Wohnraummiete in Berlin: Kollusives Zusammenwirken zwischen Mietinteressent und dem Geschäftsführer der vermietenden GmbH wegen Vereinbarung einer extrem niedrigen Miete bei Kenntnis des Mietinteressenten und Lebensgefährten der späteren Mieterin von einem Missbrauch der Vertretungsmacht
Leitsatz
Zum kollusiven Zusammenwirken im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB zwischen dem Vertreter des Vermieters (hier: dem Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung) und dem Mieter bei Abschluss eines Wohnraummietvertrags zum Nachteil des Vermieters sowie zur unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) durch den Mieter bei von ihm erkanntem oder sich ihm aufdrängenden Missbrauch der Vertretungsmacht (im Anschluss an , NJW-RR 2004, 247 unter II 1; vom - V ZR 305/12, NJW 2014, 2790 Rn. 17 f.; vom - IX ZR 212/19, NZI 2021, 197 Rn. 9).
Gesetze: § 138 Abs 1 BGB, § 141 BGB, § 166 BGB, § 241 Abs 1 BGB, § 242 BGB, § 280 Abs 1 BGB, § 987 Abs 1 BGB, § 990 Abs 1 BGB, § 37 Abs 2 S 1 GmbHG
Instanzenzug: Az: 64 S 105/22 Urteilvorgehend Az: 205 C 131/21
Tatbestand
1Die Beklagte zu 1 und ihr Lebensgefährte, der Beklagte zu 2, bewohnen mit ihren minderjährigen Kindern mindestens seit Dezember 2017 eine im Eigentum der Klägerin - einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung - stehende Fünfzimmerwohnung in Berlin mit einer Wohnfläche von rund 177 m². Nach dem schriftlichen Mietvertrag, der von der Beklagten zu 1 als (alleiniger) Mieterin und für die Klägerin als Vermieterin von ihrem damaligen (alleinvertretungsberechtigten) Geschäftsführer unterzeichnet wurde, sollte das Mietverhältnis zum beginnen. Die Nettokaltmiete sollte monatlich 600 € betragen, die Bruttomiete monatlich 1.010 €. Die - von ihr im Folgenden erfüllte - Mietzahlungspflicht der Mieterin sollte erst zum beginnen und die Mieterin bis dahin - "als Gegenleistung" für die im Vertrag enthaltene Verpflichtung, die Wohnung mit Ausnahme der vom Vermieter durchzuführenden Maßnahmen fachgerecht renovieren zu lassen - eine Bruttomietbefreiung erhalten.
2Die Gesellschafter der Klägerin betrieben - gestützt auf den Vorwurf einer Schädigung der Vermögensinteressen der Klägerin - die Ablösung des damaligen Geschäftsführers. Mit Schreiben vom verlangte die Klägerin, nunmehr vertreten durch ihren neuen Geschäftsführer, von der Beklagten zu 1 die Räumung und Herausgabe der Wohnung mit der Begründung, der Mietvertrag sei durch kollusives Verhalten zustande gekommen und zudem wegen der niedrigen Miete sittenwidrig. Die Beklagte zu 1 ließ dieses Begehren mit anwaltlichem Schreiben zurückweisen.
3Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, von beiden Beklagten die Räumung und Herausgabe der Wohnung und von der Beklagten zu 1 zudem die Zahlung einer Nutzungsentschädigung für das Jahr 2018. Die Beklagten verlangen im Wege der Widerklage von der Klägerin Ersatz der vorgerichtlich für die Zurückweisung des Räumungsverlangens vom Februar 2021 entstandenen Kosten der Rechtsverteidigung.
4Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage - bis auf einen Teil des Zahlungsbegehrens - stattgegeben sowie die Widerklage abgewiesen.
5Mit der vom Berufungsgericht für die Beklagten zugelassenen Revision erstreben diese die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Gründe
6Die Revision hat Erfolg. Da sie durch das Berufungsgericht für die Beklagten unbeschränkt zugelassen worden ist, ist die von ihnen zudem vorsorglich erhobene Nichtzulassungsbeschwerde gegenstandslos (vgl. , juris Rn. 7; vom - VIII ZR 226/22, NJW 2024, 2680 Rn. 19).
I.
