Tatbestand
1Der Kläger wendet sich gegen einen Planfeststellungsbeschluss für eine Höchstspannungsleitung, die in einem Teilabschnitt als Erdkabel ausgeführt werden soll.
2Der Beschluss der Bezirksregierung Detmold vom (PFB) stellt den Plan für die Errichtung und den Betrieb der 110-/380-kV-Höchstspannungsleitung im Abschnitt Hesseln-Königsholz als Teilabschnitt des EnLAG-Projektes Nr. 16 (Neubau Höchstspannungsleitung Wehrendorf - Gütersloh) und als Ersatz für bestehende 110-kV-Hoch- und 220-kV-Höchstspannungsfreileitungen fest.
3Die Beigeladene zu 1 hatte zunächst die Planfeststellung für den gesamten in Nordrhein-Westfalen liegenden Teil des EnLAG-Projekts Nr. 16 ab der Umspannanlage Gütersloh bis zur Landesgrenze nach Niedersachsen am Punkt Königsholz als Freileitung beantragt. Aufgrund der durch das Gesetz vom (BGBl. I S. 2490) geschaffenen Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen Abschnitte des Vorhabens als Erdkabel zu errichten, hat sie den Planfeststellungsantrag, soweit er den jetzt streitgegenständlichen Abschnitt betrifft, der Sache nach zurückgenommen und stattdessen die Planfeststellung mit einem Erdkabelteilabschnitt beantragt. Dem hat der Beklagte durch den angegriffenen Planfeststellungsbeschluss entsprochen.
4Das Vorhaben umfasst eine ca. 2,6 km lange Freileitung vom Punkt Hesseln bis zur Kabelübergabestation (KÜS) "Riesberg". Von dort werden sowohl die 380-kV-Leitung als auch die 110-kV-Leitung in einem ca. 4,2 km langen Erdkabelabschnitt bis zur KÜS "Klusebrink" geführt. Anschließend verlaufen beide Leitungen wieder ca. 1,5 km oberirdisch bis zum Punkt Königsholz. Die Trasse nutzt im Wesentlichen den Korridor der zu demontierenden Freileitung Bl. 2310. Im Erdkabelabschnitt entfernt sich die Trasse bei B. vom R. kommend ab der Straße H. in etwa parallel zur S.straße auf einer Länge von rund 1 km um bis zu 100 m nach Osten von der Bestandstrasse und verläuft im Wesentlichen durch Ackerflächen.
5Der Kläger ist Eigentümer von landwirtschaftlich genutzten Grundstücken, die für den Leitungsbau und die KÜS Riesberg in Anspruch genommen werden sollen.
6Der Kläger hatte sich bereits im Planfeststellungsverfahren gegen die Führung als Erdkabel gewandt und macht mit seiner Klage geltend, die Entscheidung für einen Erdkabelabschnitt anstelle der ursprünglich geplanten Freileitung sei nicht von § 2 Abs. 2 EnLAG gedeckt und abwägungsfehlerhaft. Bei der Entscheidung zwischen Freileitung und Erdkabel seien insbesondere die Belange des Bodenschutzes, der Landwirtschaft und des privaten Eigentums fehlgewichtet worden.
7Mit Beschluss vom (11 VR 5.23) hat der Senat den Antrag des Klägers abgelehnt, die aufschiebende Wirkung seiner Klage anzuordnen. Der Planfeststellungsbeschluss ist durch Beschlüsse vom , und geändert worden. Der Senat hat dem Kläger nachgelassen, zu der ihm erst in der mündlichen Verhandlung bekannt gewordenen 3. Planänderung vom bis zum Stellung zu nehmen.
8Der Kläger beantragt,
den Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Detmold für den Neubau der 110-/380-kV-Höchstspannungsleitung zwischen den Punkten Hesseln (Halle/Westfalen) und Königsholz (B.; Landesgrenze Nordrhein-Westfalen/Niedersachsen) vom in der Fassung der Änderungsbeschlüsse vom , vom und vom aufzuheben,
hilfsweise festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss in der Fassung der Änderungsbeschlüsse rechtswidrig und nicht vollziehbar ist,
weiter hilfsweise festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss in der Fassung der Änderungsbeschlüsse rechtswidrig und nicht vollziehbar ist, soweit er sich für eine Teilerdverkabelung ausspricht.
9Der Beklagte und die Beigeladene zu 1 beantragen jeweils,
die Klage abzuweisen.
10Sie verteidigen den Planfeststellungsbeschluss.
11Die Beigeladene zu 2 stellt keinen Antrag.
Gründe
12A. Der Senat entscheidet über die Klage auf Grundlage der mündlichen Verhandlung vom . Der Antrag des Klägers vom gibt keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen. Nach § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO liegt die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung grundsätzlich im prozessualen Ermessen des Tatsachengerichts. Eine Pflicht zur Wiedereröffnung besteht ausnahmsweise dann, wenn allein auf diese Weise das erforderliche rechtliche Gehör gewahrt oder die Pflicht zur umfassenden Aufklärung des Sachverhalts nach § 86 Abs. 1 VwGO erfüllt werden kann. Ausführungen, die nicht von einem Schriftsatznachlass gedeckt sind ("nachgereichtes Vorbringen"), erzwingen nur dann eine Wiedereröffnung, wenn das Gericht ihnen wesentlich neues Vorbringen entnimmt, auf das es seine Entscheidung stützen will ( 3 A 1.16 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 77 Rn. 19 m. w. N. und vom - 9 A 8.19 - NVwZ 2020, 1844 Rn. 55).
13Hiernach war eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht geboten und der Senat übt sein Ermessen dahin aus, in der Sache abschließend zu entscheiden.
14Der Schriftsatz vom betrifft nur zu einem geringen Teil die in der mündlichen Verhandlung nachgelassene Stellungnahme zu der in das Verfahren neu eingeführten 3. Planänderung und wirft insoweit keinen Erörterungsbedarf auf. Dieses Vorbringen führt nicht zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Die 3. Planänderung ist unwesentlich im Sinne des § 76 Abs. 2 VwVfG, weil abwägungserhebliche Belange Dritter nicht berührt werden. Art und Ausmaß der Enteignungen bleiben unverändert. Eine wesentliche Auswirkung der durch die Umplanung in den Grundmaßen geringfügig vergrößerten Technikräume der KÜS auf das Schutzgut Landschaft ist angesichts der dominierenden übrigen Bauteile, insbesondere der Portale und Sammelschienen der KÜS (s. Erläuterungsbericht, PFU Anlage 1.1., S. 71 f., Abb. 27 und 28), fernliegend. Die Forderung des Klägers nach einer Beweiserhebung durch Inaugenscheinnahme ist ins Blaue hinein erhoben. Denn es fehlt jeder Anhaltspunkt für die Annahme, dass die Technikräume angesichts ihrer geplanten Größe Auswirkungen auf das Landschaftsbild haben könnten. Im Übrigen ist das Beweismittel untauglich, weil weder die KÜS noch die Vergleichsfreileitung aktuell existieren. Daher bedurfte es auch keiner Erörterung dieses Beweisthemas in einer mündlichen Verhandlung.
