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EuGH Urteil v. - C-781/23

Vorlage zur Vorabentscheidung – Zollunion – Unionszollkodex – Verordnung (EU) Nr. 952/2013 – Art. 250 – Verfahren der vorübergehenden Verwendung – Art. 251 – Zeitraum des Verbleibs der in diesem Verfahren eingeführten Waren – Unzureichender Zeitraum, um das Ziel der bewilligten Verwendung zu erreichen – Wegen der Überschreitung dieses Zeitraums entstandene Zollschuld – Voraussetzungen für die Verlängerung dieses Zeitraums – Einfuhr eines Rennwagens

Leitsatz

Art. 251 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Union in der durch die Verordnung (EU) 2019/474 des Europäischen Parlaments und des Rates vom geänderten Fassung

ist dahin auszulegen, dass

für eine Verlängerung des Zeitraums, der nach Art. 251 Abs. 1 für den Verbleib einer Ware in der vorübergehenden Verwendung festgesetzt worden ist, keine „außergewöhnlichen Umstände“ im Sinne von Art. 251 Abs. 3 vorliegen müssen, wenn diese Verlängerung nicht zur Folge hat, dass der Zeitraum, während dessen diese Ware in der vorübergehenden Verwendung verbleibt, insgesamt die in Art. 251 Abs. 2 vorgesehene Höchstdauer von 24 Monaten überschreitet.

Gesetze: VO (EU) Nr. 952/2013 Art. 79, VO (EU) Nr. 952/2013 Art. 124 Abs. 1 Buchst. h, VO (EU) Nr. 952/2013 Art. 250, VO (EU) Nr. 952/2013 Art. 251 Abs. 1, VO (EU) Nr. 952/2013 Art. 251 Abs. 2, VO (EU) Nr. 952/2013 Art. 251 Abs. 3, VO (EU) 2019/474

Gründe

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 251 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. 2013, L 269, S. 1) in der durch die Verordnung (EU) 2019/474 des Europäischen Parlaments und des Rates vom (ABl. 2019, L 83, S. 38) geänderten Fassung (im Folgenden: Zollkodex).

2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Malmö Motorrenovering AB, einer Aktiengesellschaft schwedischen Rechts, und dem Allmänna ombudet hos Tullverket (Vertreter des öffentlichen Interesses bei der Zollverwaltung, Schweden) (im Folgenden: Vertreter des öffentlichen Interesses) über eine Zollschuld, die wegen der Überschreitung des Zeitraums entstanden ist, innerhalb dessen ein im Verfahren der vorübergehenden Verwendung eingeführter Rennwagen wieder hätte ausgeführt werden müssen.

Rechtlicher Rahmen

Zollkodex

3 In Art. 79 („Entstehen der Zollschuld bei Verstößen“) des Zollkodex heißt es:

„(1) Für einfuhrabgabenpflichtige Waren entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn Folgendes nicht erfüllt ist:

a)

eine der in den zollrechtlichen Vorschriften festgelegten Verpflichtungen in Bezug auf das Verbringen von Nicht-Unionswaren in das Zollgebiet der [Europäischen] Union, auf das Entziehen dieser Waren aus der zollamtlichen Überwachung oder auf die Beförderung, Veredelung, Lagerung, vorübergehende Verwahrung, vorübergehende Verwendung oder Verwertung dieser Waren in diesem Gebiet,

…“

4 Art. 124 („Erlöschen“) des Zollkodex bestimmt:

„(1) Unbeschadet der geltenden Vorschriften über die Nichterhebung des der Zollschuld entsprechenden Einfuhr- oder Ausfuhrabgabenbetrags im Falle einer gerichtlich festgestellten Insolvenz des Zollschuldners erlischt die Einfuhr- oder Ausfuhrzollschuld:

h)

wenn die Zollschuld nach Artikel 79 oder 82 entstanden ist und die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