7Das Berufungsgericht (LG Berlin [Zivilkammer 64], WuM 2023, 599) hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:
8Die Klägerin habe einen Anspruch gegen die Beklagten auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gemäß § 546 Abs. 1, § 985 BGB sowie gegen die Beklagte zu 1 auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung gemäß § 987 Abs. 1, § 990 Abs. 1 BGB.
9Der Mietvertrag sei wegen eines kollusiven Zusammenwirkens des früheren Geschäftsführers der Klägerin mit dem Beklagten zu 2 gemäß § 138 Abs. 1, 2 BGB unwirksam.Ein Fall sittenwidriger Kollusion mit der Folge einer Nichtigkeit der Abrede und des Vertretergeschäfts nach § 138 BGB liege bei einem bewussten Zusammenwirken von Vertreter und Geschäftsgegner zum Nachteil des Vertretenen vor. Für eine objektive Sittenwidrigkeit müsse der Vertreter, der zur Wahrnehmung der Interessen seines Geschäftsherrn verpflichtet sei, im Einverständnis mit dem Vertragsgegner eine Vereinbarung zum eigenen Vorteil hinter dem Rücken des Geschäftsherrn und zu dessen Schaden treffen. Der Vertragspartner müsse (subjektiv) von dem treuwidrigen Verhalten des Vertreters Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis haben. Liege auf Seiten des Vertreters ein Missbrauch der Vertretungsmacht vor und habe der Geschäftsgegner dies erkannt oder grob fahrlässig die Augen davor verschlossen, stehe dem Vertretenen der Einwand aus Treu und Glauben gemäß § 242 BGB gegen die Wirksamkeit des Geschäfts zu.
10Dies sei vorliegend der Fall. Die Vereinbarung einer Nettokaltmiete von 600 € für die Wohnung sei unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls ein Verstoß gegen die guten Sitten. Die von den Parteien vereinbarte Nettokaltmiete liege rund 60 % unter der ortsüblichen Vergleichsmiete. Diese sehr niedrige Miete sei auch nicht im Hinblick auf von den Beklagten zu leistende Renovierungsarbeiten als angemessen oder jedenfalls noch vertretbar anzusehen. Aus dem Mietvertrag ergebe sich nicht, welche konkreten Arbeiten mieterseits als Gegenleistung durchzuführen gewesen seien. Der Annahme der Sittenwidrigkeit stehe zudem nicht der Vortrag der Beklagten zu einer Unbewohnbarkeit der Wohnung im Zeitpunkt der Überlassung entgegen. Denn ihnen sei die diesbezügliche Beweisführung nicht gelungen.
11Das Fehlen der Vertretungsmacht des damaligen Geschäftsführers der Klägerin für einen derartigen Vertrag sei den Beklagten bekannt gewesen. Der Beklagte zu 2 habe Kenntnis vom treuwidrigen Verhalten des Geschäftsführers, jedenfalls aber grob fahrlässige Unkenntnis vom Missbrauch der Vertretungsmacht gehabt. Denn er habe gewusst, dass die Gesellschafter der Klägerin die Wohnung verkaufen, nicht aber hätten vermieten wollen und dass die Bedingungen des Mietvertrags "sehr sehr günstig" gewesen seien. Deshalb sei auch klar gewesen, dass die Klägerin alle möglichen Schritte zur Kündigung dieses Vertrags einleiten würde. Diese Kenntnis beziehungsweise grob fahrlässige Unkenntnis des Beklagten zu 2 müsse sich die Beklagte zu 1 nach § 166 BGB zurechnen lassen.
12Die Klägerin habe den nach § 138 Abs. 1 BGB unwirksamen Mietvertrag auch nicht dadurch gemäß § 141 BGB bestätigt, dass sie die Beklagte zu 1 nach dem Ende der zuvor bestehenden Zwangsverwaltung über das Grundstück mit dem Schreiben vom zur Zahlung der Miete auf ein bestimmtes Bankkonto aufgefordert habe. Dem Schreiben könne ein dahingehender Erklärungswert nicht beigemessen werden. Es sei offenbar ein allgemeines Anschreiben an alle Mieter gewesen, mit dem lediglich die neuen Kontodaten mitgeteilt würden. Weder werde auf das konkrete Mietverhältnis näher Bezug genommen noch würden die konkreten Mietkonditionen erwähnt oder Angaben dazu gemacht, ob man zuvor von der Nichtigkeit des Vertrags ausgegangen sei.