15Auch das weitere, nachgereichte Vorbringen, namentlich die Kritik an der Verhandlungsführung, gibt keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.
16Der Prozessstoff ist nicht deshalb unzureichend behandelt worden, weil die ersten beiden Planänderungsbeschlüsse nicht gesondert besprochen worden seien, wie die Klägerseite moniert. Der Kläger hatte in der mündlichen Verhandlung Gelegenheit, sich hierzu Gehör zu verschaffen. Die mündliche Verhandlung hat sich nach der Unterbrechung zum Zweck der Einführung der 3. Planänderung in das Verfahren über mehrere Stunden erstreckt. In ihrem Verlauf hat der Kläger mehrere Beweisanträge gestellt.
17B. Die Klage, über die das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO, § 1 Abs. 3 Satz 1 EnLAG i. V. m. Nr. 16 der Anlage zum EnLAG im ersten und letzten Rechtszug - verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. dazu 4 VR 1.13 - UPR 2014, 106 Rn. 10 ff., seither stRspr) - entscheidet, ist zulässig, aber nicht begründet. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger kann folglich weder dessen Aufhebung noch die Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit verlangen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
181. Der Kläger, dessen Grundstücke vom Planfeststellungsbeschluss mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung (§ 45 Abs. 2 Satz 1 EnWG) in Anspruch genommen werden, hat einen aus Art. 14 Abs. 3 GG abgeleiteten Anspruch auf gerichtliche Überprüfung der objektiven Rechtmäßigkeit der Planungsentscheidung (sog. Vollüberprüfungsanspruch), soweit der geltend gemachte Fehler für die Inanspruchnahme seines Grundeigentums kausal ist (stRspr, 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 24 und vom - 4 A 10.21 - UPR 2023, 495 Rn. 12).
19Bei seiner Prüfung ist der Senat allerdings auf den Prozessstoff beschränkt, der durch die binnen der 10-Wochen-Frist nach § 6 Satz 1 UmwRG eingegangenen Klagebegründung vom unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 67 Abs. 4 VwGO bestimmt worden ist. Der Zweck des § 6 UmwRG (vgl. auch die entsprechende Vorschrift des § 43e Abs. 3 EnWG) besteht darin, zur Straffung des Gerichtsverfahrens beizutragen, indem der Prozessstoff zu einem frühen Zeitpunkt handhabbar gehalten wird. Schon innerhalb der Begründungsfrist hat der Kläger grundsätzlich den Prozessstoff festzulegen. Damit soll für das Gericht und die übrigen Beteiligten klar und unverwechselbar feststehen, unter welchen tatsächlichen Gesichtspunkten eine behördliche Entscheidung angegriffen wird, was späteren lediglich vertiefenden Tatsachenvortrag nicht ausschließt ( 9 A 8.17 - BVerwGE 163, 380 Rn. 14 und vom - 4 A 13.20 - BVerwGE 176, 39 Rn. 12). Beweismittel für einen späteren förmlichen Beweisantrag sind innerhalb der Klagebegründungsfrist bereits anzugeben ( 4 A 16.16 - Buchholz 451.17 § 43e EnWG Nr. 2 Rn. 67).
20Nach diesen Maßgaben kann der Senat Tatsachen und Beweismittel nicht berücksichtigen, die den Prozessstoff nach Ablauf der Klagebegründungsfrist erweitern. Dies betrifft den Tatsachenvortrag des Klägers im Schriftsatz vom zu geschlossenen Bauweisen bei der Erdkabelverlegung. Der hierzu in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisantrag zu 2 war verfristet und betraf - hiervon unabhängig - Tatsachen, die für den binnen der Klagebegründungsfrist abgesteckten Prozessstoff unerheblich waren. Entsprechendes gilt für das neue tatsächliche Vorbringen zum Gesichtspunkt des Klimaschutzes im Schriftsatz vom und den dazu gestellten Beweisantrag zu 3.
21Mit der Begründungspflicht einher geht die Pflicht des Klägerbevollmächtigten aus § 67 Abs. 4 VwGO zur Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung und zur Sichtung nebst rechtlicher Einordnung der die Klage stützenden Tatsachen ( 9 A 7.19 - BVerwGE 170, 138 Rn. 17 und vom - 4 A 13.20 - BVerwGE 176, 39 Rn. 12). Diesen Anforderungen genügte das Vorbringen zu den beiden Planänderungen vom und nicht. Es wiederholt im Schriftsatz vom ohne Auseinandersetzung mit den Änderungsbeschlüssen die Einwendungen aus dem Verwaltungsverfahren.
222. Der Kläger hält es für verfassungsrechtlich zweifelhaft, dass der Gesetzgeber eine in den Gesetzesmaterialien zu § 2 EnLAG (BT-Drs. 16/10491 S. 16) als sehr bedeutend für den Stromtransport in Nord-Süd-Richtung bezeichnete Leitung als Pilotvorhaben für die nicht hinreichend erprobte Erdkabeltechnologie ausgewählt hat. Der Einwand bleibt erfolglos.
23Eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG kommt nicht in Betracht. Verfassungsrechtlich beachtliche Bedenken werden nicht aufgezeigt. Die energiepolitische Entscheidung, ob Strom grundsätzlich durch Freileitungen oder durch Erdkabel transportiert wird, obliegt dem Gesetzgeber. Im Gleichstrombereich hat er bei den großen Übertragungswegen für den Regelfall ein Erdkabel vorgesehen (vgl. § 3 Abs. 1 BBPlG zu Vorhaben mit "E"). Für Drehstromübertragungen - wie hier - hat der Gesetzgeber hingegen wegen Bedenken hinsichtlich der Kosten und der technischen Verlässlichkeit in § 2 EnLAG und § 4 BBPlG lediglich Pilotvorhaben benannt, um den Einsatz von Erdkabeln auf der Höchstspannungsebene zu testen. Im Übrigen gibt der Gesetzgeber hier Freileitungen den Vorrang (vgl. 4 A 13.20 - BVerwGE 176, 39 Rn. 147).
