Suchen
BVerfG Beschluss v. - 2 BvR 1425/24

Nichtannahmebeschluss: Pflicht zur Vorlage entscheidungserheblicher Unterlagen betrifft auch öffentlich zugängliche Erkenntnisquellen - hier: mangels hinreichender Begründung unzulässige Verfassungsbeschwerde in einer Asylsache - Verfehlung der Begründungsanforderungen in formeller wie materieller Hinsicht

Gesetze: Art 19 Abs 4 S 1 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, Art 3 MRK, § 80 VwGO, § 80a VwGO, § 86 Abs 1 VwGO

Instanzenzug: Az: 9 L 626/24 A Beschlussvorgehend Az: 9 L 625/24 R Beschlussvorgehend Az: 9 L 548/24 A Beschluss

Gründe

I.

1 1. Der Beschwerdeführer ist ein im Jahr 1995 im Iran geborener afghanischer Staatsangehöriger. Er reiste im Februar 2024 nach Griechenland ein und erhielt dort eine Anerkennung als international Schutzberechtigter.

2 2. Im Mai 2024 reiste er weiter in die Bundesrepublik Deutschland und stellte einen Asylantrag. Diesen lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom als unzulässig ab und drohte die Abschiebung nach Griechenland an. Zwar seien die Lebensverhältnisse dort für international Schutzberechtigte schwierig, die Lage erreiche jedoch nicht das Gewicht eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK beziehungsweise Art. 4 GRCh.

3 3. Dagegen erhob der Beschwerdeführer am Klage zum Verwaltungsgericht und stellte einen Eilantrag, den das Gericht mit angegriffenem Beschluss vom ablehnte.

4 Der Asylantrag sei nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unzulässig, ohne dass der Anwendung dieser Norm vorrangiges Unionsrecht entgegenstehe. Nach den aktuellen Erkenntnissen drohe dem Beschwerdeführer weder allgemein noch aus in seiner Person liegenden Gründen im Falle einer Rückkehr nach Griechenland die ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung, die einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK beziehungsweise Art. 4 GRCh darstellen würde.

5 a) Wer wie der Beschwerdeführer im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sei, werde nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit obdachlos. Obdachlos seien nach nunmehr erstmals zur Verfügung stehenden aktuellen Zahlen der unter anderem von UNHCR und der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich durchgeführten Studie "Home for Good? Obstacles and Opportunities for Refugees and Asylum Seekers in Greece" aus dem Dezember 2023, nur bis zu 5 % der anerkannt schutzberechtigten Afghanen. Ähnlich valide Studien, die abweichende Zahlen ergäben, existierten nicht. Danach sei die Obdachlosigkeit von anerkannt Schutzberechtigten kein augenscheinliches Massenphänomen. Dem Beschwerdeführer sei es zumutbar, notfalls in Behelfsunterkünften zu wohnen.

6 b) Es sei davon auszugehen, dass zurückkehrende anerkannt Schutzberechtigte zur Sicherung ihres Lebensunterhalts jedenfalls zeitweise auf zumutbare Weise durch eigene Erwerbstätigkeit in der sogenannten "Schattenwirtschaft" beitragen könnten. Diese mache in Griechenland einen erheblichen Teil der Gesamtwirtschaft aus und sei nicht mit einer relevanten Verfolgungsgefahr verbunden.

7 4. Die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Anhörungsrüge und ein Antrag auf Abänderung des Beschlusses vom blieben mit den weiter angegriffenen Beschlüssen vom und vom jeweils erfolglos. Das Gericht hielt auch in Ansehung der Einwände des Beschwerdeführers sowie aktueller Erkenntnismittel an seiner Lagebewertung fest.

II.

8 Am hat der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlüsse vom 20. September und erhoben, sie am um den Beschluss vom erweitert und einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Er rügt die Verletzung in Art. 19 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.