13Da die vorgerichtliche Räumungsaufforderung der Klägerin somit nicht unberechtigt gewesen sei, stünde den Beklagten der mit der Widerklage geltend gemachte Anspruch auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten nicht zu.
II.
14Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung in entscheidenden Punkten nicht stand.
15Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Klägerin auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung gegen die Beklagten gemäß § 546 Abs. 1, 2, § 985 BGB nicht bejaht werden.
16Die Annahme des Berufungsgerichts, der zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1 geschlossene Mietvertrag sei wegen kollusiven Zusammenwirkens des damaligen Geschäftsführers der Klägerin und des Beklagten zu 2 sittenwidrig und deshalb gemäß § 138 Abs. 1 BGB unwirksam, erweist sich als rechtsfehlerhaft. Das Berufungsgericht hat seiner Prüfung einen unzutreffenden rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt, indem es - obwohl dies für die Annahme eines kollusiven Zusammenwirkens nicht genügt - eine Kenntnis oder grobfahrlässige Unkenntnis von dem Missbrauch der Vertretungsmacht hat ausreichen lassen.
17Soweit eine solche Kenntnis oder grobfahrlässige Unkenntnis dazu führen kann, dass dem Vertragspartner eine Berufung auf die Wirksamkeit des Vertrags nach § 242 BGB versagt ist, fehlt es vorliegend an tragfähigen Feststellungen des Berufungsgerichts, um die von ihm bejahte Kenntnis beziehungsweise grobfahrlässige Unkenntnis des Beklagten zu 2 der Beklagten zu 1 als (alleiniger) Vertragspartnerin der Klägerin zurechnen zu können.
18Damit entfällt zugleich die Grundlage für den von der Klägerin gegen die Beklagte zu 1 geltend gemachten Anspruch auf Nutzungswertersatz gemäß § 987 Abs. 1, § 990 Abs. 1 BGB sowie für die Beurteilung des von den Beklagten mit der Widerklage geltend gemachten Anspruchs gemäß § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten für die vorgerichtliche Zurückweisung des Räumungs- und Herausgabebegehrens der Klägerin.
191. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verstößt ein Rechtsgeschäft, welches ein Vertreter im bewussten Zusammenwirken mit dem anderen Vertragsteil zum Nachteil des Vertretenen (kollusiv) abschließt, gegen die guten Sitten und ist nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig (vgl. nur , NJW 1989, 26 unter II; vom - VIII ZR 218/01, NJW-RR 2004, 247 unter II 1; vom - IV ZR 270/06, NJW-RR 2008, 977 Rn. 10 f.; vom - V ZR 305/12, NJW 2014, 2790 Rn. 17; vom - XI ZR 74/14, BKR 2016, 383 Rn. 22 mwN; vom - IX ZR 238/15, NJW 2017, 3373 Rn. 20 mwN; siehe auch , NZI 2021, 197 Rn. 9; vom - II ZR 220/22, NZG 2024, 452 Rn. 35 mwN).
20Auch wenn ein Fall der Kollusion nicht vorliegt, muss der Vertretene ein von seinem Vertreter abgeschlossenes Rechtsgeschäft dann nicht gegen sich gelten lassen, wenn der andere Vertragsteil den Missbrauch der Vertretungsmacht erkannt hat oder er diesen zwar nicht erkannt hat, aber nach den Umständen hätte erkennen müssen (st. Rspr.; vgl. , BGHZ 113, 315, 320; vom - VIII ZR 218/01, aaO; vom - IX ZR 51/11, NJW 2012, 2099 Rn. 11; vom - V ZR 305/12, aaO Rn. 18 mwN; vom - IX ZR 212/19, aaO; vom - II ZR 220/22, aaO). In einem solchen Fall ist der andere Vertragsteil wegen einer nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) unzulässigen Rechtsausübung gehindert, sich auf die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts zu berufen (vgl. , aaO).
212. Gemessen an diesen Maßstäben erweist sich die Beurteilung des Berufungsgerichts weder im Hinblick auf die Annahme des Vorliegens der Voraussetzungen der Vorschrift des § 138 Abs. 1 BGB (dazu nachfolgend unter a) noch im Hinblick auf eine mögliche unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB; dazu nachfolgend unter b) als frei von Rechtsfehlern.
