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BGH Beschluss v. - XII ZB 417/24

Maßregelvollzugssache: Umstellung eines Feststellungsantrags gegen eine medikamentöse Zwangsbehandlung eines Untergebrachten in der Rechtsbeschwerdeinstanz

Leitsatz

Ein in der Rechtsbeschwerdeinstanz gestellter Feststellungsantrag nach § 62 FamFG kann auch noch nach Ablauf der Rechtsmittelbegründungsfrist in einen Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung umgestellt werden.

Gesetze: § 62 FamFG, § 71 Abs 1 Nr 3 FamFG

Instanzenzug: LG Memmingen Az: 44 T 860/24vorgehend AG Günzburg Az: 322 XIV 18/24 (L)

Gründe

I.

1Der im Maßregelvollzug untergebrachte Betroffene leidet nach den getroffenen Feststellungen an einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie. Das Amtsgericht hat eine medikamentöse Zwangsbehandlung des Betroffenen unter Anwendung einer Fünf-Punkt-Fixierung für die Zeit der Durchführung der Injektion genehmigt. Das Landgericht hat seine Beschwerde zurückgewiesen; hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen.

II.

21. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Zwar hat der Betroffene innerhalb der Rechtsmittelbegründungfrist (§ 71 Abs. 2 FamFG) lediglich die Feststellung nach § 62 FamFG beantragt, dass die Entscheidungen des Amtsgerichts und des Landgerichts ihn in seinen Rechten verletzt haben. Diese Antragstellung war indessen von dem Irrtum getragen, dass sich der angefochtene Beschluss bereits durch Zeitablauf erledigt habe, was mangels Anordnung der sofortigen Wirksamkeit der instanzgerichtlichen Entscheidungen jedoch nicht der Fall war.

3Auf entsprechenden Hinweis des Senats hat der Betroffene seinen Antrag in zulässiger Weise umgestellt und beantragt nunmehr die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses sowie die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Die Umstellung des Antrags ist auch nach Ablauf der Rechtsmittelbegründungsfrist noch zulässig, da es sich bei dem ursprünglich gestellten Feststellungsantrag nach § 62 FamFG und dem nunmehr gestellten Aufhebungsantrag (§ 71 Abs. 3 Nr. 1 FamFG) um denselben Verfahrensgegenstand handelt (vgl. BVerwGE 66, 75 = NJW 1983, 774, 775 zu § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).

42. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht, dass das Landgericht nicht von einer persönlichen Anhörung des Betroffenen hätte absehen dürfen.

5a) Nach § 319 Abs. 1 Satz 1 FamFG hat das Gericht den Betroffenen vor einer Unterbringungsmaßnahme persönlich anzuhören und sich einen persönlichen Eindruck von ihm zu verschaffen. Diese Pflicht zur persönlichen Anhörung des Betroffenen besteht nach § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG grundsätzlich auch im Beschwerdeverfahren. Zwar räumt § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG auch in einem Unterbringungsverfahren dem Beschwerdegericht die Möglichkeit ein, von einer erneuten Anhörung des Betroffenen abzusehen. Dies setzt jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Senats unter anderem voraus, dass die Anhörung bereits im ersten Rechtszug ohne Verletzung zwingender Verfahrensvorschriften vorgenommen worden ist (Senatsbeschluss vom - XII ZB 282/24 - juris Rn. 7 mwN).

6b) Gemessen daran durfte das Beschwerdegericht im vorliegenden Fall nicht - wie geschehen - von einer persönlichen Anhörung des Betroffenen absehen. Denn die Anhörung des Betroffenen durch das Amtsgericht litt an einem wesentlichen Verfahrensmangel, weil der bestellten Verfahrenspflegerin keine Gelegenheit zur Teilnahme an dem Anhörungstermin gegeben worden ist.

7aa) Nach § 317 Abs. 1 Satz 1 FamFG hat das Gericht in Unterbringungsverfahren dem Betroffenen einen Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn dies zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen erforderlich ist. Der Verfahrenspfleger ist vom Gericht im selben Umfang wie der Betroffene an den Verfahrenshandlungen zu beteiligen. Das Betreuungsgericht muss durch die rechtzeitige Bestellung eines Verfahrenspflegers und dessen Benachrichtigung vom Anhörungstermin sicherstellen, dass dieser an der Anhörung des Betroffenen teilnehmen kann (Senatsbeschluss vom - XII ZB 341/16 - FamRZ 2017, 923 Rn. 17 mwN).

8bb) Im hier zu entscheidenden Fall ist das Betreuungsgericht diesen Anforderungen nicht gerecht geworden. Die ursprünglich beauftragte Verfahrenspflegerin nahm an der Anhörung nicht teil und es ist aus dem Akteninhalt nicht ersichtlich, dass sie über den Termin informiert wurde. Der weitere Verfahrenspfleger wurde erst nach der Anhörung bestellt.

93. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

Guhling                         Günter                         Nedden-Boeger

                Pernice                       Recknagel

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:120325BXIIZB417.24.0

Fundstelle(n):
CAAAJ-89300