Instanzenzug: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Az: 6 S 2541/22
Gründe
11. Die Ablehnungsgesuche sind unzulässig und damit zu verwerfen.
2Ein Ablehnungsgesuch nach § 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 42 Abs. 1 und 2 ZPO kann ausnahmsweise unter Mitwirkung abgelehnter Gerichtspersonen verworfen werden oder - wie hier - überhaupt unberücksichtigt bleiben, wenn es sich als offenbarer Missbrauch des Ablehnungsrechts darstellt oder sonst offensichtlich unzulässig ist (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom - 7 C 13.13 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 76 Rn. 5 und vom - 9 A 3.22 <9 A 12.21> - juris Rn. 5). So liegt es hier.
3Das Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht A. ist, soweit es der Antragsteller nur auf die erhobene Anhörungsrüge bezogen wissen möchte, rechtsmissbräuchlich. Dem Vorbringen des Klägers lässt sich nicht einmal ansatzweise nachvollziehbar entnehmen, weshalb sich daraus Anhaltspunkte für eine Besorgnis der Voreingenommenheit gerade des abgelehnten Richters ergeben sollten.
4Für das Ablehnungsgesuch gegen die "zuständige Urkundsperson" der Geschäftsstelle gilt nichts anderes. Die vom Kläger genannten Gründe sind von vornherein ungeeignet, die angebliche Befangenheit der abgelehnten Urkundsbeamtin zu begründen. Insofern kann dahinstehen, ob das Gesuch bereits deshalb unzulässig ist, weil die Besorgnis der Befangenheit nur aus individuellen, auf eine einzelne Person bezogenen Gründen gerechtfertigt sein kann und er die als befangen abgelehnte Urkundsperson nicht namentlich nennt (vgl. 8 B 18.07 - juris Rn. 2 m. w. N.).
5Soweit die Ablehnungsgesuche auch darauf gerichtet sein sollten, den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht A. und die "zuständige Urkundsperson" der Geschäftsstelle von der Entscheidung über seine Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg auszuschließen, ergibt sich die Unzulässigkeit der Ablehnungsgesuche außerdem daraus, dass das Beschwerdeverfahren 5 B 29.23 durch Beschluss des Senats vom abgeschlossen und auf die Anhörungsrüge des Klägers auch nicht fortzuführen (nachfolgend 2.) ist. Nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens, auf das sich ein Ablehnungsgesuch bezieht, ist für die Ablehnung einer Gerichtsperson kein Raum mehr (vgl. 4 B 43.06 <4 B 35.06> - juris Rn. 2).
62. Die vom Kläger der Sache nach erhobene Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Senats vom - 5 B 29.23 - hat keinen Erfolg. Das Verfahren ist unabhängig davon, dass sein bei verständiger Würdigung als Anhörungsrüge zu wertendes Schreiben vom nicht innerhalb der Frist von zwei Wochen nach Kenntnis von der (angeblichen) Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 152a Abs. 2 Satz 1 VwGO) bei Gericht eingegangen ist, nicht nach § 152a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 VwGO fortzuführen. Nach § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten bei Vorliegen der Voraussetzung des § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwGO das Verfahren fortzuführen, wenn das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Gründe dafür, dass dies hier der Fall ist, hat der Kläger nicht ansatzweise vorgetragen.
7Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte dieser Pflicht nachgekommen sind. Die Gerichte sind allerdings nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Es ist daher verfehlt, aus der Nichterwähnung einzelner Begründungsteile des Vorbringens in den gerichtlichen Entscheidungsgründen zu schließen, ein Gericht habe sich nicht mit den darin enthaltenen Argumenten befasst. Vielmehr sind in der Entscheidung nur diejenigen Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind (§ 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Die Gerichte können sich auf die Darstellung und Würdigung derjenigen rechtlichen Gesichtspunkte beschränken, auf die es nach ihrem Rechtsstandpunkt entscheidungserheblich ankommt. Geht ein Gericht auf einzelne Teile des Vorbringens nicht ein, dokumentiert es damit in der Regel zugleich, dass es sie für rechtlich irrelevant hält. Insbesondere vermittelt der Anspruch auf rechtliches Gehör keinen Schutz davor, dass ein Gericht den Vortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt lässt. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte nicht, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsansicht eines Verfahrensbeteiligten auch inhaltlich zu folgen (stRspr, vgl. z. B. 5 C 5.17 D <5 C 10.15 D> - juris Rn. 8 m. w. N.).