24Wie bei einer Bedarfsfeststellung ist dem Gesetzgeber hierbei ein weiter Gestaltungs- und Prognosespielraum eröffnet ( 7 A 4.12 - BVerwGE 147, 184 Rn. 36 und vom - 4 A 13.20 - BVerwGE 176, 39 Rn. 146). Die gerichtliche Kontrolle ist auf eine Evidenzkontrolle beschränkt (stRspr, vgl. 9 A 14.12 - BVerwGE 148, 373 Rn. 25 f. und vom - 4 A 13.20 - a. a. O.). Sie hat - wie bei sonstigen energiepolitischen Grundentscheidungen - zu prüfen, ob die Entscheidung des Gesetzgebers offensichtlich und eindeutig unvereinbar ist mit verfassungsrechtlichen Wertungen, wie sie etwa auch in Art. 20a GG zum Ausdruck kommen ( u. a. - BVerfGE 134, 242 Rn. 289).
25Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber seine Gestaltungsfreiheit dadurch überschritten hat, dass er in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 EnLAG die Leitung Wehrendorf - Gütersloh als Pilotprojekt für eine mögliche Erdkabelführung nach Maßgabe von § 2 Abs. 2 EnLAG ausgewählt hat. Der Beklagte hat unwiderlegt darauf hingewiesen, dass die Versorgungssicherheit mit einer Teilerdverkabelung nicht gefährdet wird. Die möglicherweise hinter der von Freileitungen zurückbleibende Betriebssicherheit ist im Hinblick auf den Erprobungscharakter für Erdkabelführungen im Drehstromhöchstspannungsbereich nach dem Willen des Gesetzgebers hinzunehmen. Ohne den Einsatz des Erdkabels bei Pilotvorhaben kann die Verkabelung in diesem Bereich nicht etabliert werden. Darüber hinaus ist die Zahl der Leitungsprojekte, für die das EnLAG eine Verkabelung zulässt, gering. Der ganz überwiegende Teil der EnLAG-Vorhaben ist nicht in die Liste der Pilotprojekte für Erdkabel bei Drehstromübertragungen aufgenommen worden.
263. Ein Erdkabelabschnitt kommt zwischen der KÜS Riesberg und der KÜS Klusebrink in Betracht, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen aus § 2 EnLAG vorliegen.
27a) Die Leitung Wehrendorf - Gütersloh war in der ursprünglichen Fassung des EnLAG noch nicht als Pilotvorhaben für einen Erdkabelabschnitt vorgesehen. Nach der Begründung zur Änderung des Gesetzes (BT-Drs. 18/4655 S. 35 f.) ist die Leitung Wehrendorf - Gütersloh zusätzlich für einen möglichen Erdkabeleinsatz ausgewählt worden, weil sie sich aufgrund der "technischen Herausforderungen für die Überprüfung unterirdischer Leitungssysteme" besonders anbietet. Die im ursprünglichen Gesetzentwurf (BT-Drs. 18/4655 S. 15) zu § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 EnLAG enthaltene Beschränkung auf die Einführung in die Umspannanlage Lüstringen ist im Gesetzgebungsverfahren entfallen.
28Die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/4655 S. 20), wonach der Umfang der Verkabelung nicht zu groß gewählt werden solle, damit etwaige Ausfälle nicht zu weitreichenden Störungen im Netzbetrieb führen, legt nicht die Annahme nahe, bei den in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 6 EnLAG gelisteten Vorhaben dürfe nur jeweils ein einziger Abschnitt mit Erdverkabelung ausgeführt werden. Die Pilotierung der vom Gesetzgeber ausgewählten Vorhaben hat den Zweck, möglichst umfassende Erfahrungen zu gewinnen. Dazu können auch Erfahrungen zum Zusammenspiel eines mehr als einmaligen Wechsels zwischen Erdkabel und Freileitung in einem Gesamtvorhaben mit überregionaler Länge gehören.
29b) Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 EnLAG ist im Falle des Neubaus auf Verlangen der für die Zulassung des Vorhabens zuständigen Behörde eine Höchstspannungsleitung auf technisch und wirtschaftlich effizienten Teilabschnitten als Erdkabel zu errichten und zu betreiben, wenn mindestens ein Auslösekriterium nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 EnLAG erfüllt ist. Für den planfestgestellten Neubauabschnitt sind in der Bestandstrasse die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 EnLAG gegeben. Am östlichen Ortsrand von B. befinden sich 31 Wohnhäuser im 200 m-Abstand des baurechtlichen Außenbereichs sowie rund 350 Wohnhäuser im 400 m-Abstand des baurechtlichen Innenbereichs.
30c) Mit der geplanten Länge des Erdkabelabschnitts von 4,2 km liegt ein technisch und wirtschaftlich effizienter Teilabschnitt im Sinne des § 2 Abs. 2 EnLAG vor. Das Merkmal wird im EnLAG nicht definiert. Der Gesetzgeber geht ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/10491 S. 16 f.) aber davon aus, dass das Merkmal regelmäßig erfüllt ist, wenn ein Teilabschnitt mindestens drei Kilometer lang ist. Es soll bei allen Möglichkeiten einer Teilverkabelung ein ständiges Abwechseln der Erdverkabelung mit der Freileitungsbauweise vermieden werden, weil ein solcher Wechsel stets technisch und finanziell aufwändiger Kabelübergabestationen bedarf.
31Unbeachtlich für das Vorliegen eines technisch und wirtschaftlich effizienten Teilabschnitts sind Bauwiderstände oder technische Herausforderungen. Dieses Gesetzesverständnis wird bestätigt durch den Willen des Gesetzgebers (BT-Drs. 18/4655 S. 35 f.), die Leitung Wehrendorf - Gütersloh als zusätzliches Erdkabelprojekt vorzusehen, um die Bewältigung technischer Herausforderungen bei unterirdischen Leitungssystemen zu erproben. Mit der Ermächtigung in § 2 EnLAG zur Errichtung eines Erdkabelabschnitts hat der Gesetzgeber nicht nur die bei jeder Verkabelung anfallenden höheren Kosten im Vergleich zu einem entsprechenden Freileitungsabschnitt, sondern auch die Kosten einer Erdkabelverlegung unter anspruchsvollen Bedingungen gebilligt. Der in diesem Zusammenhang in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisantrag zu 5 war abzulehnen. Der Kläger hat den Antrag nicht binnen der Klagebegründungsfrist angekündigt. Hiervon unabhängig war das Beweismittel einer Inaugenscheinnahme von vornherein ungeeignet, Erkenntnisse zur technischen und wirtschaftlichen Effizienz zu gewinnen.