22a) Das Berufungsgericht ist rechtfehlerhaft davon ausgegangen, dass der Mietvertrag nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig sei. Es hat keine Feststellungen getroffen, die den Schluss erlaubten, die Beklagte zu 1 als alleinige Vertragspartnerin der Klägerin habe mit der Eingehung des Mietverhältnisses über die streitgegenständliche Wohnung zu den im schriftlichen Mietvertrag enthaltenen Bedingungen im bewussten Zusammenwirken mit dem damaligen Geschäftsführer der Klägerin zu deren Nachteil (kollusiv) handeln wollen. Der angefochtenen Entscheidung lässt sich bereits nichts zum Kenntnisstand der Beklagten zu 1 hinsichtlich der den Abschluss des schriftlichen Mietvertrags begleitenden Umstände und erst recht nichts zu einer Billigung etwaiger Absprachen zwischen dem damaligen Geschäftsführer der Klägerin und dem Beklagten zu 2 oder zu einer Einbindung der Beklagten zu 1 in solche Absprachen entnehmen.
23Hinzu kommt, dass das Berufungsgericht - ungeachtet der Frage, ob das Handeln des Beklagten zu 2 der Beklagten zu 1 zugerechnet werden kann - hinsichtlich dieses von ihm im Rahmen der Prüfung nach § 138 Abs. 1 BGB in erster Linie in den Blick genommenen Handelns des Beklagten zu 2 - der weder selbst Partei des in Rede stehenden Mietvertrags ist noch in Stellvertretung für die Beklagte zu 1 eine zum Vertragsschluss führende Willenserklärung abgegeben hat - die tatsächlichen Voraussetzungen für die Annahme eines kollusiven Zusammenwirkens nicht ausreichend festgestellt hat. Soweit das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang eine (bloße) Kenntnis beziehungsweise grob fahrlässige Unkenntnis des Beklagten zu 2 von einem Missbrauch der Vertretungsmacht des damaligen Geschäftsführers der Klägerin hat genügen lassen, deutet dies darauf hin, dass es die Fälle der Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts nach § 138 Abs. 1 BGB wegen kollusiven Zusammenwirkens einerseits und der nach § 242 BGB unzulässigen Rechtsausübung wegen eines vom Vertragspartner erkannten oder sich diesem aufdrängenden Missbrauchs der Vertretungsmacht andererseits nicht hinreichend unterschieden und infolgedessen zu geringe Anforderungen an die subjektiven Voraussetzungen eines kollusiven Zusammenwirkens gestellt hat. Vor diesem Hintergrund gehen die - an das Vorliegen einer kollusiven Abrede anknüpfenden - Erwägungen der Revisionserwiderung zu einer (vermeintlich) fehlenden Schutzbedürftigkeit des begünstigten Dritten (hier der Beklagten zu 1) von vornherein ins Leere.
24b) Die bisherigen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts erlauben aber auch nicht die Annahme, die Beklagte zu 1 sei im Streitfall jedenfalls wegen eines von ihr erkannten oder sich ihr aufdrängenden Missbrauchs der Vertretungsmacht durch den damaligen Geschäftsführer gemäß § 242 BGB daran gehindert, sich auf die Wirksamkeit des in Rede stehenden Mietvertrags mit der Klägerin zu berufen.
25aa) Zwar hat der damalige Geschäftsführer der Klägerin nach dem revisionsrechtlich maßgeblichen Sachverhalt mit dem Abschluss des in Rede stehenden schriftlichen Mietvertrags mit der Beklagten zu 1 seine Befugnis zur rechtsgeschäftlichen Vertretung der Klägerin (§ 35 Abs. 1 GmbHG) missbraucht, ohne dass es hierbei auf die Erwägungen des Berufungsgerichts zur vertraglichen Ausgestaltung der Mietzahlungspflicht der Beklagten zu 1 - insbesondere zur Höhe der Nettokaltmiete und zur vereinbarten zeitweisen Bruttomietbefreiung - im Einzelnen ankäme. Denn bereits die Vornahme einer (Neu-)Vermietung der im Objekt belegenen Wohnungen und damit auch der streitgegenständlichen Wohnung als solche war - wie dem damaligen Geschäftsführer nach den rechtfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts bekannt gewesen war - von den Gesellschaftern der Klägerin zum damaligen Zeitpunkt gerade nicht beabsichtigt und lag deshalb nicht im Interesse der Gesellschaft, weil die Wohnungen im Gebäude verkauft werden sollten.