8Die eine entscheidungserhebliche Verletzung des rechtlichen Gehörs begründenden Umstände sind gemäß § 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO vom Rügeführer substantiiert und schlüssig darzulegen. Er muss die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Möglichkeit einer derartigen Verletzung ableiten lässt. Was dazu im Einzelnen vorzutragen ist, bestimmt sich danach, auf welche Gründe die Anhörungsrüge gestützt wird. Die Anhörungsrüge lässt sich nicht mit Einwendungen begründen, die in Wirklichkeit auf die Fehlerhaftigkeit der mit ihr angegriffenen Entscheidung zielen. Denn die Anhörungsrüge stellt keinen Rechtsbehelf zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung dar (stRspr, vgl. z. B. 5 C 5.17 D <5 C 10.15 D> - juris Rn. 10 f. m. w. N.). Gemessen an diesen Grundsätzen hat der Kläger eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht ansatzweise dargelegt.
9Der Senat vermag den Ausführungen des Klägers nicht zu entnehmen, worin eine Gehörsverletzung durch den Beschluss vom - 5 B 29.23 - zu sehen sein soll. Soweit der Kläger rügt, es handele sich um eine Überraschungsentscheidung, kann dem schon deshalb nicht gefolgt werden, weil er in dem angegriffenen Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs unter Ziffer 3 darauf hingewiesen worden war, dass dieser gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar ist. Soweit er sich auf die "Missachtung" verschiedener näher bezeichneter "Prozessanträge" in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beruft, kann er diese Verstöße nicht in einem Anhörungsrügeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht geltend machen, sondern hätte - sofern er dies für geboten gehalten hätte - die Anhörungsrüge innerhalb der Frist des § 152a Abs. 2 Satz 1 VwGO beim Verwaltungsgerichtshof erheben können. Eine Gehörsverletzung durch den erkennenden Senat kann er auch nicht auf "die bisher verweigerte Akteneinsicht" stützen, weil er in dem Verfahren 5 B 29.23 vor dem Bundesverwaltungsgericht bereits keinen entsprechenden Antrag gestellt hat. Auch die von ihm behaupteten Formfehler des Beschlusses vermögen eine Gehörsverletzung nicht zu begründen und liegen im Übrigen nicht vor (vgl. nachfolgend unter 3.).
10Soweit der Kläger außerdem eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) geltend macht, kann dies nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts mit der Anhörungsrüge nicht geltend gemacht werden (vgl. 3 C 9.16 <3 C 18.14> - juris Rn. 1 m. w. N.). Für die weiteren Rügen einer "willentliche[n] Verletzung des Bundesrechts [...] in der Absicht, ein Scheinverfahren (basierend auf Scheinentscheidungen) zu führen", der "absichtliche[n] Entziehung des effektiven Rechtsschutzes aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG", des "Verstoß[es] gegen das Rechtsstaatsprinzip und ein faires Verfahren", des "Verstoß[es] gegen das Konventionsrecht aus Art. 13, Art. 6 Abs. 1 EMRK" sowie des Verstoßes gegen den Justizgewährungsanspruch gilt - auch, soweit der Kläger darin einen "Grund- und Konventionsrechtsverstoß" sieht - nichts anderes.