32d) In § 2 Abs. 2 EnLAG ist abschließend normiert, unter welchen materiellen Voraussetzungen die Planfeststellungsbehörde bei einem Pilotvorhaben nach § 2 Abs. 1 EnLAG vom Vorhabenträger die Errichtung und den Betrieb eines Erdkabels verlangen kann ( 4 A 1.18 - BVerwGE 165, 166 Rn. 41 und vom - 4 A 10.19 - NVwZ 2021, 1615 Rn. 37). Die Zulässigkeit eines Erdkabeleinsatzes nach § 2 Abs. 1 EnLAG hängt jedoch nicht von einem ausdrücklichen Verlangen der Planfeststellungsbehörde im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 EnLAG ab. Die Inbezugnahme des Absatzes 2 in § 2 Abs. 1 Satz 1 EnLAG beschränkt sich auf das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 EnLAG.
33Für diese Sichtweise spricht in systematischer Hinsicht der Vergleich mit der später in Kraft getretenen Parallelvorschrift in § 4 Abs. 2 BBPlG. Dort wird für Neubauvorhaben der Einsatz eines Erdkabels bei Vorliegen eines der Auslösekriterien erlaubt, ohne dass es eines Verlangens der für die Bundesfachplanung oder Zulassung des Vorhabens zuständigen Behörde bedarf.
34Auch der Zweck des § 2 Abs. 2 EnLAG erfordert kein Verlangen der Planfeststellungsbehörde, wenn der Vorhabenträger selbst einen Erdkabelabschnitt beantragt. Die Planung eines Vorhabens erfolgt durch den Vorhabenträger. Der Behörde obliegt es, dessen Planungsvorstellungen abwägend nachzuvollziehen und dadurch die rechtliche Verantwortung für die Planung zu übernehmen (vgl. 7 C 25.93 - BVerwGE 97, 143 <148 f.>, vom - 4 A 5.14 - BVerwGE 154, 73 Rn. 168 und vom - 3 A 4.15 - BVerwGE 160, 263 Rn. 98). Das Verlangen der Planfeststellungsbehörde nach § 2 Abs. 2 EnLAG greift in diese Verteilung der Verantwortlichkeiten ein, weil es die durch § 2 Abs. 1 EnLAG gewährte planerische Gestaltungsfreiheit des Vorhabenträgers einschränkt (Ohms/Weiss, in: Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, 4. Aufl. 2019, § 2 EnLAG Rn. 54). Eines solchen Eingriffs bedarf es nicht, wenn der Vorhabenträger selbst einen Erdkabelabschnitt beantragt hat. Ein zusätzliches behördliches Verlangen in einer solchen Situation wäre sinnlose Förmelei.
35Auch ohne das Verlangen der Behörde steht es allerdings nicht im Belieben des Vorhabenträgers, sich im Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 EnLAG für ein Erdkabel zu entscheiden. Eine solche Planung ist nur rechtmäßig, wenn die materiellen Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 EnLAG vorliegen. Ob dies der Fall ist, unterliegt auf Klage von Betroffenen der gerichtlichen Kontrolle.
364. Die Entscheidung für den planfestgestellten Erdkabelabschnitt ist nach Maßgabe der binnen der Frist nach § 6 Satz 1 UmwRG dargelegten Gründe frei von Abwägungsfehlern.
37a) Nach § 43 Abs. 3 EnWG sind bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Das Abwägungsgebot verlangt, dass - erstens - eine Abwägung überhaupt stattfindet, dass - zweitens - in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge eingestellt werden muss, und dass - drittens - weder die Bedeutung der öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die zur Planung ermächtigte Stelle in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (stRspr, vgl. 4 C 21.74 - BVerwGE 48, 56 <63 f.> und vom - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 73).
38Die Wahl einer Trassenvariante - dazu gehört auch die Entscheidung zwischen einer Führung als Freileitung oder als Erdkabel - ist erst dann rechtsfehlerhaft, wenn eine andere als die gewählte Lösung sich unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere darstellen würde, wenn sich mit anderen Worten diese Lösung der Behörde hätte aufdrängen müssen oder wenn der Planungsbehörde infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist (stRspr, vgl. 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 82 und vom - 11 A 3.23 - juris Rn. 73).
39Mit § 2 EnLAG wird für die dort genannten Vorhaben die nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnWG nicht gegebene Möglichkeit eröffnet, einen Erdkabelabschnitt planfestzustellen. Das Ermessen der Planfeststellungsbehörde ist dabei aber nicht in der Weise intendiert, dass das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 2 in der Regel die Entscheidung für ein Erdkabel nach sich ziehen müsste ( 4 A 16.16 - NVwZ-RR 2017, 768 Rn. 95 und vom - 4 A 11.21 - juris Rn. 167). Vielmehr gebietet das Zusammenspiel von § 2 Abs. 1 und 2 EnLAG in jedem Einzelfall eine offene Abwägung, in die alle erheblichen Belange Eingang finden müssen. Diese Abwägung muss dem Gesetzeszweck der Erprobung Rechnung tragen. Wenn danach in bestimmten Pilotprojekten Erdkabel im Drehstrombereich auf Höchstspannungsebene ungeachtet der mit ihnen verbundenen Erschwernisse und Nachteile getestet werden sollen, um sie als technische Alternative zu etablieren, dürfen Argumente, die allgemein gegen das Erdkabel vorgebracht werden können, nicht ein solches Gewicht erhalten, dass der Erprobungszweck letztlich infrage gestellt würde. Die höheren Kosten können - ebenso wie andere Nachteile einer Erdkabelführung - nur dann entscheidend ins Feld geführt werden, wenn für die Erprobung gleichwohl Raum bleibt ( 4 A 15.20 - NVwZ 2023, 678 Rn. 57).
40b) Nach Maßgabe dieser Grundsätze zeigt der Kläger keine Abwägungsfehler auf.
