Instanzenzug: LG Dessau-Roßlau Az: 1 KLs 11/23 jug
Gründe
1Das Landgericht hat die Angeklagte unter Freisprechung im Übrigen wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und „wegen unerlaubten Handels mit Cannabis in nicht geringer Menge in fünf Fällen“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Ferner hat es eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Ihre auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
21. Die auf die Sachrüge veranlasste Nachprüfung des Urteils führt zu einer Änderung und Neufassung des Schuldspruchs im Fall II.1 der Urteilsgründe.
3a) Das Landgericht ist zutreffend von einer Bewertungseinheit hinsichtlich der von der Angeklagten in wöchentlichem Abstand in die Bunkerwohnung verbrachten fünf Marihuanalieferungen ausgegangen, weil sie die überwiegend zum Verkauf bestimmten Liefermengen jeweils ihrem noch nicht vollständig verkauften „Cannabisvorrat“ hinzufügte, wodurch diese Mengen jeweils „vermischt“ wurden (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 200/21, Rn. 3; vom – 5 StR 445/11, NStZ-RR 2012, 121, 122 mwN). Bei der Fassung der Urteilsformel ist der Strafkammer aber aus dem Blick geraten, dass durch die angenommene Bewertungseinheit alle Teilakte des Handeltreibens zu einer Tat verbunden werden und der Täter deshalb auch nur wegen einer Tat des Handeltreibens mit Cannabis und nicht ‒ wie hier geschehen ‒ wegen Handeltreibens mit Cannabis in fünf Fällen schuldig zu sprechen ist (vgl. Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., § 34 KCanG Rn. 93 und § 29 BtMG Rn. 467).
4b) Der Senat ändert den Schuldspruch im Fall II.1 der Urteilsgründe entsprechend § 354 Abs. 1 StPO. Dem steht § 265 StPO nicht entgegen, weil die geständige Angeklagte sich nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
5c) Der Senat hat den Schuldspruch auch im Übrigen klarstellend neu gefasst. Der Kennzeichnung des Handeltreibens mit Cannabis als „unerlaubt“ bedarf es nicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 4/24, Rn. 11 mwN; vom – 4 StR 203/24, Rn. 6). Auch der Zusatz „in nicht geringer Menge“ ist entbehrlich, weil es sich – anders als im Fall des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG – nicht um ein Qualifikationsmerkmal, sondern um ein Regelbeispiel eines besonders schweren Falles im Sinne von § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG handelt (vgl. , NStZ-RR 2024, 215).
62. Der Strafausspruch bleibt von der Schuldspruchänderung unberührt, weil die Strafkammer im Fall II.1 der Urteilsgründe nur eine Strafe verhängt hat.
73. Der Adhäsionsausspruch hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.
8a) Zwar erweist sich insbesondere der dem Adhäsionskläger gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1, §§ 253, 255, 250 Abs. 2, § 52 StGB zuerkannte Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 1.500 Euro nebst „Rechtshängigkeitszinsen“ gemäß § 404 Abs. 2 StPO, § 286 Abs. 1, § 291 Satz 1 BGB in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz als rechtsfehlerfrei. Die zugesprochenen Prozesszinsen sind entsprechend § 187 Abs. 1 BGB aber erst ab dem Tag zu entrichten, der auf die – hier am eingetretene – Rechtshängigkeit des Adhäsionsantrags folgt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 306/19, Rn. 4; vom – 6 StR 74/24, Rn. 2, beide mwN), mithin ab dem . Einen weitergehenden Zinsanspruch hat das Landgericht – entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts – zu Recht abgelehnt; insoweit fehlte es an einer verzugsbegründenden Mahnung (vgl. ).
9b) Der Senat ergänzt die Adhäsionsentscheidung in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO, weil das Landgericht dem auf Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens 3.000 Euro gerichteten Adhäsionsantrag und dessen Verzinsung nur teilweise entsprochen hat. Gemäß § 406 Abs. 1 Satz 3 StPO hätte es im Urteilstenor zum Ausdruck bringen müssen, dass hinsichtlich des nicht zuerkannten Teils des geltend gemachten Anspruchs von einer Entscheidung abgesehen worden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 133/15; vom – 6 StR 74/24, Rn. 2).
10c) Die Änderung des Adhäsionsausspruchs ist auf die nicht revidierenden Mitangeklagten nicht zu erstrecken. Denn es liegt kein Fall des § 357 StPO vor, weil die Aufhebung nicht wegen einer Gesetzesverletzung bei Anwendung eines Strafgesetzes erfolgt (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 100/10, NStZ-RR 2010, 344; vom – 4 StR 433/20).
114. Angesichts des geringen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig, die Angeklagte mit den gesamten Kosten ihres Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO). In Bezug auf das Adhäsionsverfahren folgt die Kosten- und Auslagenentscheidung aus § 472a StPO.
Bartel Tiemann Wenske
Fritsche Arnoldi
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:161024B6STR498.24.0
Fundstelle(n):
WAAAJ-89623