113. Die weiterhin gestellten Anträge des Klägers festzustellen, dass der Beschluss des Senats vom - 5 B 29.23 - nicht vorliegt, der Erlass dieser Entscheidung nicht nachgewiesen wurde und der wesentliche Inhalt der Entscheidung nicht bekannt gegeben wurde, sind schon deshalb unzulässig, weil ein solches Feststellungsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in der Verwaltungsgerichtsordnung und der dort in Bezug genommenen Zivilprozessordnung nicht vorgesehen ist. Abgesehen davon hat der Kläger keinerlei Gründe vorgetragen, die Zweifel daran begründen könnten, dass das Verfahren 5 B 29.23 mit dem Beschluss vom rechtskräftig abgeschlossen wurde. Die Wirksamkeit des Beschlusses steht insbesondere nicht deshalb infrage, weil dem Kläger anstelle einer mit Originalunterschriften versehenen Beschlussausfertigung "nur" eine beglaubigte Abschrift übersandt wurde. Dass die übermittelte Ausfertigung bzw. beglaubigte Abschrift mit der von den an der Entscheidung mitwirkenden Berufsrichtern unterschriebenen bzw. signierten Urschrift des Beschlusses übereinstimmt, wird durch den Beglaubigungsvermerk des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle belegt; dieser schließt ein, dass es eine solche, von den Berufsrichtern unterzeichnete Urschrift (gegenständlich) überhaupt gibt (vgl. 7 C 1.11 - Buchholz 451.171 § 6 AtG Nr. 5 Rn. 11 f.; Beschluss vom - 2 B 25.18 - Buchholz 310 § 144 VwGO Nr. 83 Rn. 25, jeweils m. w. N.).
124. Die Erinnerung gegen eine Entscheidung einer Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle wegen nicht erfolgter Akteneinsicht ist bereits deshalb unstatthaft, weil der Kläger in dem Verfahren 5 B 29.23 vor dem Bundesverwaltungsgericht gar keinen Antrag auf Akteneinsicht gestellt hat und deshalb auch keine ablehnende Entscheidung einer Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vorliegt, die Gegenstand eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 151 Satz 1 VwGO sein könnte. Sollte es dem Kläger um einen Antrag auf Akteneinsicht gehen, den er in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gestellt hat, hätte er die Erinnerung gemäß § 151 Satz 1 VwGO dort einlegen können.
135. Unabhängig davon und überdies sind die vom Kläger geltend gemachten Rechtsbehelfe (einschließlich der Anhörungsrüge) schon deshalb unzulässig, weil sie nicht durch einen gemäß § 67 Abs. 4 VwGO vor dem Bundesverwaltungsgericht vertretungsberechtigten Prozessbevollmächtigten eingelegt worden sind.
146. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass auch der vorliegende Beschluss nicht anfechtbar ist. Eine Anhörungsrüge gegen einen Beschluss, mit dem eine Anhörungsrüge verworfen wird, ist nicht statthaft (vgl. - juris Rn. 5; BVerwG, Beschlüsse vom - 7 B 3.07 <7 B 89.06> - juris Rn. 1, vom - 5 B 4.10 <5 B 64.09, 5 B 65.09> - juris Rn. 7 und vom - 9 B 6.19 <9 B 26.18> - juris Rn. 2). Das bedeutet, das Gesetz sieht keinen Rechtsbehelf vor, mit dem die vom Kläger vorgebrachten Einwendungen vom Bundesverwaltungsgericht erneut in der Sache geprüft werden können. Der Senat behält sich daher vor, an den vorliegenden Beschluss anknüpfende weitere, mit unzulässigen Rechtsbehelfen verfolgte Begehren des Klägers nicht mehr förmlich zu bescheiden oder sonst auf dazu erfolgende (inhaltsgleiche) Eingaben zu antworten.
157. Von einer weiteren Begründung wird in entsprechender Anwendung von § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO abgesehen.
168. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Von der Erhebung von Gerichtskosten wird für das Rügeverfahren gemäß § 21 Abs. 1 Satz 3 GKG abgesehen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2025:150125B5B1.25.0
Fundstelle(n):
VAAAJ-89311