Leitsatz
1. Gemäß § 21 Abs. 2 TDDDG setzen die Gestattung der Auskunftserteilung und die korrespondierende Verpflichtung zur Auskunft über die Bestandsdaten eines Nutzers - sofern nicht audiovisuelle Inhalte betroffen sind - voraus, dass der beanstandete Inhalt den Tatbestand einer der in der Bestimmung genannten Strafvorschriften erfüllt.
2. Ist die beanstandete Äußerung als Werturteil zu qualifizieren, scheidet eine Verwirklichung der Tatbestände der §§ 186, 187 StGB aus. Im Zweifel ist im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes davon auszugehen, dass es sich um eine Meinungsäußerung handelt.
3. Steht die Erfüllung eines Straftatbestands in Rede, müssen bei mehrdeutigen Äußerungen andere mögliche Deutungen mit schlüssigen Gründen ausgeschlossen werden, bevor die zur Verurteilung führende Bedeutung zugrunde gelegt wird. Wenn eine straflose Bedeutung nicht ausschließbar ist, ist diese der Beurteilung zugrunde zu legen.
Gesetze: § 21 Abs 2 TTDSG, § 185 StGB, § 186 StGB, § 187 StGB
Instanzenzug: Az: 15 W 113/23vorgehend Az: 28 O 439/23
Gründe
A.
1Die Antragstellerin, eine Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, begehrt eine gerichtliche Anordnung über die Zulässigkeit und die Verpflichtung einer Auskunftserteilung über die Daten eines Nutzers der Beteiligten nach § 21 Abs. 2 Telekommunikation-Digitale-Dienste-Datenschutz-Gesetz (TDDDG).
2Die Beteiligte betreibt eine Arbeitgeberbewertungsplattform im Internet, auf der ein Nutzer eine die Antragstellerin betreffende Bewertung abgab. Unter der Rubrik "Vorgesetztenverhalten", die insgesamt mit einem Stern bewertet wurde, beschrieb der Nutzer zunächst das Verhalten der Geschäftsführung der Antragstellerin gegenüber aktiven Mitarbeitern ("glänzt durch Abwesenheit", "Angestellte sollen nur so schnell wie möglich so viel Geld wie möglich machen"). Abschließend tätigte er folgende, von der Antragstellerin beanstandete Äußerung: "Seine Krönung findet solches Vorgesetztenverhalten darin, dass ausgeschiedene Mitarbeiter ausstehendes Gehalt und sogar die Erteilung von Arbeitszeugnissen gerichtlich durchsetzen müssen".
3In der Vergangenheit gab es nur einen ausgeschiedenen Mitarbeiter, der seine Ansprüche auf Zahlung ausstehenden Gehalts bzw. Erstellung eines Zeugnisses gegen die Antragstellerin mit gerichtlicher Hilfe durchsetzen musste.
4Die Antragstellerin macht geltend, mit der von ihr beanstandeten Äußerung werde die unwahre Behauptung aufgestellt, dass eine Vielzahl von Arbeitnehmern ihren Arbeitslohn oder ihr Arbeitszeugnis von der Antragstellerin regelmäßig nur auf dem Klageweg erhielten.
5Das Landgericht hat den Antrag auf Gestattung und Verpflichtung der Beteiligten zur Erteilung der begehrten Auskunft über die Bestands- und Nutzungsdaten zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. In Bezug auf den Anspruch auf Auskunft über Bestandsdaten hat es die Rechtsbeschwerde zugelassen. Diesen Anspruch verfolgt die Antragstellerin mit der Rechtsbeschwerde weiter.
B.
6Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
7I. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts ist die Beteiligte zur Erteilung einer Auskunft über die Bestandsdaten des Verfassers der beanstandeten Bewertung nicht verpflichtet. Die Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetzes (TTDSG) seien nicht erfüllt. Es fehle an der erforderlichen strafrechtlich relevanten Verletzung absolut geschützter Rechte der Antragstellerin. Die von ihr beanstandete Passage enthalte nicht die Behauptung, dass "eine Vielzahl von Arbeitnehmern ihren Arbeitslohn von der Antragstellerin regelmäßig nur auf dem Klageweg erhalten". Vielmehr sei ein solcher Inhalt der Äußerung lediglich eine der möglichen Deutungsvarianten im Rahmen der Auslegung dieser Äußerung, was für die Verwirklichung des objektiven Tatbestands der § 186 StGB oder § 187 StGB nicht genüge. Die Äußerung könne vom durchschnittlichen Rezipienten ebenso dahingehend verstanden werden, dass die Formulierung "ausgeschiedene Mitarbeiter" nicht der numerischen Konkretisierung der von dem in der Bewertung kritisierten "Vorgesetztenverhalten" betroffenen Personen diene, sondern als generalisierende Bestimmung der Position des von diesem Verhalten Betroffenen gemeint sei. So werde im Gesamtkontext der Bewertung unter der Rubrik "Vorgesetztenverhalten" zunächst das Verhalten der Geschäftsführung im laufenden Betrieb, also gegenüber aktiven Mitarbeitern beschrieben ("glänzt durch Abwesenheit", "Angestellte sollen nur so schnell wie möglich so viel Geld wie möglich machen") und sodann im letzten Satz der Passage das Verhalten gegenüber nicht mehr aktiven Mitarbeitern dargestellt. Schon im Hinblick darauf, dass die vom Nutzer erhobenen Vorwürfe insgesamt eher pauschal blieben, werde aus Sicht des durchschnittlichen Rezipienten auch in Ansehung der umgangssprachlichen Formulierungen keine Aussage zu einer bestimmten Zahl der Mitglieder der jeweils angesprochenen Gruppe (aktive Mitarbeiter bzw. ausgeschiedene Mitarbeiter) getroffen.
8II. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde ist gemäß den - inhaltlich den Regelungen in § 21 Abs. 3 Satz 6 und 8 TTDSG entsprechenden - Bestimmungen in § 21 Abs. 3 Satz 6 und 8 TDDDG in der Fassung vom in Verbindung mit § 70 Abs. 1, § 71 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig (vgl. Senatsbeschluss vom - VI ZB 39/18, BGHZ 223, 168 Rn. 11 ff.; , NJW 2024, 514 Rn. 10). Die Rechtsbeschwerde ist aber unbegründet.
91. Der angefochtene Beschluss ist nicht bereits deshalb von Amts wegen aufzuheben, weil die Entscheidung des Beschwerdegerichts keine der Vorschrift des § 69 Abs. 2 FamFG entsprechende Begründung enthält.
10a) Zwar müssen Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben und den Streitgegenstand und die Anträge in beiden Instanzen erkennen lassen; andernfalls sind sie nicht mit den nach dem Gesetz (hier: § 21 Abs. 3 Satz 6 TDDDG, § 69 Abs. 2 FamFG) erforderlichen Gründen versehen und bereits deshalb aufzuheben (BGH, Beschlüsse vom - XII ZB 161/21, NJW-RR 2021, 1513 Rn. 4; vom - XIII ZB 24/20, juris Rn. 5 mwN). Eine Sachdarstellung ist aber dann ausnahmsweise entbehrlich, wenn sich der maßgebliche Sachverhalt und das Rechtsschutzziel noch mit hinreichender Deutlichkeit aus den Beschlussgründen ergeben (vgl. Senatsbeschluss vom - VI ZB 72/22, VersR 2024, 327 Rn. 4 f.; BGH, Beschlüsse vom - VIII ZB 36/23, NJW-RR 2025, 121, juris Rn. 10 ff.; vom - XII ZB 161/21, NJW-RR 2021, 1513 Rn. 4).
11b) Letzteres ist vorliegend (noch) der Fall. Die tatbestandlichen Feststellungen in den Gründen des angefochtenen Beschlusses lassen das von der Antragstellerin verfolgte Rechtsschutzziel und den für die Entscheidung maßgebenden Sach- und Streitstand (noch) hinreichend klar erkennen. Auch die im Beschwerderechtszug gestellten Anträge gehen aus den Beschlussgründen ausreichend klar hervor.
122. Das Beschwerdegericht hat einen Anspruch der Antragstellerin auf Auskunft über die Bestandsdaten des Nutzers, der die streitgegenständliche Bewertung verfasst hat, zu Recht verneint.