9 1. Ein Verstoß gegen die Gewähr effektiven Rechtsschutzes liege zum einen darin, dass das Verwaltungsgericht im Wege des Eilrechtsschutzes zulasten des Beschwerdeführers entschieden habe, obwohl die Erfolgsaussichten in der Hauptsache zumindest offen seien. Denn das übergeordnete Oberverwaltungsgericht teile die Lagebewertung des Verwaltungsgerichts hinsichtlich der Situation Schutzberechtigter in Griechenland nicht. Zudem stünden offene unionsrechtliche Fragen in Rede, weil unklar sei, ob im Rahmen von Art. 4 GRCh auf Schwarzarbeit verwiesen werden dürfe. Was dieser Begriff umfasse - ob dazu insbesondere auch kriminelle oder mafiöse Tätigkeiten zu zählen seien - sei schon nicht obergerichtlich, geschweige denn unionsrechtlich geklärt.

10 2. Ein weiterer Verstoß ergebe sich daraus, dass das Verwaltungsgericht ohne tragfähige Sachgrundlage eine drohende Verelendung des Beschwerdeführers in Griechenland verneine. Diesem drohe dort aller Voraussicht nach die Obdachlosigkeit. Eine Erwerbschance biete sich ihm nicht, weil ihm wegen bürokratischer Hürden der legale Arbeitsmarkt faktisch verschlossen und eine Tätigkeit in der sogenannten "Schattenwirtschaft" nicht zumutbar sei. Sozialleistungen seien für ihn faktisch ebenfalls nicht erreichbar.

III.

11 Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht gegeben sind. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Sie genügt den Darlegungs- und Substantiierungsanforderungen nach § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG nicht.

12 1. Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG hat ein Beschwerdeführer den Sachverhalt, aus dem sich die Grundrechtsverletzung ergeben soll, substantiiert und schlüssig darzulegen (vgl. BVerfGE 81, 208 <214>; 113, 29 <44>; 130, 1 <21>; stRspr). Ferner muss sich die Verfassungsbeschwerde mit dem zugrundeliegenden einfachen Recht sowie mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung des vorgetragenen Sachverhalts auseinandersetzen und hinreichend substantiiert aufzeigen, dass eine Grundrechtsverletzung möglich erscheint (vgl. BVerfGE 28, 17 <19>; 140, 229 <232 Rn. 9>; 149, 346 <359 Rn. 23>; stRspr). Dabei sind die relevanten Dokumente vorzulegen oder inhaltlich wiederzugeben, soweit ohne ihre Kenntnis eine Einschätzung, ob die Verfassungsbeschwerde Erfolg haben kann, nicht möglich ist (vgl. BVerfGE 112, 304 <314 f.>; BVerfGK 14, 402 <417>). Zweck der Begründungsanforderungen in § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG ist es, dem Bundesverfassungsgericht die Möglichkeit zu eröffnen, den angegriffenen Hoheitsakt ohne weitere Ermittlungen einer verfassungsrechtlichen Überprüfung zu unterziehen (vgl. BVerfGE 149, 346 <360 Rn. 25>).

13 2. Diesen Anforderungen wird die Verfassungsbeschwerdeschrift in formeller (a) wie materieller Hinsicht (b) nicht gerecht.

