsentziehung und Verfolgung in Tateinheit mit Kriegsverbrechen gegen Personen durch Folter, wegen gefährlicher Körperverletzung und wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland strafbar gemacht (§ 7 Abs. 1 Nr. 5, 9, 10, § 8 Abs. 1 Nr. 3 VStGB, § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2, § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2, 4 und 5, § 25 Abs. 2 StGB).
16Näher auszuführen ist allein, dass der Tatbestand des Verbrechens gegen die Menschlichkeit durch Verfolgung (§ 7 Abs. 1 Nr. 10 VStGB) erfüllt ist. Es bestehen keine durchgreifenden Zweifel daran, dass die Norm jedenfalls hinsichtlich der hier in Rede stehenden enumerativ aufgeführten Verfolgungsgründe dem gemäß § 2 VStGB, § 1 StGB, Art. 103 Abs. 2 GG auch bei Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch zu beachtenden Bestimmtheitsgebot (vgl. zu anderen völkerstrafrechtlichen Ansätzen MüKoStGB/Werle/Jeßberger, 4. Aufl., § 7 VStGB Rn. 98 Fn. 358) genügt (s. zu den Anforderungen etwa , BVerfGE 160, 284 Rn. 88 ff.; , BGHSt 59, 218 Rn. 9; jeweils mwN). Die verwendeten ausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriffe lassen sich mit Hilfe allgemeiner Auslegungsmethoden näher konkretisieren und sind insbesondere durch die Rechtsprechung internationaler Gerichte konturiert. Zu den in der Norm genannten grundlegenden Menschenrechten gehören angesichts der Gesetzesbegründung, der Wertordnung des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG sowie zwischenstaatlicher Menschenrechtsübereinkommen zumindest die Rechte auf Leben, Gesundheit und Bewegungsfreiheit (s. BT-Drucks. 14/8524 S. 22).
17Der Angeklagte verfolgte im Rahmen seiner Einbindung in den IS und in dessen Vorgehen Angehörige des Al-Shu’aytat-Stammes etwa durch die Beteiligung an Gefangenentransporten und mithin an dem dadurch aufrechterhaltenen Freiheitsentzug. Darin fügt sich sein Handeln zum Nachteil des misshandelten Geschädigten ein, das insofern ebenfalls als Verfolgung zu qualifizieren ist. Dem steht nicht entgegen, dass dieser selbst nicht Mitglied des vornehmlich verfolgten Stammes war; denn das Agieren des Angeklagten war eingebettet in sein Vorgehen gegen die verfolgte Gruppe und geschah in der Annahme, der Geschädigte gehöre dieser an. Der Wortlaut der Norm lässt es zu, unter dem Verfolgen einer Gruppe auch solche Handlungen zu verstehen, die mit der entsprechenden Intention eine andere Person treffen. Anders als § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 VStGB bezieht sich der Straftatbestand nicht ausdrücklich auf ein „Mitglied der Gruppe“. Nach der Rechtsprechung internationaler Strafgerichte, von der abzuweichen kein Anlass besteht, können zu der verfolgten Gruppe darüber hinaus auch solche Personen gezählt werden, die der Täter als dieser zugehörig ansieht (vgl. Internationaler Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien, Urteile vom – IT-98-34-T – „Tuta“ und „Štela“, Rn. 636; vom – IT-97-25-A – Krnojelac, Rn. 185; vom – IT-07-74-T – Prlić u.a., Rn. 73; Internationaler Strafgerichtshof, Urteile vom – ICC-01/04-02/06 – Ntaganda, Rn. 1011; vom – ICC-02/04-01/15 – Ongwen, Rn. 2736; MüKoStGB/Werle/Jeßberger, 4. Aufl., § 7 VStGB Rn. 109, 126).
18b) Der Schuldspruch ist in konkurrenzrechtlicher Hinsicht dahin zu modifizieren, dass die Verurteilung wegen desjenigen der ausgeurteilten vier Fälle der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland entfällt, der nicht mit anderen Delikten in Tateinheit steht.
19aa) Der Tatbestand der mitgliedschaftlichen Beteiligung gemäß § 129a Abs. 1 Alternative 2 StGB verbindet grundsätzlich alle Betätigungen des Mitglieds für die terroristische Vereinigung zu einer einzigen Tat im sachlichrechtlichen Sinne. Diese tatbestandliche Handlungseinheit umfasst mithin nicht nur Beteiligungsakte, die im Übrigen straflos sind, sondern auch solche, die noch ein weiteres Strafgesetz verletzen. Die anderen Delikte werden durch die mitgliedschaftliche Beteiligung zu Tateinheit verklammert. Nur wenn in Anwendung der allgemein geltenden Regeln der Klammerwirkung mindestens zwei weitere, durch verschiedene Einzelakte begangene Gesetzesverstöße ein – mehr als unwesentlich – höheres Gewicht als das Vereinigungsdelikt haben, stehen sie, obwohl sie mit diesem jeweils tateinheitlich zusammenfallen, in Tatmehrheit zueinander (, NJW 2025, 456 Rn. 11). Soweit der Senat zwischenzeitlich eine andere Ansicht vertreten hatte (vgl. dazu , BGHSt 60, 308), an der sich das Kammergericht bei seinem Urteil ersichtlich orientiert hat, hat er diese aufgegeben.