13a) Der Entscheidung über das Auskunftsbegehren ist die mit Wirkung vom in Kraft getretene Bestimmung in § 21 Abs. 2 TDDDG in der Fassung vom zugrunde zu legen. Denn Maßstab für die Überprüfung der Beschwerdeentscheidung im Rechtsbeschwerdeverfahren auf Rechtsfehler ist die Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Zu berücksichtigen ist daher auch ein nach Erlass der Beschwerdeentscheidung ergangenes neues Gesetz, sofern es nach seinem zeitlichen Geltungswillen das streitige Rechtsverhältnis erfasst. Davon ist regelmäßig auszugehen, wenn das ändernde Gesetz keine Übergangsregelung trifft (vgl. BGH, Beschlüsse vom - XII ZB 74/20, NJW-RR 2023, 1 Rn. 34; vom - II ZB 12/16, NJW 2018, 2794 Rn. 13).
14So liegt es hier. Der Gesetzgeber hat die bei Erlass der Beschwerdeentscheidung geltende Vorschrift des § 21 TTDSG zunächst durch Art. 8 Nr. 8 des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) 2022/2065 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über einen Binnenmarkt für digitale Dienste und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG sowie zur Durchführung der Verordnung (EU) 2019/1150 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten und zur Änderung weiterer Gesetze vom (BGBl. I Nr. 149) und sodann durch Art. 44 des Gesetzes zur weiteren Digitalisierung der Justiz vom (BGBl. I Nr. 234) jeweils ohne Übergangsvorschrift geändert. Im Rahmen der ersten Änderung wurden klarstellende und sprachliche Folgeänderungen im Anschluss an die Einführung des Digitale-Dienste-Gesetzes zur Anpassung des nationalen Rechtsrahmens an die Vorgaben des Digital Services Acts vorgenommen (BT-Drucks. 20/10031, S. 2, 92). Die zweite Änderung diente der Berichtigung eines Redaktionsversehens (BT-Drucks. 20/11788 S. 55 f.; vgl. auch OLG Bamberg, Beschluss vom - 6 W 12/24 e, juris Rn. 41; sowie , VersR 2024, 1562 Rn. 10 zur Überführung von § 14 Abs. 2 bis 5 TMG in § 21 Abs. 2 bis 4 TTDSG).
15b) Nach § 21 Abs. 2 TDDDG ist der Anbieter von digitalen Diensten gegenüber dem Verletzten zur Auskunft verpflichtet und darf im Einzelfall Auskunft über bei ihm vorhandene Bestandsdaten erteilen, soweit dies zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtswidriger audiovisueller Inhalte oder aufgrund von Inhalten, die den Tatbestand der §§ 86, 86a, 89a, 91, 100a, 111, 126, 129 bis 129b, 130, 131, 140, 166, 184b, 185 bis 187, 189, 201a, 241 oder 269 StGB erfüllen und nicht gerechtfertigt sind, erforderlich ist.
16c) Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
17aa) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeerwiderung fehlt es allerdings nicht bereits an der Erforderlichkeit der Auskunftserteilung. Der erstmals in der Rechtsbeschwerdeerwiderung gehaltene Vortrag der Beteiligten, der Antragstellerin sei der Verfasser der beanstandeten Bewertung bekannt, weil dieser die Bewertung am dahingehend aktualisiert habe, dass sie laute "Seine Krönung findet solches Vorgesetztenverhalten darin, dass ich ausstehendes Gehalt und sogar die Erteilung eines Arbeitszeugnisses gerichtlich durchsetzen musste", kann in der Rechtsbeschwerdeinstanz keine Berücksichtigung finden. Denn gemäß § 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG, § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat das Rechtsbeschwerdegericht seiner Entscheidung den Sachverhalt zugrunde zu legen, den das Beschwerdegericht festgestellt hat (BGH, Beschlüsse vom - XIII ZB 24/20, juris Rn. 5; vom - XII ZB 363/15, NJW 2016, 2650 Rn. 24). Durch die Bezugnahme auf § 559 ZPO soll auch in den Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit erreicht werden, dass in der Rechtsbeschwerdeinstanz eine Nachprüfung tatsächlicher Verhältnisse grundsätzlich ausgeschlossen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom - XII ZB 363/15, NJW 2016, 2650 Rn. 24; vom - II ZB 5/12, ZIP 2014, 671 Rn. 30; jeweils mwN; Obermann in BeckOK FamFG, 52. Edition, Stand: , § 74 Rn. 27). Zwar ist § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO einschränkend dahin auszulegen, dass in bestimmtem Umfang auch Tatsachen, die sich erst während der Revisionsinstanz ereignen, in die Urteilsfindung einfließen können, soweit sie unstreitig sind oder ihr Vorliegen in der Revisionsinstanz ohnehin von Amts wegen zu beachten ist und schützenswerte Belange der Gegenseite nicht entgegenstehen. Entsprechendes gilt für das Verfahren vor dem Rechtsbeschwerdegericht (vgl. , NJW 2016, 2650 Rn. 24 mwN). Für Tatsachen, die sich bereits vor Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz ereignet haben, vom Berufungsgericht aber nicht festgestellt wurden, greift diese Ausnahme jedoch nicht (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 984/20, WM 2024, 1723 Rn. 15 mwN). Für die Rechtsbeschwerdeinstanz, in der die Bestimmung des § 559 ZPO aufgrund der Verweisung in § 74 Abs. 3 Satz 4 FamG entsprechend zur Anwendung kommt, kann insoweit nichts anderes gelten.
18bb) Es fehlt aber an einem rechtswidrigen Inhalt im Sinne des § 21 Abs. 2 TDDDG. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Bestimmung setzen die Gestattung der Auskunftserteilung und die korrespondierende Auskunftsverpflichtung - sofern nicht audiovisuelle Inhalte betroffen sind - voraus, dass der beanstandete Inhalt den Tatbestand einer der in der Bestimmung genannten Strafvorschriften erfüllt. Dies entspricht auch dem Verständnis des Begriffs "rechtswidriger Inhalte" im Sinne der Vorgängerregelungen in § 14 Abs. 3 TMG und § 21 Abs. 2 TTDSG (vgl. BT-Drucks. 19/27441 S. 37; 19/22610 S. 28; 18/13013 S. 23; , NJW 2022, 680 Rn. 29; Senatsbeschluss vom - VI ZR 39/18, BGHZ 223, 168 Rn. 48; OLG Karlsruhe, K&R 2022, 706, juris Rn. 23; OLG Schleswig, NJW-RR 2022, 770 Rn. 25; OLG Celle, NJW-RR 2021, 552 Rn. 21; OLG Nürnberg, ZUM-RD 2019, 601, juris Rn. 45 f.). Zwar ist die Antragstellerin als Gesellschaft mit beschränkter Haftung beleidigungsfähig (vgl. , BGHSt 6, 186, juris Rn. 19; , BVerfGK 8, 89, juris Rn. 49; Burkhardt/Peifer in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Auflage, Kapitel 5, Rn. 182). Die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 185 bis 187 StGB, auf welche die Antragstellerin ihren Auskunftsanspruch stützt, sind jedoch nicht erfüllt.
19(1) Eine Verwirklichung der Tatbestände der §§ 186, 187 StGB scheidet aus, weil die beanstandete Äußerung nicht als Tatsachenbehauptung, sondern als Werturteil zu qualifizieren ist.
20(a) Ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil einzustufen ist, ist eine Rechtsfrage, die vom Revisions- bzw. Rechtsbeschwerdegericht uneingeschränkt zu überprüfen ist. Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert. Demgegenüber werden Werturteile und Meinungsäußerungen durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt. Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist danach, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit Mitteln des Beweises zugänglich ist. Dies scheidet bei Werturteilen und Meinungsäußerungen aus, weil sie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet sind und sich deshalb nicht als wahr oder unwahr erweisen lassen. Sofern eine Äußerung, in der sich Tatsachen und Meinungen vermengen, durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, wird sie als Meinung von dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Das gilt insbesondere dann, wenn eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufhöbe oder verfälschte. Würde in einem solchen Fall das tatsächliche Element als ausschlaggebend angesehen, so könnte der grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit wesentlich verkürzt werden (vgl. , BGHZ 206, 289 Rn. 24; vom - VI ZR 230/23, juris Rn. 23 ff.; jeweils mwN; BVerfGE 85, 1, 15 f.; , juris Rn. 18; vom - 1 BvR 820/24, AfP 2024, 316 Rn. 17). Im Zweifel ist im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes davon auszugehen, dass es sich um eine Meinungsäußerung handelt (, NJW 2021, 1585 Rn. 21 mwN).