14 a) Denn der Beschwerdeführer legt zwei Erkenntnismittel nicht vor, deren Kenntnis zur Prüfung der geltend gemachten Verfassungsverstöße unabdingbar ist. Das betrifft zum einen die Studie "Home for Good?" des UNHCR vom Dezember 2023, die die Hauptquelle des Gerichts für seine Schlussfolgerungen zur Wohnungssituation ist und die es auch zur Möglichkeit einer Erwerbstätigkeit zitiert. Auch der Beschwerdeführer stützt sich in der Verfassungsbeschwerdeschrift darauf, ohne sie indes vorzulegen oder zumindest auszugsweise wiederzugeben. Dass die Quelle grundsätzlich öffentlich zugänglich ist, ändert an dem Substantiierungsdefizit nichts, weil es nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts ist, Defizite in der (hier formellen) Substantiierung durch eigenen Rechercheaufwand auszugleichen (vgl. BVerfGE 80, 257 <263>; 83, 216 <228>; BVerfGK 19, 362 <363>). Zum anderen fehlt auch eine - nicht frei zugängliche - Auskunft der Deutschen Botschaft in Athen ("Unterbringung und Sicherung des Existenzminimums anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland") vom Februar 2023, auf die sich das Gericht bei der vom Beschwerdeführer in Zweifel gezogenen Einschätzung maßgeblich stützt, wonach ihm eine Erwerbstätigkeit und der Zugang zu Sozialleistungen möglich sei. Die vom Gericht mehrfach zitierte Quelle wird vom Beschwerdeführer weder inhaltlich aufgegriffen (dazu sogleich) noch vorgelegt. Ob die Tatsachenbewertung des Gerichts verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, lässt sich auf dieser Grundlage nicht beurteilen.

15 b) Auch in materieller Hinsicht genügt die Verfassungsbeschwerde den Substantiierungsanforderungen nicht. Einen Verstoß gegen die verfassungsrechtlichen Maßgaben des Gebots effektiven Rechtsschutzes (aa) lässt sie nicht hervortreten (bb).

16 aa) Das Gebot effektiven Rechtsschutzes verlangt nicht nur, dass jeder potentiell rechtsverletzende Akt der Exekutive in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht der richterlichen Prüfung unterstellt ist; vielmehr müssen die Gerichte den betroffenen Rechten auch tatsächliche Wirksamkeit verschaffen (vgl. BVerfGE 35, 263 <274>; 84, 34 <49>; stRspr). Das Maß dessen, was wirkungsvoller Rechtsschutz ist, bestimmt sich entscheidend auch nach dem sachlichen Gehalt des als verletzt behaupteten Rechts (vgl. BVerfGE 60, 253 <297>), hier des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) in Verbindung mit der Gewährleistung des Art. 3 EMRK im Lichte der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 2259/17 -, Rn. 17). Ein Instanzenzug kann zwar nicht beansprucht werden. Steht aber - wie hier - nur eine Instanz zur Verfügung, so verstärkt dies die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des Verfahrens im Hinblick auf die Wahrheitserforschung (vgl. BVerfGE 83, 24 <31>; 87, 48 <61 f.>).

17 In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist anerkannt, dass die Rückführung eines Flüchtlings in einen anderen Konventionsstaat eine Verletzung des Art. 3 EMRK auch durch den rückführenden Staat darstellen kann, wenn den Behörden bekannt ist oder bekannt sein muss, dass dort gegen Art. 3 EMRK verstoßende Bedingungen herrschen. Solche Bedingungen können dann anzunehmen sein, wenn ein Flüchtling völlig auf sich allein gestellt ist und er über einen langen Zeitraum gezwungen sein wird, auf der Straße zu leben, ohne Zugang zu sanitären Einrichtungen oder Nahrungsmitteln (vgl. hierzu insgesamt EGMR <GK>, M.S.S. v. Belgium and Greece, , 30696/09, § 263 f., § 365 ff.).