41Die Vorhabenträgerin hat ihre Abwägung zwischen Erdkabel und Freileitung in vier Hauptgruppen von Belangen unterteilt, die Planfeststellungsbehörde hat diese Abwägung nachvollzogen und im Ergebnis geteilt (PFB S. 310): Die optimierte Freileitungstrasse erweist sich bei den technisch-wirtschaftlichen Belangen als vorzugswürdig gegenüber der Erdkabeltrasse. Demgegenüber ist die Erdkabeltrasse insgesamt verträglicher hinsichtlich der umweltfachlichen Belange. Bei den raumstrukturellen und eigentumsrechtlichen Belangen, dazu gehören auch die Belange der Landwirtschaft, werden die Varianten teils gleichrangig, teils mit "leichten Vorteilen" bei der Teilerdverkabelung bewertet. In der abschließenden Gesamtabwägung erhält die Erdkabeltrasse den Vorzug vor der optimierten Freileitung. Ihre größere Umweltverträglichkeit wurde dabei stärker gewichtet als die geringere technisch-wirtschaftliche Effizienz.
42aa) Der Kläger rügt ohne Erfolg, die Beigeladene und der Beklagte seien für eine sachgerechte Abwägung nicht offen gewesen, weil die Entscheidung für einen Erdkabelabschnitt aufgrund politischer Wünsche von Anfang an festgestanden habe.
43Maßgeblich für die gerichtliche Prüfung sind der Planfeststellungsantrag des Vorhabenträgers und die Abwägung der Planfeststellungsbehörde. Die Beigeladene hat einen Erdkabelabschnitt beantragt. Ob sie damit zugleich Wünschen aus dem politischen Raum entsprochen hat, ist für die Rechtmäßigkeit der Abwägungsentscheidung der Planfeststellungsbehörde unerheblich. Die Abwägung der Planfeststellungsbehörde ist fehlerhaft, wenn sie sich von sachfremden Erwägungen leiten lässt, was etwa der Fall ist, wenn sie sich politischem Druck unterordnet ( 4 C 13.85 - BVerwGE 75, 214 <245>). Gab es Einwirkungen aus dem politischen Raum, legt dies nicht schon die Feststellung nahe, die Behörde habe sich solchen Wünschen gebeugt und auf eine eigenverantwortliche Abwägung der betroffenen Belange verzichtet. Enthält der Planfeststellungsbeschluss eine sachliche planerische Begründung, hat sich die gerichtliche Prüfung daran auszurichten. Denn das Vorhandensein politischer Wünsche für ein Planungsergebnis kann nicht dazu führen, dass eine sachlich begründete Abwägung rechtsfehlerhaft ist, die zu eben diesem Ergebnis gelangt.
44Der Ablauf des Planfeststellungsverfahrens bietet keinen Anhalt für eine Vorfestlegung, sondern belegt eine offene und sachgerechte Entscheidungsfindung. Ausgangspunkt der Planung war die Bestandstrasse, die mit kleinräumigen Abweichungen als Freileitungstrasse optimiert wurde. Sodann wurden Abschnitte ermittelt, in denen Auslösekriterien für ein Erdkabel vorliegen, und unter diesen der letztlich planfestgestellte als der geeignetste Abschnitt für eine potentielle Erdkabelführung ausgewählt. Schließlich wurden die Führung als Erdkabel und die optimierte Freileitungstrasse einander gegenübergestellt. Hiernach wurde die Entscheidung für einen Erdkabelabschnitt erst im letzten Schritt der Planung getroffen und war nicht vorfestgelegt. Für ein durch politische Wünsche gesteuertes Abwägungsergebnis spricht nicht der Umstand, dass dieselbe Planfeststellungsbehörde in ihrem Beschluss vom zu einem benachbarten Planungsabschnitt eine Erdkabelführung ausgeschlossen hatte. Der Vorhabenträger hatte für jenen Abschnitt keinen Antrag nach § 2 Abs. 4 EnLAG auf Anwendung der ab 2016 geltenden Fassung des Gesetzes gestellt, und deshalb war jene Leitung kein für eine Verkabelung geöffnetes Pilotvorhaben im Sinne von § 2 EnLAG.
45Auf dieser Grundlage war der in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisantrag zu 1 für die Entscheidung des Senats unerheblich. Die interne Willensbildung der Vorhabenträgerin zu der Frage, ob ein Erdkabelabschnitt beantragt werden soll, hat keine Bedeutung für die Abwägung der Planfeststellungsbehörde.
46bb) Der Kläger hält für den Leitungsverlauf im Bereich der S.straße zwar eine von der Bestandstrasse nach Osten abgerückte optimierte Freileitungstrasse für richtig. Er ist jedoch der Auffassung, eine Verschwenkung noch weiter nach Osten zum Waldrand hin dränge sich auf, um durch den so weiter vergrößerten Abstand zur Wohnbebauung die Auslösekriterien für ein Erdkabel auszuräumen und gleichzeitig die mittige Durchschneidung von landwirtschaftlichen Flächen zu vermeiden. Der Hinweis der Planfeststellung auf die dann durch Schutzstreifen für die Leitung erstmals betroffenen Waldflächen überzeuge nicht, weil bei der Entscheidung für die Erdkabelvariante dem Eingriff in Waldflächen für die KÜS Riesberg kein entscheidendes Gewicht beigemessen worden sei.
47Das führt auf keinen Abwägungsfehler. Eine weitere Verschiebung einer möglichen Freileitung nach Osten drängt sich nicht auf. Die Planfeststellung bietet die nachvollziehbare Begründung, eine zusätzliche Verschwenkung an dieser Stelle würde die Inanspruchnahme bisher unberührter Waldflächen erfordern, während die Führung durch den Wald ... auf bereits durch die Bestandstrasse vorbelastete Waldflächen trifft. Unabhängig davon würde eine weitere Verschwenkung zu einem stark winkeligen Leitungsverlauf führen und so deutlich dem Trassierungsgrundsatz der möglichst kurzen, gradlinigen Leitungsführung widersprechen, der nach der plausiblen Erläuterung der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung zur Erleichterung des Einzugs des Erdkabels auch für Erdkabeltrassen gilt.
48cc) Der Kläger kann die Entscheidung für das Erdkabel im Hinblick auf die technisch-wirtschaftlichen Belange nicht erfolgreich angreifen.