  1. Der Verstoß, durch den die Zollschuld entstanden ist, hatte keine erheblichen Auswirkungen auf die ordnungsgemäße Abwicklung der vorübergehenden Verwahrung oder des betreffenden Zollverfahrens und stellte keinen Täuschungsversuch dar,

  2. nachträglich werden alle notwendigen Formalitäten erfüllt, um die Situation der Waren zu bereinigen,

…“

5 Titel VII des Zollkodex trägt die Überschrift „Besondere Verfahren“. Kapitel 4 („Verwendung“) dieses Titels VII enthält einen Abschnitt 1 („Vorübergehende Verwendung“), zu dem Art. 250 („Geltungsbereich“) des Zollkodex gehört. Dieser Artikel sieht in Abs. 1 vor:

„In der vorübergehenden Verwendung können für die Wiederausfuhr bestimmte Nicht-Unionswaren im Zollgebiet der Union Gegenstand einer besonderen Verwendung unter vollständiger oder teilweiser Befreiung von den Einfuhrabgaben sein …“

6 Art. 251 des Zollkodex („Zeitraum des Verbleibs von Waren in der vorübergehenden Verwendung“) bestimmt.

„(1) Die Zollbehörden setzen den Zeitraum fest, innerhalb dessen die in die vorübergehende Verwendung übergeführten Waren wiederausgeführt oder in ein anschließendes Zollverfahren übergeführt sein müssen. Dieser Zeitraum muss ausreichend lang sei, damit das Ziel der bewilligten Verwendung erreicht werden kann.

(2) Sofern nichts anderes bestimmt ist, darf der Zeitraum, während dessen Waren für denselben Zweck und unter der Verantwortung desselben Bewilligungsinhabers in der vorübergehenden Verwendung verbleiben können, auch bei Erledigung des Verfahrens durch Überführung der Waren in ein anderes besonderes Verfahren und anschließender erneuter Überführung in die vorübergehende Verwendung 24 Monate nicht überschreiten.

(3) Kann die bewilligte Verwendung aufgrund außergewöhnlicher Umstände nicht innerhalb des in den Absätzen 1 und 2 genannten Zeitraums erreicht werden, so können die Zollbehörden auf begründeten Antrag des Bewilligungsinhabers eine Verlängerung dieses Zeitraums um einen angemessenen Zeitraum gewähren.

(4) Der Zeitraum, während dessen Waren in der vorübergehenden Verwendung verbleiben können, darf insgesamt höchstens zehn Jahre betragen, außer im Falle eines unvorhersehbaren Ereignisses.“

Delegierte Verordnung (EU) 2015/2446

7 Die Delegierte Verordnung (EU) 2015/2446 der Kommission vom zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates mit Einzelheiten zur Präzisierung von Bestimmungen des Zollkodex der Union (ABl. 2015, L 343, S. 1) bestimmt in Art. 103 („Verstöße, die sich nicht wesentlich auf die ordnungsgemäße Abwicklung eines Zollverfahrens auswirken“):

„In folgenden Fällen gilt ein Verstoß als nicht wesentlich für die ordnungsgemäße Abwicklung eines Zollverfahrens:

a)

Eine Frist wurde um einen Zeitraum überschritten, der nicht länger war als die Verlängerung, die bei einem Antrag auf Verlängerung gewährt worden wäre.

…“

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

8 Am führte Malmö Motorrenovering im Rahmen des Verfahrens der vorübergehenden Verwendung einen Rennwagen aus den Vereinigten Staaten nach Schweden ein, um ihn im Rennbetrieb innerhalb der EU zu verwenden, der bis einschließlich dauern sollte, und ihn danach wieder auszuführen.

9 Gemäß der zu diesem Zweck von der Zollverwaltung erhaltenen Bewilligung sollte dieser Wagen bis spätestens – also vor Abschluss dieses Rennbetriebs – wieder ausgeführt werden, ohne dass Gründe dafür angegeben wurden, weshalb dieses Wiederausfuhrdatum auf den festgesetzt wurde.