21Die zutreffende Einstufung einer Äußerung als Wertung oder Tatsachenbehauptung setzt eine der Meinungsfreiheit gerecht werdende Erfassung ihres Sinns voraus. Bei der Sinndeutung ist zu beachten, dass die Äußerung stets in dem Zusammenhang zu beurteilen ist, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (vgl. , juris Rn. 24, 27; vom - VI ZR 39/14, AfP 2015, 41 Rn. 9 mwN; BVerfG, Beschlüsse vom - 1 BvR 1182/24, juris Rn. 17; vom - 1 BvR 2290/23, AfP 2024, 235 Rn. 30).
22Steht die Erfüllung eines Straftatbestands in Rede, müssen bei mehrdeutigen Äußerungen andere mögliche Deutungen mit schlüssigen Gründen ausgeschlossen werden, bevor die zur Verurteilung führende Bedeutung zugrunde gelegt wird (st. Rspr., vgl. nur , AfP 2024, 316 Rn. 15 mwN). Wenn eine straflose Bedeutung nicht ausschließbar ist, ist diese der Beurteilung zugrunde zu legen (vgl. u.a., BVerfGE 93, 266, juris Rn. 126; Fischer in Fischer, StGB, 72. Auflage, § 186 Rn. 3c).
23(b) Nach diesen Grundsätzen ist die beanstandete Äußerung ("Seine Krönung findet solches Vorgesetztenverhalten darin, dass ausgeschiedene Mitarbeiter ausstehendes Gehalt und sogar die Erteilung von Arbeitszeugnissen gerichtlich durchsetzen müssen") als nicht von den §§ 186, 187 StGB erfasste Meinungsäußerung zu qualifizieren. Sie ist entscheidend durch das Element des Dafürhaltens und Meinens geprägt. Soweit sie einen tatsächlichen Gehalt aufweist, ist dieser mit dem wertenden Gehalt der Äußerung untrennbar verbunden.
24Allerdings kann die Äußerung bei isolierter Betrachtung, insbesondere des in der Äußerung verwandten Plurals, dahingehend verstanden werden, dass die Antragstellerin der ihr obliegenden Verpflichtung zur Gehaltszahlung und Erteilung eines Arbeitszeugnisses in mehreren Fällen - jedenfalls nicht nur einmal - erst nach einer gerichtlichen Inanspruchnahme nachgekommen ist.
25Zweifel an einem solchen Verständnis ergeben sich aber bereits daraus, dass der beanstandete Halbsatz nicht im Präteritum ("durchsetzen mussten"), sondern im Präsens ("gerichtlich durchsetzen müssen") abgefasst ist, was das Verständnis nahelegt, der Nutzer gebe auf der Grundlage seiner Erfahrungen insoweit eine wertende Prognose ab. Die Zweifel an dem eingangs geschilderten Verständnis werden durch den sprachlichen Kontext, in dem die beanstandete Äußerung steht, und die Begleitumstände, unter denen sie gemacht worden ist, verstärkt. Die Äußerung ist Teil einer auf einem Arbeitgeberbewertungsportal abgegebenen Bewertung der Antragstellerin, bei der der unbefangene Durchschnittsrezipient typischerweise eine Wiedergabe der subjektiven Einschätzungen des Bewertenden erwartet (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 123/16, NJW 2017, 2029 Rn. 33; OLG Bamberg, Beschluss vom - 6 W 12/24 e, juris Rn. 53 ff.). Die Äußerung schließt die mit nur einem Stern versehene Bewertung des "Vorgesetztenverhaltens" ab und nimmt Bezug ("solches Vorgesetztenverhalten") auf die in den Sätzen zuvor geübte Kritik am Führungsverhalten bei der Antragstellerin ("glänzt durch Abwesenheit", "Angestellte sollen nur so schnell wie möglich so viel Geld wie möglich machen"). Diese Kritik ist pauschal und abstrahierend gehalten; durch die Art der Darstellung wird sie den von ihr zugrundeliegenden konkreten Vorfällen gelöst und auf eine verallgemeinernde Ebene gehoben. Aus der Sicht des Durchschnittsrezipienten bringt sie damit in erster Linie die Missbilligung des Führungsverhaltens bei der Antragstellerin durch den Nutzer, mithin eine subjektive Wertung zum Ausdruck. Hieran knüpft die angegriffene Äußerung unmittelbar an. Sie wird mit wertenden Worten ("Seine Krönung findet") eingeleitet und setzt die zuvor erfolgte Abstrahierung fort, was sich dem Durchschnittsrezipienten sowohl durch die Bezugnahme auf "solches Vorgesetztenverhalten" als auch durch die Verwendung des Präsens ("gerichtlich durchsetzen müssen") statt des Präteritums ("durchsetzen mussten") erschließt.