49Zweck des Energiewirtschaftsgesetzes ist nach § 1 Abs. 1 EnWG unter anderem die preisgünstige leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität, die zunehmend auf erneuerbaren Energien beruht. Die Kosten der Leitung sind damit in der Abwägung zu berücksichtigen ( 4 A 18.16 - Buchholz 451.17 § 43 EnWG Nr. 7 Rn. 27 f. m. w. N.). Der Vergleich zwischen einer Freileitungs- und einer Erdkabelvariante unter Kostengesichtspunkten kann regelmäßig durch die Angabe eines pauschaliert abgeschätzten Kostenverhältnisses zwischen dem Bau einer Freileitung und einem Erdkabelabschnitt ("Mehrkostenfaktor" des Erdkabels) erfolgen. Dies erlaubt eine aussagekräftigere Gegenüberstellung der Kosten als eine schnell veraltende Prognose der absoluten Kosten. Außerdem würde zusätzlicher Planungsaufwand entstehen, weil für einen Vergleich auch die abgelehnte Variante noch weiterentwickelt werden müsste.
50Die Abwägung der Planfeststellung (PFB S. 307 i. V. m. S. 280 f.) genügt diesen Anforderungen. Sie geht unter Bezugnahme auf den Netzentwicklungsplan Strom 2035 für die Höchstspannungsleitung Halle/Hesseln - Borgholzhausen/Königsholz von einem Mehrkostenfaktor des Erdkabels gegenüber einer Freileitung von 4,1 aus. Dem Gesetzgeber stand bei den Pilotvorhaben für Erdkabel vor Augen, dass ein Erdkabel deutlich teurer als eine Freileitung ist. Unter anderem deswegen hatte er die Ausgleichsregelung nach § 2 Abs. 5 EnLAG a. F. geschaffen ( 4 A 15.20 - NVwZ 2023, 678 Rn. 57). Soweit der Kläger auf die anspruchsvollen geographischen Bedingungen verweist, vermag dies kein Abwägungsdefizit aufzuzeigen. Indem der Gesetzgeber zur Erprobung von Erdkabeln deren Einsatz auch in räumlich schwierigen Abschnitten zulässt, nimmt er damit verbundene zusätzliche Kosten in Kauf. Die Behauptungen des Klägers zu einem möglicherweise höheren Mehrkostenfaktor bleiben unsubstantiiert.
51dd) Der Kläger kritisiert die Gewichtung der umweltfachlichen Belange bei der Entscheidung zwischen einem durchgehenden Freileitungsbau und einem Erdkabelabschnitt im Hinblick auf die Schutzgüter Mensch (1), Pflanzen, Tiere und biologische Vielfalt (2) sowie hinsichtlich des Schutzguts Boden (3). Das führt nicht zum Erfolg seiner Klage.
52(1) Der Kläger ist der Auffassung, der von der Planfeststellung angenommene Vorteil der Erdkabelvariante im Hinblick auf das Schutzgut Mensch bestehe so nicht. Die Schutzwürdigkeit der Anwohner sei herabgesetzt, weil sie ihre Häuser an der bestehenden Freileitung errichtet hätten.
53Die Kritik greift nicht durch. Allerdings ist eine Wohnbebauung weniger schutzbedürftig, die erst nach dem Bau einer Freileitung an diese heranrückt. Dieser Schutzbedarf entfällt aber nicht vollständig. Denn nach der gesetzgeberischen Wertung in § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 EnLAG kann die Unterschreitung der dort genannten Abstände zu bestehenden Wohngebäuden auch unterhalb der Schwelle einer Gesundheitsgefahr oder einer erdrückenden Wirkung und auch ungeachtet zeitlicher Prioritäten ein Erdkabelverlangen rechtfertigen. Außerdem würde die Belastung der vorhandenen Wohnbebauung durch die neue 380-kV-Freileitung gegenüber dem bisherigen Zustand erheblich erhöht. Die Bezugnahme auf Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 17/4559 S. 6 f.), in denen die Situation beschrieben wird, dass ein (einzelner) Anwohner einer Ausführung als Freileitung zugestimmt hat, geht fehl. Die Errichtung von Wohnhäusern in der Nähe einer bereits bestehenden Freileitung kann nicht verglichen werden mit der in den Gesetzesmaterialien angesprochenen aktiven Zustimmung eines einzelnen Anwohners zu einer Planung.
54Der Beweisantrag zu 4 war abzulehnen. Das Beweismittel ist ungeeignet. Die nur im Falle einer Freileitung zu errichtenden neuen Masten können nicht in Augenschein genommen werden. Unabhängig davon ist das Beweismittel auch nicht innerhalb der Klagebegründungsfrist bezeichnet worden.
55(2) Im Hinblick auf das Schutzgut Pflanzen, Tiere und biologische Vielfalt geht die Planfeststellung von einem Vorteil der Erdverkabelung aus. Entscheidend hierfür ist (PFB S. 305) der Vergleich zur Beeinträchtigung wertvoller Biotopbestände. Die Erdkabeltrasse führt im Umfeld des ...bachs temporär zu Beeinträchtigungen wertvoller Biotope und am ...berg zu einem Eingriff in bedeutsame Waldbestände der Wertstufe V. Dieser Gesamteingriffsfläche von rund 1,8 ha, von der sich der größere Teil langfristig wieder regenerieren kann, steht gegenüber eine Fläche von 3,3 ha bei einer Freileitung durch dauerhafte Schutzstreifenverbreiterungen und Wuchshöhenbeschränkungen in unbelasteten Waldbeständen. Diese Bewertung wird vom Vorbringen des Klägers nicht erschüttert.
56(3) Die Betroffenheit des Schutzguts Boden bei der Wahl der Erdkabelvariante ist ausreichend gewichtet worden.
57(a) Im Erdkabelabschnitt verbleibt als dauerhafte Hauptbeeinträchtigung des Bodens die Nutzungsbeschränkung im Schutzstreifen, die nur Vegetation zulässt, die nicht tiefer als 1,1 m wurzelt (PFB S. 143 ff.). Im Bereich der Kabelgräben ist eine Fläche von rund 10,2 ha betroffen, hiervon erstreckt sich mit rund 7,1 ha der überwiegende Teil auf Böden mit sehr hoher Wertstufe. Die Arbeiten für die Erdkabelaufnahme können das Bodengefüge temporär erheblich beeinträchtigen. Dies soll durch die Schutzvorkehrungen vor Verdichtungen, die schonende Lagerung des Bodens, das schichtweise Ausheben und Rückverfüllen der Kabelgräben und durch weitere Maßnahmen des Bodenschutzkonzeptes abgefedert werden (PFB S. 372 f.). Die Nebenbestimmungen 5.3.2 und 5.3.3 (PFB S. 31) ordnen eine bodenkundliche Baubegleitung sowie die Beachtung von DIN-Vorschriften zu Erdarbeiten an. Nach Nebenbestimmung 5.3.7 gelten für die Herstellung und Verwendung des Verfüllbaustoffs standardisierte technische Hinweise. Im Rahmen der Anwendung der Eingriffsregelung (§ 15 BNatSchG) wird ein Kompensationsbedarf für den Boden im Umfang von rund 5,4 ha festgestellt (PFB S. 251).