10 Der Wagen wurde am , also nach dem in der vorstehenden Randnummer angegebenen Wiederausfuhrdatum, wieder ausgeführt.

11 Es wurde kein Malmö Motorrenovering anzulastender Täuschungsversuch in Bezug auf die Überschreitung dieses Zeitraums festgestellt. Aufgrund dieser Überschreitung wurde jedoch Zoll in Höhe von 101.959 schwedischen Kronen (SEK) (etwa 8.973 Euro) und Mehrwertsteuer in Höhe von 280.387 SEK (etwa 24.676 Euro) (im Folgenden: Zollschuld) erhoben.

12 Malmö Motorrenovering erhob gegen den Bescheid der Zollverwaltung, mit dem das Bestehen der Zollschuld festgestellt worden war, Klage beim Förvaltningsrätt i Linköping (Verwaltungsgericht Linköping, Schweden). Nachdem dieses Gericht festgestellt hatte, dass erstens Malmö Motorrenovering keinen Zeitpunkt angegeben habe, bis wann die Wiederausfuhr erfolgen werde, und dass ihre Absicht gewesen sei, den Wagen erst nach Ende der Rennsaison wieder auszuführen, dass zweitens nichts in der Akte auf eine Täuschungsabsicht dieser Gesellschaft hindeute und dass drittens die Zollverwaltung nicht der Ansicht gewesen sei, dass Gründe dafür vorgelegen hätten, der genannten Gesellschaft die Zeit bis zur tatsächlichen Wiederausfuhr des genannten Wagens nicht zu bewilligen, wenn dieses Datum bereits im Antrag angegeben gewesen wäre, gab es dieser Klage statt und entschied, dass diese Zollschuld nach Art. 124 Abs. 1 Buchst. h des Zollkodex erloschen sei.

13 Dem von der Zollverwaltung gegen dieses Urteil eingelegten Rechtsmittel gab der Kammarrätt i Jönköping (Oberverwaltungsgericht Jönköping, Schweden) statt. Die fragliche Zollschuld habe nicht nach Art. 124 Abs. 1 Buchst. h des Zollkodex für erloschen erklärt werden dürfen. Für eine Befreiung nach dieser Bestimmung und Art. 103 Buchst. a der Delegierten Verordnung 2015/2446 habe es nämlich einer Prüfung der Frage bedurft, ob Malmö Motorrenovering eine Verlängerung des Zeitraums für die Wiederausfuhr des in Rede stehenden Wagens hätte gewährt werden können, wenn sie diese bei der Zollverwaltung beantragt hätte. Malmö Motorrenovering habe jedoch nicht nachgewiesen, dass dies der Fall gewesen sei, da für einen solchen Verlängerungsantrag erforderlich gewesen wäre, dass für ihn außergewöhnliche Umstände angeführt worden wären.

14 Malmö Motorrenovering legte gegen das Urteil des Kammarrätt i Jönköping (Oberverwaltungsgericht Jönköping) Rechtsmittel beim Högsta förvaltningsdomstol (Oberstes Verwaltungsgericht, Schweden), dem vorlegenden Gericht, ein.

15 Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass der Zollverwaltung Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden sei, obwohl Parteien des Ausgangsverfahrens Malmö Motorrenovering und der Vertreter des öffentlichen Interesses seien, der das Interesse der Allgemeinheit vertrete. Sie seien zu unterschiedlichen Auslegungen von Art. 251 des Zollkodex gelangt.

16 Malmö Motorrenovering und der Vertreter des öffentlichen Interesses trügen vor, Art. 251 Abs. 3 des Zollkodex sei dahin auszulegen, dass außergewöhnliche Umstände nur dann vorliegen müssten, wenn ein Antrag auf Verlängerung des Zeitraums, während dessen eingeführte Waren in der vorübergehenden Verwendung verbleiben könnten, zur Folge hätte, dass der erstgenannte Zeitraum zusammen mit seiner beantragten Verlängerung die in Art. 251 Abs. 2 angegebene Höchstdauer von 24 Monaten überschritte. Nach dieser Lesart müssten keine außergewöhnlichen Umstände vorliegen, wenn wie im Ausgangsverfahren 24 Monate nicht überschritten würden.