20Folglich scheidet eine konkurrenzrechtliche Aufspaltung zwischen solchen Beteiligungshandlungen, die zugleich einen anderen Straftatbestand erfüllen, und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist, aus. Dass der Angeklagte im Rahmen seiner mitgliedschaftlichen Beteiligung weitere Delikte verwirklichte, hat nach den allgemeinen Grundsätzen allerdings hier zur Folge, dass deren Verklammerung durch das Organisationsdelikt nicht möglich ist; denn die begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen gegen Personen sind nach der gebotenen konkreten Gewichtung der Taten (s. , BGHR StGB § 52 Abs. 1 Klammerwirkung 12 Rn. 4-6 mwN) deutlich schwerwiegender.
21bb) Die Beurteilung des Verhältnisses der übrigen Taten zueinander ist ohne einen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler. Es kann letztlich dahinstehen, ob die an drei unterschiedlichen Tagen in demselben Gefängnis vorgenommenen Misshandlungen als tatbestandliche Bewertungseinheit zu fassen sind oder mit Blick auf zeitliche Zäsuren mehrere Taten vorliegen (vgl. zum Verbrechen gegen die Menschlichkeit , juris Rn. 49 mwN). Denn die Zusammenfassung der einzelnen Handlungen beschwert ihn nicht.
22Im Übrigen werden die einzelnen Folterungen nicht durch die tateinheitlichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Freiheitsentziehung und Verfolgung verklammert. Zwar kommt grundsätzlich in Betracht, dass diese als Dauerdelikt beziehungsweise im Wege der tatbestandlichen Handlungseinheit mehrere Einzelakte zusammenfassen können. Allerdings scheidet eine Verklammerung der wiederholten Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Folter in Tateinheit mit Kriegsverbrechen gegen Personen durch Folter aus, da diese Delikte nach § 7 Abs. 1 VStGB ein höheres Gewicht als die Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Freiheitsberaubung und Verfolgung haben.
23Schließlich stehen die hier verwirklichten einzelnen Tatbestände des § 7 Abs. 1 StGB untereinander in ungleichartiger Idealkonkurrenz (vgl. , BGHSt 67, 180 Rn. 60). Dies gilt auch für die Verfolgung wegen ihres eigenständigen, von der Verwirklichung anderer Verbrechen unabhängigen Anwendungsbereichs (vgl. BT-Drucks. 14/8524 S. 22). Die gefährliche Körperverletzung tritt ebenfalls nicht zurück, da sie von den anderen Delikten weder vorausgesetzt wird noch regelmäßig mit ihnen einhergeht (s. , BGHSt 65, 286 Rn. 81 ff.).
24cc) Der Senat ändert den Schuldspruch demgemäß entsprechend § 354 Abs. 1 StPO (s. zur Bezeichnung der Tatbestände , BGHSt 67, 180 Rn. 60). Soweit im Tenor des angefochtenen Urteils eine gleichartige Tateinheit zum Ausdruck gebracht ist, ist dies entbehrlich (vgl. , BGHSt 65, 286 Rn. 84; Beschluss vom – 2 StR 457/24, juris Rn. 2).
25c) Die Gesamtstrafe hat trotz der Änderung des Schuldspruchs und des damit einhergehenden Wegfalls der zugehörigen Einzelstrafe Bestand. Es ist angesichts der verbleibenden Einzelstrafen von acht Jahren und neun Monaten, acht Jahren und sechs Monaten sowie sieben Jahren auszuschließen, dass das Kammergericht ohne die Einzelstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten die Gesamtfreiheitsstrafe geringer bemessen hätte.
26IV. Das Revisionsverfahren ist drei Monate verzögert worden, da es in diesem Zeitraum vom Senat nicht gefördert worden ist und trotz seines überdurchschnittlichen Umfangs ein entsprechend früherer Abschluss geboten gewesen wäre. Zur Kompensation dieses Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK genügt hier dessen Feststellung auch unter Berücksichtigung der Untersuchungshaft mit Blick auf die Gesamtverfahrensdauer sowie den geringfügigen Anteil der Verzögerung daran (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 388/24, juris Rn. 4; vom – 6 StR 221/24, juris Rn. 10; vom – 1 StR 393/23 Rn. 3).
27V. Angesichts des lediglich geringen Teilerfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
Schäfer Hohoff Anstötz
Kreicker Voigt
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:050325B3STR35.24.0
Fundstelle(n):
OAAAJ-90034