26Unter diesen Umständen erscheint es keinesfalls zwingend, dass ein Durchschnittsleser ausgehend von dem allgemeinen Sprachgebrauch allein aufgrund der Verwendung des Plurals in der streitgegenständlichen Äußerung den Schluss zieht, dass es in der Vergangenheit mehrere entsprechende Fälle gegeben hat. Vielmehr ist es ebenso wahrscheinlich, dass jedenfalls ein Teil des unvoreingenommenen und verständigen Publikums die Aussage dahingehend versteht, dass es in der Vergangenheit vorgekommen ist, dass ein ausgeschiedener Mitarbeiter ausstehendes Gehalt und die Erteilung des Arbeitszeugnisses gerichtlich hat einklagen müssen und der Nutzer diesen Vorfall als für ihn absehbare Folge ("Krönung") des von ihm ohnehin sehr negativ empfundenen Vorgesetztenverhaltens bewertet. Die Äußerung ist danach nicht als eine wörtlich gemeinte Behauptung konkreter Tatsachen zu deuten, sondern - wie die übrigen Angaben auch - als eine Meinungsäußerung des bewertenden Nutzers, die wesentlich durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet ist.
27(2) Die beanstandete Äußerung verwirklicht auch nicht den Straftatbestand des § 185 StGB. Auf der zutreffenden Sinnermittlung einer Äußerung aufbauend erfordert die Annahme einer Beleidigung nach § 185 StGB grundsätzlich eine abwägende Gewichtung der Beeinträchtigungen, die den betroffenen Rechtsgütern und Interessen, hier also der Meinungsfreiheit des Nutzers und dem sozialen Geltungsanspruch der Antragstellerin, drohen (vgl. , NJW 2022, 680 Rn. 29 f.). Der Antragstellerin als juristischer Person kommt der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß Art. 2 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3 GG zugute, soweit sie aus ihrem Wesen als Zweckschöpfung des Rechts und ihrer Funktionen dieses Rechtsschutzes bedarf. Dies ist insbesondere der Fall, wenn und soweit sie - wie hier - in ihrem sozialen Geltungsanspruch in ihrem Aufgabenbereich betroffen ist (vgl. , BGHZ 98, 94, juris Rn. 17; vom - VI ZR 123/16, NJW 2017, 2029 Rn. 16).
28Im Rahmen der Abwägung hat das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin allerdings hinter dem Recht auf Meinungsfreiheit des bewertenden Nutzers zurückzutreten. Denn die tatsächlichen Elemente von dessen insgesamt als Meinungsäußerung zu qualifizierender Äußerung sind wahr (vgl. , VersR 2022, 1376 Rn. 35; vom - VI ZR 123/16, NJW 2017, 2029 Rn. 27; jeweils mwN). Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts gab es in der Vergangenheit einen Fall, in dem ein ausgeschiedener Mitarbeiter ausstehendes Gehalt und die Erteilung eines Arbeitszeugnisses gerichtlich gegen die Antragstellerin durchsetzen musste. Bei dieser Sachlage erweist sich die beanstandete Äußerung als zulässige Kritik des von der Antragstellerin gegenüber ihren Mitarbeitern gezeigten Verhaltens.
Seiters von Pentz Klein
Allgayer Linder
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:110325BVIZB79.23.0
Fundstelle(n):
UAAAJ-89709