17 Nach Ansicht der Zollverwaltung ergibt sich hingegen aus dem Verweis in dem genannten Art. 251 Abs. 3 auf seine Abs. 1 und 2, dass das Erfordernis außergewöhnlicher Umstände in allen Fällen gelte, in denen die bewilligte Verwendung nicht innerhalb des ursprünglich eingeräumten Zeitraums durchgeführt werden könne; dies gelte auch dann, wenn es insgesamt um einen Zeitraum von weniger als 24 Monaten gehe.

18 Der Högsta förvaltningsdomstol (Oberstes Verwaltungsgericht) ist der Auffassung, der Wortlaut von Art. 251 des Zollkodex schließe keine dieser Auslegungen aus.

19 Unter diesen Umständen hat der Högsta förvaltningsdomstol (Oberstes Verwaltungsgericht) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist Art. 251 des Zollkodex dahin auszulegen, dass gemäß der Verweisung in Abs. 3 auf die Abs. 1 und 2 das Erfordernis außergewöhnlicher Umstände im Sinne von Abs. 3 nur gilt, wenn ein bereits gewährter Zeitraum zusammen mit einer beantragten Verlängerung zur Folge hätte, dass die Zeit, während der Waren insgesamt in der vorübergehenden Verwendung verbleiben, 24 Monate übersteigt? Oder ist dieser Artikel dahin auszulegen, dass das Erfordernis außergewöhnlicher Umstände im Sinne von Abs. 3 für alle Verlängerungsanträge gilt, d. h. auch dann, wenn der bereits gewährte Zeitraum zusammen mit einer beantragten Verlängerung die in Abs. 2 vorgesehene Frist von 24 Monaten nicht übersteigt?

Zur Vorlagefrage

20 Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 251 des Zollkodex dahin auszulegen ist, dass für eine Verlängerung des Zeitraums, der nach Art. 251 Abs. 1 für den Verbleib einer Ware in der vorübergehenden Verwendung festgesetzt worden ist, „außergewöhnliche Umstände“ im Sinne von Art. 251 Abs. 3 des Zollkodex vorliegen müssen, wenn diese Verlängerung nicht zur Folge hat, dass der Zeitraum, während dessen diese Ware in der vorübergehenden Verwendung verbleibt, insgesamt die in Art. 251 Abs. 2 vorgesehene Höchstdauer von 24 Monaten überschreitet.

21 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Verfahren der vorübergehenden Verwendung eine Ausnahmeregelung ist, nach der, wie es Art. 250 Abs. 1 des Zollkodex vorsieht, Nicht-Unionswaren im Zollgebiet der Union unter vollständiger oder teilweiser Befreiung von den Einfuhrabgaben Gegenstand einer besonderen Verwendung sein können. Bestimmungen, die eine Zollbefreiung vorsehen, stellen eine Ausnahme von dem Grundsatz dar, wonach in die Union eingeführte Erzeugnisse generell zollpflichtig sind, und sind daher als abweichende Bestimmungen eng auszulegen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Marishipping and Transport, C‑11/10, EU:C:2011:91, Rn. 16, und vom , BIOR, C‑344/23, EU:C:2024:696, Rn. 44).

22 Nach Art. 251 Abs. 1 des Zollkodex setzen die Zollbehörden den Zeitraum fest, innerhalb dessen die in dieses Verfahren übergeführten Waren wiederausgeführt oder in ein anschließendes Zollverfahren übergeführt sein müssen. Dieser Zeitraum muss ausreichend lang sein, damit das Ziel der bewilligten Verwendung erreicht werden kann.