26Anders als die Revision meint, kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob die Gesellschafter diesbezüglich bereits eine abschließende Willensbildung in Gestalt eines Gesellschafterbeschlusses erzielt - und hierdurch mit Wirkung für das Innenverhältnis die Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers nach § 37 Abs. 1, 2 GmbHG beschränkt - hatten. Der Geschäftsführer darf seine Vertretungsmacht auch nicht gegen den mutmaßlichen Willen der Gesellschafter gebrauchen (vgl. , NJW 1984, 1461 unter 2 b; Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl., § 37 Rn. 8); selbst im Falle einer - wie die Revision geltend macht - nur "vage gebliebenen Absicht" der Gesellschafter zu einem Verkauf unvermieteter Wohnungen hätte die Vermietung an die Beklagte zu 1 gänzlich unterbleiben oder der damalige Geschäftsführer der Klägerin die Angelegenheit den Gesellschaftern zur Entscheidung vorlegen müssen (vgl. Altmeppen, aaO; MünchKommGmbHG/Stephan/Tieves, 4. Aufl., § 37 Rn. 139, 142, 144).
27bb) Indessen wirkt sich die Missachtung der internen Beschränkungen durch den damaligen Geschäftsführer der Klägerin unter Zugrundelegung der vom Berufungsgericht bisher getroffenen Feststellungen im Außenverhältnis zur Beklagten zu 1 als Vertragspartnerin der Klägerin nicht aus. Die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts erlauben nicht den Schluss darauf, dass die Beklagte zu 1 einen Missbrauch der Vertretungsmacht durch den damaligen Geschäftsführer bezogen auf die Überlassung der streitgegenständlichen Mietwohnung zu den Bedingungen des schriftlichen Mietvertrags erkannt hatte oder hätte erkennen müssen.
28(1) Derjenige, der - wie hier die Beklagte zu 1 - einen Vertrag mit einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung abschließen will, braucht sich grundsätzlich nicht darum zu kümmern, ob der Geschäftsführer die sich aus dem Innenverhältnis ergebenden Schranken seiner Befugnis einhält; Nachforschungen hierüber sollen dem redlichen Geschäftsverkehr erspart bleiben (vgl. nur , NJW 1984, 1461 unter 2 b; vom - I ZR 6/16, NZG 2018, 221 Rn. 21 mwN). Die Vertretungsmacht des Geschäftsführers ist gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 GmbHG im Außenverhältnis grundsätzlich unbeschränkt und unbeschränkbar. Das Risiko einer missbräuchlichen Verwendung der Vertretungsmacht hat grundsätzlich der Vertretene zu tragen (vgl. , NJW 2012, 1718 Rn. 22; vom - IX ZR 238/15, NJW 2017, 3373 Rn. 20; vom - II ZR 220/22, NZG 2024, 452 Rn. 35; jeweils mwN).
29Die im Interesse des Verkehrsschutzes angeordnete rechtliche Unbeachtlichkeit von Beschränkungen der Vertretungsbefugnis gegenüber dem Vertragspartner gilt jedoch nicht ausnahmslos. Das Vertrauen des Geschäftspartners auf den Bestand des Geschäfts ist nicht schutzwürdig, wenn er weiß oder es sich ihm geradezu aufdrängen muss, dass der Geschäftsführer seine Vertretungsmacht missbraucht. In einem solchen Fall kann er aus dem formal durch die Vertretungsmacht des Geschäftsführers gedeckten Geschäft keine vertraglichen Rechte oder Einwendungen herleiten (vgl. , aaO, Rn. 22; vom - II ZR 364/18, BGHZ 220, 354 Rn. 40; vom - IX ZR 212/19, NZI 2021, 197 Rn. 9; vom - II ZR 220/22, aaO; jeweils mwN).