58Der Kläger kritisiert, die Wiederherstellung der natürlichen Bodenstruktur sei auf der Eingriffsfläche von 10,2 ha in überschaubaren Zeiträumen unmöglich. Der planfestgestellte Kompensationsbedarf für Böden erreiche nicht den Umfang des Eingriffs.
59Das zeigt keinen Abwägungsfehler auf. Leitungsbauvorhaben durch Erdkabel erfordern stets umfangreiche Bodenarbeiten, unabhängig von der konkreten Art der Leitung. Der Gesetzgeber hält diese Beeinträchtigungen durch Bodenarbeiten für hinnehmbar, wie der Vorrang der Erdverkabelung bei der Stromübertragung durch Gleichstromleitungen (vgl. § 3 Abs. 1 BBPlG) und die Regelung zur Stromübertragung durch Drehstromleitungen im Hochspannungsbereich (vgl. § 43h EnWG) zeigen. Verfassungsrechtlich beachtliche Zweifel an dieser Einschätzung sind nicht ersichtlich; auch die fachliche Kritik des Klägers und die gutachterlichen Ausführungen zeigen solche Zweifel nicht auf. Die Entscheidung der Planfeststellung, diese Beeinträchtigungen des Bodens im planfestgestellten Abschnitt hinzunehmen, ist rechtlich fehlerfrei. Die Planfeststellung sieht die Beeinträchtigung der Bodenstruktur und wirkt dem mit den genannten Nebenbestimmungen und den Maßnahmen des Bodenschutzkonzeptes entgegen. Sie greift dabei auf technische Regelwerke - namentlich DIN-Vorschriften - zurück, die für Eingriffe in den Boden im Zuge von Baumaßnahmen herangezogen werden können, unabhängig davon, welchen Zwecken die jeweilige Baumaßnahme dient. Warum diese technischen Regelwerke angesichts der konkreten Verhältnisse unzureichend sein sollten, zeigt der Kläger nicht auf.
60Soweit dennoch Auswirkungen bleiben, darf dies nach dem gesetzgeberischen Willen zur Erprobung des Erdkabels im Rahmen der Abwägung hingenommen werden. Die im Verhältnis zur in Anspruch genommenen Bodenfläche kleinere Kompensationsfläche ergibt sich daraus, dass die meisten der in Anspruch genommenen Flächen nicht versiegelt und deshalb nicht mit einem Kompensationsfaktor von 1 berücksichtigt werden.
61(b) Die Gefahr einer Tiefenerosion ist bei der Planung für die Verfüllung des ausgehobenen Bodens berücksichtigt worden. Die Leitungen werden in einen zeitweise fließfähigen selbstverdichtenden Verfüllbaustoff ("Flüssigboden") eingebettet. Der Flüssigboden wird soweit möglich aus dem vorhandenen Bodenaushub und im Übrigen aus zusätzlichen natürlichen Gesteinskörnungen sowie zugesetzten mineralischen Stoffen hergestellt und soll den enthaltenen Wasseranteil binden.
62Der Kläger kritisiert, der feinporige Flüssigboden im Verfüllbereich des Kabelgrabens wirke bei Starkregenereignissen als ein lokaler Staukörper im Untergrund. Deshalb sei nicht auszuschließen, dass in Hanglagen Tiefenerosion auftrete. Die Beigeladene hat dagegen überzeugend darauf hingewiesen, dass durch eine Steuerung des Bindemittelanteils im Flüssigboden die unerwünschte drainierende Wirkung der Leitungszone im Normalfall vermieden wird. Der Flüssigboden wird so hergestellt, dass er von seinen hydrogeologischen Eigenschaften dem in B. anstehenden natürlichen Boden möglichst nahekommt und im Untergrund keine neuen Wasserwegsamkeiten entstehen.
63Soweit im Zuge der Bauausführung infolge von Starkregenereignissen nach dem Vorbringen des Klägers im Schriftsatz vom gleichwohl Erosion eingetreten ist, bleibt dies im Rahmen der von der Planfeststellung berücksichtigten Probleme. Der Erosion wird - wie sich aus den vom Kläger mit dem Schriftsatz eingereichten Unterlagen ergibt - nunmehr durch zusätzliche Maßnahmen Rechnung getragen. Die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses wird durch die Kritik an der späteren Bauausführung nicht berührt.
64ee) Der Kläger zeigt keinen Abwägungsfehler bei der Behandlung der raumstrukturellen und eigentumsrechtlichen Belange auf, zu denen nach der Abwägung im Planfeststellungsbeschluss auch die Belange der Landwirtschaft gehören.
65(1) Der Beklagte geht davon aus, dass für die Landwirtschaft der Freileitungsbau günstiger ist. Ausschlaggebend sind die großflächigen Beeinträchtigungen durch die Kabelgräben, die einen temporären Verzicht auf die Bewirtschaftung und dauerhafte Bewirtschaftungserschwernisse auf rund 10,6 ha Fläche mit sich bringen (PFB S. 308).
66Beeinträchtigungen der landwirtschaftlichen Nutzung durch Bodenerwärmung sind hiernach nicht zu erwarten (PFB S. 331). Die Planfeststellung stützt sich dazu auf das Gutachten von T. "Auswirkungen der Wärmeemission von Höchstspannungserdkabeln auf den Boden und auf landwirtschaftliche Kulturen" vom , das auf insgesamt sieben Versuchen mit gängigen landwirtschaftlichen Kulturen fußt. Die an der Bodenoberfläche auftretenden Temperaturerhöhungen durch die Kabel werden auf dieser Grundlage nachvollziehbar als unerheblich angesehen. Die aus den Experimenten gewonnenen Ergebnisse sind nach dem Gutachten T. auf die Verhältnisse des vorliegenden Trassenabschnitts übertragbar. In den vom Grundwasser geprägten Bereichen werden thermische Effekte ohnehin weitgehend eliminiert. In den terrestrischen Streckenabschnitten werden sich in einer Breite von bis zu 1,5 m im Oberboden drei thermisch beeinflusste Streifen längs der Anlage ausprägen. Die Intensität der thermischen Beeinflussung wird jedoch als nur sehr gering angesehen, selbst bei Unterstellung extrem konservativer Randbedingungen werde sich die Temperaturerhöhung im Streubereich der mittleren Temperaturen eines wärmeren bzw. kälteren Jahres bewegen. Die Bodenfeuchte werde sich durch den Betrieb der Anlage nicht nachweisbar verändern, und es komme auch zu keiner erdkabelbedingten Austrocknung in der ökologisch relevanten Oberbodenzone.