23 Art. 251 Abs. 2 bestimmt: „Sofern nichts anderes bestimmt ist, darf der Zeitraum, während dessen Waren für denselben Zweck und unter der Verantwortung desselben Bewilligungsinhabers in der vorübergehenden Verwendung verbleiben können, … 24 Monate nicht überschreiten.“

24 Nach Art. 251 Abs. 3 des Zollkodex können die Zollbehörden auf begründeten Antrag des Bewilligungsinhabers eine Verlängerung des in den Abs. 1 und 2 dieses Artikels genannten Zeitraums um einen angemessenen Zeitraum gewähren, wenn die bewilligte Verwendung aufgrund außergewöhnlicher Umstände nicht innerhalb dieses Zeitraums erreicht werden kann. Schließlich darf nach Art. 251 Abs. 4 des Zollkodex der Zeitraum, während dessen Waren in diesem Verfahren verbleiben können, insgesamt höchstens zehn Jahre betragen, außer im Fall eines unvorhersehbaren Ereignisses.

25 Aus der Zusammenschau von Art. 251 Abs. 1 bis 3 des Zollkodex ergibt sich, dass Abs. 1 dieses Artikels zwar die Verpflichtung aufstellt, für die in die vorübergehende Verwendung übergeführten Waren einen ausreichend langen Zeitraum vorzusehen; Abs. 2 dieses Artikels sieht indessen, „[s]ofern nichts anderes bestimmt ist“, lediglich vor, dass dieser Zeitraum höchstens 24 Monate beträgt. Abs. 3 dieses Artikels stellt insofern eine solche abweichende Bestimmung dar, als er die Verlängerung des genannten Zeitraums über diese Höchstdauer hinaus zulässt. Dieser Abs. 3 stellt daher unter Verwendung des Singulars auf einen einzigen Zeitraum ab, dessen Dauer sich aus der Anwendung von Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 ergibt.

26 Außergewöhnliche Umstände müssen mithin nur dann vorliegen, wenn sich die genannte Höchstdauer von 24 Monaten als unzureichend erweist, um das Ziel der bewilligten Verwendung zu erreichen. In einem solchen Fall könnte eine Verlängerung des Zeitraums des Verbleibs gewährt werden, wenn die vom Inhaber der zollrechtlichen Bewilligung zur Stützung seines Antrags vorgebrachten Gründe – nach einer Prüfung, die den in Rn. 21 des vorliegenden Urteils genannten Erfordernissen entspricht, wonach das Verfahren der vorübergehenden Verwendung Gegenstand einer engen Auslegung ist – als „außergewöhnliche Umstände“ eingestuft werden können. Nach Art. 251 Abs. 4 des Zollkodex dürfte eine solche Verlängerung außer im Fall eines unvorhersehbaren Ereignisses nicht zu einem Zeitraum von mehr als zehn Jahren führen.

27 Somit ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 251 des Zollkodex, dass „außergewöhnliche Umstände“ im Sinne von Art. 251 Abs. 3 des Zollkodex vorliegen müssen, wenn der ursprünglich nach Art. 251 Abs. 1 des Zollkodex festgelegte Zeitraum des Verbleibs zusammen mit seiner beantragten Verlängerung insgesamt die in Abs. 2 dieses Artikels vorgesehene Höchstdauer von 24 Monaten überschreitet.

28 Im vorliegenden Fall geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervor, dass Malmö Motorrenovering am im Rahmen des Verfahrens der vorübergehenden Verwendung einen Rennwagen in die Union eingeführt hat, um ihn im sportlichen Rennbetrieb zu verwenden, der bis einschließlich dauern sollte. Gleichwohl wurde das Wiederausfuhrdatum für diesen Wagen von der Zollverwaltung auf den festgesetzt, d. h. bevor das Ziel, dessentwegen der Wagen eingeführt worden war, vollständig erreicht wurde, ohne dass der Grund für die Wahl dieses Datums angegeben worden wäre. Da der betreffende Wagen nach diesem Datum, nämlich am , wieder ausgeführt worden war, stellte die Zollverwaltung das Entstehen einer Zollschuld gemäß Art. 79 Abs. 1 Buchst. a des Zollkodex fest.