30(2) Im Streitfall erlauben die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht den Schluss darauf, dass die Beklagte zu 1 als Vertragspartnerin der Klägerin einen Missbrauch der Vertretungsmacht durch den damaligen Geschäftsführer bezogen auf die Überlassung der streitgegenständlichen Mietwohnung zu den Bedingungen des schriftlichen Mietvertrags erkannt hatte.
31Das Berufungsgericht hat insoweit lediglich eine Kenntnis des - nicht als Partei am Mietvertrag beteiligten - Beklagten zu 2 von einer pflichtwidrigen Ausübung der Vertretungsmacht des damaligen Geschäftsführers der Klägerin aus bestimmten, dem Beklagten zu 2 nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bekannten Umständen - der fehlenden Vermietungsabsicht der Gesellschafter der Klägerin, den günstigen Bedingungen des Mietvertrags sowie einem Konflikt der Gesellschafter - hergeleitet. Diese Kenntnis hat es der Beklagten zu 1 nach der Vorschrift des § 166 BGB zugerechnet. Indessen fehlt es - wie die Revision mit Recht rügt - an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für eine solche Wissenszurechnung.
32(a) Unter Zugrundelegung der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen war der Beklagte zu 2 beim Abschluss des Mietvertrags nicht als Stellvertreter der Beklagten zu 1 im Sinne der §§ 164 ff. BGB aufgetreten, so dass die Vorschrift des § 166 BGB unmittelbar keine Anwendung findet. Die Beklagte zu 1 hat vielmehr die auf den Vertragsschluss mit der Klägerin gerichtete Willenserklärung selbst und nur für sich abgegeben; allein sie und der damalige Geschäftsführer der Klägerin haben den Mietvertrag unterschrieben.
33(b) Der Beklagten zu 1 ist eine (etwaige) Kenntnis des Beklagten zu 2 auch nicht aufgrund einer entsprechenden Anwendung des § 166 BGB zuzurechnen.
34(aa) Zwar muss sich eine Person das Wissen eines Dritten entsprechend § 166 Abs. 1 BGB und mit Rücksicht auf Treu und Glauben (§ 242 BGB) dann als eigenes Wissen zurechnen lassen, wenn sie den Dritten mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten in eigener Verantwortung betraut hat; in diesen Fällen ist der Dritte als ihr "Wissensvertreter" zu behandeln (st. Rspr.; vgl. nur , NJW 2011, 2874 Rn. 26; vom - III ZR 298/11, NJW 2013, 448 Rn. 19; vom - XI ZR 98/22, NJW 2023, 3790 Rn. 22; jeweils mwN). Die hierauf gegründete Zurechnung umfasst nicht nur das positive Wissen des Wissensvertreters, sondern auch seine leichtfertige oder grob fahrlässige Unkenntnis (vgl. , aaO; vom - VI ZR 186/17, NJW 2020, 2534 Rn. 15; jeweils mwN).
35(bb) Eine Wissenszurechnung auf dieser Grundlage scheidet im Streitfall jedoch aus, weil nach dem revisionsrechtlich maßgeblichen Sachverhalt nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Beklagte zu 1 den Beklagten zu 2 mit der Erledigung bestimmter Aufgaben in Bezug auf die Anmietung der Wohnung bei der Klägerin in eigener Verantwortung betraut hatte. Tatsächliche Feststellungen, die den Schluss darauf erlaubten, dass die Beklagte zu 1 den Beklagten zu 2 im Vorfeld des Vertragsabschlusses in diesem Sinne als Verhandlungsführer oder -gehilfen eingesetzt und sich bei den Vertragsverhandlungen oder der Vorbereitung des Vertrags selbst seiner Hilfe bedient hätte (vgl. hierzu , NJW 1992, 899 unter II 3; vom - V ZR 119/20, NJW 2021, 3781 Rn. 22 mwN; Senatsbeschluss vom - VIII ZR 315/19, NJW 2020, 3312 Rn. 17), hat das Berufungsgericht nicht getroffen.
36Sollte der Beklagte zu 2 hingegen ohne Vertretungsmacht oder ohne Auftrag der Beklagten zu 1 gehandelt haben, bedürfte es für eine Wissenszurechnung des Bestehens konkreter Anhaltspunkte dafür, dass sein Tätigwerden der Beklagten zu 1 bekannt war und von ihr wenigstens gebilligt wurde (vgl. hierzu , NZI 2023, 827 Rn. 20 mwN). Auch hierzu fehlen (hinreichende) Feststellungen.
