Suchen
BGH Urteil v. - VIa ZR 1590/22

Instanzenzug: Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt Az: 5 U 63/22vorgehend LG Halle (Saale) Az: 6 O 146/21

Tatbestand

1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch. Er erwarb im Juni 2017 bei einem Händler einen von der Beklagten hergestellten, gebrauchten Mercedes-Benz V 250 CDI 4-Matic Blue Efficiency mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 651 (Schadstoffklasse Euro 6).

2Seine Klage, mit der er im Wesentlichen so gestellt werden möchte, wie wenn er den Kaufvertrag nie abgeschlossen hätte, hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge weiter.

Gründe

3Die Revision hat Erfolg.

4Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

5Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus §§ 826, 31 BGB lägen nicht vor. Das Inverkehrbringen des mit einem Motor der Baureihe OM 651 Euronorm 6 und einem SCR-Katalysator versehenen Fahrzeugs stelle keine sittenwidrige Handlung der Beklagten gegenüber dem Kläger dar. Weder aus dem Vortrag des Klägers noch einem von ihm in Bezug genommenen Rückrufbescheid des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) ergebe sich, dass einer der im streitgegenständlichen Motor eingesetzten SCR-Modi ausschließlich im Prüfstand die Abgasreinigung verstärkt aktiviere. Zudem fehle es auch in subjektiver Hinsicht an einem vorsätzlich sittenwidrigen Verhalten der Beklagten. Schließlich stehe dem Kläger auch kein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu, weil diese Vorschriften nicht den Schutz des Käufers vor Abschluss eines ungewollten Vertrags bezweckten.

II.

6Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

71. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die von der Revision insoweit erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet; von einer Begründung wird insoweit abgesehen (§ 564 Satz 1 ZPO).

82. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des Zurückweisungsbeschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl.  VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).

9Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl.  VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch unberücksichtigt gelassen, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

10Die Berufungsentscheidung ist (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil sie sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, kann der Senat nicht selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO), sondern hat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

11Das Berufungsgericht wird auf der Grundlage der mit Urteil des Senats vom in der Sache VIa ZR 335/21 aufgestellten Grundsätze die erforderlichen Feststellungen zu einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben, nachdem es dem Kläger Gelegenheit gegeben hat, den Differenzschaden zu berechnen und dazu vorzutragen.

                                                

                                          

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:010425UVIAZR1590.22.0

Fundstelle(n):
UAAAJ-89628