29 Wie sich aus diesem Ersuchen ebenfalls ergibt, ist zwischen den Parteien des Ausgangsverfahrens unstreitig, dass zum von der Zollverwaltung festgesetzten Wiederausfuhrdatum das Ziel der bewilligten Verwendung nicht erreichbar war, dass ein Zeitraum von weniger als 24 Monaten ausgereicht hätte, um dieses Ziel zu erreichen, und dass der Nichtbeachtung der für die vorübergehende Verwendung geltenden Vorschriften keine Täuschungsabsicht zugrunde lag. Demnach beantragte Malmö Motorrenovering, diese Zollschuld für erloschen zu erklären.

30 Hierzu ist festzustellen, dass nach Art. 124 Abs. 1 Buchst. h des Zollkodex eine nach Art. 79 des Zollkodex entstandene Zollschuld erlischt, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind, nämlich dass zum einen der Verstoß, durch den die Zollschuld entstanden ist, keine erheblichen Auswirkungen auf die ordnungsgemäße Abwicklung des betreffenden Zollverfahrens hatte und keinen Täuschungsversuch darstellte und dass zum anderen nachträglich alle notwendigen Formalitäten erfüllt werden, um die Situation der betreffenden Waren zu bereinigen.

32 Nach Art. 103 Buchst. a der Delegierten Verordnung 2015/2446 gilt ein Verstoß als nicht wesentlich für die ordnungsgemäße Abwicklung des betreffenden Zollverfahrens, wenn der Zeitraum der Überschreitung einer Frist nicht länger war als die Verlängerung, die bei einem Antrag auf Verlängerung gewährt worden wäre.

32 Wie sich aus der in Rn. 27 des vorliegenden Urteils vorgenommenen Auslegung von Art. 251 des Zollkodex ergibt, hätten die Zollbehörden eine Verlängerung des ursprünglich nach Art. 251 Abs. 1 des Zollkodex festgelegten Zeitraums bis zum Datum der Wiederausfuhr des fraglichen Wagens, d. h. bis zum , gewähren können, ohne dass außergewöhnliche Umstände hätten vorliegen müssen, da der ursprüngliche Zeitraum und diese Verlängerung die in Abs. 2 dieses Artikels vorgesehene Höchstdauer von 24 Monaten nicht überschritten hätten. Wenn die übrigen in Art. 124 Abs. 1 Buchst. h des Zollkodex vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist, sollte folglich die Zollschuld für erloschen erachtet werden können.

33 Nach alledem ist dem vorlegenden Gericht auf die vorgelegte Frage zu antworten, dass Art. 251 des Zollkodex dahin auszulegen ist, dass für eine Verlängerung des Zeitraums, der nach Art. 251 Abs. 1 für den Verbleib einer Ware in der vorübergehenden Verwendung festgesetzt worden ist, keine „außergewöhnlichen Umstände“ im Sinne von Art. 251 Abs. 3 vorliegen müssen, wenn diese Verlängerung nicht zur Folge hat, dass der Zeitraum, während dessen diese Ware in der vorübergehenden Verwendung verbleibt, insgesamt die in Art. 251 Abs. 2 vorgesehene Höchstdauer von 24 Monaten überschreitet.

Kosten

34 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 251 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Union in der durch die Verordnung (EU) 2019/474 des Europäischen Parlaments und des Rates vom geänderten Fassung

ist dahin auszulegen, dass

für eine Verlängerung des Zeitraums, der nach Art. 251 Abs. 1 für den Verbleib einer Ware in der vorübergehenden Verwendung festgesetzt worden ist, keine „außergewöhnlichen Umstände“ im Sinne von Art. 251 Abs. 3 vorliegen müssen, wenn diese Verlängerung nicht zur Folge hat, dass der Zeitraum, während dessen diese Ware in der vorübergehenden Verwendung verbleibt, insgesamt die in Art. 251 Abs. 2 vorgesehene Höchstdauer von 24 Monaten überschreitet.

ECLI Nummer:
ECLI:EU:C:2024:1014

Fundstelle(n):
QAAAJ-89249