37Vom Vorliegen dieser Voraussetzungen kann - entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung - auch nicht allein wegen einer persönlichen Nähe der beiden Beklagten und des Umstands, dass beide mit den gemeinsamen Kindern in der betreffenden Wohnung leben, ausgegangen werden. Denn die vorgenannten Grundsätze erfahren keine Ausnahme, wenn und soweit es um die Wissenszurechnung eines Ehegatten (vgl. , NJW 2013, 448 Rn. 20) oder - wie hier - nichtehelichen Lebensgefährten geht (vgl. MünchKommBGB/Schubert, 10. Aufl., § 166 Rn. 130 mwN). Die hiernach erforderliche willentliche und bewusste Einschaltung des Dritten als Wissensvertreter darf nicht schlicht vermutet, sondern muss vom Tatrichter auf der Grundlage hinreichend tragfähiger Anhaltspunkte festgestellt werden (vgl. , aaO Rn. 23; vom - IX ZR 116/21, aaO).
38(3) Auf der Grundlage der bislang vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen kann - wie die Revision mit Recht rügt - auch nicht angenommen werden, die Beklagte zu 1 hätte einen in der Überlassung der Mietwohnung zu den Bedingungen des schriftlichen Mietvertrags liegenden Missbrauch der Vertretungsmacht durch den damaligen Geschäftsführer der Klägerin erkennen müssen. Auf den Erkenntnisstand des Beklagten zu 2 kommt es insoweit nicht an, da dieser nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht die Stellung eines Wissensvertreters im Sinne des § 166 BGB hatte (siehe oben unter 2 b bb (2) (b)).
39(a) Da grundsätzlich der Vertretene das Risiko eines Vollmachtsmissbrauchs zu tragen hat, setzt der Einwand einer unzulässigen Rechtsausübung gegenüber dem Geschäftsgegner eine auf massiven Verdachtsmomenten beruhende objektive Evidenz des Missbrauchs der Vertretungsmacht voraus (vgl. , NJW 2012, 1718 Rn. 21; vom - V ZR 305/12, NJW 2014, 2790 Rn. 18; vom - XI ZR 74/14, BKR 2016, 383 Rn. 22; vom - IX ZR 238/15, NJW 2017, 3373 Rn. 20; jeweils mwN; vom - IX ZR 212/19, NZI 2021, 197 Rn. 9; vom - II ZR 220/22, NZG 2024, 452 Rn. 35). Diese objektive Evidenz ist insbesondere dann gegeben, wenn sich nach den gegebenen Umständen die Notwendigkeit einer Rückfrage des Geschäftsgegners bei dem Vertretenen geradezu aufdrängt (, aaO mwN; vom - IX ZR 238/15, aaO; vom - II ZR 220/22, aaO).
40(b) Eine dahingehende Prüfung hat das Berufungsgericht bezogen auf die Beklagte zu 1 nicht vorgenommen. Zwar kann das Revisionsgericht die Beurteilung des Vorliegens einer objektiven Evidenz des Missbrauchs selbst vornehmen, wenn die Feststellungen des Berufungsgerichts ein abgeschlossenes Tatsachenbild ergeben (vgl. , NJW 1999, 2883 unter I 2 b mwN; vom - XI ZR 74/14, BKR 2016, 383 Rn. 23, und XI ZR 483/14, WM 2016, 1437 Rn. 25). Daran fehlt es hier jedoch.
41Allein aufgrund der vom Berufungsgericht festgestellten Höhe der im Mietvertrag vereinbarten Nettokaltmiete von monatlich immerhin (noch) 600 € - bei einer Gesamtbruttomiete von monatlich 1.010 € - und der für die ersten Monate vereinbarten vollständigen Befreiung von jeglicher Mietzahlung, für die der Mietvertrag ausdrücklich eine - als Gegenleistung bezeichnete - Verpflichtung der Beklagten zu 1 zur fachgerechten Renovierung der gesamten Wohnung enthält, musste sich der Beklagten zu 1 auch angesichts der Größe der Wohnung jedenfalls nicht ohne Weiteres aufdrängen, dass die Überlassung der Wohnung in Verbindung mit der Gestaltung der beiderseitigen Vertragspflichten im Mietvertrag den Interessen der Klägerin zuwiderlaufen und der damalige Geschäftsführer der Klägerin insoweit treuwidrig handeln könnte.