18 (1) Die verfahrensrechtlichen Anforderungen an die Sachverhaltsaufklärung haben dem hohen Wert der betroffenen Rechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 117, 71 <106 f.>) und die Vorgaben der EMRK zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 111, 307 <323 ff.>). In Fällen, in denen es um die Beurteilung der Aufnahmebedingungen in einem Drittstaat als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK geht, kommt der verfahrensrechtlichen Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) verfassungsrechtliches Gewicht zu (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 1606/17 -, Rn. 22). Die fachgerichtliche Beurteilung solcher möglicherweise gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Aufnahmebedingungen muss daher, jedenfalls wenn diese ernsthaft zweifelhaft sind, etwa weil dies in der jüngsten Vergangenheit noch von der Bundesregierung und der EU-Kommission bejaht wurde und damit der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens erschüttert ist, auf einer hinreichend verlässlichen, auch ihrem Umfang nach zureichenden tatsächlichen Grundlage beruhen (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 273/16 -, Rn. 11). Dabei kann es sowohl verfassungsrechtlich als auch konventionsrechtlich geboten sein, dass sich die zuständigen Behörden und Gerichte vor einer Rückführung in den Drittstaat über die dortigen Verhältnisse informieren und gegebenenfalls Zusicherungen der zuständigen Behörden einholen (vgl. BVerfGE 94, 49 <100>; EGMR <GK>, M.S.S. v. Belgium and Greece, , 30696/09, § 353 f; Tarakhel v. Switzerland, , 29217/12, § 121).

19 Soweit entsprechende Erkenntnisse und Zusicherungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht vorliegen und nicht eingeholt werden können, ist es zur Sicherung effektiven Rechtsschutzes geboten, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen (vgl. zur Bedeutung des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes für das Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG: BVerfGE 126, 1 <27 ff.>).

20 Angesichts dessen müssen sich Behörden und Gerichte bei der Beantwortung der Frage, ob ein Antragsteller in ein Land abgeschoben werden darf, in dem die Gefahr besteht, dass die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten sein könnte, laufend über die tatsächlichen Entwicklungen unterrichten und dürfen nur auf der Grundlage tagesaktueller Erkenntnisse entscheiden (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 273/16 -, Rn. 11; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 681/17 -, Rn. 11; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvQ 8/21 -, Rn. 7). Daraus folgt die Pflicht, die Entwicklung der Lage im Zielstaat der Abschiebung unter Beobachtung zu halten und relevante neuere Erkenntnismittel zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 681/17 -, Rn. 11).

21 (2) Den Anforderungen an die Gewährung effektiven Rechtsschutzes müssen die Gerichte auch bei der Auslegung und Anwendung der Vorschriften über den verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz Rechnung tragen (vgl. BVerfGK 5, 196 <201>), da dieser in besonderer Weise der Sicherung grundrechtlicher Freiheit dient. Auch im Eilverfahren darf sich der Rechtsschutz nicht in der bloßen Möglichkeit der Anrufung eines Gerichts erschöpfen, er muss vielmehr zu einer wirksamen Kontrolle in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht führen (vgl. BVerfGE 40, 272 <275>; 61, 82 <111>; 67, 43 <58>; 77, 275 <284>). Hierbei dürfen Entscheidungen grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung wie auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 1341/24 -, Rn. 11 m.w.N.).

22 Dabei ist es von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn sich die vorzunehmende Interessenabwägung in erster Linie an der voraussichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts orientiert (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 44/24 -, Rn. 16 m.w.N.). Strengere Anforderungen gelten, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Möchten die Gerichte sich in solchen Fällen an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren, müssen sie die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 1341/24 -, Rn. 12 m.w.N.).

23 bb) Einen Verstoß gegen diese Maßgaben zeigt die Verfassungsbeschwerde nicht schlüssig auf.

24 (1) Soweit der Beschwerdeführer eine Entscheidung zu seinen Lasten im Eilverfahren für unzulässig hält, weil die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen seien, lässt er insbesondere außer Acht, dass das Verwaltungsgericht nicht aufgrund einer bloß summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache entschieden, sondern eine Vollprüfung der Frage vorgenommen hat, ob im Falle einer Rückkehr nach Griechenland den Beschwerdeführer Lebensumstände erwarten würden, die das Gewicht eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK erreichen. Der Einzelrichter der 9. Kammer des Verwaltungsgerichts hat diese Frage nach seiner freien Überzeugung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) anders beantwortet als andere Kammern desselben Gerichts und das ihm übergeordnete Oberverwaltungsgericht dies in vergleichbaren Konstellationen getan haben, was mit Blick auf die richterliche Unabhängigkeit grundsätzlich nicht zu beanstanden ist (so zuletzt ausdrücklich BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 1341/24 - Rn. 15).