67Der Kläger bezweifelt die Übertragbarkeit der Ergebnisse aus den Versuchen auf die Verhältnisse in B. Unterschiede bei den die Wärmeleitfähigkeit bestimmenden Bodeneigenschaften seien nicht ausreichend berücksichtigt. An der Versuchsanlage in Ra., die vergleichbar mit der in B. geplanten sei, habe der höchste mittlere Auslastungsgrad bei 25 % der Auslegungslast gelegen, zudem sei dort bislang kein kontinuierlicher Betrieb erfolgt. In einem Streifen direkt über dem Erdkabel seien die Bedingungen für das Pflanzenwachstum aufgrund einer kleinräumigen Erwärmung anders.
68Damit werden die Aussagen in dem Gutachten T. nicht erschüttert. Das Gutachten hat bei der 380 kV-Pilotanlage Ra. die Bezugsgröße der Auslegungslast von 25 % berücksichtigt. Danach stieg die Auslegungslast allerdings bei kurzfristig aufgetretenen Übertragungsspitzen auf bis zu 55 %. Als weitere Bezugsgröße hat es zudem die sogenannte Normallast herangezogen, die auf 60 % der Auslegungslast geschätzt wird. Bei der 380 kV-Pilotanlage Ra. wird von einer Normallast von 43 % ausgegangen (S. 42). Angesichts der abgedeckten Bandbreite der Auslastung in Ra. und in Anbetracht der Ergebnisse der Experimente in F. und O. ist nachvollziehbar, dass das Ausmaß der Erwärmung, wenngleich noch nicht abschließend, so doch tragfähig im Sinne des Gutachtens prognostiziert werden kann, zumal die Versuchsbedingungen bei dem F. Experiment und bei dem "O. Kabeltest" so konservativ gewählt waren, dass es sich bei den Ergebnissen um Extremfälle handelt, die im Normalbetrieb nicht vorkommen (S. 114). Daher ist auch plausibel, dass nach dem Gutachten T. die Erwärmung des Oberbodens bei B. deutlich geringer ausfallen wird als es der "O. Kabeltest" prognostiziert. Gleiches gilt für die Schlussfolgerungen in dem Gutachten T., dass ein signifikant früheres Reifen der Pflanzen direkt über dem Erdkabel sehr unwahrscheinlich ist und im Regelfall eine einheitliche Bewirtschaftung möglich sein wird (S. 85). Die diagonale Durchschneidung eines Flurstücks durch die Erdkabeltrasse berührt hiernach die Belange der Landwirtschaft nicht erheblich. Wider Erwarten dennoch eintretende Ertragseinbußen werden entschädigt (PFB, Nebenbestimmung 5.5.2 sowie S. 331).
69(2) Für die Forstwirtschaft sieht die Planfeststellung überzeugend einen Vorteil beim Erdkabel (PFB S. 308). Die im Wald liegenden Maststandorte und die Schutzstreifen der Freileitungsvariante mit ihren Wuchshöhenbeschränkungen nehmen dauerhaft forstwirtschaftliche Flächen im Umfang von ca. 4,8 ha in Anspruch. Die Erdkabelvariante beschränkt sich auf die dauerhafte Waldumwandlung am ...berg mit 1 ha Fläche und temporäre Inanspruchnahmen von 1,2 ha.
70(3) Im Hinblick auf die Belange des Eigentums erachtet der Beklagte das Erdkabel trotz der größeren Eingriffsintensität in der Bauphase wegen des Flächenverbrauchs für den Schutzstreifen einer Freileitung als vorteilhaft (PFB S. 310 f.). Selbst wenn im Offenland Bewirtschaftungserschwernisse und Ertragseinbußen beim Erdkabel auch nach der Rekultivierung über die gesamte Breite des Schutzstreifens aufträten, sodass diese Flächen um bis zu 50 % entwertet würden, wären insgesamt lediglich 14,7 ha Eigentumsfläche anzusetzen. Im Freileitungsschutzstreifen wären hingegen 19,8 ha von Nutzungsbeschränkungen betroffen (PFB S. 311).
71Der Kläger kritisiert, der höhere Reparaturaufwand des Erdkabels sei unberücksichtigt geblieben. Das Kabel verbleibe ferner dauerhaft im Boden, und es sei ungeklärt, was nach Ablauf der Lebensdauer des Kabels von 40 Jahren geplant sei.
72Dies zeigt keinen Rechtsfehler der Planfeststellung auf. Einzelne Erdkabel können gegebenenfalls auch zwischen zwei Muffen bzw. einer KÜS und einer Muffe neu in die im Boden verbleibenden Schutzrohre eingezogen werden, sodass ein Austausch keinen erneuten Eingriff in den Boden erfordert (PFB S. 378). Im Übrigen wird auch die Zumutbarkeit eventueller Reparaturen durch eine Entschädigung für Ertragseinbußen (PFB, Nebenbestimmung 5.5.2 S. 39 sowie S. 333) hergestellt.
73Einer Regelung im Planfeststellungsbeschluss für den Rückbau des Erdkabels bedurfte es nicht. Die Fachplanungsgesetze gebieten nicht, bereits bei der Vorhabenzulassung einen Rückbau des Vorhabens in den Blick zu nehmen ( 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 751). Die planfestgestellte Erdkabelführung dient auch dazu, Erfahrungen für die Nutzungsdauer eines Erdkabels zu gewinnen, eine Haltbarkeit von 40 Jahren stellt bisher lediglich eine auf Abschätzungen beruhende unbestätigte Prognose dar (PFB S. 378). Deshalb ist nicht davon auszugehen, dass die Planfeststellung eine bestimmte bereits im Voraus feststehende Nutzungsdauer im Blick hatte, nach deren Ablauf ein Rückbau vorzusehen wäre.
74C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2025:080125U11A23.23.0
Fundstelle(n):
EAAAJ-89240