III.
42Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht entscheidungsreif und daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses die erforderlichen Feststellungen treffen kann (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
43Über die mit der Klage sowie mit der Widerklage geltend gemachten wechselseitigen Ansprüche der Parteien kann auf der Grundlage der bisher vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht etwa deshalb abschließend entschieden werden, weil - aus von der Frage eines kollusiven Zusammenwirkens im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB beziehungsweise einer unzulässigen Rechtsausübung gemäß § 242 BGB unabhängigen Gründen - von dem (Fort-)Bestand des in Rede stehenden Mietverhältnisses zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1 auszugehen wäre.
44Zum einen ist in dem Schreiben der Klägerin vom - in Verbindung mit der nachfolgenden Mietzahlung seitens der Beklagten zu 1 auf das in dem Schreiben angegebene Bankkonto der Klägerin (vgl. , BGHZ 129, 371, 377; Beschluss vom - BLw 4/08, ZIP 2009, 264 Rn. 35 ff.; Staudinger/Roth, BGB, Neubearb. 2025, § 141 Rn. 14 f.; jeweils mwN) - entgegen der Ansicht der Revision keine (konkludente) Bestätigung des in Rede stehenden schriftlichen Mietvertrags im Sinne von § 141 BGB zu sehen. Ein solches bestätigendes Verhalten wäre gegebenenfalls auch bei der Frage, ob sich das Berufen der Beklagten zu 1 auf den schriftlichen Mietvertrag mit der Klägerin als unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB) darstellt, im Rahmen der hierfür vorzunehmenden umfassenden Bewertung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls (vgl. nur , BGHZ 204, 145 Rn. 24 f.; vom - II ZR 187/21, NJW 2023, 1220 Rn. 39; jeweils mwN) zu berücksichtigen.
45Die tatrichterliche Würdigung von den Parteien abgegebener Erklärungen als Bestätigung ist in der Revisionsinstanz nur beschränkt daraufhin überprüfbar, ob dabei gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind oder ob sie auf Verfahrensfehlern beruht (vgl. , NJW 1998, 2528 unter II 3; vom - XI ZR 130/02, WM 2003, 676 unter II 3 a; vom - V ZR 142/14, NZM 2016, 582 Rn. 9 f.). Einer an diesem Maßstab ausgerichteten Prüfung hält die Auslegung des Schreibens der Klägerin vom durch das Berufungsgericht jedoch stand. Insbesondere ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht das Schreiben im Hinblick auf dessen allgemein gehaltenen Inhalt und den daraus ersichtlichen Anlass für die Mitteilung der Bankverbindung für künftige Zahlungen an die Klägerin nicht als stillschweigende Kundgabe eines (eindeutigen) Bestätigungswillens seitens der Klägerin gewertet hat. Denn aus einem schlüssigen Verhalten ist ein Bestätigungswille nur zu entnehmen, wenn jeder Beteiligte das Verhalten eindeutig als Bestätigung auffassen muss, mithin jede andere den Umständen nach einigermaßen verständliche Deutung ausscheidet; sobald das Verhalten auch auf anderen Gründen beruhen kann, ist grundsätzlich eine Bestätigung nicht anzunehmen (vgl. , NJW 1971, 1795 unter II 3 e cc; vom - V ZR 266/88, BGHZ 110, 220, 223; vom - XII ZR 192/08, NJW 2010, 3362 Rn. 37; vom - VII ZR 398/21, NJW 2022, 1674 Rn. 17 [jeweils zu § 144 BGB]; siehe auch , aaO unter II 3 b dd aE).
46Zum anderen hat sich das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - noch nicht mit der Wirksamkeit der von der Klägerin erklärten Kündigungen des Mietverhältnisses vom 11. und und vom befasst.
Dr. Bünger Kosziol Dr. Schmidt
Wiegand Dr. Reichelt
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:260325UVIIIZR152.23.0
Fundstelle(n):
Nr. 16/2025 S. 1001
HAAAJ-89171