25 Das Gericht hat sich auf den Vorhalt des Beschwerdeführers hin auch damit befasst, ob sich eine entscheidungserhebliche Frage des Unionsrechts stellt, und dies im Beschluss vom knapp verneint. Dass diese Einschätzung unzutreffend wäre, zeigt die Verfassungsbeschwerde nicht auf. Denn ihre Annahme, wonach in der nationalen und europäischen Rechtsprechung ungeklärt sei, inwieweit Betroffene im Geltungsbereich des Art. 3 EMRK auf Schwarzarbeit verwiesen werden können, lässt außer Acht, dass zu dieser Frage (auch jüngste) Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts existiert. Dieses hat zuletzt anlässlich einer sogenannten "Tatsachenrevision" zur Lage international Schutzberechtigter in Italien mit Urteil vom - 1 C 24/23 -, Rn. 100 f., ausgeführt, dass zu den zur Erwerbssicherung eines Schutzberechtigten zumutbaren Arbeiten auch Tätigkeiten im Bereich der sogenannten "Schatten- oder Nischenwirtschaft" zählen, solange sich der Betreffende damit nicht der ernstlichen Gefahr der Strafverfolgung aussetzt. Obwohl diese Passagen im Zuge einer "Tatsachenrevision" zu Italien ausgeführt wurden, unterliegen sie nicht der auf die jeweils gewürdigten tatsächlichen Grundlagen begrenzten Bindungswirkung, die Entscheidungen nach § 78 Abs. 8 AsylG eigen ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 1341/24 -, Rn. 16). Denn die Aussagen zur Zumutbarkeit von Schwarzarbeit sind Rechtsausführungen, mit denen das Bundesverwaltungsgericht seine bereits dazu bestehende Rechtsprechung fortführt. Die Annahme des Beschwerdeführers, Begriff und Zumutbarkeit einer illegalen Beschäftigung seien in der Fachgerichtsbarkeit ungeklärt, trifft danach nicht zu. Dass die Rechtsansicht des Bundesverwaltungsgerichts evident unions- oder verfassungswidrig wäre, ist daher nicht dargetan.

26 (2) Auch Zweifel an der Tragfähigkeit der Sachgrundlage, auf der insbesondere die Ausführungen des Gerichts zu Wohnungssituation, Erwerbsmöglichkeiten und Sozial-leistungen beruhen, lässt die Verfassungsbeschwerde nicht hervortreten. Weil zwei wesentliche Quellen des Verwaltungsgerichts mit der Verfassungsbeschwerde nicht vorgelegt wurden und zu der Auskunft der Deutschen Botschaft vom Februar 2023 auch eine inhaltliche Auseinandersetzung fehlt, kann die Validität der vom Beschwerdeführer vorgebrachten Bedenken nicht bewertet werden.

27 Soweit die Verfassungsbeschwerde ihre Ausführungen zu einem Verstoß gegen Art. 3 EMRK beziehungsweise Art. 4 GRCh wegen drohender Obdachlosigkeit darauf fokussiert, dass dem Beschwerdeführer wegen bürokratischer Hindernisse und fehlender Unterstützungsprogramme der legale Wohnungsmarkt faktisch verschlossen sei, verhält sie sich überdies wiederum nicht zu der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Dieses hält im Lichte von Art. 4 GRCh auch ein Unterkommen in Behelfsunterkünften für zumutbar ( -, Rn. 83). Etwaige unions- oder verfassungsrechtliche Zweifel daran hat der Beschwerdeführer nicht vorgetragen.

28 Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2025:rk20250401.2bvr142524

Fundstelle(n):
RAAAJ-89415